Gelassen sein - Pierre Stutz - E-Book

Gelassen sein E-Book

Pierre Stutz

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Beschreibung

Aus der Hektik des Alltags in die Stille finden - und Ruhe einatmen. Spüren, wie der Druck weicht. "Gelassen sein": Pierre Stutz zeigt, wie aus meditativem Innehalten - am Morgen, abends, zwischendurch - innere Ruhe im Alltag wird.

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Seitenzahl: 81

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Pierre Stutz
Gelassen sein
Für Ulli Wünsch in Dankbarkeit für seine kraftvollen Bilder

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Gekürzte, aktualisierte Neuausgabe.

Titel der Originalausgabe: „Meditationen zum

Gelassenwerden“ (Herder 2001)

Umschlaggestaltung und Konzeption: Agentur R.M.E

Eschlbeck / Hanel / Gober

Umschlagmotiv: © plainpicture

Datenkonvertierung (E-Book): le-tex publishing services GmbH

ISBN (E-Book) 978-3-7831-8214-9

ISBN (Buch) 978-3-7831-3449-0

Zur Einstimmung

„Wenn ich endlich gelassener wäre …!“ Oft höre ich als spiritueller Begleiter diesen Satz, in meinen Mystikseminaren und in Einzelgesprächen. Unsere Sehnsucht ist groß, gelassener sein zu können, weil wir im Alltag nicht gelebt werden wollen, weil wir selbst leben wollen. Zum Glück ist diese Sehnsucht groß! Zehn Jahre sind es her, seit ich in diesem Buch meine Gedanken zu einer leidenschaftlichen Gelassenheit aufgeschrieben habe. Sie sind noch aktueller geworden, denn viele verwechseln Gelassenheit inzwischen mit dem überfordenden Diktat, endlich über den Dingen stehen zu können. Das Wort „Gelassenheit“ stammt vom Mystiker Meister Eckhart (1260 – 1328). Er bringt es in Verbindung mit einer Selbsterkenntnis, die nicht um sich selbst kreist, sondern in allem den verbindenden Lebensatem Gottes erahnt, der uns über uns selbst hinauswachsen lässt. Im Hineinwachsen in dieses Urvertrauen kann sich eine kreative Lebenskunst entfalten – als lebenslange Spannung von Zupacken und Geschehenlassen. Gelassen sein, das ist nicht nur das Lassen, sondern zuerst einmal das Sich-Einlassen.

Geerdete Gelassenheit ermutigt uns, wahrzunehmen, was ist, ohne es immer gleich schon bewerten zu müssen. So können wir im Schönen und im Widersprüchlichen die göttliche Vertrauensspur erkennen.

Die Psychotherapeutin Alice Holzhey, Mitbegründerin des Daseinsanalytischen Seminars in Zürich, erläutert in einen bemerkenswerten Artikel („Psychologie heute“ 6 / 2008), was unsere Seele wirklich gesund hält: die Kunst, einen angemessenen Umgang mit unseren Gefühlen einzuüben. Sie zeigt, dass wir so genannte negative Gefühle wie Ängste, Scham- und Schuldgefühle, Depressionen, Eifersucht oder Wut nicht aus unserem Leben verbannen sollen und können: „Etwas fühlen heißt also immer, sich von etwas berühren zu lassen, sich etwas nahe gehen zu lassen. Fühlen steht gegen das unbeteiligte Beobachten. Etwas fühlen hat also viel mit sich auf etwas einlassen zu tun.“ Sie verweist auf die Forschungsergebnisse der Emotionsforscher, die den Gefühlen eine eigene Rationalität zu gestehen – Gefühle haben ihren Grund, und sie zeigen uns auf, was uns wichtig ist.

Diese Erkenntnis und Grundhaltung entfalte ich den folgenden Meditationen zum Gelassen sein. Sie können dazu helfen, dass wir unsere Gefühle wahrnehmen und sie anerkennen. Und sie ermutigen, der Verwandlungskraft in unserem Leben mehr zu vertrauen. Diese Kraft ist da, die Verwandlung ereignet sich, wenn wir befreiend erfahren, dass wir mehr sind als unsere Gedanken, unsere Gefühle und unsere Leistung: gesegnet vor allem Tun.

