Gefährlicher Weg - Linda Castillo - E-Book
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Gefährlicher Weg E-Book

Linda Castillo

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Beschreibung

Ein grausames Geheimnis - Kate Burkholder sucht die Mutter eines ausgesetzten Kindes Vor der Haustür des amischen Bischofs in Painters Mill liegt ein neugeborenes Baby, nur wenige Stunden alt. Eingehüllt in einen amischen Quilt und neben sich eine kleine Holzrassel. Als Kate Burkholder gerufen wird, ahnt sie, dass die Mutter dieses Kindes wahrscheinlich noch sehr jung und unverheiratet sein muss. War die junge Frau so verzweifelt und allein, dass sie sich niemandem anvertrauen konnte? Gemeinsam mit John Tomasetti geht Kate auf Spurensuche und lüftet ein grausames Geheimnis. Für alle Fans der Kate-Burkholder-Serie von Spiegel-Online-Bestseller-Autorin Linda Castillo. Erscheint parallel zur Publikation von "Brennendes Grab"

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Seitenzahl: 76

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Linda Castillo

Gefährlicher Weg

Eine Kate-Burkholder-Story

Aus dem Amerikanischen von Helga Augustin

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Inhalt

Sie hatte gedacht, sie [...]

Sie hatte gedacht, sie wäre darauf vorbereitet. Wie konnte sie nur glauben, es ganz alleine zu schaffen? Wie dumm von ihr! Wäre ihre Lage nicht so schlimm, hätte sie über ihre gigantische Blödheit gelacht. Doch im Moment glaubte sie, überhaupt nie wieder lachen zu können. Sie war nicht einmal sicher, dass sie überleben würde.

Solche Schmerzen hatte sie noch nie gehabt. Als würde jemand mit der Hand in ihrem Bauch wühlen und ihr Innerstes nach außen zerren. Sie schrie und keuchte und fluchte, sie wälzte sich auf dem Bett, weinte hemmungslos und wand sich schweißnass in den Laken. Sie hatte auf dem Boden gelegen, um sich Linderung zu verschaffen, das Gesicht aufs harte Holz gepresst. Doch das war genauso zwecklos gewesen wie das in den Büchern gepriesene heiße Bad. Der Schmerz war im Laufe der Nacht noch schlimmer geworden und jetzt ein Teil von ihr. Grausam und unerbittlich drückte er sie nieder, bis sie reglos dalag, in die Dunkelheit starrte und Atem für die nächste Attacke schöpfte.

Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt, nie solche Angst gehabt. Wie sehr sie sich doch wünschte, er wäre jetzt bei ihr. Wenn die Schmerzen, die wie Wellen über sie rollten, kurz nachließen, sprach sie mit ihm. Rief nach ihm und sagte ihm, wie sehr sie ihn liebte. Wie sehr er ihr fehlte. Doch dann wurde sie von der nächsten Woge erfasst und wünschte nicht zum ersten Mal, an seiner Stelle gestorben zu sein.

Zweimal war sie versucht gewesen, den Krankenwagen zu rufen. Alles zu tun, um ihr Leiden zu beenden. Aber dann dachte sie an ihren Vater, und wie enttäuscht er wäre. Sie dachte an ihre Freundinnen, wie sie sie ansehen würden, wenn sie die Wahrheit erführen. Und sie dachte an all jene, die niemals ihre Freunde sein würden, und wusste, dass sie das Ganze zu etwas verdrehen würden, was es nicht war. Keiner von ihnen würde es verstehen. Sie musste allein damit fertigwerden.

Ein heftiger Schmerz durchfuhr sie, und sie biss fest in den Stoff zwischen ihren Zähnen, gab dem Drang nach und presste. Presste mit aller Kraft. Sie wollte es einfach aus ihrem Körper haben, wollte, dass es vorbei ist, dass es verschwindet und sie normal weiterleben konnte.

O Gott, o Gott!

