Gefühlschaos - Heidi Oehlmann - E-Book

Gefühlschaos E-Book

Heidi Oehlmann

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Beschreibung

Mia ist Mitte zwanzig, Single und Verkäuferin in einer Modeboutique. Sie hat mit ihren Freundinnen einen Pakt geschlossen. Bis zum 30. Geburtstag wollen sie alle in einer festen Beziehung sein. Deshalb beschließen die Frauen, aktiv auf Männersuche zu gehen. Sie melden sich bei einem Speed Dating an. Mia ist von der Idee nur wenig angetan. Ihre Welt dreht sich um Konstantin, einen Mann, den sie über eine Datingplattform kennengelernt hat. Sie chatten täglich miteinander, bis Konstantin eines Tages ein Treffen vorschlägt. Mia befürchtet, dass ein Date alles zerstören könnte. Wird sie sich dennoch darauf einlassen? Kann aus der Begegnung mehr werden? Oder verlieren sie dadurch alles?

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Heidi Oehlmann

Gefühlschaos

 

 

 

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- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel - Mia

2. Kapitel - Mia

3. Kapitel - Konstantin

4. Kapitel - Mia

5. Kapitel - Konstantin

6. Kapitel - Mia

7. Kapitel - Mia

8. Kapitel - Mia

9. Kapitel - Mia

10. Kapitel - Mia

11. Kapitel - Konstantin

12. Kapitel - Mia

13. Kapitel - Mia

14. Kapitel - Mia

15. Kapitel - Mia

16. Kapitel - Konstantin

17. Kapitel - Mia

18. Kapitel - Mia

1. Kapitel - Mia

»Hi Mädels!«, keuche ich, als ich völlig außer Atem im Café eintreffe. Wie immer bin ich auch heute wieder die Letzte. Dabei habe ich mich so beeilt, um einigermaßen pünktlich zu sein. Meine Freundinnen haben es sich bereits an unserem Stammtisch gemütlich gemacht und die ersten Getränke bestellt.

»Na Mia, kommst du auch schon!«, sagt Lisa in einem strengen, Gänsehaut hervorrufenden Lehrerton. Dabei schauen mich ihre blauen Augen anklagend über ihre Brille hinweg an. Wie ich diesen Blick hasse. Immer wenn sie das tut, fühle ich mich schuldig. Sie gibt mir jedes Mal das Gefühl, als hätte ich irgendetwas Schlimmes verbrochen. Meist geht es nur um Kleinigkeiten, aus denen sie eine riesengroße Sache macht.

Lisa erinnert mich an meine Grundschullehrerin Frau Marten, bei der ich Deutsch und Sachkunde hatte. Wenn ich im Unterricht nicht aufgepasst hatte - das kam häufig vor - schaute sie mich genauso vorwurfsvoll über ihre Hornbrille mit den Aschenbechergläsern hinweg an, so wie Lisa es macht.

Lisa ist in unserer Mädelsrunde das, was man früher zu Schulzeiten als Streberin bezeichnet hätte. Bei solchen Mädchen schrieb man höchstens die Hausaufgaben ab, aber sonst wollte man eher weniger mit ihnen zu tun haben. Genauso geht es mir heute mit ihr. Sie weiß grundsätzlich alles besser und verhält sich überhaupt nicht ihrem Alter entsprechend. Wenn ich nicht wüsste, dass sie erst vierundzwanzig Jahre alt ist, würde ich sie auf das Doppelte schätzen. Ihr ganzes Auftreten macht sie mächtig alt. Ihr blondes langes Haar trägt sie stets streng als Zopf zusammengebunden. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals mit offenen Haaren auf der Straße gesehen zu haben. Eigentlich habe ich sie noch nie ohne ihren Pferdeschwanz gesehen. Selbst an den Abenden, an denen ich mit den anderen in ihrer Wohnung war - zugegeben es kam selten vor, weil wir uns alle nicht so wohl bei ihr fühlten - trug sie ihr Haar niemals offen.

»Hallo Mia, was war denn heute wieder los?«, fragt Sybille, die Frohnatur unter uns. Sie versucht genauso ernst zu klingen wie Lisa, aber sie schafft es nicht. Sybille gehört zu den Menschen, die einen schnell aufheitern, ganz gleich, wie mies man gerade drauf ist. Wenn ich in ihre grünen Augen sehe, bin ich automatisch gut gelaunt. Ihr gelingt es spielend, jeden zum Lachen zu bringen, ohne großartig etwas dafür tun zu müssen. Darum kann ich mir auch jetzt mein Grinsen nicht verkneifen. Erst recht nicht, als ihr eine der langen roten Locken ins Gesicht fällt, und Sybille sie versucht wegzupusten. Es klappt nicht. Sie muss ihre linke Hand zur Hilfe nehmen, um die Haarsträhne zu bändigen.

