G. F. Unger 2151 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2151 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Virg Ketchum betrachtet die Männer, die mit ihm reiten. Er weiß, dass sie schnell vor die Hunde gingen und ganz und gar verloren wären, wenn er sie verlassen würde. Er beobachtet, wie sie das Bullenkalb zerteilen und das beste Stück am Bratspieß über die Glut des Feuers bringen.
Kid Pete Rannaghan, der jüngste Reiter von ihnen, beginnt den Braten langsam am Spieß zu drehen. Er ist ein hübscher, blonder, blauäugiger Junge, dem der erste Bartflaum wächst, und doch kommt er aus einem Krieg, hat getötet und kennt die Bitterkeit. Jetzt grinst er breit und sagt: »Ich habe nichts gegen Rindfleisch, gar nichts. Es ist nur mein Magen, der nicht länger mitmachen will. Und in der letzten Nacht träumte ich davon, dass mir Hörner gewachsen wären.«
»Ich träume Tag und Nacht von einem kleinen Schweinchen«, sagt Sully Sullivan, ein sehr breiter, klotziger und sicherlich gewaltig starker Mann, und seine Stimme klingt andächtig und ergriffen. »Dieses kleine Schweinchen«, spricht er weiter, »müsste auf mexikanische Art zubereitet werden, mit viel ...« Er verstummt, denn er wird sich darüber klar, dass das Gebrumme seiner Zuhörer nicht begeistert, sondern sehr drohend klingt. »Warum kann man nicht mal darüber reden?«, fragt er unschuldig ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Ohne Befehl

Vorschau

Impressum

Ohne Befehl

Virg Ketchum betrachtet die Männer, die mit ihm reiten. Er weiß, dass sie schnell vor die Hunde gingen und ganz und gar verloren wären, wenn er sie verlassen würde. Er beobachtet, wie sie das Bullenkalb zerteilen und das beste Stück am Bratspieß über die Glut des Feuers bringen.

Kid Pete Rannaghan, der jüngste Reiter von ihnen, beginnt den Braten langsam am Spieß zu drehen. Er ist ein hübscher, blonder, blauäugiger Junge, dem der erste Bartflaum wächst, und doch kommt er aus einem Krieg, hat getötet und kennt die Bitterkeit. Jetzt grinst er breit und sagt: »Ich habe nichts gegen Rindfleisch, gar nichts. Es ist nur mein Magen, der nicht länger mitmachen will. Und in der letzten Nacht träumte ich davon, dass mir Hörner gewachsen wären.«

»Ich träume Tag und Nacht von einem kleinen Schweinchen«, sagt Sully Sullivan, ein sehr breiter, klotziger und sicherlich gewaltig starker Mann, und seine Stimme klingt andächtig und ergriffen. »Dieses kleine Schweinchen«, spricht er weiter, »müsste auf mexikanische Art zubereitet werden, mit viel ...« Er verstummt, denn er wird sich darüber klar, dass das Gebrumme seiner Zuhörer nicht begeistert, sondern sehr drohend klingt. »Warum kann man nicht mal darüber reden?«, fragt er unschuldig ...

Sie blicken ihn stumm an und erwidern nichts auf seine Frage. Erst nach einer Pause sagt der krummbeinige Kirby Dunn, dessen roter Haarschopf dringend der Schere bedarf: »Wenn wir über etwas reden, dann darüber, wie wir zu den Mitteln gelangen können, die uns gestatten, in einem feinen Restaurant die Speisekarte einmal rauf und runter zu essen.« Er macht eine sehr bezeichnende Bewegung mit Daumen und Zeigefinger, die überall in der Welt verstanden wird, wo es Geldmünzen gibt.

Nachdem er es gesagt hat, denken sie eine Weile nach. Und dann, wie auf ein stillschweigendes Einverständnis, blicken sie auf Virgil Ketchum. Denn er ist ihr Anführer.

Außer Kid Pete Rannaghan, Kirby Dunn und Sully Sullivan gehört noch Jim Sheppard dazu. Er ist der typische Texaner, lang, hager, zäh, breit in den Schultern und mit einer Mädchentaille.

Das sind sie also, Virg Ketchum und vier Reiter.

