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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Der Wagen schien direkt auf Kate zuzukommen, und in dem Lichtkegel sah sie weit vor sich die Warnschilder eines Bahnübergangs. Dann schwenkten die Lichter herum, und Kate war für einen Moment geblendet. »Halt!« schrie sie. »Anhalten! Bitte anhalten!« Sie wußte nicht, ob man sie bemerkt hatte, aber sie wußte, daß der Wagen ihre einzige Chance bleiben würde, die Nacht nicht hier draußen zu verbringen. Also rannte sie weiter. Da passierte es! Ihr Fuß glitt auf den nassen Bohlen aus, als sie die Straße fast erreicht hatte. Sie verlor das Gleichgewicht, versuchte sich abzufangen und spürte dann nur noch, wie ihr Kopf gegen ein Hindernis schlug. Vor ihren Augen tanzten bunte Schleier, und ihr letzter Gedanke war der, daß sie unter keinen Umständen liegenbleiben durfte. Nicht hier auf den Schienen. Dann verlor sie das Bewußtsein.
Der Zug kroch nur langsam vorwärts und schien Schwierigkeiten zu haben, die leichten Steigungen zu bewältigen. Die Gleise, die ihn führten, wanden sich in endlosen Kurven durch die hügelige Landschaft.
Onkel Trevor wohnt wirklich in einer Einöde, dachte Kate, als sie aus dem Fenster ihres Abteils blickte.
Die Landschaft draußen bot wenig Abwechslung. Zumeist waren es weite, karge Ebenen. Zu sehen gab es hier nicht viel. Kate war sich sicher, daß man bestimmt Dutzende von Kilometern laufen konnte, ehe man einem anderen Menschen begegnete.
Über allem hing ein wolkenverhangener grauer Himmel. Es konnte nicht mehr lange bis zur Dämmerung dauern, und wenn der Zug endlich den Bahnhof in Cavenough erreicht hatte, würde es schon dunkel sein. Wie gut, daß ihr Onkel sie vom Bahnhof abholen würde.
Die junge Frau mit den langen blonden Haaren war eine andere Umgebung gewöhnt. Sie lebte in London, einer Stadt, in der das Leben rund um die Uhr pulsierte.
Kate Wilkens studierte zwei Fremdsprachen und wollte später als Dolmetscherin arbeiten. Bis dahin war es nur noch ein knappes Jahr, vorausgesetzt, daß sie die Prüfung schaffen würde. Doch ihre bisherigen Leistungen gaben keinen Anlaß zur Sorge, obwohl sich Kate für etwas zu faul hielt.
Ihr Onkel hier im schottischen Hochland war der einzige Verwandte, den sie noch hatte. Ihre Eltern waren vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Geschwister hatte sie nicht gehabt.
Und so war sie von einem Tag auf den anderen ganz auf sich allein gestellt gewesen.
Kate hatte beschlossen, ihr Studium, das sie gerade angefangen hatte, unter allen Umständen weiterzuführen. Aber ohne die monatlichen Schecks, die ihr Onkel ihr schickte, wäre das nicht immer ohne weiteres möglich gewesen, obwohl sie nebenbei etwas Geld dazuverdiente.
Da sie Onkel Trevor seit der Beerdigung ihrer Eltern nicht mehr gesehen hatte, hielt sie es für eine gute Idee, ihn jetzt zu besuchen und ihm auf diese Weise ihren Dank abzustatten. Und als sie ihm am Telefon davon erzählt hatte, hatte er zugestimmt, etwas knurrig zwar, aber das war nun einmal seine Art.
Kate blickte auf, als sich ihr gegenüber der Fahrgast erhob, der die letzten Stunden zusammen mit ihr im Abteil gewesen war.
Es war ein junger Mann, mit dem sie sich den größten Teil der langen Fahrt unterhalten hatte und der ihr über die Langeweile hinweggeholfen hatte. Er hatte über ein schier unerschöpfliches Reservoir an Witzen verfügt, und wenn Kate der Humor teilweise auch zu derb war, hatte sie oft lachen müssen.
»An der nächsten Station muß ich leider aussteigen«, sagte er und holte seinen kleinen Koffer von der Ablage. »Dann habe ich mein Ziel erreicht.«
»Oh«, machte Kate schuldbewußt und errötete etwas. »Tut mir leid. Ich war in den letzten Minuten nicht gerade gesprächig.«
Er winkte ab. »Das macht nichts. Sie müssen sich nicht entschuldigen.« Er grinste. »Ich werde mich jedenfalls gern an unsere kurzen gemeinsamen Stunden erinnern.«
Der Zug wurde langsamer. Ein erstes, vereinzeltes Haus zog langsam am Fenster vorbei.
»Das freut mich«, erwiderte Kate lächelnd.
»Ich muß mich jetzt beeilen«, erklärte er und öffnete die Tür des Abteils. »Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Reise und einen schönen Urlaub.«
»Danke, Ihnen auch!« rief sie, doch da war er schon auf dem Gang verschwunden.
Quietschend hielt der Zug an.
