GEGEN DIE UHR - Hartley Howard - E-Book

GEGEN DIE UHR E-Book

Hartley Howard

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Beschreibung

Von dem Mann war nicht viel übriggeblieben. Er hatte eine Telefonzelle betreten, und in diesem Augenblick war die Zeitbombe in seiner Aktentasche explodiert. Und Glenn Bowman, Privatdetektiv aus New York, sucht im Auftrag des Buchmachers Mike Schultz nach einem Mann, der mit einer Aktentasche und 20.000 Dollar verschwunden ist... »Temporeich, spannend, mit Vergnügen zu lesen«, urteilte der LONDON OBSERVER über die Krimis von Hartley Howard. Der Roman GEGEN DIE UHR des britischen Schriftstellers Hartley Howard (eigentlich Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; † Großbritannien) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

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HARTLEY HOWARD

 

 

GEGEN DIE UHR

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

GEGEN DIE UHR 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Impressum

 

Copyright © by Leopold Horace Ognall/Signum-Verlag.

Published by arrangement with the Estate of Leopold Horace Ognall.

Original-Titel: Time Bomb.

Übersetzung: Wulf Bergner.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg

Umschlag: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected]

 

Das Buch

 

 

Von dem Mann war nicht viel übriggeblieben. Er hatte eine Telefonzelle betreten, und in diesem Augenblick war die Zeitbombe in seiner Aktentasche explodiert.

Und Glenn Bowman, Privatdetektiv aus New York, sucht im Auftrag des Buchmachers Mike Schultz nach einem Mann, der mit einer Aktentasche und 20.000 Dollar verschwunden ist...

 

»Temporeich, spannend, mit Vergnügen zu lesen«, urteilte der London Observer über die Krimis von Hartley Howard.

 

Der Roman Gegen die Uhr des britischen Schriftstellers Hartley Howard (eigentlich Leopold Horace Ognall - * 20. Juni 1908 in Montreal, Québec; † Großbritannien) erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr. 

Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.

GEGEN DIE UHR

 

  Erstes Kapitel

 

 

Als die Polizei später herumlief und alle möglichen Leute verhörte, konnte sich niemand an den Mann mit der braunen Aktentasche erinnern. Das allein hätte genügt, um der Mordkommission Kopfschmerzen zu machen - auch ohne die anderen unerklärlichen Dinge.

Nur eines stand fest: Die Sache war um Punkt zehn Uhr passiert. Datum, Zeit und Ort waren also bekannt: am zweiten November um zehn Uhr im U-Bahnhof Lexington Avenue. Mehr wusste die Polizei vorläufig nicht.

Eigentlich war es ein Glück, dass sich nicht viele Leute in der Nähe aufgehalten hatten, als der Mann mit der Aktentasche eine Telefonzelle betrat. Wären mehr Leute unterwegs gewesen, hätten sich eventuell Augenzeugen gefunden. Aber vielleicht wären dann auch einige weitere Todesopfer zu beklagen gewesen.

Ich las die Story in einer Abendzeitung, als ich nach einem verspäteten Mittagessen auf dem Rückweg ins Büro war. Eine interessante Story, obwohl noch nicht viele Details bekannt waren. Im Büro legte ich die Füße auf den Schreibtisch und dachte über den Mann mit der Aktentasche nach - den Mann, den niemand gesehen zu haben schien.

In einer Telefonzelle war nach einer Explosion ein Brand ausgebrochen. Nachdem er gelöscht worden war, hatte die Polizei in den Trümmern eine verstümmelte Männerleiche gefunden. Die Explosion und das Feuer hatten ganze Arbeit geleistet, so dass es nicht leicht gewesen war, John Doe zu identifizieren. Nach Mitteilung der Polizei musste er eine kombinierte Spreng-Brand-Bombe in seiner Aktentasche gehabt haben; die Tasche war jedenfalls völlig zerfetzt worden.

Diese Story beschäftigte mich an einem Nachmittag, an dem ich sonst nichts zu tun hatte - was in meiner Branche nur allzu oft vorkommt. Als Privatdetektiv muss man sich daran gewöhnen, dass man nicht gerade mit Aufträgen überhäuft wird. Aber ich machte mir deswegen keine Sorgen. Ich hatte ein paar Dollar auf der Bank und konnte in aller Ruhe abwarten, bis sich etwas Lohnendes ergab.