Lausanne, 11. Januar 2010

Pierre Stutz

1. In Zeiten hoher Belastung Momente des Innehaltens fördern

In Zeiten hoher Belastung

in denen ich mich überfordert fühle

und meine Arbeitsmotivation sinkt

weil der Druck der Sachzwänge

von Tag zu Tag zunimmt

da suche ich vermehrt

den Zugang zu meinen Ressourcen

im Einüben des bewussten

Ein- und Ausatmens

In Zeiten hoher Belastung

in denen sich in mir und um mich herum

eine Unzufriedenheit ausbreitet

und ich vor allem wahrnehme

was schwierig ist in meinen Beziehungen

und mir die Kraft fehlt

dem Lebensfördernden mehr

Gewicht zu verleihen

da nehme ich mir stündlich Zeit

um die Achtsamkeit zu entfalten

auf all das was mir gut tut und

was ich brauche zum Leben

In Zeiten hoher Belastung

in denen ich den Kontakt zu mir verliere

und mich dann wie abgeschnitten fühle

von den anderen und meiner Mitwelt

weil ich zu sehr Lösungen außen suche

und zu wenig den Mut habe

in mich zu schauen

um mich erlösen zu lassen

vom Irrtum alles selber tun zu müssen

da gebe ich im bewussten Bodenkontakt

Druck ab

Einatmend

spüre ich Gott als Grund

der mich trägt und aufrichtet

Ausatmend

spüre ich, dass ich leichter werde

weil es nicht nur von mir abhängt

Einatmend

wachse ich ins Selbstvertrauen hinein

Ausatmend

fließt meine Lebensenergie neu

Druck abgeben – Selbstwert entwickeln

Je mehr ich gefordert bin, umso mehr brauche ich eine gute, gesunde Distanz zu den Ereignissen. Es gehört zur Tragik unserer westlichen Kultur, dass wir uns zu wenig Zeit nehmen, um Kraft zu schöpfen. Gerade in den Momenten unseres Lebens, in denen wir es besonders nötig haben, entziehen wir uns noch mehr die Möglichkeiten des Auftankens.

Ich nenne dies einen mystischen Weg der engagierten Gelassenheit. Denn der Ursprung des Wortes „Mystik“ stammt vom griechischen Verb „myein“, was bedeutet: die Augen schließen, um nach innen zu schauen. Nicht etwa um mich zu verschließen oder gar abzutrennen von den anderen und von den Anforderungen. Im Gegenteil: um den tieferen Zusammenhang mit allem neu zu entdecken. Es bedeutet auch, bei zunehmendem Druck nicht noch mehr allein vom Willen her zu leben, sondern auch der Intuition, der inneren Stimme zu trauen. Bei zunehmenden Sachzwängen und Belastungen verstärkt sich bei vielen die Gewissheit, jetzt sicher keine Zeit zur Muße mehr zu haben. Die Gefahr ist groß, sich dadurch noch mehr in den Ereignissen zu verlieren, gelebt zu werden, anstatt selbst zu leben. Mystikerinnen und Mystiker der verschiedenen Religionen, die mir zu Vorbildern geworden sind, zeigen einen anderen Weg. Sie ermutigen, in Zeiten hoher Belastungen sich erst recht Oasen der Stille, des Rückzugs zu schaffen, um daran wachsen und reifen zu können und nicht zu zerbrechen. Dieser Weg beinhaltet die Aufforderung, sich selber besser kennen zu lernen und das eigene Selbstwertgefühl zu stärken, indem ich lerne, meine Gaben einzubringen und meine Grenzen anzumelden. Um darin aber auch nicht um mich selber zu kreisen, um meine Lebensaufgabe verwirklichen zu können, braucht es auf diesem Weg der Selbstfindung zugleich die Gabe des Absehens von sich selber, des Sichlassens. Meister Eckhart bringt diese zweifache Bewegung freundlich und klar so zum Ausdruck:

„Richte dein Augenmerk auf dich selbst,

und wo du dich findest,

da lass ab von dir;

das ist das Allerbeste.“1

Bei zunehmender Belastung einen Weg der engagierten Gelassenheit zu gehen, bedeutet, dass ich mir innere und äußere Räume schaffe, in denen ich Distanz herstelle zum Alltag, um so zu merken, was in und um mich herum vor sich geht. Bei zunehmendem Druck ist es wichtig, wahrzunehmen, ob ich mich in der Opferrolle verliere und / oder Druck ungerecht weitergebe und den Sündenbockmechanismus verstärke. Dazu brauche ich inneren und äußeren Abstand, Zeit, innezuhalten.

