G. F. Unger Sonder-Edition 101 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 101 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Dies ist die fesselnde Geschichte der schönen Sue Canon und ihrer drei Söhne, die vor keinem Verbrachen zurückscheuen, um ihre Macht am Missouri ins Unermessliche zu steigern. Die Canons treibt bei all ihrem verderblichen Tun ein unversöhnlicher, zerstörerischer Hass, der sich irgendwann gegen sie selbst richten wird...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Canons – Der Niedergang

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4148-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Canons – Der Niedergang

2. Teil

Bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr sieht Katy McClellan stets älter und reifer aus, als sie an Jahren ist. Dann aber ist es, als würden die Jahre spurlos an ihr vorübergehen und als gehörte sie zu jener Sorte von Frauen, die niemals ihre Mädchenhaftigkeit verlieren.

Mrs. Pickerton ist eine gebildete Frau, und fortwährend lernt Katy von ihr. Sie sind ein Paar wie Mutter und Tochter und zugleich eingespielte Partner. Da sie auf dem Mississippi allmählich bekannt werden, weichen sie auf den Ohio aus und machen auch hier gute Beute an den Spieltischen der Luxusdampfer. Immer wieder ist es so, dass Katy aufgrund ihrer mädchenhaften Reize die Mitspieler um ihre Konzentration bringt und Mrs. Pickerton dann gnadenlos zuschlägt …

Es ist dann in einer schwarzen Nacht auf dem Ohio, etwa fünf Meilen vor der Mündung in den Mississippi, als sie kurz nach Mitternacht in ihre Luxusdoppelkabine gehen, um ihre Koffer zu packen und sich umzukleiden.

Denn sie haben den Entschluss gefasst, das Schiff zu verlassen und weiter hinauf nach Norden zu fahren, weiter, als sie bisher jemals waren.

Sie haben die Kabinentür noch nicht hinter sich geschlossen, als diese aufgestoßen wird und ein Mann eintritt, der einen schussbereiten Colt-Derringer in der Hand hält und das Gesicht maskiert hat.

Seine Gestalt ist unter einem weiten Mantel verborgen.

Der Mann sagt höflich: »Ladys, es wäre wirklich dumm, wenn Sie jetzt zu kreischen anfingen.«

»Sicher, das wäre wirklich dumm«, erwidert Mrs. Pickerton. »Bevor wir Hilfe bekämen, hätten Sie uns längst umgebracht und ausgeraubt. Die Nachbarkabinen sind leer. Und das Schiff macht eine Menge Geräusche. Im Vergnügungssaloon spielt die Kapelle jetzt besonders laut. Was wollen Sie, Mister – zwei hilflose Frauen überfallen?«

»So ist es, Ladys«, sagt der Mann und zeigt ihnen im Lampenschein den kleinen Colt-Derringer, lässt sie in den Doppellauf blicken.

»Ich will ja nicht Ihre Unschuld«, fügt er kichernd hinzu, »ich möchte nur Ihr Spielkapital, und das ist nicht wenig. Ich habe Sie die ganzen Nächte beim Spiel beobachtet. Sie beide haben prächtig abgesahnt.«

»Und nun erscheint es Ihnen leichter, uns zu berauben, als selbst beim Spiel Ihr Glück zu versuchen?«

Mrs. Pickertons Stimme klingt sehr beherrscht und kühl, ja, fast sogar souverän.

Der Mann lacht wieder leise unter der Maske.

»Na los«, sagt er. »Sie haben soeben den Geldkoffer aus dem Office des Zahlmeisters geholt. Her damit!«

Er streckt seine Hand aus.

Doch Mrs. Pickerton bewegt sich nicht.

Da zielt er auf Katy, welche etwas rechts von ihm in der Kabine verharrt.