Ich lehnte mich zurück und dachte über einen Mitbürger nach, der keine Sorgen mehr hatte. Die hatten sich endgültig erledigt, als er um zehn Uhr eine Telefonzelle betreten hatte, um jemand anzurufen. Falls er noch Zeit gehabt hatte, die Nummer zu wählen, musste der andere die Detonation gehört haben. Vermutlich hatte er sich denken können, dass der Anrufer mitsamt der Bombe hochgegangen war...

Vielleicht hatte er nicht gesagt, von wo aus er anrief... vielleicht war das überflüssig gewesen... vielleicht war er angewiesen worden, um Punkt zehn anzurufen, damit jemand wusste, dass er und die Aktentasche sich zum Zeitpunkt der Detonation in einer engen Telefonzelle befinden würden.

Aber das waren müßige Überlegungen. Der Fall ging mich eigentlich nichts an, und ich befasste mich nur damit, um die Zeit totzuschlagen. Ich ahnte noch nicht, dass der Mann mit der braunen Aktentasche mich bald sehr viel angehen würde.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Zwei Tage später faulenzte ich noch immer, als mein Telefon um sechzehn Uhr fünf klingelte.

»Mike Schultz«, meldete sich eine Männerstimme. »Schon mal von mir gehört?«

»Natürlich - wenn Sie der Mike Schultz sind, an den ich dabei denke«, antwortete ich.

Das gefiel ihm. »Richtig, der bin ich«, bestätigte er lachend. »Können Sie mal bei mir vorbeikommen? Ich hab’ mit Ihnen zu reden.« Er machte eine Pause. »Vielleicht gibt’s dabei was für Sie zu verdienen.«

»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«, fragte ich ihn. »Wann soll ich kommen?«

»Das hat keine Eile - solange Sie bis halb fünf hier sind.« Anscheinend hielt er das für den Witz des Jahres.

Ich sah auf meine Uhr. Sieben nach vier. »Wo ist hier?«, erkundigte ich mich.

»Im Blue Bottle Club. Forty-ninth Street und Madison Avenue. Benützen Sie den Hintereingang. Falls jemand fragt, sagen Sie einfach, dass Sie zu Mike wollen...«

Damit legte er auf.

 

Niemand fragte mich, zu wem ich wollte. Ich stand in einem Korridor mit mehreren Türen, klopfte an eine, hinter der Licht brannte, und hörte ein Knurren, das ich als Aufforderung zum Eintreten verstand. Schultz saß in einem elegant eingerichteten Büro an einem riesigen Schreibtisch. Er war ein stämmiger, schwarzhaariger Mann mit Fältchen um die Augen, als lache er viel. Nase, Mund und Kinn verrieten Energie. Ich hatte das Gefühl, Schultz amüsiere sich hauptsächlich auf anderer Leute Kosten.

»Sie haben lange genug gebraucht«, stellte er fest.

»Es ist erst vier Uhr vierunddreißig«, widersprach ich ungerührt. »Und solange es hier noch keinen Hubschrauberverkehr gibt...«

»Sie reden zu viel«, unterbrach Schultz mich. »Machen Sie die Tür zu und setzen Sie sich.« Er wartete, bis ich in einem Besuchersessel saß. »Möchten Sie zweitausend Dollar verdienen - vielleicht auch mehr?« Seine grauen Augen beobachteten mich aufmerksam.

»Klar«, sagte ich. »Was muss ich dafür tun?«

»Sie sollen nur einen verschwundenen Freund aufspüren. Einen sehr teuren Freund.«

»Wie heißt Ihr Freund denn?«

Schultz grinste humorlos. »Zwanzig Mille... 20.000 Piepen sind einfach so verschwunden.« Er schnalzte mit den Fingern. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie einsam ich mich seitdem fühle.«

»Das kann ich mir vorstellen. Wohin ist das Geld verschwunden?«

»Das sollen Sie eben rauskriegen.«

»Und wie haben Sie das Geld eingebüßt?«

»Durch einen Zufall.« Er grinste nicht mehr. »Gleichzeitig ist auch ein gewisser Rickie Oppenheimer verduftet.«

»Wann war das?«

»Vor drei Tagen - am Montagabend.«

»Wer ist Rickie Oppenheimer?«, fragte ich weiter.