Kate dachte kopfschüttelnd darüber nach, daß sie nicht einmal wußte, ob der Mann hier tatsächlich Urlaub machte. Über ihn hatten sie in den langen Stunden kaum gesprochen.
Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. Jetzt war es sowieso zu spät, es zu erfahren.
Sie beobachtete, wie der junge Mann in dem kleinen Bahnhofsgebäude verschwand und ihr noch einmal zuwinkte. Sie erwiderte das Winken, dann fuhr der Zug wieder an.
Kate lehnte ihren Kopf an das abgenutzte Polster und sah den vorbeiziehenden Bäumen zu. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto bewaldeter wurde die Umgebung. Jetzt konnten es nicht mehr viele Stationen sein, bis sie endlich bei ihrem Onkel war.
Wenn der Zug nur nicht so bummeln würde.
Kate wurden die Augenlider schwer. Das sanfte Schütteln des Zuges machte sie schläfrig.
Die Studentin wäre sicherlich nicht so ruhig gewesen, wenn sie gewußt hätte, daß die nächsten Stunden und Tage die schrecklichsten ihres Lebens werden sollten.
Und während sie langsam in den Schlaf hinüberglitt, verstrichen die letzten Augenblicke, in denen sie ihr Schicksal noch hätte ändern können, ungenutzt. Genau genommen befand sie sich – ohne es zu wissen – schon jetzt in einem Strudel unerklärlicher Ereignisse, aus denen sie sich bald nicht mehr aus eigener Kraft würde befreien können.
Das Unheil hatte seine Fühler bereits ausgestreckt…
*
»Die Fahrkarten, bitte!«
Kate schreckte beim Klang der Stimme hoch. Sie mußte eingeschlafen sein. Schlaftrunken blinzelte sie dem Mann entgegen, der in ihr Abteil getreten war und ihr unfreundlich entgegenblickte.
Es war der Schaffner, ein großer, ziemlich hagerer Mann mit einem streng gezwirbelten Bart. Die Uniform verlieh ihm zusätzliche Strenge, und Kate kam es geradewegs so vor, als wäre sie bei etwas Verbotenem ertappt worden.
»Entschuldigen Sie«, meinte sie und konnte ein Gähnen gerade noch unterdrücken. »Aber ich muß eingeschlafen sein.«
»Die Fahrkarten«, schnarrte der Schaffner wieder, und diesmal klang es noch ein bißchen ärgerlicher. »Ich habe nicht ewig Zeit.«
»Ja, einen kleinen Moment.« Kate beugte sich zu ihrer Handtasche und öffnete den Verschluß. Aus den Augenwinkeln sah sie, daß draußen bereits die Dämmerung eingesetzt hatte. Sie mußte eine ganze Zeit geschlafen haben.
Stirnrunzelnd stellte sie fest, daß sich ihre Fahrkarte nicht mehr in der Handtasche befand. Dabei wußte sie genau, daß sie sie dorthin gesteckt hatte, als sie das letzte Mal kontrolliert worden war.
Und nicht nur das!
Außer der Fahrkarte fehlte auch ihre Geldbörse, ein kleines Täschchen aus Wildleder.
Ein eisiger Schreck durchzuckte Kate. Ihr gesamtes Geld war verschwunden!
Langsam richtete sie ihren Oberkörper wieder auf. Man mußte sie bestohlen haben, als sie geschlafen hatte. Aber nein, das war unwahrscheinlich. Sie hätte bestimmt gemerkt, wenn jemand ins Abteil gekommen wäre.
Und dann fiel es ihr ein.
Der junge Mann, mit dem sie sich so nett unterhalten hatte. Nur er konnte der Dieb gewesen sein!
Und sie hatte ihn sogar noch gebeten, auf ihre Sachen aufzupassen, als sie einmal ins Bad gegangen war. Kate hätte sich am liebsten geohrfeigt.
»Was ist nun mit der Fahrkarte?« drängelte der Schaffner.
Kate drehte sich um und machte eine hilflose Geste. »Ich… ich glaube, man hat mich bestohlen«, stotterte sie und deutete auf die Handtasche. »Auch mein Geld fehlt.«
»Soll das heißen, daß Sie keine Fahrkarte haben, junge Frau?« fragte der knurrige Mann in der Uniform gefährlich leise.