»Ach, hört bloß auf! Ich habe total die Zeit vergessen!«

»Wieso? Warst du wieder stundenlang im Chat?«, fragt Marta, die zu den stilleren Typen gehört - zumindest außerhalb unserer Treffen. In unserer Mädchenclique ist sie alles andere als ruhig. Wenn ich einem Außenstehenden Geschichten über Marta erzählen müsste, würde mir die Person nicht ein einziges Wort glauben, wenn Marta danebensteht. Sie wirkt so schüchtern, so als ob sie kein Wässerchen trüben könnte. Ihr schulterlanges braunes Haar trägt sie immer gut sortiert. Das festigt das Bild eines braven Mädchens. Ihre treuen rehbraunen Augen vermitteln einem erst recht den Eindruck, Marta wäre so scheu wie ein Reh. Dabei hat sie es faustdick hinter den Ohren. Das merkt man aber nur, wenn man sie richtig kennengelernt hat. Dann taut sie so richtig auf.

Mein Blick wandert zu der Fünften in unserem Bunde, zu Carmen. Sie schaut gedankenverloren aus dem Fenster. Ihr schwarzes langes Haar bedeckt die mir zugewandte Seite ihres Gesichts. Unser Gespräch scheint sie nicht zu interessieren. Ich bin mir unsicher, ob sie meine Ankunft überhaupt mitbekommen hat. Von ihr kam bisher keine Reaktion.

»Ähm ja, ich habe da jemanden kennengelernt«, antworte ich recht schüchtern, ohne Carmen aus den Augen zu lassen.

Innerlich muss ich lachen. Kennengelernt ist eindeutig zu viel gesagt. Eigentlich habe ich nur mit einem nett zu scheinenden Typen gechattet und dabei einfach die Zeit vergessen.

»Erzähl uns mehr! Wir wollen jede Einzelheit wissen? Wie sieht er aus? Was macht er? Nun lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«, fordert Sybille mich auf.

Von ihr bin ich es nicht gewöhnt, dass sie so viele Fragen auf einmal stellt. Normalerweise ist dies Carmens Part, aber Carmen erweckt nicht den Eindruck, als hätte sie im geringsten Interesse daran, meine Geschichte zu hören.

»Carmen?«, rufe ich.

Carmen, unsere temperamentvolle Spanierin zuckt zusammen und dreht sich in meine Richtung. Ich kann kaum glauben, was ich sehe. Sie sieht völlig verheult aus. Ihre sonst so leuchtend braunen Augen sehen glasig und feucht aus. Wenn ich sie so ansehe, kommt sie mir fremd vor. Ich kann mich nicht erinnern, sie jemals so gesehen zu haben.

»Was ist denn mit dir los?«, frage ich schockiert.

»Nichts! Außer, dass Karl mich verlassen hat, ist alles in Ordnung!«

»Was? Karl hat dich verlassen? Warum?«

Carmens Blick wendet sich von mir ab. Sie schaut erneut aus dem Fenster und zuckt nur mit den Schultern.

»Warum habt ihr denn nichts gesagt? Ihr lasst mich hier über meine Bekanntschaft erzählen, während Carmen leidet. Das geht doch nicht!«

Meine giftige Ansprache klang nicht nur angesäuert. Sie war auch so gemeint. Ich bin stinksauer auf meine sonst so mitfühlenden Freundinnen. Wie können sie Carmen einfach so sich selbst überlassen und zur Tagesordnung übergehen?

Ich lasse mich auf den Stuhl neben meiner spanischen Freundin fallen und lege ihr einen Arm auf die Schultern.

»Jetzt spiel dich mal nicht so auf, Mia! Was sollen wir denn machen? Sollen wir Karl zwingen zu Carmen zurückzugehen?«, sagt die Streberin.

Ich koche vor Wut, versuche, mich Carmen zuliebe zusammenzureißen. Ihr geht es sichtbar mies genug, da muss sie nicht auch noch einem Streit zwischen Lisa und mir ausgesetzt sein.

Es ist typisch für Lisa, sie hat keinen Funken Mitgefühl und wenn, kann sie ihre Gefühle ganz gut verbergen.

Wie ich es hasse, wenn Lisa mich so anmotzt. Immer wenn sie das tut, frage ich mich, wie sie zu uns stieß.