Der mystische Weg zeigt außerdem eine dritte Möglichkeit auf. Es ist die Zumutung, bei sich selber anzufangen. Denn ich kann die anderen nicht verändern; ich kann jedoch einen anderen, erlösenden Zugang zu ihnen und den gestellten Problemen finden, wenn ich beharrlich-gelassen in Spannungen diesen dritten Weg suche, der den Druck, die Eskalation, die Spirale der Ohnmacht durchbricht. Auch dazu braucht es Raum und Zeit. Es lohnt sich, sie zu erkämpfen und zu investieren. Meine langjährige Erfahrung als spiritueller Begleiter von Menschen lässt keinen Zweifel aufkommen: Menschen, die die lebensbehindernden Mechanismen durchbrechen können, indem sie alltäglich ein Ritual des Zu-sich-selber-Kommens entfalten, leben und arbeiten effizienter und kreativer und tragen zu einer menschlicheren Atmosphäre am Arbeitsplatz und zu Hause bei. Zugleich werden sie solidarischer und mitfühlender, weil sie, mühsam und befreiend zugleich, sich selber und die Signale ihres Körpers ernst nehmen. Auf diesem Weg der Achtsamkeit können auch Träume wegweisend sein. Ein schönes Schreibheft neben meinem Bett, in das ich beim Erwachen meine Träume aufschreiben kann, ist eine Möglichkeit, mein Inneres besser kennenzulernen. In diesem Sinne wollen die folgenden Übungen eine Hilfe sein, das Augenmerk auf sich selber zu richten und sich zugleich (los-)lassen zu können.

Gelassen der Mensch

der sich lassen kann

weil er alltäglich einübt

sich nicht zu überschätzen

sondern seine Gaben und Grenzen

kennen lernt und annimmt

Gelassen der Mensch

der sich lassen kann

weil er aus der tiefen Solidarität lebt

nie Einzelner zu sein oder Einzelne

sondern immer Teil eines Ganzen

So wird er mitgestalten

an einer Welt

wo die Menschen weder

in der Opferrolle bleiben

noch Sündenböcke suchen

sondern selbstbewusst den

aufrechten Gang einüben

zum Wohle aller

Schritte zu mehr Gelassenheit

Bei zunehmendem Druck: sich nicht in der Opferrolle verlieren

Zeiten hoher Belastung bringen die Gefahr mit sich, dass ich irgendwann unbewusst die Verantwortung für das Geschehen abgebe – und dadurch den Zugang zu meinen Lebensenergien verschließe. Ich lasse geschehen, mache zu und lasse Entscheidungen über mich ergehen; das bedeutet letztlich, dass ich mich in der Opferrolle verliere. Anstatt mein Selbstvertrauen zu fördern und achtsam wahrzunehmen, was vor sich geht, gebe ich den anderen zuviel Macht und bleibe hinter meinen Entfaltungsmöglichkeiten zurück.

Mir selbst geht das so: Wenn die Sachzwänge und die Belastung in unserem Hausteam der offenen Klostergemeinschaft zunehmen, dann achte ich darauf, in welcher Haltung ich darin bin. Gelassenheit ist es gerade nicht, wenn ich mich einfach zurücknehme und mich innerlich distanziere; vielmehr blockiert diese Indifferenz. Sie führt meistens dazu, dass ich die Schuld den anderen zuweise, wenn Fehlentscheidungen sich zeigen. Ein gelassener Mensch nimmt sein Leben in die Hand, weil er weiß, dass er letztlich getragen ist. Ein gelassener Mensch sucht Beratung, wenn er spürt, dass er sich von Autoritäten beeindrucken lässt und die Ursachen für den Druck einseitig nur bei ihnen sucht. Natürlich können wir nicht immer mitentscheiden im Leben. Natürlich werden oft über unsere Köpfe