Sie tragen noch die Uniformen der geschlagenen Südarmee, doch statt der gelben Litzen und den Abzeichen der einstigen Konföderierten-Armee haben diese Uniformen eine schwarze Paspelierung, und die Kokarden an ihren Hüten sind ein goldenes Q auf schwarzem Grund, welches eine gewollte Ähnlichkeit mit einem Totenkopf hat.

Dies ist die Uniform und sind die Abzeichen von Colonel Quantrills Guerilla-Truppe, die seit einigen Tagen nicht mehr besteht. Denn vor wenigen Wochen kapitulierte unter General Lee die Konföderierten-Armee bei Appomattox. Das war am 9. April 1865.

Der Krieg ist aus. Sie sind bereits viele Tage unterwegs nach Nordwesten. Sie wollen sich nicht stellen. Sie glauben nicht daran, dass man sie wie normale Kriegsgefangene behandeln und bald wieder entlassen würde.

Nein!

Denn verschiedene Abteilungen der Quantrill-Armee hatten da und dort schlimm gehaust, hatten geplündert und gemordet und waren nichts anderes gewesen als Banditen, die unter dem Deckmantel, Freischarkämpfer zu sein und als Guerillas für den Süden zu kämpfen, schlimme Untaten begingen, die nichts anderes als Verbrechen waren.

Virg Ketchum betrachtet sie nacheinander, und er weiß, warum sie ihn nun so forschend und erwartungsvoll anblicken.

Reden wie diese soeben wurden während der letzten Tage schon oft gehalten. Und fast immer endeten diese Reden mit dem Ergebnis, dass man sich Geld beschaffen müsste, um sich einige Freuden auf dieser Welt kaufen zu können.

Virg Ketchum weiß, dass seine Gefährten gerne einen größeren Coup landen würden, und sie wären dabei nicht sehr wählerisch. Sie würden die erstbeste Gelegenheit wahrnehmen.

Ja, er weiß, dass sie auf dem besten Wege sind, Banditen zu werden.

Virg Ketchum ist ein großer, geschmeidiger und schlanker Mann, dunkelhaarig und hat ein dunkles, ruhiges und ernstes Gesicht. Seine Augen sind merkwürdig hell – von der Farbe wie Morgennebel oder blauer Rauch.

Er war Unterführer bei Colonel Quantrill und führte eine Abteilung, die hier in Kansas mehrmals die Kansas-Bahn unterbrach und ihre Vollendung verhinderte oder zumindest verzögerte.

Sie wurden gehetzt und gejagt, lebten im Verborgenen und führten einen echten Guerilla-Krieg.

Es war ein Leben voller Entbehrungen, aber sie waren voller Ideale. Sie alle sind Südstaatler und wollten, dass der Süden den Krieg gewinnen würde. Dann aber war alles umsonst. All die Opfer und Entbehrungen waren nutzlos.

Und nun sind sie hungrig nach all den angenehmen und guten Dingen des Lebens.

Ja, sie werden Banditen sein, sobald sie eine gute Gelegenheit finden.

Aus dieser Erkenntnis und aus diesem Wissen heraus spricht Virg Ketchum zu ihnen: »Nun gut! Wir werden in die nächste Stadt reiten und uns dort bei den Behörden melden. Und obwohl man uns dann gewiss einige Wochen lang festhalten wird, werden wir am Ende doch entlassen. Denn gegen uns liegen keinerlei unehrenhafte Dinge vor. Wir haben hinter dem Rücken der Yankees wie Soldaten gekämpft und die Regeln beachtet. Ihr solltet mir vertrauen und mit mir zur nächsten Kommandantur der Unions...«

Weiter kommt er nicht. Denn sie rufen vierstimmig: »Niemals!«

Und Kirby Dunn fügt für alle hinzu: »Wir glauben den Versprechungen der Yankees nicht. Diese glattzüngigen Lügner wollen uns nur in die Hände bekommen. Und wenn sie uns haben, werden sie unsere Haut in Streifen schneiden. Wir haben ihnen eine Menge Schaden zugefügt. Sie werden uns wie Banditen behandeln. Virg, wenn du nicht länger mit uns reiten kannst, dann trenne dich. Dann stelle dich allein. Wenn du Angst davor hast, einem reichen Burschen die Geldtasche zu leeren, dann lass es bleiben. Doch ich denke mir, dass wir uns eine hübsche Postkutsche aussuchen sollten. Vielleicht könnten wir sogar einen Zahlmeister der Unions-Armee erleichtern und ...«

»Das wäre ein Spaß«, sagt Kid Pete Rannaghan schnell dazwischen.

