Geistesblitze und Genialität - Bilder aus dem Gehirn des Detektivs - Karoline Stiefel - E-Book

Geistesblitze und Genialität - Bilder aus dem Gehirn des Detektivs E-Book

Karoline Stiefel

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Beschreibung

Die Darstellung von Genie und Gedankenarbeit im Film wurde bislang noch kaum untersucht: Wie lässt sich etwas so Unbeobachtbares wie Geistesblitze oder Genialität visuell erfahrbar machen? Welche Strategien werden angewandt, um begriffliches Denken filmisch darzustellen? Und was sagt das über die Medien und Technologien aus, die dabei zum Einsatz kommen? Diesen Fragen geht Karoline Stiefel in ihrer detaillierten Untersuchung der Fernsehserien House, M.D. und Sherlock nach. In beiden Serien werden regelmäßig die eigentlich unsichtbaren Gedankenwelten des Helden für den Zuschauer sichtbar gemacht – wobei es einen immer verbleibenden, undarstellbaren Rest zu geben scheint, mit dem man schließlich bei zentralen medienphilosophischen Fragen und der Selbstreflexivität des Films ankommt. Karoline Stiefels Buch dient dabei nicht nur als eine verständliche Einführung in filmphilosophische Gefilde, sondern bietet durch die innovative Verknüpfung der Ansätze von Gilles Deleuze und Jaques Rancière auch Kennern der Filmtheorie eine unkonventionelle Sicht auf die französische Filmphilosophie – und erklärt, inwiefern man Deleuze auch als Ranciéres Moriarty bezeichnen kann. Fans der Serien erwartet neben einem umfassenden Einblick in die Gedankenwelt von Gregory House und Sherlock Holmes auch ein tieferes Verständnis dafür, was die filmische Darstellung der Gedankenarbeit eines Universalgenies für eine Gesellschaft bedeutet, in der Mensch und Technik aufeinanderprallen.

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Gedanken
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Überlegungen zum Medienbegriff und zur Serialität der Serie
2.2 Kopf-Kino: Denk-Bilder und die Imagination
2.2.1 Bewusstseinsbilder, das Unbewusste und Subjektivität
2.2.2 Image und Imagination: Die Einbildungskraft
2.2.3 Technologische Bilder und die ‚Digitalisierung’ von Körper und Gehirn
2.3 Rancières ästhetisches Regime der Künste und die ‚Moderne’
2.3.1 Die drei Regime der Künste
2.3.2 La partage du sensible, Politik und Polizei
2.3.3 ‚Moderne’ und ‚Postmoderne’
2.3.4 Der Film als ‚thwarted fable’
2.3.5 Rancières ästhetisches Regime im Kontext von Deleuzes Filmphilosophie
2.4 Das ästhetische Unbewusste
2.4.1 Das ästhetische Unbewusste: Vom Detektiv zum Arzt – oder umgekehrt?
2.4.2 Induktion, Deduktion, Abduktion – und Intuition
2.4.3 Der Detektiv, der Arzt und die Selbstreflexivität des Films
3. Analyse
3.1 House, M.D.
3.1.1 Nur Anspielungen? House als Holmes – Arzt oder Detektiv?
3.1.2 Der detektivische Blick auf den Körper: Die Ambulanzfälle
3.1.3 Der detektivische Blick auf Körper und Körper-Bilder: Die Hauptpatienten
3.1.4 Visualisierungen von Imagination: Mentale Bilder
3.1.5 Was verborgen bleibt
3.1.6 House mit Rancière und Deleuze
3.2 Sherlock
3.2.1 Der Detektiv des 21. Jahrhunderts: Sherlock
3.2.2 Inszenierungen von Sherlocks Blick
3.2.3 Der Blick nach Innen: Visualisierung von Imagination
3.2.4 Gehirn und Computer: Sherlock und Technologie
3.2.5 Oberfläche und Tiefe: Sherlocks Blick und was er sichtbar macht
3.2.6 Das Undarstellbare der Imagination
4. Zusammenfassung
5. Bibliographie

„He’s Sherlock. How will we ever know what goes on in that funny odd head.“Mrs. Hudson//Sherlock -A Scandal in Belgravia

1. Einleitende Gedanken

Imagination, Eingebung, Auffassungsgabe gehören als Bewusstseinsvorgänge zu den Dingen, die – wie das Bewusstsein selbst – generell nicht von anderen Menschen beobachtbar sind:

We don’t have any direct access to another’s thoughts. Our ideas of the workings of another person’s mind may be derived from what that person says or does (...), but our ideas of another’s mind are still our ideas, a projection that we make of another mind’s otherness to one’s own (...), it is in fact (...) that difference which constitutes self-identity preciselybecauseit prevents thought from being absolutely even with itself.[1]