Am Anfang gab es nur Carmen, Marta und mich in unserer fröhlichen Frauenrunde. Wir drei kennen uns aus der Schule. Vom ersten bis zum letzten Schultag drückten wir zusammen in einer Klasse die Schulbank. Wir drei verstanden uns seit der Einschulung blendend und sind seitdem unzertrennlich. Im Laufe der Jahre teilten wir alles - die Probleme mit unseren Eltern, die erste große Liebe und was man sonst für Sorgen als Teenager hat - miteinander. Das hält bis heute an. Wir können einfach über alles sprechen.

Vor sieben Jahren schleppte Carmen, die nur ein Jahr ältere Frohnatur Sybille an. Die beiden lernten sich in der Tanzschule kennen und waren auf Anhieb auf einer Wellenlänge. Carmen wollte damals, die für ihre Heimat typischen spanischen Tänze lernen, sie ist in Deutschland geboren und kennt ihr ursprüngliches Herkunftsland nur aus den Urlauben.

Marta und ich fanden Sybille auch von Anfang an sympathisch. Wir nahmen sie nach kurzer Zeit in unsere Mädelsrunde auf. Seitdem war sie bei jedem unserer Treffen dabei.

Damit waren wir eigentlich schon komplett. Zu viert war es viel besser als vorher nur zu dritt. So konnten wir auch etwas in Zweiergruppen unternehmen, ohne, dass sich eine von uns ausgeschlossen fühlte. Von mir aus hätte sich die Runde nicht vergrößern müssen. Vor zwei Jahren kam die ein Jahr jüngere Lisa hinzu. So richtig mitgebracht wurde sie von niemandem. Irgendwann war sie einfach da. Wir saßen damals zu viert hier in unserem Stammcafé, als uns Lisa aus heiterem Himmel angequatscht hatte. Schüchtern war sie schließlich nie. Ich kann mich nicht mehr erinnern, weshalb wir ins Gespräch gekommen waren. Lisa verbrachte an diesem Tag gleich mehrere Stunden an unserem Tisch. An dem besagten Tag fand ich ihre Anwesenheit noch okay. Was danach folgte, grenzte schon an Dreistigkeit.

Seit Jahren finden unsere Treffen freitags nach Feierabend - manchmal auch an anderen Tagen - meist in unserem Café statt. Von unserem Stammcafé aus starten wir unsere Unternehmungen. Es kommt selten vor, dass wir uns ganz woanders treffen.

Das musste Lisa geahnt haben. Eine Woche später, so wie die darauf folgenden Freitage war sie wieder hier. Das hat sich bis heute nicht geändert. Bisher hat sich noch keine von den anderen Mädels dazu geäußert, ob sie mit Lisas Anwesenheit einverstanden sind. Ich bin mir unsicher, ob die anderen sie dulden oder mögen. Deshalb habe ich bisher auch nichts gesagt.

So richtig warm bin ich mit Lisa in der ganzen Zeit nicht geworden. Vielmehr habe ich sie den anderen zuliebe geduldet. Ihre Art finde ich schrecklich. Ihr fehlt eine gewaltige Prise Herzlichkeit und Verständnis für andere Menschen. Außerdem könnte sie viel mehr aus sich machen. Sie läuft herum wie eine graue Maus. Durch ihren streng gebundenen Zopf wirkt sie irgendwie pädagogisch, so wie eine Lehrerin. Wahrscheinlich denkt sie deshalb, sie muss uns - speziell mich - auf Fehler aufmerksam machen und noch etwas beibringen, aber ich bin keine zwölf Jahre mehr alt. Meine Schulzeit habe ich hinter mir gelassen und muss mich mit meinen fünfundzwanzig Jahren nicht mehr ungefragt belehren lassen. Und schon gar nicht von jemandem, der ein Jahr jünger ist, als ich es bin.

Vor sieben Jahren, kurz, nachdem Sybille zu uns stieß, haben wir eine Art Pakt geschlossen. Bis zu unserem dreißigsten Geburtstag, was in fünf Jahren so weit ist - Sybille hat nur noch vier Jahre und Lisa hätte sechs Jahre Zeit, wenn sie mitmachen würde - wollen wir alle einen Mann gefunden haben. Es kommt uns nicht darauf an, an unseren Geburtstagen verheiratet zu sein. Uns würde es schon reichen, wenn bis dahin jede einen festen Freund hätte und wir uns endlich der Familienplanung widmen könnten.