»Ich werde auf sie schießen«, sagt er rau. »Her mit dem Geldkoffer! Ihr werdet schon bald wieder zu Geld kommen, ihr zwei prächtigen Elstern. Die Kleine da braucht nur ein paar der eindeutigen Angebote anzunehmen, die sie gewiss immer wieder erhält. Damit verdient sie euch leicht neues Spielkapital. Also, ich zähle bis drei. Dann habe ich entweder den Koffer – oder ich schieße.«

Er beginnt zu zählen, und als er bei zwei angelangt ist, wirft ihm Mrs. Pickerton den Geldkoffer zu. Er kann ihn nicht fangen. Deshalb fällt der Koffer vor seine Füße, nachdem er gegen seine Oberschenkel prallte.

Als er sich bückt, tritt Katy ihn gegen den Revolverarm. Sie trifft von unten mit der Schuhspitze sein Handgelenk. Die kleine Waffe entfällt ihm, denn er war schon zu sehr auf den Geldkoffer konzentriert, fühlte sich bereits als Sieger.

Nun brüllt er auf, denn die beiden altersmäßig so verschiedenen Frauen fallen wie Wildkatzen über ihn her. Ja, auch Mrs. Pickerton, die sich doch stets so würdig und seriös benimmt, so ladyhaft, wie sich eine alte Lady nur benehmen kann – sie kämpft nun wild und gnadenlos.

Sie tritt den Mann gegen die Schienbeine, ohne auf ihre eigenen Füße und Zehen Rücksicht zu nehmen. Der Mann, welcher beschäftigt war, Katy abzuwehren, lässt diese los. Und da hat Katy plötzlich das dolchartige Messer aus dem Strumpfband freibekommen und sticht zu – einmal, zweimal, dreimal.

Dann liegt der Mann am Boden und atmet stöhnend für immer aus.

Die beiden Frauen verharren keuchend.

Im Lampenschein sehen sie sich an.

Katy hebt dann ihr blutiges Dolchmesser.

»Der wollte mich sozusagen auf den Strich schicken«, sagt sie tonlos. »Da war es wohl besser, ihn umzubringen.«

»Sicher, mein Kleines.« Mrs. Pickerton nickt. »Der wollte uns zu armen Mäusen machen. Ohne Spielkapital kann man nie große Spiele gewinnen. Der wollte uns auf seine Weise aus allen Spielen bluffen.«

Ihr keuchender Atem beruhigt sich nun. Langsam fällt die Erregung von ihnen ab. Sie werden sich bewusst, dass sie einen Toten in der Kabine haben.

Mrs. Pickerton sagt: »Wir sollten ihn einfach über Bord werfen. Das erspart uns eine Menge unnötiger Umstände bei den Behörden. Es ist eine finstere Nacht. Katy, mein Engel, sieh mal draußen auf dem Kabinendeck nach, ob wir ungestört sind.«

Katy bückt sich erst und wischt das blutige Messer an der Kleidung des Mannes ab. Sie entfernt ihm auch die Maske. Auch Mrs. Pickerton betrachtet den Toten.

»Ja, den kenne ich«, sagt sie. »Der fiel mir im Spielsaloon auf, weil er ständig beim Roulett verlor. Der wollte seine Verluste durch einen Überfall auf zwei hilflose Ladys wieder wettmachen. Also, mein Kleines …«

Katy nickt, öffnet die Kabinentür und tritt hinaus an die Reling.

Die Nacht ist schwarz, aber das Dampfboot fährt dennoch stromabwärts zur Mündung des Ohio in den Mississippi. In der Ferne sind bereits die Lichter der Schiffslandestelle und der kleinen Ortschaft zu erkennen.

Niemand ist auf dieser Seite des Kabinendecks.

Katy tritt in die Kabine zurück. Sie fasst den Mann an den Beinen. Mrs. Pickerton packt den Toten unter den Achseln. Der Mann ist nicht sehr schwer, kaum mehr als hundertvierzig Pfund. Die beiden Frauen schaffen es leicht, ihn hochzuheben und über die Reling in den Fluss fallen zu lassen.

Mrs. Pickerton keucht zwar heftig, aber als sie dann wieder in der Kabine sind, beruhigt sich ihr Atem bald.