»Ja«, antwortete Kate und zuckte mit den Schultern. »Ich habe Ihnen doch eben gesagt, daß man mich be…«
»Es interessiert mich nicht, was Sie gesagt haben«, unterbrach er sie. »Mich interessiert nur, ob Sie eine Fahrkarte haben oder nicht. Und so, wie es aussieht, wollen Sie wohl ohne gültigen Fahrschein reisen.«
»Aber fragen Sie doch Ihren Kollegen, der bisher kontrolliert hat«, schlug Kate vor. »Er wird Ihnen bestätigen, daß ich eine Fahrkarte hatte.«
»Mein Kollege«, belehrte sie der Schaffner, »ist am vorletzten Bahnhof ausgestiegen. Aber das wissen Sie wahrscheinlich ganz genau. Mir können Sie doch nichts erzählen.«
»Aber es ist die Wahrheit!«
»Ach was. Die Wahrheit ist, daß Sie versuchen, umsonst mitzureisen.«
»Nein, wirklich nicht, ich habe nur…«
»Sparen Sie sich Ihre Erklärungen. Meinen Sie, ich kenne euch jungen Schnorrer aus England etwa nicht? Kein Geld in der Tasche, aber dennoch Urlaub machen. Es ist doch jeden Sommer dasselbe. Aber mit uns nicht! Und jetzt kommen Sie, stehen Sie auf!«
Kate erhob sich ungläubig. »Aber warum denn?«
»Fragen Sie nicht! Das werden Sie schon sehen! Los, nehmen Sie Ihre Taschen und folgen Sie mir!« Er deutete auf die beiden Reisetaschen aus buntem Nylon, die auf der Ablage lagen.
Kate sah ein, daß es keinen Sinn hatte, mit dem Schaffner zu diskutieren. Sie nahm ihre Sachen und folgte ihm. Ihr war zum Heulen zumute. Nicht so sehr wegen des unfreundlichen Schaffners, vielmehr schämte sie sich über ihre eigene Dummheit. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können.
»Na, Webster!« begrüßte sie ein uniformierter Kollege des Schaffners, nachdem sie den Dienstwagen hinter der Lok erreicht hatten. »Wieder mal einen blinden Passagier erwischt?«
»Genau«, knurrte der Angesprochene. »Sie sagt, daß sie bestohlen wurde. Pah! Ist doch wirklich jedesmal dieselbe Ausrede.«
»Und was sagen Sie dazu?« wandte sich der Mann, der etwas fülliger als der Schaffner war, an Kate.
»Ich bin wirklich beraubt worden. Ein junger Mann, der in meinem Abteil saß, muß es getan haben.«
Der Schaffner sah nicht so aus, als würde ihn das, was sie erzählte, großartig interessieren.
»Und Geld, um eine Fahrkarte zu kaufen, haben Sie natürlich auch nicht?«
»Aber ich habe doch schon gesagt, daß mir auch mein Geld gestohlen wurde«, erwiderte Kate flehentlich und wunderte sich über die Ignoranz des Beamten. Andererseits, in ihrer Jeanshose und dem verwaschenen Sweat-Shirt, das sie sich für die Reise angezogen hatte, machte sie nicht gerade den vertrauenswürdigsten Eindruck.
Aber weshalb konnte man nicht wenigstens in Erwägung ziehen, daß ihre Geschichte wahr war?
»Nun, dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als Ihre Personalien aufzunehmen«, sagte der dicke Schaffner und streckte Kate die rechte Hand entgegen. »Ihren Ausweis, bitte!«
»Aber selbstverständlich«, antwortete Kate und sah in ihrer Handtasche nach. Erneut fuhr ihr der Schreck in die Glieder. Auch ihre Papiere waren gestohlen worden.
Mit zusammengekniffenen Lippen sah sie schließlich auf und schüttelte stumm den Kopf. Die Schaffner warfen sich einen bezeichnenden Blick zu.
»Das hätte ich mir eigentlich denken können«, meinte der Hagere und warf Kate einen abfälligen Blick zu. »Und was sollen wir jetzt mit Ihnen tun?«
Kate zuckte mit den Schultern. »Ich muß nach Cavenough. Mein Onkel erwartet mich dort am Bahnhof. Er wird Ihnen bestimmt das Geld für die Fahrkarten geben.«
»Und das sollen wir Ihnen glauben? Nicht mit uns. Bis nach Cavenough sind es noch über anderthalb Stunden. Und ich bin nicht bereit, Sie so weit mitzunehmen.«
»Aber was soll denn das heißen?«
»Das werden Sie schon sehen«, sagte der dürre Schaffner, verließ den Raum und ging weiter nach vorne zur Lok.
Kaum war er zurückgekommen, wurde der Zug langsamer und hielt. Der Schaffner öffnete eine Tür, und ehe es sich Kate versah, nahm er ihre beiden Reisetaschen und warf sie aus dem Zug.
»Aber das können Sie doch nicht machen«, sagte Kate beschwörend.
»Und ob wir das können. Das wird Sie lehren, das nächste Mal zu bezahlen, bevor Sie die Bahn benutzen. Und wenn Sie Ihren Taschen jetzt nicht freiwillig folgen, müssen wir wohl ein wenig nachhelfen.«
Kate hatte keine andere Wahl. Sie mußte den Zug verlassen. Die beiden ließen sich auf kein Gespräch ein.
»Sie können mich doch nicht einfach hier mitten in der Einöde zurücklassen!« rief sie noch einmal, als der Zug wieder anrollte.
»Laufen Sie«, rief der Schaffner hämisch. Dieser Akt der Selbstjustiz schien ihm Freude zu machen, und er wähnte sich auf der Seite des Gesetzes. »Sie wollten doch billig reisen. Oder warten Sie einfach auf den nächsten Zug. Er kommt morgen früh um elf Uhr.«