In den sieben Jahren schafften wir es kein einziges Mal, alle gleichzeitig einen Freund zu haben. Die Mehrheit war immer single. Genau wie jetzt. Die Einzige, die bis vor Kurzem noch vergeben war, ist Carmen. Seit heute sind wir alle fünf - wenn ich Lisa mitzähle - alleinstehend. Es wird also Zeit für einen neuen Plan. Zunächst müssen wir Carmen etwas aufmuntern. In ihrem jetzigen Zustand ist mit ihr kaum etwas anzufangen. Ich weiß, wie sehr sie Karl geliebt hat, ihn womöglich immer noch liebt. Gefühle kann man nicht nach Belieben ausblenden. Es macht aber wenig Sinn der Vergangenheit hinterher zu trauern. In so einer Situation hilft es nur, nach vorn zu schauen.

»WAS WILLST DU JETZT VON MIR?«, schreie ich Lisa an.

Ich kann einfach nicht anders. Sie sieht mich so abwertend an. Am liebsten möchte ich ihr eine scheuern, aber das verkneife ich mir. Stattdessen atme ich tief durch und wende mich wieder Carmen zu: »Willst du reden?«, frage ich.

»Ach Mia. Das ist echt süß von dir, aber lass mal gut sein. Nach Reden ist mir jetzt gerade nicht zumute.«

»Okay. Wie du willst.«

Ich zucke mit den Schultern und schaue zu den anderen. Drei der Mädels sehen mich fragend an. Nur Lisa scheint Carmens Schicksal kalt zu lassen. Ihr Blick ist auf den Boden gerichtet.

Vielleicht war ich gerade etwas zu hart zu ihr. Dennoch werde ich mich nicht bei ihr entschuldigen. Lisa entschuldigt sich schließlich auch nie bei mir, wenn sie mich angeblafft hat. Außerdem ist sie selber schuld! Warum musste sie mich wieder so blöd von der Seite anmachen?

»Okay Mädels, was wollen wir heute noch Schönes machen? Wir können schlecht den ganzen Tag hier rumsitzen und Trübsal blasen. Lasst uns heute Abend weggehen!«, schlage ich vor.

»Seid mir nicht böse, aber ich komme nicht mit«, antwortet Carmen so leise, dass ich sie kaum verstehen kann.

»Ich auch nicht. Ich habe schon was vor«, sagt Lisa wie aus der Pistole geschossen. Anscheinend hat sie darauf gewartet, das zu sagen.

»Was denn?«, fragt Sybille.

»Ich habe ein Date.«

Das war wieder so klar. Lisa muss sich ständig in den Mittelpunkt stellen. Was wird sie schon für ein Date haben? Wahrscheinlich handelt es sich um eine Verabredung mit ihren Büchern.

»Mit wem?«, fragt wieder Sybille.

»Kennt ihr nicht!«

»Wo hast du ihn kennengelernt?«, mischt Marta sich ins Gespräch ein.

»Gestern an der Tankstelle.«

»Und? Wie sieht er aus?«, fragt Marta erneut.

Wie soll er schon aussehen? Es wird bestimmt wieder so ein Langweiler sein.

Bisher bewies Lisa keinen guten Männergeschmack. Die Männer, mit denen ich sie sah, waren eher solche Muttersöhnchentypen, die noch im Hotel Mama wohnen und eine Spielzeugeisenbahn im Keller haben. Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich so ist. So stelle ich mir diese Typen jedenfalls vor. So verzweifelt könnte ich nie sein, mich mit so einem Kerl einzulassen.

Das sage ich natürlich nicht laut, sonst ist gleich der nächste Streit vorprogrammiert. Stattdessen lausche ich dem Frage-Antwort-Spiel von Marta und Lisa.

»Wie soll er schon aussehen? Ganz normal halt.«

»Er wird ja sicherlich eine Figur, eine Augen- und eine Haarfarbe haben? Mensch Lisa, lass dir doch nicht jedes einzelne Wort aus der Nase ziehen!«

»Er ist ein paar Zentimeter größer als ich, hat eine normale Figur, dunkelblonde kurze Haare und blaue Augen. Gibt es sonst noch Fragen?«

»Warum bist du so patzig? Wenn du nicht darüber reden willst, hättest du uns doch nichts von deinem Date erzählen müssen. Es hätte auch gereicht, wenn du sagst, dass du nicht mitkommst!«

So bösartig kenne ich Marta gar nicht! Aber es gefällt mir, zumindest, wenn es um Lisa geht!