Schultz zündete sich umständlich eine Zigarre an, als wolle er Zeit zum Nachdenken gewinnen. »Rickie hat vor ein paar Jahren als Bote bei mir angefangen«, sagte er schließlich. »Als er sich bewährt hat, hab’ ich ihn kassieren lassen. In den letzten sechs, sieben Monaten hat er die Einsätze von den Wettbüros abgeholt und die Kneipen besucht, wo ich Spielautomaten stehen habe. Ich hab’ ihn immer für einen anständigen Kerl gehalten, der allen Grund hatte, mir dankbar zu sein.«

»Irren ist menschlich«, erklärte ich ihm. »Hat er gut verdient?«

»Wer für mich arbeitet, verdient gut. Außerdem hätte er nur zu mir zu kommen brauchen, wenn er in Geldverlegenheit gewesen ist. Ich bin kein Geizkragen.«

»Vielleicht war er zu schüchtern, um Sie um zwanzig Mille anzugehen. Hat er seine Runden allein gemacht?«

»Nein, mit zwei anderen. Ein Mann als Fahrer, der andere als Leibwächter.«

»Warum haben die beiden ihn durchbrennen lassen?«

Schultz starrte seine Zigarre angewidert an. »Weil Rickie sie reingelegt hat. Er hat gewusst, dass Felix und Otto Karten für den Boxkampf im Madison Square Garden hatten. Die Schwachköpfe haben ihm geglaubt, dass er mir die Einnahmen bringen wollte, und ihn vor meinem Apartment abgesetzt.«

»Wo hat er das Geld normalerweise abgeliefert?«

»Hier. Wir lassen es im Safe und rechnen erst am nächsten Vormittag ab.«

Ich sah zu dem kleinen Safe hinüber. »Nicht übermäßig sicher, was? Warum benutzen Sie nicht lieber den Nachttresor einer Bank?«

Er legte seine Zigarre weg. »Interessieren Sie sich gefälligst nicht für Dinge, die Sie nichts angehen!«

»Wenn ich diesen Rickie Oppenheimer finden soll, brauche ich alle Tatsachen.«

»Die haben Sie bereits. Er ist nie zu mir hinaufgekommen. Sobald die Jungs weggefahren waren, ist er abgehauen. Seitdem ist er verschwunden.«

»Und seit wann machen Sie sich Sorgen?«

»Seitdem ich heute Morgen aus Atlantic City zurückgekommen bin. Als ich nach Rickie gefragt hab’, ist alles rausgekommen.«

»Hat sich denn niemand gewundert, als er vorgestern und gestern nicht zur Arbeit gekommen ist?«

»Die anderen haben angenommen, Rickie hätte einen Sonderauftrag von mir gekriegt.«

»Aber wer hat inzwischen kassiert?«

Schultz runzelte die Stirn. »Das sind lauter unnötige Fragen, Bowman. Warum wollen Sie einen klaren Fall komplizieren?«

»Zwanzig Mille sind ein paar Fragen wert«, sagte ich. »Vielleicht kann ich Ihnen das Geld wiederbeschaffen, vielleicht auch nicht. Aber ich muss auf meinen Methoden bestehen, sonst kann...«

»Okay, okay!«, wehrte er ab. »Wir kassieren nur zweimal in der Woche, wenn Sie’s unbedingt wissen müssen. Montags und donnerstags. Zwischendurch hat Rickie oft kleinere Aufträge ausgeführt. Deshalb ist sein Verschwinden auch nicht aufgefallen.«

»Hat er gewusst, dass Sie am Montagabend in Atlantic City waren?«, erkundigte ich mich.