Diese Tätigkeiten des Bewusstseinsspieltenin den Detektivgeschichten von Edgar Allen Poe und Sir Arthur Conan Doyleeine entscheidende Rolle,und esverwundertdeshalbnicht, dass die Detektive Auguste Dupin und Sherlock Holmes jeweils einen Begleiter an ihre Seite bekamen, dem sie ihre Denkprozesse, ihre ‚Methode’, verbal und retrospektiv erläutern konnten, damit diese Gedankenvorgänge auch für den Leser ‚sichtbar’ beziehungsweise nachvollziehbar wurden.Da nun in „populären Mainstream-Kinoproduktionen (...) – verstärkt seit den 90er Jahren – Modelle des Zugangs zum Bewusstsein vorgeführt, inszeniert und fiktional erprobt“[2]werden,ist es nicht weniger verwunderlich, dassauchin neueren Fernsehadaptionen desSherlock Holmes-Stoffes versucht wird, dem ZuschauerdirektEinblick in das Bewusstsein des Detektivs zu gewähren und die detektivische Imagination mit verschiedenen Strategien der Visualisierung unmittelbar für den Zuschauer sichtbar zu machen. DerBegriff‚Visualisierung’ solldeshalb verwendet werden, da etwas sichtbar gemacht wird, was der direkten Beobachtung nicht zugänglich ist, und weder gesehen, noch beobachtet oder gar gefilmt werden kann – es muss also zwangsläufig visualisiert (also im wörtlichen Sinne ‚sichtbar gemacht’) werden. 

Diese Visualisierungsversuche werdennuninder vorliegendenAnalysein zwei Detektiv-Fernsehserien untersucht, die – die eine mehr, die andere weniger explizit – auf DoylesSherlock Holmes-Romanen basieren:House,M.D.[3]undSherlock[4]. Dies soll in zweierlei Hinsicht geschehen: Zum einen stellt sich die Frage, was genau der Detektiv durch seine außergewöhnlichen mentalen Fähigkeiten und seine besondere Wahrnehmung (an Spuren oder Hinweisen) überhaupt sichtbar macht, was anderen verborgen bleibt, und zum anderen, wie genau diese eigentlich unsichtbaren Bewusstseinsprozesse des Detektivs wiederum in der jeweiligen Serie visualisiert werden. Die mit diesen Fragen verbundene, zu überprüfende These wäre dann, ob durch diese Sichtbarmachung des Unsichtbaren mittels der Imagination des Detektivs exemplarisch verhandelt wird, was mit unterschiedlichen Arten von Bildern (medizinischen Bildern, Körper-Bildern, aber auch Fernseh-Bildern und Kamera-Bildern) gezeigt, gesagt, gedacht werden kann – aber auch, wo jeweils die Grenzen dieser Bilder liegen. So soll es auch darum gehen, inwieweit die Fernsehserie sich selbst beobachtet und reflektiert, und wie (und warum) andere Medien in der Serie zum Einsatz kommen und wie diese wiederum kommentiert und beobachtet werden. Dabei bietet gerade die Figur des Detektivs (der ja sowohl medial als auch a-medial an den Grenzen dessen operiert, was sichtbar und wahrnehmbar ist) und sein Verhältnis zu (Medien-) Technologien die Möglichkeit, Aussagen zu treffen über das Verhältnis dieser Technologien zu den Menschen, die sie benutzen – oder zumindest, wie diese Medien dieses Verhältnis in der Serie darstellen.Im Vordergrund der Analyse stehen also vor allem medienphilosophische Überlegungen unter Berücksichtigung gesellschaftstheoretischer und diskursanalytischer Aspekte, es gehtsomitauch um gesellschaftliche DiskurseüberMedien:

(...) an artwork may (...) self-consciously encapsulate the contradictions of an era by its own creative reflections upon the system of representation it employs. (...) we can ask both how individual films embody conventions of representation that make them characteristic for their time, and how they themselves think about – indeed, philosophize upon – these conventions.[5]