Sully Sullivan und Jim Sheppard nickten.

»Wir brauchen Geld«, sagt Jim Sheppard kühl und schleppend. »Wir wollen hinauf ins Goldland von Montana, nicht wahr? Dort in der Last Chance Gulch wollen wir Gold suchen. Ich denke, dass wir nicht zu spät kommen sollten. Aber bis nach Montana ist es noch weit. Wir brauchen Kleidung, Proviant und all die vielen anderen Dinge. Virg, wir werden ohne dich einen Coup landen, wenn du nicht mit uns einverstanden bist. Wir haben nun genug!«

Er verstummt etwas erregt, und diese Erregung ist außergewöhnlich bei ihm, wirkt er doch sonst stets so kühl und kalt, als könnte ihn niemals etwas aus der Ruhe bringen.

Aber gerade an der Tatsache, dass selbst dieser kühle Jim Sheppard so erregt wurde, erkennt Virg Ketchum, dass seine kleine Mannschaft dabei ist, auseinanderzubrechen.

Er weiß nun, dass er sie jetzt nicht länger davon abhalten kann, Banditen zu werden.

Er erhebt sich langsam. Und er betrachtet sie forschend. Sie alle haben ein seltsames Lächeln auf den Lippen. Es ist ein Lächeln, welches Leichtigkeit, Sorglosigkeit und Lässigkeit vortäuschen soll. Dieses Lächeln soll ihm sagen, dass es ihnen nichts ausmacht, wenn er sich von ihnen trennt.

Und dennoch spürt er, dass sie innerlich angespannt und voller Sorge sind. Sie werden ihn sehr vermissen. Er wird ihnen fehlen wie der große Bruder. Und ohne ihn werden sie sich verlassen vorkommen.

»Ihr solltet auf mich hören«, sagt er heiser. »Irgendwie und irgendwo bekommen wir unsere Chance, unsere ehrliche und gute Chance. Wir müssen nur noch eine Weile reiten und warten. Und wir leiden da auch keinen Hunger. Ich ...«

»Heiliger Rauch!« So brüllt Kirby Dunn los. »Ich will einmal richtig essen können! Suppe! Hammelbraten mit grünen Bohnen, Kartoffeln, Apfelkuchen. Und ich will einen Whisky trinken und ein hübsches Mädchen sehen. Und ich will diesen verteufelten Krieg nicht bezahlen – ich nicht. Ich habe keinen Dollar in der Tasche. Aber es gibt Leute, die haben die Taschen voll. Und das finde ich nach einem Krieg ungerecht. Nun also!«

Virg blickt ihn an. Dann schaut er in die Gesichter der Kameraden. Er erkennt in ihren Augen einen seltsamen Glanz.

Sie sind wie vier Wüstenwölfe, die rohes Fleisch wittern, denkt er. Und dann nimmt er wortlos seinen Sattel und geht zu dem Pferd. Er sattelt, sitzt auf – und blickt noch einmal auf die vier Gefährten.

»Viel Glück, Jungs!«, sagt er. »Ich stelle mich in der nächsten Stadt der Union. Und ich bitte euch, mit mir zu kommen.«

Sie erwidern nichts.

Da reitet er davon.

Am nächsten Tag erblickt er die kleine Stadt in der Ferne. Sie ist nicht groß, doch sie liegt am Kreuzungspunkt zweier Wagenstraßen. Es wird dort deshalb eine größere Poststation mit Pferdewechsel und einen Frachtwagenhof geben.

Und wenn diese beiden Einrichtungen in einer Stadt vorhanden sind, dann wird dort auch – dies weiß Virg Ketchum aus Erfahrung – eine kleine Truppe Unions-Kavallerie stationiert sein, die die Verbindung zu den nächsten Städten aufrecht hält.

Etwa zwanzig Minuten später erreicht er die ersten Häuser des Ortes und reitet langsam in die kleine Stadt hinein. Er weiß, dass er die hiesige Kommandantur sicherlich an der Hauptstraße finden wird.

Sein Einreiten wird natürlich bemerkt.