»Klar. Ich hab’ ihm gesagt, dass ich erst heute zurückkommen würde.«

»Was sollte er mit dem Geld tun?«

»Er sollte es hier in den Safe sperren. Ich hab’ ihm den Schlüssel gegeben.« Schultz grinste humorlos. »Da sehen Sie, was für ein Trottel ich bin!«

»Hat der Safe weitere Wertgegenstände enthalten?«

»Nein. Er dient nur zur Aufbewahrung über Nacht. Außerdem bewahren wir darin die Tageseinnahmen des Clubs auf.«

»Hat der Geschäftsführer einen Schlüssel?«

»Klar«, bestätigte Schultz. »Ich bin nachts oft nicht da. Deshalb schließt Julius die Tageseinnahmen weg.«

»Wie gut kennen Sie diesen Julius?«

Schultz beugte sich nach vorn. »Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Bowman. Julius ist mein Bruder - mein älterer Bruder. Was ich habe, gehört auch ihm. Ich will nicht, dass Sie so was denken, kapiert?«

»Gut, wie Sie meinen. Ist Rickie an dem bewussten Abend hier gesehen worden?«

»Anscheinend nicht. Felix und Otto haben ihn vor meiner Wohnung abgesetzt. Das Schwein hat ihnen gesagt, sie brauchten nicht auf ihn zu warten.«

Ich überlegte mir die nächste Frage gut, bevor ich mich erkundigte: »Leben Sie allein?«

Er griff wieder nach seiner Zigarre. »Halten Sie mich etwa für einen Mönch? Ich hab’ immer gern ein Frauchen um mich. Dadurch wird jedes Heim gemütlicher, finde ich.«

»Kann ich die Dame sprechen?«, fragte ich weiter.

»Was soll sie Ihnen erzählen können?«

»Vielleicht war Rickie bei ihr, bevor er mit dem Geld abgehauen ist.«

»Wozu hätte er das tun sollen?«

»Um sicherzugehen, dass Sie nicht unerwartet zurückgekommen waren.«

»Daran hab’ ich natürlich auch gedacht«, wehrte Schultz ab. »Ich hab’ als erstes Diane angerufen. Sie hat mir bestätigt, dass er sich am Montagabend nicht hat blicken lassen.«

»War sie den ganzen Abend lang zu Hause?«

»Wenn ich weg bin, bleibt sie immer zu Hause. Darauf haben wir uns von Anfang an geeinigt.« Er zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen können Sie mit Diane reden, wenn Sie wollen. Tun Sie, was Sie für richtig halten - aber spüren Sie mir Rickie Oppenheimer auf!«

»Was ist, wenn ich ihn finde?«, fragte ich. »Was passiert dann?«

»Ich will nur wissen, wo er ist«, sagte Schultz. Aber uns war beiden klar, was das bedeutete.

Ich stand auf. »Suchen Sie sich lieber einen anderen Spürhund. Ich hab’ keine Lust, jemand zu verpfeifen, damit Sie ihn sich vorknöpfen können.«

»Was ich mit Rickie vorhabe, ist meine Sache. Ich bezahle Sie, damit Sie ihn finden. Was kümmert Sie’s, wenn er kriegt, was ihm zusteht?«

»Ich will nicht wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht kommen«, erklärte ich Schultz.

Er schüttelte verblüfft den Kopf. »Wer sagt denn, dass ich ihn umlegen will? Ich will mein Geld zurück, und Rickie soll eine Abreibung kriegen. Aber kein Mensch will ihn gleich umbringen!«

Ich warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Okay, aber falls ihm doch etwas zustößt, gehe ich zur Polizei, verstanden?«

Schultz grinste nur. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Er zog eine Schublade auf. »Ich hab’ Ihnen schon einen Scheck über zweitausend Dollar ausgeschrieben. Oder wollen Sie lieber Bargeld, um sich die Buchführung zu sparen?«

»Danke, ein Scheck genügt.«

»Freut mich, einen ehrlichen Bürger kennenzulernen. Wenn Sie Rickie finden, bevor er zu viel ausgegeben hat, kommt noch ein Bonus dazu.«

»Ich tue mein Bestes«, versicherte ich ihm.