»Gut. Wenn ihr keine weiteren Fragen mehr habt, mache ich mich jetzt auf den Heimweg. Ich muss mich noch umziehen.«

»Okay, dann viel Spaß!«, antwortet Sybille.

Wir anderen sagen nichts, scheinen aber das Gleiche zu denken. Ein Blick in Martas Augen genügt mir, um zu wissen, was sie denkt.

»Danke! Tschüss«, antwortet Lisa.

»Tschüss«, sagt Sybille.

»Viel Spaß!«, ertönt Carmen leise. Ich konnte sie kaum verstehen.

»Tschau«, sagt Marta. Ihre Verabschiedung ist passend zu ihrem Blick, den sie gerade drauf hat, kurz und schmerzlos.

»Viel Erfolg!«, rutscht es aus mir raus.

Ich kann es einfach nicht lassen. Lisa hat die Anspielung genau verstanden. Prompt bekomme ich eine Antwort von ihr, indem sie mich böse anschaut. Sie weiß, dass es keinesfalls nett gemeint war. Das macht sie mir mit ihrem Blick deutlich.

Sie kehrt uns den Rücken zu und verschwindet aus dem Café.

Ich atme auf und sage: »Na endlich!«

»Mensch Mia, reiß dich mal zusammen!«, fordert Sybille mich auf.

»Wieso? Ich habe langsam keine Lust mehr, mich von Lisa ständig wegen jeder Kleinigkeit zur Sau machen zu lassen. Sie ist nicht meine Mutter.«

»Mia hat recht!«, flüstert Marta. »Mir geht sie allmählich auch auf die Nerven mit ihrer patzigen und neunmalklugen Art.«

»Och Mädels, warum könnt ihr euch nicht einfach vertragen? Was ist denn im Moment mit euch los?«, fragt unsere Frohnatur.

»Lisa passt nicht zu uns. Bevor sie da war, ging es friedlicher bei uns zu«, antworte ich.

»Vielleicht sollten wir darüber abstimmen, ob wir sie weiterhin in unserer Clique haben wollen«, schaltet sich nun auch Carmen ein.

Wir sind erstaunt über ihre Worte und starren sie regelrecht an. Keiner sagt etwas.

In den letzten Minuten wirkte Carmen so abwesend und desinteressiert, so als ob sie nicht hier wäre und nun verhält sie sich so, als ob sie die ganze Zeit ein Teil des Gesprächs war.

»Was ist? Mia hat doch recht. Seit Lisa bei uns ist, gibt es nur noch Zoff. Und mal ehrlich, keine von uns hat sie zu uns eingeladen. Also wer dafür ist, dass Lisa gehen soll, hebt die Hand!«, fügt Carmen hinzu.

Wir drei schauen uns verwirrt an und wissen im ersten Moment nicht, wie wir reagieren sollen.

Carmen hebt ihren rechten Arm. Als ob ich auf das Kommando gewartet habe, geht auch meiner in die Luft. Dann folgt der linke Arm von Marta. Nur Sybille zögert. Ihr Blick wechselt zwischen uns hin und her.

»Seid ihr euch sicher?«, fragt sie zur Sicherheit.

Wir antworten gleichzeitig, wie in einem Chor: »Ja.«

»Das ist ganz schön fies hinter Lisas Rücken. Aber was soll`s.« Sybille hat ihren Satz noch nicht beendet, als auch sie ihren Arm in die Luft streckt. Alle vier sind wir uns über Lisas Austritt aus unserer Mädelsclique einig. Ich hätte niemals gedacht, dass es den anderen genauso geht wie mir. Ich hätte schwören können, die Mädels kämen besser mit Lisa zurecht. Zumindest eine von ihnen hätte doch Partei für Lisa ergriffen, wenn sie ihr etwas bedeuten würde. Sybilles Einwand sehe ich nicht unbedingt als Unterstützung für Lisa. Sybille einigt sich nur lieber gütig, statt irgendwelche Entscheidungen hinter dem Rücken einer Person zu treffen. Manchmal glaube ich, Sybille hat ein schlechtes Gewissen, wenn sie es sich mit jemandem verscherzt.

Für mich zählt nur das Resultat: Niemand will Lisa weiterhin dabei haben. Also muss sie zu meiner Freude gehen.

Ich bin froh über diese Entscheidung. Wenn Lisa weg ist, wird es wieder so schön, wie ich es von früher in Erinnerung habe.

»Wie geht es jetzt weiter?«, fragt Sybille.

»Zunächst sollten wir unseren Treffpunkt ändern. Lisa weiß schließlich, dass wir jeden Freitag hier sind«, sage ich bestimmend.