Einen Moment spürt er Sorge und ein Bedauern, dass er in diese Stadt ritt, um sich zu stellen. Doch dann sagt er sich, dass die Soldaten der Union ihn wie einen regulären Kriegsgefangenen behandeln müssen, so verspricht es jedenfalls der Aufruf.

Aber er hört bald die Verwünschungen und Drohungen, die ihm aus den sich bildenden Gruppen der Bürger zugerufen werden.

Und dann bekommt er den ersten Stein von hinten zwischen die Schulterblätter. Und die Kinder und Halbwüchsigen johlen laut auf und beginnen dann alle aus allen Richtungen nach ihm zu werfen.

Virg Ketchum spornt sein müdes Pferd nun schärfer an, und sein schweifender Blick sucht nach der Kommandantur. In ihm sind Bitterkeit und ein anwachsender Zorn.

Doch dann kommt er auf einen kleinen Platz, erkennt rechts von sich das Stadthaus und sieht die Flagge der Union.

Ein Posten steht dort vor dem Eingang. Ein Offizier tritt jetzt hervor, stutzt leicht und richtet sich dann straffer und gerader auf. Er starrt Virg Ketchum entgegen.

Der Posten nimmt sein Gewehr herunter, legt den Kolben an die Hüfte und richtet so die Mündung auf Virg.

Virg hebt die Hände bis in Schulterhöhe, und ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen, steigt er ab, leicht und geschmeidig.

Er tritt auf den Plankengehsteig und sagt laut und präzise: »Sir, ich ergebe mich hiermit der Union und beziehe mich auf den erlassenen Aufruf, der alle Guerilla-Kämpfer betrifft, insbesondere die Überreste von Colonel Quantrills Armee. Ich ergebe mich, so wie es das Gesetz verlangt.«

Inzwischen haben sich die Menschen der Stadt in der Runde angesammelt.

Der Offizier – es ist ein First Lieutenant – nickt nur leicht. Er verzichtet auf einen militärischen Gruß. Er wendet jetzt den Kopf und ruft durch die offene Tür ins Haus hinein: »Sergeant! Rauskommen und diesen Banditen festnehmen!«

Ein bulliger und narbengesichtiger Sergeant mit einer roten Trinkernase im verwüsteten Gesicht taucht auf.

»Yes, Sir!« Er sagt es heiser und kehlig. Und dann stößt er Virg Ketchum vor sich her

Im Sheriff's Office hat sich die Stadtkommandantur eingerichtet. Außer dem Sergeant gibt es hier noch einen Corporal als Schreiber, und in einem kleinen Nebenraum, der als Wachstube dient, sitzt noch ein Soldat, der sich wohl mit dem Posten vor der Tür alle zwei Stunden ablöst.

Diese beiden Soldaten – also der Corporal und der wachfreie Posten – kommen auf einen kurzen Ruf des Sergeants herbei. Und von draußen tritt der Lieutenant wieder herein und schließt die Tür mit einem Knall hinter sich.

Er lehnt sich von innen leicht dagegen und hat ein hartes, kaltes und mitleidloses Lächeln auf den dünnen Lippen. Er ist ein schlanker, dunkler und etwas bleich und blass wirkender Mann.

»Wer bist du, Bandit?« So fragt er mit kalter Sanftheit, die etwas Hinterhältiges und Drohendes hat, lauernd und gefährlich.

»Lieutenant Virgil Morgan Ketchum aus Colonel Quantrills Freiwilligen-Armee. Ich habe seit Monaten hier in Kansas mit einer kleinen Abteilung operiert, vornehmlich an der Kansas-Bahn, in Uniform und unter Beachtung der Kriegsregeln. Ich verbitte mir, dass Sie mich als Banditen bezeichnen, Sir, und ...«

Weiter kommt Virg Ketchum nicht.

Denn der Lieutenant nickte indes seinem Sergeant zu.

Dieser schnalzt mit der Zunge.

Und dann fallen er, der Corporal und der Soldat über Virg Ketchum her.

Er bekommt die schlimmsten Prügel seines Lebens. Seine Peiniger sind Schläger, die dieses »Handwerk« verstehen und nicht zum ersten Mal einen Mann zerschlagen.

Er erwacht dann später unter Schmerzen in einer Zelle, setzt sich mühsam auf und blickt sich um.