‚Medienphilosophisch’ dabei im dem Sinne, wieder Begriffunter anderemvonLorenz Engell verwendet wird, nämlich als „Praxis“[6], die immer schon in den Medien selbst stattfindet: diese „bearbeiten sich selbst, sie denken sich von ihren Möglichkeiten her“[7], jedes Medium eröffnet „einen je spezifischen Horizont der Möglichkeiten“[8]. Diese medienphilosophische Perspektive bietet sich außerdem insofern an, als dass es bei der Visualisierung der Imagination des Detektivs im Umkehrschluss auch immer darum geht, was letztendlich unsichtbar und undarstellbar bleibt: „Das Undarstellbare als Knotenpunkt von Film und Philosophie zu verstehen, heißt, den Punkt zu bestimmen, wo die filmische Praxis zur Sache des Denkens und die Bewegung des Denkens zur Sache des Bildes geworden ist“[9].Als eine weitere, (meta-)theoretische Perspektive sollen die eigentlich a-disziplinären[10]philosophischen Ausführungen von Jacques Rancière zum Sichtbaren und Sagbaren, zur Aufteilung des Wahrnehmbaren (‚partage du sensible’) sowie zum ästhetischen Regime der Künste dienen. RancièresThe Aesthetic Unconscious[11]ist dabei das verbindende Element für theoretische Überlegungen zur Detektiv- und Arztfigur als Spurenleser sowie zur Abbildbarkeit von (Un-)Bewusstsein und mentalen Prozessen im Film.Genauer Gegenstand der Analyse sind dabei alle bisher erschienen Staffeln vonSherlock(zwei Staffeln à drei Folgen), bei denen nach einer mehrmaligen Sichtung eine Auswahl für die Visualisierung der Imagination des Detektivs besonders relevanter Sequenzen erfolgte, die demnach imFokus der Analyse stehen. BeiHouseerfolgte eine Sichtung aller acht Staffeln, wobei sich die Analyse exemplarisch in erster Linie auf die erste Staffel bezieht, sowie auf besonders interessante Einzelfälle in anderen Staffeln, wie zum Beispiel die Episoden am Ende der fünften Staffel, in denen House als Folge seines Drogenkonsums sein eigenes Unbewusstes als Person halluziniert.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Überlegungen zum Medienbegriff und zur Serialität der Serie

Vor der theoretischen und praktischen Beschäftigung mit ‚dem’ Film und ‚dem’ Fernsehen erscheinen einige kurze Überlegungen zu diesen Begriffen und zum Medienbegriff an sich angebracht, wobei der Anspruch, eine irgendwie geartete ‚Definition’[12]zu finden, was denn nun ein Medium endgültig sei, keinesfalls Teil dieserAnalysesein kann oder soll. Natürlich lassen sich ‚Film’ und ‚Fernsehen’ nicht einfach gleichsetzen, vor allem bezüglich der Rezeptions- und Produktionssituation, der Technologie der Herstellung und der Aufführung/Ausstrahlung. Für einen textzentrierten Ansatz, der hier überwiegend für die hier relevanten Untersuchungsgegenstände verfolgtwerden soll, soll aber trotzdem die der Fernsehserie und dem Film gemeinsame „Minimaldefinition (...) als ‚bewegte Bilder’“[13]genügen, die Michaela Ott in Anlehnung an Jean Mitry anführt (man könnte für den Zweck dieserStudienoch den Ton und die Montage als verbindendes beziehungsweise trennendes Element zu den ‚bewegten Bildern’ hinzufügen). Dieses ‚Filmische’ im Sinne von bewegten Bildern kann man nach Hickethier auch generell als „Wahrnehmungsform von Welt“[14]verstehen, die „zunehmend in mehreren verwandten Dispositiven einsetzbar und (...) damit selbst zu einer kulturellen Form [wird], die nicht mehr an einzelne Präsentationskonstruktionen wie Kino, Fernsehapparat etc. gebunden ist,“[15]was unter anderem auf eine gegenseitige Befruchtung von Fernseh- und Filmformen sowie eine „Beweglichkeit in den Anordnungen“[16]einzelner Dispositive durch Digitalisierung unddasInternet zurückzuführen ist.Es soll also mehr um die Fernsehserie als filmische Form und weniger um ‚das Fernsehen’ als institutioneller Apparat, als Programm oder als Dispositiv gehen. In diesem Fall istallerdingsnochinteressant, was spezifisch für die Fernsehserie ist, was also letztere von einem ‚normalen’ Film unterscheidet – denn geradeSherlockbewegt sich durch seine Episodenlänge von 90 Minuten und nur drei Episoden pro Staffel ja durchaus ander Grenze zu einem (Fernseh-)Film mit Fortsetzungen oder zur ‚Cineserie’[17], und sowohlHouseals auchSherlocklassen sich zum sogenannten ‚Quality-TV’ zählen, das ohnehin eine „filmische Ästhetik“[18]aufweist. Hier ließe sichletztendlich als spezifisches Merkmalvor allemdie Serialität der Serie identifizieren.Die Serie zeichnet dabei vor allem das Strukturelement der Wiederholung aus, eine „Wiederholung des bloß Ähnlichen, nicht aber des Identischen“[19]. So gibt es eine meist gleichbleibende narrative Struktur oder auch Formel, dieselben Hauptfiguren, aber von Episode zu Episode wechselnde Nebenfiguren (und sowohl beim Arzt als auch beim Detektiv immer wieder neue Fälle, die es zu lösen gilt). Eco fasst diese Freude an der Wiederholung und der Wiedererkennung gerade für die Detektivserie sehr passend zusammen:

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