»Dieser Narr«, sagt Mrs. Pickerton.

Katy nickt.

»Ja, dieser Narr. Er sagte, dass ich eindeutige Angebote von Männern annehmen solle. Er wollte, dass ich zur Hure werde, damit wir wieder zu Geld kommen. Ich hatte ein Recht, ihn zu töten.«

»Ja, mein Engel, du hattest ein Recht dazu«, murmelt Mrs. Pickerton. Und als sie sich im Lampenschein ansehen, da stellt sie die Frage: »Aber würdest du dich mit reichen Männern einlassen, um für uns Geld zu beschaffen, wenn wir einmal pleite wären?«

Katy zuckt mit keiner Wimper, als sie erwidert: »Sicher, wenn es keine andere Möglichkeit geben würde, an Geld zu kommen. Ich habe dir viel zu verdanken, Tante. Und ich möchte unsere Lebensweise noch nicht aufgeben.«

Sie geht langsam zu ihrem Bett, um den Koffer zu packen.

Dabei denkt sie: Nun habe ich getötet. Und auch dies ist die Schuld der Canons, die meinen Vater töteten. Es wird Zeit, dass ich weiter nach Norden gehe, mit oder ohne Mrs. Pickerton. Denn irgendwo dort oben im Norden sind gewiss die Canons zu finden. Ja, ich werde bald nach Norden gehen.

***

Sie bleiben nur den Rest der Nacht und den darauf folgenden Tag in dem kleinen Hotel an der Ohiomündung. Und sie müssen in diesen Stunden den Schock überwinden, einen Mann getötet zu haben.

Katy wundert sich manchmal, wie leicht es war, doch wie schwer es danach ist, wenn man das Geschehene immer wieder durchlebt.

Und plötzlich denkt sie: So könnte ich auch die Canons töten, leise und schnell mit dem Messer. Es war ja so leicht. Und sie schulden mir das Leben meines Vaters. Sie sind schuld daran, dass ich diesen rauen Weg gehen musste von Abe Donovans Store bis zu den verdammten Sagatan-Brüdern, die mich entjungferten, obwohl ich noch ein Kind war. Das einzig Gute in den letzten Jahren ist Tante Pickerton. Aber die macht nicht mehr lange. Ich spüre es deutlich. Unser letztes Erlebnis gab ihr den Rest. Sie ist zu alt.

Es ist am späten Nachmittag dieses Tages im Hotel an der Ohiomündung, als Mrs. Pickerton zu ihr sagt: »Ich kam soeben zu einem Entschluss.«

»Zu welchem?« Katy wendet bei ihrer Frage nicht einmal den Kopf. Sie hat die Augen geschlossen und genießt die Sonne. Aber gleichzeitig denkt sie nach.

Nun wird sie mir gleich sagen, dass sie genug hat von diesem Leben, weil sie zu alt geworden ist. Ja, jetzt wird sie es mir sagen.

Mrs. Pickerton zögert noch. Doch dann sagt sie: »Katy, meine Nervenkraft und meine Selbstsicherheit sind verbraucht. Ich kann nicht mehr.« Sie verstummt bitter. In ihrer Stimme sind Resignation und Traurigkeit.

Katy lässt eine volle Minute vergehen. Erst dann fragt sie: »Und was willst du tun, Tante? Hast du dich schon zu etwas entschlossen?«

»Ja, das habe ich«, erwidert Mrs. Pickerton, und nun klingt ihre Stimme hart und endgültig. »Ich höre auf. In unserem Geldkoffer sind fast zehntausend Dollar. Damit könnte man sich in New Orleans ein kleines Restaurant oder Café kaufen. Das Leben wäre nicht zu einsam. Man hätte Kontakt mit Menschen. Willst du mitkommen, mein Kleines?«

»Nein«, erwidert Katy entschieden. »Ich habe noch eine Menge vor. Und ich bin inzwischen selbstständig genug geworden. Von dir habe ich alles gelernt, um mich überall behaupten zu können. Und meine Nerven sind noch gut.«