Ein letztes Pressen mit schier animalischer Kraft, ihr ganzer Körper bebte, ein Urschrei entkam ihrer Kehle, sie schwitzte und grunzte wie ein Tier. Die grausame Hand zerrte tief in ihrem Bauch. Ihre Lider flatterten, ihr wurde schwarz vor Augen, ihr Atem stockte, und ein Surren dröhnte in ihrem Kopf.

Dann ließ der Schmerz nach. Sie atmete tief ein, und ihre Sinne erwachten wieder zum Leben. Einen Moment lang lag sie erschöpft da und versuchte, das Ausmaß dessen zu erfassen, was sie getan hatte.

Sie setzte sich auf. Als sie das bläuliche, blutige Bündel sah, den dunklen, blutverklebten Schopf, entfuhr ihr ein Schluchzer. Winzige Hände und Füße, das Gesicht zerknittert, der kleine Mund maunzend wie ein Katzenbaby.

Ihr Blick fiel auf das Blut. Dass es so viel sein würde, hätte sie vorhersehen müssen. Warm und feucht klebte es an ihrer Haut, hellrot glänzte es am Boden. Die Menge machte ihr Angst. Aber nicht, weil es ihr eigenes Blut war, sondern weil sie nicht wusste, wie sie es wegbekommen sollte, bevor ihr Geheimnis entdeckt wurde.

Panik stieg in ihr auf. Sie hatte viele Bücher gelesen, wusste, was zu tun war. Mit zittriger Hand nahm sie die Schere, und ohne zu denken oder zu fühlen, schnitt sie die Schnur durch.

Mehr Blut.

Noch ein Schrei.

Und das letzte Band war durchtrennt.

* * *

Der Bischof träumte, er würde den Zaun an der Südseite der Weide reparieren. Letztes Frühjahr hatte das wilde Hengstfohlen die dritte Latte vom Pfosten gekickt, und nun saß seine Frau ihm seit Wochen im Nacken, den Zaun endlich auszubessern. Er würde es niemals zugeben, aber die ganze Arbeit rund um die Farm fiel ihm immer schwerer. Er kniete sich hin, legte die Wasserwaage auf die Oberkante des Bretts, setzte den Nagel aufs Holz und versenkte ihn mit einem befriedigenden Hammerschlag.

Klopf, klopf, klopf.

Der alte Mann schreckte aus dem Schlaf hoch. Verwirrt setzte er sich auf und lauschte, wusste nicht, was ihn geweckt hatte. Ein Geräusch draußen vor dem Fenster? Eines ihrer Tiere? Er blickte zu seiner Frau, die neben ihm fest schlief, und seufzte. Ausgerechnet nachts machten die Pferde, die Milchkühe und jetzt auch die kleine Zwergziege, die letzte Woche von ihrer Mutter getrennt wurde, Schwierigkeiten. Obwohl die Weide und die Scheune gut gesichert waren, fanden sie immer einen Weg auszubüxen. Da konnte er genauso gut auch aufstehen und das Tagewerk beginnen.

Klopf, klopf, klopf.

Das schwache, kaum wahrnehmbare Geräusch kam von unten. Ein Nachbar, der ihm mitteilen wollte, dass das Zwergzicklein schon wieder aus dem Stall ausgebrochen war? Der kleine Bursche machte mehr Schwierigkeiten, als er nützte, dachte der alte Mann. Trotzdem lächelte er und schwang die Beine aus dem Bett. Er griff gerade nach seiner Hose auf dem Schaukelstuhl, als er noch ein anderes Geräusch hörte. Das klang nicht nach einer Ziege, sondern wie das leise Maunzen eines kleinen Kätzchens. Oder, den jetzt heftigeren Schreien nach zu urteilen, nach einer verletzten Katze. Was immer es war, es brauchte Hilfe.

Im Dunkel des Schlafzimmers zog er die schwarze Hose und das blaue Arbeitshemd an, streifte die Hosenträger über die knochigen Schultern und wurstelte sich in die schwarze Jacke. Auf dem Weg zur Tür nahm er den flachkrempigen Hut vom Haken an der Wand.