»Hoffentlich!«, sagte Mike Schultz drohend. »Mir reicht einer, der mich für dumm verkaufen will. Vergessen Sie nicht, für wen Sie arbeiten.«

Als ich hinausging, hatte ich das Gefühl, sein Blick versenge mir den Rücken. Rickie Oppenheimer tat mir allmählich leid.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Die Morgenzeitungen brachten ausführliche Berichte über den Mann, dessen Aktentasche auf dem U-Bahnhof Lexington Avenue explodiert war. Sie konnten inzwischen auch eine annähernd wahrscheinliche Personenbeschreibung veröffentlichen:

 

Etwa einssiebzig groß; fünfundsiebzig Kilo; zirka fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt; weiß; vermutlich blond; grauer Anzug, braune Schuhe und grauer Hut; braune Aktentasche. Wer einen Mann dieser Beschreibung am Morgen des zweiten November auf dem U-Bahnhof gesehen hat, wird gebeten, die nächste Polizeidienststelle zu benachrichtigen...

 

Ich dachte darüber nach, als ich in einem Taxi zu der Adresse unterwegs war, die Mike Schultz mir gegeben hatte. Eigentlich merkwürdig, dass sich noch niemand gemeldet hatte, der John Doe gekannt hatte.

Jemand hatte ihn beseitigen wollen, deshalb war er mit einer auf zehn Uhr eingestellten Zeitbombe losgeschickt worden. Das Unheimliche daran war, dass es jemand gleichgültig gewesen war, wie viele Menschen dabei umkamen. Hätte der Mann mit der Aktentasche nicht in einer Telefonzelle gestanden, hätte ein Dutzend Unbeteiligte den Tod finden können.

Merkwürdig war auch die Kombination einer Bombe mit einem Brandsatz. Anscheinend hatte es nicht genügt, John Doe umzubringen; seine Leiche hatte offenbar durch Feuer unkenntlich gemacht werden sollen. Ließ die Methode etwa einen Schluss auf das Tatmotiv zu?

Ich hatte keine Zeit mehr, mich länger mit John Doe zu befassen; aber später wurde mir klar, welchen Geistesblitz ich auf der Fahrt zu Rickie Oppenheimers Pension gehabt hatte.

 

Die Pension am Barclay Walk sah wie alle anderen Häuser in dieser ruhigen Seitenstraße aus: sauber, ehrbar und nicht sehr teuer. Vielleicht zu ehrbar und zu billig für einen Mann, der mit 20.000 Dollar durchgebrannt war.

Die Wirtin war eine hagere ältere Frau mit müden Augen und abgearbeiteten Pfänden. Ich erklärte ihr, ich sei ein Freund Rickie Oppenheimers und etwas besorgt, weil er sich seit einigen Tagen nicht mehr habe blicken lassen. Dann fragte ich sie, ob sie wisse, wo er im Augenblick sei?

»Erst heute Nachmittag hat jemand nach ihm gefragt. Ein stämmiger grauhaariger Mann. Kennen Sie ihn?« Das klang nicht sonderlich interessiert.

»Ja, ich kenne ihn«, bestätigte ich. »Er ist auch mit Rickie befreundet. Wann haben Sie Mr. Oppenheimer zuletzt gesehen?«

»Hmmm... Augenblick... Ja, am Dienstagmorgen. Er hat mit mir gesprochen, bevor er weggegangen ist.«

»Um welche Zeit war das?«

»Gegen halb neun. Ich hatte gerade die Post aus dem Briefkasten geholt.«

»War für ihn was dabei?«

»Nein, nichts.«

»Wissen Sie noch, was er zu Ihnen gesagt hat?«

»Er hat mir nur einen guten Morgen gewünscht. Mr. Oppenheimer ist immer sehr freundlich. Und er hat gelacht, als ich gefragt habe, ob er aus dem Bett gefallen sei. Sonst ist er nämlich immer erst gegen halb zehn aus dem Haus gegangen.«

»Hat er erzählt, warum er so früh wegmusste?«

»Oh, er war in der Stadt verabredet und wollte sich erst noch die Haare schneiden lassen.«

»Hat er wie immer gewirkt?«

»Genau wie sonst«, bestätigte sie.