Mrs. Pickerton schweigt eine Weile. Nur ihr Seufzen ist dann und wann zu hören. Schließlich sagt sie: »Ja, so war ich damals auch. Ich wollte mich überall behaupten und glaubte, dass ich alle Männer beherrschen und um den kleinen Finger wickeln könnte. Ich war sehr reizvoll damals, aber …«

Wieder verstummt sie, schweigt lange. Schließlich spricht sie mit harter Stimme weiter: »Also werden wir unser Geld teilen und dann unserer Wege gehen, ja?«

»Nein, das kommt nicht in Frage«, widerspricht Katy. »Ich bin jung. Meine Schönheit ist eine Million wert. Du bist alt. Gib mir tausend Dollar für einen Anfang, und auch die werde ich dir zurückschicken, sobald sie sich vermehrt haben. Schick mir nach Saint Louis deine Anschrift. Ich werde stets in unserem alten Hotel absteigen, wenn ich dort bin. Aber ich werde von Saint Louis aus auf dem Missouri nach Norden fahren. Vielleicht gehe ich hinauf zu den Goldfundgebieten in Montana.«

»Vorsicht«, sagt Mrs. Pickerton schnell. »Das ist eine andere Welt, mein Kleines. Von Kansas City aus wird es rau. Da sind andere Typen auf der Jagd nach Chancen. Auf dem Mississippi und dem Ohio ist alles sehr viel zivilisierter als im Norden. Da oben …« Sie verstummt vielsagend mit einem Seufzen. Doch dann beendet sie den angefangenen Satz: »… sind die Barbaren. Und die Schwachen gehen unter. Im Norden herrscht noch brutale Gewalt, gilt allein das Gesetz des Stärkeren.«

»Ich weiß«, murmelt Katy. »Doch ich werde mich behaupten.«

***

Schon am nächsten Morgen trennen sie sich.

Mrs. Pickerton geht dann an Bord eines Schiffes, welches den Strom hinunter nach New Orleans fährt. Und diesmal wird sie nicht spielen.

Katy sieht dem abfahrenden Schiff nach.

Dann schluckt sie mehrmals hart.

Denn sie ist nun allein. Eine alte, erfahrene Wölfin hat ihr eine Menge beigebracht. Sie hat alle Lektionen gelernt, sie ist klug, hat Instinkt und kennt längst die Schlechtigkeit dieser Welt.

Sie denkt wieder an die Canons.

Ihr Instinkt sagt ihr, dass sie die Canons im Norden finden wird. Sie ist sicher, dass keiner der Canons sie erkennen kann. Damals war sie noch ein Kind, ein grünäugiges Mädchen, dünn und staksig wie ein Fohlen.

Jetzt ist sie eine schöne, noch mädchenhaft wirkende Frau, der man jedoch ansieht, dass sie kein Mädchen mehr ist. Nein, sie wird von den Canons nicht erkannt werden. Es ist schon zu lange her.

Sie dagegen wird jeden Canon sofort wiedererkennen.

Indes Katy noch von der Landebrücke aus dem Schiff nachsieht, erinnert sie sich wieder an Sue, die mit ihren drei Söhnen kam, um Big John McClellan zu töten und seinen Geldschrank zu leeren.

Und dann setzten sie die Ranch in Brand.

Es wird Zeit, dass sie dafür bezahlen, dass Katy einen solch rauen Weg gehen musste, bevor sie zu Mrs. Pickerton kam.

***

Die Canons und Morg Sacketter, die ja nun zusammen einen Clan bilden, obwohl Sue und Morg immer noch nicht geheiratet haben, sind in diesen Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Macht und Größe angelangt.