Als er in Socken die Treppe hinunterging, knarrten unter seinen Füßen die Stufen. Auf der Uhr im Wohnzimmer war es noch nicht einmal halb fünf. Er betrat die Küche, in Gedanken schon bei dem heißen Kaffee und den selbstgemachten Apfelbeignets seiner Frau, und zündete die Laterne an. Damit ging er durchs Wohnzimmer bis zur Haustür, stellte sie daneben auf einem Tischchen ab und öffnete die Tür. Doch da war niemand. Erst als er nach unten blickte, entdeckte er den Plastikkorb mit dem Quilt darin, und ein Schauder durchfuhr ihn. Wer hinterließ denn ein verletztes Tier vor seiner Tür?

Etwas in dem Quilt bewegte sich. Doch der Laut, den er dann hörte, ließ ihn zurückschrecken, und er presste die Hand auf die Brust. Er war Vater von elf Kindern und hatte sie oft genug weinen gehört, um zu wissen, dass das kein Tier war, sondern ein Neugeborenes.

Er bückte sich, schlug vorsichtig eine Ecke des Quilts zurück – und blickte in das zerknautschte rote Gesicht eines Babys: winziger, offener Mund, bebendes Kinn, und seine Ärmchen wedelten in der Luft.

Das Herz des alten Mannes stockte. »En bobli«, flüsterte er. Ein Baby.

In seinen einundachtzig Jahren auf dieser Welt hatte er bestimmt über einhundert Babys in den Armen gehalten. Es war zwar schon eine Weile her – selbst seine Enkel waren jetzt älter –, doch ein Kind Gottes zu halten war etwas, was man nie verlernte. Die Arthritis in den Knien ignorierend, kniete er nieder, nahm das Baby samt des Quilts aus dem Korb und drückte es an seine Brust.

»Vo du dich kumma funn?«, gurrte er in Pennsylvania-Deutsch. Wo kommst du denn her?

Er hörte ein Rascheln im Dunkel jenseits der Veranda und blickte auf. Hinter den Fliederbüschen bei der Auffahrt bewegte sich etwas. Er presste das Baby noch fester an sich, hievte sich auf die Füße und spähte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung des Geräusches.

»Ist da jemand?«, rief er.

Er lauschte angestrengt, glaubte, sich eilig entfernende Schritte auf dem Schotter zu hören. »Hallo? Wer ist da?«

Als Antwort hörte er nur das Rauschen des Windes in den Bäumen. Wer immer das Kind vor die Türschwelle gelegt hatte, war verschwunden.

»Was der schinner du havva?« Was hast du da?

Die Stimme seiner Frau ließ ihn zusammenschrecken. Er drehte sich um. Sie kam im Nachthemd, eine dicke Strickjacke über den Schultern, mit einer Laterne in der Hand die Treppe hinunter.

Der Bischof warf noch einen letzten Blick zur Auffahrt, schloss die Tür und ging zu seiner Frau. »Ich glaube, Gott hat uns eine Himmelsgabe gesandt.«

Sie hielt die Laterne hoch. Beim Anblick des Babys riss sie die Augen auf. »O Gott! En bobli?« Sie blickte von dem Kind zu ihrem Mann. »Wo hast du es gefunden?«

»Vor der Tür«, sagte er. »In den deppich gewickelt im Wäschekorb.«

Als sie sich von dem Schock erholt hatte, stellte sie die Laterne auf dem Tisch an der Wand ab. »Jemand hat es da hingelegt? Wer macht denn so etwas?«

Der Bischof schüttelte den Kopf. »Eine Mutter, die vom rechten Weg abgekommen ist.«

Seine Frau schaute das Baby an. »Armes kleines Ding.« Sie streckte die Arme aus, und er gab ihr das Kind. Obwohl sie beide alt waren, erinnerten sie sich gut daran, wie man mit einem Baby umging. Er dachte daran, wie oft sie in jungen Jahren, als sie eine Familie gründeten, ein weinendes Kleinkind hin- und hergereicht hatten.

»So ein süßes Ding«, säuselte seine Frau. »Sieh doch nur die winzige Nase.«

»Glaubst du, es ist amisch?«, fragte der alte Mann.

»Der deppich« – der Quilt – »ist amisch.«