»Ja, wo treffen wir uns dann?«, fragt Sybille verdutzt. Ihr Blick verrät, was sie denkt. Sie will eigentlich nichts verändern, aber ist dazu bereit, wenn es nicht anders geht.

»Wie wäre es mit dem Café unten neben dem Supermarkt?«, schlägt Marta vor.

»Das war klar, dass du das sagen würdest. Dann hast du es nicht mehr so weit zu unseren Treffen«, witzele ich. »Das können wir machen. Hauptsache keine von euch verplappert sich vor Lisa.«

»Boah, seid ihr feige! Ich dachte eher, wir reden mit Lisa und sagen ihr, dass wir sie nicht mehr bei uns haben wollen. Alles andere ist doch Mist!«, sagt Carmen.

Ich habe so etwas befürchtet. Carmen ist nicht der Typ für Hinterhältigkeiten. Sie sagt immer geradeheraus, was sie denkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um positive oder negative Gedanken handelt. Wenn sie einen Menschen nicht mag, sagt sie es genauso, als wenn sie ihn mag. Eigentlich mag ich ihre direkte Art, aber manchmal fühle ich mich unwohl, wenn sie in meiner Anwesenheit jemanden ihre Meinung, speziell, wenn es keine gute ist, geigt. In solchen Momenten möchte ich am liebsten immer wegrennen.

»Heißt das, du willst es ihr sagen?«, fragt Sybille.

»Wer denn sonst? Von euch traut sich doch wieder keine.«

»Und wann?«, fragt Sybille erneut.

»Bei unserem nächsten Treffen.«

»Okay.«

»Gut, dann hätten wir das auch geklärt. Und was machen wir heute noch?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.

»Wir könnten ja mal wieder tanzen gehen«, schlägt Marta vor.

»Das ist eine super Idee«, bestätigt Sybille.

»Stimmt, das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Was hältst du davon, Carmen?«, frage ich.

»Na schön. Aber erst wenn du uns endlich erzählst, wen du kennengelernt hast.«

»Ach kennengelernt ist zu viel gesagt. Ich chatte nur seit ein paar Tagen mit jemandem über so eine Singlebörse.«

»Aha. Unsere Mia hat es wieder faustdick hinter den Ohren. Hast du schon ein Foto von dem Typen gesehen?«, entgegnet Sybille.

»Nein, das habe ich nicht. Ich bin mir auch unsicher, ob ich das will. Ihr wisst doch, die nettesten Männer sehen meistens nicht so toll aus.«

»Du musst ja nicht nur auf das Äußere achten. Die inneren Werte sind doch viel wichtiger«, mischt sich Marta ein.

»Ja. Marta, du hast wie immer recht«, antworte ich grinsend.

Natürlich sind die inneren Werte auf lange Sicht wichtig, aber am Anfang zählt nur der erste Eindruck. Wenn man jemanden von vornherein nicht attraktiv findet, ist alles, was danach folgen könnte, zum Scheitern verurteilt, weil man sich dann mit dem Menschen nicht mehr trifft. Das müssten die Mädels doch wissen. Ich weiß nicht, wie viele Male sie in den letzten sieben Jahren über das Aussehen ihrer Dates gelästert haben. Es war so oft, sodass ich es aufgegeben habe, mitzuzählen. Und bei mir machen sie jetzt so ein Ding daraus!

»Und?«, fragt Carmen wieder.

»Was und?«

»Wie heißt er? Was macht er? Wollt ihr euch mal treffen?«

»Erstens: Er heißt Konstantin. Zweitens: Keine Ahnung. Darüber haben wir noch nicht geredet. Und drittens: Ich glaube nicht, dass wir uns treffen werden.«

»Wie? Du weißt nicht, was er so macht. Worüber redet ihr die ganze Zeit?«, fragt Carmen.

»Du kannst doch nicht von Anfang an ein Treffen ausschließen«, plärrt Sybille hinein.

»Ach Mädels. Wir haben kaum etwas von uns preisgegeben. Wir reden mehr über grundsätzliche Dinge, die uns wichtig sind. Warum soll ich den netten Kontakt durch ein Treffen kaputtmachen? Irgendwann wird schon der Richtige kommen.«

»Apropos, der Richtige: Was haltet ihr eigentlich davon, wenn wir bei so einem Speed Dating mitmachen? Ich habe vorhin erst darüber gelesen. Ich glaube, nächstes Wochenende ist wieder so eine Veranstaltung«, fragt ausgerechnet Marta, die Schüchterne aus der Runde.