Sie beherrschen den Strom von Westport Landing bis hinauf nach Fort Benton, haben alles ihrem Syndikat unterworfen und somit ein Monopol errichtet. Sie bestimmen die Fracht- und Fahrgastpreise auf den Schiffen. Und wer sich nicht unterwirft, der wird klein gemacht, dessen Schiffskessel explodieren oder seine Ladung wird ein Raub der Flammen. Revolvermänner, Killer und Schläger zerbrechen jeden Widerstand gegen die mächtige Canon Enterprises. Die Canons bestechen Politiker, Bürgermeister, Stadträte und Marshals. Und ihre Macht wächst ins Unermessliche.

Denn so wie Adam den Strom unter Kontrolle hält, so hat Jesse das ganze Holzgeschäft in den Wäldern der Zu- und Nebenflüsse im Griff. Die Canons errichten Sägewerke und Schindelmühlen, sorgen für Hunderttausende von Bahnschwellen und schaffen Riesenflöße von Edelhölzern die Ströme hinunter.

Sie drängen jeden Konkurrenten aus dem Geschäft und kennen keine Gnade.

Und noch erledigt Jake den auf ihn fallenden Teil der »Arbeitsteilung« der drei Canon-Brüder.

Jake kontrolliert alle Wagenwege, hat die Stores in allen Ortschaften und alle Post- und Frachtgesellschaften zu einem Syndikat vereinigt, welches den Syndikaten auf dem Strom und in den Wäldern nicht nachsteht.

Die Monopolgelder fließen auch hier reichlich an die Canons, und ihre eigenen Beteiligungen werden ständig größer.

Alles wird immer stärker ineinander verflochten. Die Canons errichten in den größeren Orten Bankfilialen und geben Siedlern und Farmern Kredite.

Morg Sacketter aber arbeitet nach Süden und Osten zu mit gleichem Erfolg.

Es ist das alte Spiel, wie es überall auf dieser Welt stattfindet. Die Großen werden immer größer, denn gegen ihre Macht kommen die Kleinen nicht an, solange sie sich nicht einig sind.

Und so wird der Canon-Sacketter-Clan mehr und mehr zu einem riesigen Ungeheuer mit einem gewaltigen Schlund, welcher gierig alles schluckt, was sich schlucken lässt.

Doch nie in diesen Monaten und Jahren hat Sue ihre drei Söhne und Morg Sacketter einmal zu gleicher Zeit in Kansas City, und die geplante Familienfeier hat immer noch nicht stattfinden können.

Längst lebt sie nicht mehr in einem gemieteten Haus wie am Anfang. Inzwischen besitzen die Canons ein herrliches Anwesen außerhalb der Stadt auf einem flachen Hügel über dem Strom, mit weiter Sicht und einer traumhaft schönen Umgebung. Sue residiert dort wie eine Fürstin. Und sie stiftet für wohltätige Zwecke, unterstützt das Waisenhaus, die Kirche, richtet Wohltätigkeitsveranstaltungen aus und gilt als mildtätige Lady.

Sie vermisst Mary sehr. Aber Marys Briefe trösten sie über die Trennung hinweg. Denn Mary muss sehr glücklich sein. Ihre Briefe lügen gewiss nicht. Sue würde das spüren.

Und sie weiß noch nicht, kann es ja noch nicht wissen, dass Mary von den Canons das beste Los gezogen hat. Denn sie wird weit weg sein, wenn der Untergang über die Canons hereinbricht.

***

Cleo Quantrell und Adam Canon heiraten in diesen Tagen, da Mary den ersten Brief aus Texas sandte, in Fort Lincoln, genau zwölfhundert Meilen von Kansas City entfernt den Missouri hinauf.

Es gibt keine große Feier, denn sie heiraten während des kurzen Aufenthalts ihres kleinen, aber starken und schnellen Bootes am Holzplatz, also in jener knappen Stunde, da das Boot Feuerholz übernimmt.

Dann fahren sie weiter.

Cleo ist die glücklichste Frau der Welt. Nun ist sie eine Mrs. Canon. Und Adam will sie mitnehmen auf allen Wegen.

Das Glück dauert jedoch nur drei Tage.