Eine Lampe brennt trübe in dem Zellenraum.

In der benachbarten Zelle steht ein Mann hinter den Gitterstäben und blickt zu ihm herüber.

»Mich haben sie genauso bearbeitet«, sagt der Mann. »Diese Schufte hier behandeln uns schlimmer als Banditen.« Er grinst, beugt sich vor und zischt leiser: »Doch sie bekommen es zurück, verlass dich drauf, Virg Ketchum. Diese Hundesöhne bekommen es zurück! Und ich staune schon eine Weile darüber, dass du dich tatsächlich freiwillig ergeben hast und wahrhaftig daran geglaubt zu haben scheinst, hier eine anständige Behandlung und eine richtige Gefangennahme zu erhalten.«

»Ich habe immer fair und nach den Regeln gekämpft«, murmelt Virg Ketchum. Und dabei betrachtet er den Mann und erinnert sich, ihn schon einige Male gesehen zu haben.

Ja, auch dieser Bursche gehörte zu Quantrills Armee. Vor langer Zeit, als die einzelnen Abteilungen noch als Truppe operierten, gehörte dieser Bursche zur E-Kompanie. Daran erinnert sich Virgil Ketchum.

»Wie kommst du in diese Gegend und in diese Zelle?«, fragt er seufzend und mit einem kaum verborgenen Stöhnen in der Kehle.

»Wir sind unterwegs«, sagt der Bursche noch leiser. »Wir wollen alle nach Montana. Wir kommen von Texas herüber. Bill Anderson führt uns.«

Als Virg dies hört, weiß er Bescheid. Bill Anderson ist ein besonders berüchtigter Unterführer von Quantrills Guerillas. Bill Anderson hat schon mehr als einmal eine Stadt überfallen und ausgeplündert, und er hat schon oft Quantrills Befehle nicht beachtet oder auf seine Art ausgelegt.

Virg Ketchum hält einige Sekunden lang den Atem an. Dann fragt er ahnungslos: »Und warum bist du hier?«

»Das war so gewollt«, grinst der Bursche. »Ich kam her geritten und stellte mich. Sie verprügelten mich so wie dich. Und dann fragten sie mich, ob dort, von wo ich komme, noch mehr von meiner Sorte wären. Ich sagte ja und beschrieb ihnen den Weg. Darauf ritten fast alle hier stationierten Blaubäuche unter der Führung des Second Lieutenants hinaus, um Gefangene zu machen. Sie werden weit reiten müssen und können vor morgen Abend nicht wieder zurück sein.«

Er bricht ab, denn die Tür wird aufgestoßen. Ein Mann kommt herein, der zwei Revolver in den Händen trägt. Es ist ein grinsender und bärtiger Bursche, der halb in Uniform und halb in Zivil gekleidet ist.

Er sagt: »Na, da bist du ja, Bottle-Jack! Es ging alles so, wie es geplant war. Wir sind schon in der Stadt und ...«

Einige Schüsse krachen dumpf und hallend durch das Haus.

»Den Wächter draußen konnten wir zusammenschlagen«, sagt der bärtige Bursche und nimmt den Schlüssel vom Haken. »Doch jetzt mussten sie wohl den Lieutenant im Bett erschießen. Uns gehört die Stadt. Die Jungs werden gleich viel Spaß haben und lustig sein. Wen haben wir denn da in der anderen Zelle?«

Der Mann kommt nun an die Gittertür von Virgs Zelle und schließt sie ebenfalls auf.

»Hoii, jetzt weiß ich es«, sagt er und grinst wieder auf seine blitzende Art, die jedoch durchaus nichts Freundliches hat.

»Das ist ja Virgil Ketchum! Black Virg! Ho, das ist aber ein Zufall! Ich konnte dich gar nicht erkennen, weil sie dein Gesicht ziemlich schlimm bearbeitet haben. Nun, wir sind ja alle gute Freunde. Und du brauchst dich nicht einmal zu bedanken, dass wir dich aus der Zelle lassen!«

Draußen auf der Straße und in den Gassen ist es nun sehr laut. Es wird mehrmals geschossen und es gellen scharfe Rufe. Eine Frauenstimme beginnt ganz in der Nähe schrill zu schreien, aber dann bricht diese Stimme jäh ab.