»Ist das dein Ernst?«, frage ich entrüstet.

»Na klar! Warum denn nicht? Wenn wir immer nur hier im Café in der Gruppe sitzen, werden wir nie jemanden kennenlernen.«

»Na hier laufen ja wohl genug attraktive Männer rum«, kontert Sybille.

»Natürlich. Und die werden sich auch trauen, uns anzusprechen, wenn wir hier alle auf einem Haufen hocken. Du weißt doch, die meisten Männer haben Angst vor großen Frauengruppen!«

Zuerst halte ich Martas Aussage für einen Scherz, aber sie scheint das ernst zu meinen. Sie glaubt wirklich, was sie gesagt hat. Das sehe ich in ihren Augen. Ich verkneife mir also mein Lachen und denke einen Moment über ihren Vorschlag nach.

»Was hältst du von der Idee, Carmen?«, frage ich vorsichtig.

»Ich finde, dass es keine schlechte Idee ist. Ich habe nämlich keine Lust mehr Trübsal zu blasen. Etwas Ablenkung wird uns allen gut tun. Und wer weiß, vielleicht findet ja die eine oder andere von uns ihren Traumprinzen dort.«

Da ist sie, unsere Carmen. Endlich hat sie ihr Temperament wieder gefunden. Ich hoffe nur, es hält auch eine Weile an und sie lässt sich nicht hängen, sobald ihre Gedanken zurück zu Karl wandern.

»Okay. Dann sollten wir uns dort gleich anmelden gehen, oder?«, schlägt Marta vor.

»Ja, super. Und danach gehen wir tanzen«, sagt Sybille.

»Gut, dann werde ich mal bezahlen. Ladys ihr seid heute eingeladen«, verkündet Carmen, der nicht mehr anzusehen ist, wie schlecht es ihr vor einer halben Stunde noch ging.

Wenn ich gewusst hätte, dass Carmen uns einlädt, hätte ich mir auch etwas zu trinken bestellt. Irgendwie habe ich es bei dem ganzen Trubel vergessen. Das ist eben der Nachteil, wenn man als Letzte eintrifft. Aber egal. Heute Abend werde ich mir ein paar Cocktails gönnen und dann ist der Cafébesuch wieder vergessen.

Carmen zückt ihr Portemonnaie und ruft der Kellnerin zu: »Wir wollen zahlen, bitte!«

»Ja, ich komme gleich«, antwortet die Dame, die gerade von einem Tisch zum anderen hetzt, um Bestellungen aufzunehmen.

»Ich hoffe, es dauert nicht allzu lange«, sagt Carmen, während sie ihre Geldbörse öffnet.

»Verdammt, ich habe nicht genug Bargeld dabei. Kann mir eine von euch etwas leihen?«, sagt Carmen, nachdem sie einen Blick in ihr Portemonnaie geworfen hat.

»Ich schaue kurz, was ich noch habe. Ich war heute nicht auf der Bank«, antworte ich und greife in meine überdimensional große Handtasche. Darin habe ich jede Menge unnötiges Zeug, was ich im Notfall bestimmt gebrauchen kann, sofern er jemals eintritt. Ich krame nach meiner Geldbörse. Während ich sie suche, hält Sybille ihre schon in der Hand: »Wie viel brauchst du denn?«

»Ich denke, zwanzig Euro sollten reichen. Bevor wir nachher in den Klub gehen, müssen wir unbedingt an einem Geldautomaten anhalten. Dann bekommst du das Geld gleich wieder.«

»Gut. Ich habe nur noch einen Fünfziger.«

»Egal. Den nehme ich auch.«

»Wiedersehen macht Freude!«, sagt Sybille scherzend, während sie Carmen den Schein hinhält.

»Ja, ich habe doch gesagt, dass du das Geld gleich wiederbekommst«, antwortet Carmen leicht gereizt, als sie den Geldschein entgegen nimmt.

2. Kapitel - Mia

»Hier ist ja überhaupt nichts los«, krächzt Sybille, als wir den Klub betreten.

Der Laden ist in der Tat ziemlich leer. Mich wundert es nicht weiter. Es ist noch vor neun Uhr. »Das wird schon voller«, sage ich.

Carmen und Marta stimmen mir nickend zu.

Wir gehen direkt auf die Bar zu und bestellen uns die ersten Cocktails des Abends.