Denn am dritten Tag ihrer Fahrt flussauf erreichen sie den Porcupine Creek und geraten in die Falle der McCluskys.

Denn die McCluskys – einst von den Canons klein gemacht auf dem Strom – warteten schon lange auf solch eine Chance.

***

Lester Fox’ Bote erreicht Jake schon zwei Tage später am Poplar Creek, wo Jake dabei ist, die Bücher der dortigen Frachtagentur zu prüfen, deren Handel mit einigen Indianerdörfern zurückging, sodass der Verdacht entstand, dass der Agent einen privaten Handel in Gang brachte.

Lester Fox’ Mann kommt auf einem schweißnassen Pferd, das in die Knie bricht, als der Reiter absitzt.

»Schlechte Nachrichten, Sir«, sagt der in befranstes Leder gekleidete Mann. »Ihr Bruder Adam steckt in der Klemme, Sir. Am Porcupine Creek. Es ist auch schon ein Bote zu Ihrem Bruder Jesse unterwegs. Doch er wird Jesse frühestens in zwei Tagen erreichen. Aber die McCluskys lassen ohnehin ausrichten, dass die Canons sich Zeit nehmen können. Es sei nicht so eilig, nachdem sie nun schon zwei Jahre auf die Revanche gewartet hätten.«

»Was ist geschehen?« Jake fragt es ahnungsvoll. Ja, er erinnert sich recht gut an die McCluskys. Wie damals die Jefferson-Brüder besaßen auch sie einige Dampfboote und weigerten sich, dem Syndikat beizutreten.

Die McCluskys verloren ihre Schiffe und auch ihre drei Holzplätze mit den dazugehörenden Siedlungen und Gasthäusern.

Nun also haben sie Adam in der Klemme.

»Mann, erzähl mir das doch alles mal genau der Reihe nach«, verlangt Jake grimmig.

»Sir, Ihr Bruder kam von Fort Lincoln herauf, wo er eine gewisse Cleo Quantil geheiratet hatte. Sie war bei ihm, als er in Porcupine Creek an Land ging, um dort die Bücher der Frachtlinie zu prüfen. Der Handelsagent dort hatte wahrscheinlich einen Privathandel aufgezogen und zu viel in die eigene Tasche fließen lassen. Mr. Fox fand das heraus. Nun, als Ihr Bruder in die Handelsagentur ging, spazierte seine Frau ein wenig umher und sah sich die Umgebung des Ortes an. Sie fragte auch jemanden nach den Stachelschweinen, nach denen ja der Creek und der Ort benannt sind. Dann war sie plötzlich verschwunden. Die Männer Ihres Bruders hatten sie nur wenige Sekunden aus den Augen gelassen.«

Der Mann macht nun eine kleine Pause und überlegt sich offenbar die nächsten Worte. Dann sagt er knapp: »Die McCluskys haben die Frau Ihres Bruders in ihrer Gewalt. Sie haben sie fortgeschafft. Und sie bringen sie um, wenn man ihre Bedingungen nicht erfüllt.«

»Was für Bedingungen?« Jake fragt es ahnungsvoll, und er erinnert sich gut an die McClusky-Brüder. Es waren damals bärtige, urige Burschen, stolz und verwegen, richtige Big-Muddy-Männer, die sich vor nichts fürchteten.

Der Mann zuckt mit den Schultern.

»Sie wollen«, murmelt er, »dass die McCluskys und die Canons es allein unter sich austragen. Sie wollen Revanche für die Niederlagen, die die Canons ihnen zugefügt haben. Adam Canons Brüder sollen kommen. Dann wollen sie es mit ihnen auskämpfen, nur die McCluskys gegen die Canons. Ohne jede Beteiligung anderer Männer. Sie werden eine ganze Woche warten. Dann töten sie Adams Frau. Sie haben es geschworen. Das ist alles, Sir.«

Jake senkt den Kopf und versucht, seine Gedanken und Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Das ist es also wieder, denkt er.