»Was hat er noch gesagt, bevor er gegangen ist?«

»Das war eigentlich alles...« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Er ist weggegangen und nach kaum einer Minute zurückgekommen. Falls ein Anruf für ihn kommen sollte, bat er mich, was auszurichten...«

»Bitte weiter!«, forderte ich sie auf.

»Falls vor neun Uhr angerufen wurde, sollte ich bestellen, er sei bei Vincy. Das ist sein Friseur. Ich sollte seine Telefonnummer angeben.« Sie sah zu mir auf. »Seitdem ist Mr. Oppenheimer nicht mehr hier gewesen. Tut mir leid, mehr weiß ich auch nicht.«

»Ist der Anruf tatsächlich gekommen?«, fragte ich geduldig.

»Ja - zehn Minuten später hat jemand angerufen.«

»Ohne einen Namen zu nennen?«

»Richtig. Ich sollte ihn nur an den Apparat holen.«

»Hat ein Mann angerufen? Oder eine Frau?«

»Oh, eine Frau, die schon mehrmals angerufen hat.«

»Und Sie haben ihr das mit dem Friseur ausgerichtet?«

»Ja«, antwortete sie und verstummte wieder.

»Haben Sie dem Mann, der sich heute Nachmittag nach Mr. Oppenheimer erkundigt hat, von dem Anruf erzählt?«, wollte ich wissen.

»Nein.«

»Warum denn nicht?«

»Er hat nicht danach gefragt.«

Eigentlich hatte sie recht. Fragen und Antworten hängen wie Ursache und Wirkung zusammen. Hätte Schultz gewusst, wie man Informationen aufspürt, hätte er mich nicht anzuheuern brauchen.

»Wie weit ist es von hier zu Vincy?«

»Nicht sehr weit. Er hat seinen Salon in der Benson Street. Von hier aus drei, vier Minuten zu Fuß.«

»Sie haben mir viel geholfen«, erklärte ich ihr. »Dafür möchte ich mich erkenntlich zeigen.« Ich drückte ihr einen Fünfer in die Hand. »Und Sie können mir noch einen Gefallen tun...«

»Welchen?«, fragte sie, ohne das Geld anzusehen.

»Ich würde gern einen Blick in sein Zimmer werfen.«

Die Wirtin gab vor, darüber nachzudenken, steckte den Fünfer in die Schürzentasche und nickte. »Gut, meinetwegen. Wenn Sie mit Mr. Oppenheimer befreundet sind, hat er bestimmt nichts dagegen.«

Sie führte mich in den dritten Stock hinauf, wo sie schweratmend stehenblieb, bis sie den richtigen Schlüssel gefunden hatte. Rickie Oppenheimers Zimmer war etwa so gemütlich wie ein Bahnhofswartesaal. Wenn er wirklich gut verdient hatte, musste er viel zurückgelegt... oder für jemand anders ausgegeben haben.

Meine hagere Begleiterin beobachtete von der Tür aus, wie ich das Zimmer durchsuchte. Sie war noch so außer Atem, dass ihr gleichgültig war, was ich -tat, solange ich nichts klaute.

Kleiderschrank... Kommode... Nachttisch... mehrere Koffer unter dem Bett... das Bett selbst...

Ich fand keinen Hinweis darauf, wohin Oppenheimer sich abgesetzt hatte. Selbstverständlich hatte ich nicht erwartet, einen kompletten Fluchtplan zu finden; aber ich hatte gehofft, Hinweise darauf zu entdecken, was für ein Mann er war und wie er seine Freizeit verbrachte. Diese Hoffnung wurde mir genommen.

Im Kleiderschrank sah ich zwei Anzüge, einen Smoking und einen Regenmantel - alle mit leeren Taschen. Die Wäschekommode enthielt Hemden, Krawatten, Taschentücher, Unterwäsche und Socken. Unter dem Nachttisch standen drei paar Schuhe. Mir fiel auf, dass alle Toilettenartikel auf der Ablage über dem Waschbecken zurückgeblieben waren, aber dann überlegte ich mir, wie viele Zahnbürsten und Elektrorasierer man sich mit 20.000 Dollar kaufen konnte.

---ENDE DER LESEPROBE---