Ich wende mich von dem Tresen ab und schaue mich um. Vereinzelt stehen kleinere Grüppchen in den Ecken und unterhalten sich. Ich sehe mir alle Gäste an. Immerhin ist es nicht auszuschließen, jemand zu treffen, den ich kenne. Noch kann man sich jeden Menschen genauer anschauen. Wenn der Laden in ein paar Stunden so richtig voll ist, wie freitags üblich, wird es schwierig, im Gedränge ein bekanntes Gesicht zu finden.

Ich entdecke tatsächlich eine Person, die ich kenne, aber die ich hier nie erwartet hätte und heute eigentlich nicht mehr sehen wollte. In der hintersten Ecke sitzt Lisa mit einem gut aussehenden Typen. Er passt zu der spartanischen Beschreibung, die sie uns vorhin gegeben hatte. Er hat kurze dunkelblonde Haare und wahrscheinlich blaue Augen. Das kann ich aus der Entfernung nicht erkennen.

So einen passablen Geschmack hätte ich der Streberin nicht zugetraut. Für den Leckerbissen hätte ich mich heute auch so beeilt.

Die beiden scheinen sich ausgesprochen gut zu unterhalten. Lisa sieht so anders aus. Sie trägt ihre Haare zwar wieder zusammengebunden, aber sie wirkt viel lockerer, als sie es sonst ist. Ich kann sogar ab und zu ein Lächeln auf ihren Lippen erkennen. So oft, wie sie in der Gesellschaft des Mannes lächelt, habe ich sie in den zwei Jahren, in denen ich sie kenne, nicht lachen sehen. Wenn ich es mir genau überlege, habe ich sie bisher nur bei unserer ersten Begegnung fröhlich gesehen. Seitdem war sie immer nur ernst und hatte dementsprechend einen grimmigen Blick drauf.

Bei dem Anblick des Paares bin ich ein bisschen neidisch. Das würde ich natürlich nie vor Lisa zugeben. Das wäre eine Genugtuung für die besser wissende Streberin. Ich hätte auch Lust, mich mit einem netten Mann zu unterhalten, in der Hoffnung, daraus entwickelt sich mehr. Er müsste gut aussehend und dennoch intelligent sein, so wie Konstantin. Ich weiß, meine Ansprüche sind sehr hoch gesteckt. Vielleicht ist das der Grund für mein Singledasein. So langsam habe ich genug von der Einsamkeit.

Mein letztes Date ist inzwischen fast ein Vierteljahr her. Daran denke ich allerdings nur ungern zurück. Diese Verabredung gehörte zu den schlimmsten, die ich jemals erlebt habe. Mein Date - ich kann mich an seinen Namen nicht mehr erinnern - war eigentlich süß, zumindest von der Optik, aber als er seinen Mund aufmachte, wollte ich mich am Liebsten auf der Stelle wegbeamen. Es lag weniger an seiner Stimme - sie war angenehm - vielmehr waren es die Worte, die er von sich gab. Die ganzen zwei Stunden, die wir im Restaurant zusammen verbrachten, machte er die Kellnerin zur Sau. Er beschwerte sich in einer Tour über das Essen, und wenn er nicht damit beschäftigt war, ging es nur um ihn und seinen Traum, einen eigenen Laden zu eröffnen. Bereits nach der ersten halben Stunde konnte ich das Palaver nicht mehr hören. Irgendwann schaltete ich meine Ohren auf Durchzug und nickte nur noch, wenn ich den Eindruck hatte, er erwartete eine Antwort von mir. Ich war heilfroh, als wir aufgegessen hatten und ich mich unter dem Vorwand, ich hätte im Anschluss eine Verabredung mit einer Freundin - was natürlich nicht der Fall war - verabschiedete. Zu meinem Leidwesen hatte ich ihm vor dem Treffen - wir lernten uns eine Woche zuvor in einer Bar kennen, dort verhielt er sich völlig normal - meine Handynummer gegeben. Diese Entscheidung bereute ich nach diesem misslungenen Date. In den darauf folgenden Tagen rief er mich beinahe täglich an. Die ersten beiden Anrufe nahm ich noch entgegen und sagte ihm, ich hätte keine Zeit. Danach drückte ich ihn immer weg, sobald seine Nummer auf dem Display meines Handys erschien, und hoffte jedes Mal, dass es sein letzter Anruf war. So schnell gab er allerdings nicht auf. Vor ungefähr sechs Wochen hat er es erst kapiert und aufgehört, mich zu terrorisieren. Ich kann nur froh sein, ihm nicht auch meine Adresse gegeben zu haben. Womöglich hätte er dann wochenlang vor meiner Tür gestanden und mir aufgelauert. Bei dem Gedanken läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken.

- Ende der Buchvorschau -