Bottle-Jack sagt grinsend zu Virgil: »Nun, habe ich es dir nicht gesagt? Jetzt gehört uns die Stadt. Wenn du Bill Anderson siehst, so kannst du ihm dennoch ein Dankeschön sagen, nicht wahr?«

Er verlässt den Zellenraum.

Virg folgt ihm.

Im Office öffnen sie einen Schrank und finden hier genügend Waffen. Auch Virg bewaffnet sich mit seinem Revolver, den man ihm abgenommen hatte. Er findet dann in der Ecke noch eine Schrotflinte und sucht sich Munition dafür. Bottle-Jack hat das Stadthaus inzwischen schon verlassen.

Virg folgt ihm erst einige Minuten später. Draußen vor der Tür liegt der Posten. Er wurde mit einem Gewehrkolben zusammengeschlagen.

In der Stadt krachen wieder einige Schüsse. Die Häuser und Geschäfte und vor allen Dingen die Lokale sind alle erleuchtet. Virg erblickt da und dort einige Männer, die mit schussbereiten Revolvern in den Häusern verschwinden.

Virg Ketchum geht die Straße entlang und erreicht den Mietstall. Er geht hinein. Eine Laterne brennt.

Im Vorraum liegt ein Soldat neben einer Futterkiste. Er ist tot – erschossen.

Der Mietstall ist Stall für die Armee-Abteilung geworden. Einige Pferde stehen noch in den Boxen.

Auch sein Pferd ist dabei, denn es ist ein einst erbeutetes Tier der Unions-Kavallerie. Er schnauft erleichtert und sattelt es. Niemand kommt und stört ihn.

Doch als er aus dem Mietstall kommt, hört er wieder Lärm auf der Straße.

Eine Gruppe von Menschen wird von drei Banditen herbeigetrieben. Es sind etwa ein halbes Dutzend Männer und drei Frauen. Eine der drei Frauen ist jung, ein Mädchen noch. Doch sie geht sehr stolz und sehr beherrscht zwischen den alten Männern. Sie zeigt keinerlei Furcht oder Verzweiflung.

Virg fragt einen der drei Banditen: »He, wohin bringt ihr diese Leute?«

»Ins Gefängnis! Es sind unsere Geiseln. He, du bist doch Virg Ketchum, nicht wahr? Du sollst zu Bill Anderson kommen. Er hat sein Quartier im Hotel genommen. Er will dich sehen und sprechen!«

Virg zögert. Er hält zu Pferde mitten auf der Straße und blickt der Menschengruppe nach.

Sie haben alle gehört, wie man meinen Namen nannte, denkt er bitter. Und dann bin ich mit drinnen. Diese Bürger werden später aussagen, dass ich mit dabei war.

Er zieht sein Pferd herum und reitet durch eine Gasse seitlich aus der Stadt. Es ist eine helle Nacht. Mond und Sterne leuchten jetzt klar und prächtig. Doch es ist eine kalte Pracht, ohne Wärme.

Der Pfad, der als Verlängerung der Gasse irgendwohin in die Hügel führt, verläuft dicht an einem Wäldchen vorbei.

Ein Pferd schnaubt. Virg entdeckt nun einige Reiter unter den Bäumen, gut im Schatten verborgen. Er hält an und vermutet, dass es vielleicht noch Reiter von Bill Andersons Bande sind, die irgendwie ihre Kumpane absichern.

Doch als er verhält, kommen die Reiter unter den Bäumen hervor.

Es sind vier Reiter.

Und Kirby Dunns wilde Stimme sagt heiser und erregt: »Da ist uns eine Bande zuvorgekommen, nicht wahr? Wir stießen vor Anbruch der Dunkelheit auf die Spur. Und jetzt hören wir den Lärm. Virg, sag uns, was da in der Stadt los ist. Es müssen wohl Freunde sein, denn sonst kämst du doch wohl nicht ...«

»Gute Freunde«, unterbricht ihn Virg Ketchum bitter.

Im Mondlicht kann er seine einstigen Gefährten gut betrachten. Es entgeht ihm nicht, dass sie gierig und lüstern nach Beute wie Wölfe sind.

Er kann sie gut verstehen. Sie haben Hunger nach allen Dingen des Lebens. Aber dennoch ...