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Gesammelte Worte
Eine Kurzgeschichtensammlung von
Tom Fuhrmann ©2021
Das E-Book Gesammelte Worte wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Anthologie, Veranstaltungstechnik, Rock and Roll, Sex, Gewalt
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Seitenzahl: 109
Veröffentlichungsjahr: 2022
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für meine Familie
für meine Freunde
für meine Brüder
für meine Fans
für all die Guten
der Rest soll sich ein Beispiel nehmen
Nice Boys don´t play Rock´n´Roll
Rückblick
The Sparkles on Tour
The Sparkles: Episode 1 – Get in/Get out
Amaya
Epilog
The Sparkles: Episode 2 – Mono-(ton)-nie!
Ein ziemlich harter Job
Peripetie
Katastrophe
Epilog
The Sparkles: Episode 3 – Sunny Side Down
Der 18te
Sahin
Warum? oder: Wer nicht fragt, bleibt dumm
The Sparkles: Outtakes / CUE 1
Die finstere Seite der Sonne
Frohe Weihnachten? Naja, fast...
The Sparkles: Episode 4 - Ich will Eure Blinker sehen
Schlusswort
Ich bin Veranstaltungstechniker, war 23 Jahre selbständig, bin zum zweiten Mal verheiratet und habe drei Kinder. Keine Angst, ich neige nicht zum Selbstmord oder zur Autoaggression.
Hätte ich vor 34 Jahren schon gewusst, wie mein Lebensumfeld heute aussehen würde, wo ich das sechsundfünfzigste Lebensjahr fast beendet habe, oh Mann, dann hätte ich einen anderen Weg eingeschlagen.
Sicher? Nein, sicher nicht.
Manchmal arbeitete ich achtzehn Stunden am Stück, manchmal mehr.
Heute in München, morgen in Travemünde, übermorgen in Barcelona.
Heute beschalle ich ein Konzert für Social Distortion in den Hamburger Docks,
(Das war, bevor es scheiße wurde)
und morgen ist es vielleicht ein ekelhafter Dermatologenkongress im Maritim, Hannover.
Nach Abzug von Steuern, Versicherungen und Pils Bier an der Hotelbar alles in allem schlecht bezahlt, und oft weiß man am Ende eines Monats noch nicht, ob man genug Aufträge im Folgemonat bekommt.
Aber ich liebte es. Warum sollte ich also etwas anderes machen?
Angestellte werden ebenso gekündigt, wenn es der Wirtschaft in den Kram passt, wie auch Freiberufler ihre Aufträge verlieren, weil die Agentur, das Management, oder der Provider Kosten sparen können.
Es gibt immer jemanden, der es für weniger Geld macht. Es existiert eh kein richtiger Weg, es gibt nur Deinen Weg.
Mein Weg führte mich über die Musik zum Beruf des Tontechnikers. Ursprünglich wollte ich einmal Rockstar werden.
Die Welt kann wahrscheinlich froh sein, dass mir das nicht gelungen ist, aber letzten Endes habe ich nur die Perspektive gewechselt:
Von on stage zu backstage.
Dort fühle ich mich in gewisser Weise sogar wohler als im direkten Rampenlicht. Das heißt nicht, dass ich schüchtern wäre. Eine gelungene Produktion macht mir einfach Spaß und gibt mir ein entsprechendes Erfolgserlebnis. Wer nur an Geld denkt bei seiner Arbeit, sollte etwas anderes machen.
Wodurch unterscheiden sich Freiberufler voneinander, die nur ihre Arbeitskraft einzusetzen haben?
Wie entstehen Präferenzen, den einen zu buchen, den anderen zu ignorieren, obwohl beide fachlich kompetent sind, zuverlässig und pünktlich, also voll qualifiziert?
Gerade in meiner Branche tummeln sich die schillerndsten Persönlichkeiten. Ich behaupte, nirgendwo sonst hat man, was Outfit und kleine oder größere Macken betrifft, so viel Freiheit, wobei sich bei der Kleidung schwarze Klamotten über die Jahre doch sehr durchgesetzt haben. Ist auch praktischer. Man will ja nicht gesehen werden, wenn man auf der Bühne herumturnt.
Als ich damit anfing, gab es noch nicht den Lehrberuf der Fachkraft für Veranstaltungstechnik.
Es war der Wilde Westen, aber man war genau das, was man tat. Ein versemmeltes Konzert wog schwerer als fünfzig perfekte Jobs. Meistens verlor der Auftraggeber direkt den Kunden, wenn dieser nicht zufrieden war. Die Konkurrenz war schon immer groß.
Diesem Druck sollte man gewachsen sein, auch heute noch. Heute gibt es natürlich Strukturen und Vorschriften, Bildung ist halt ein Geschäft geworden, kein Ideal. Hat Vorteile. Vor allem für die Akademien und Versicherungsmakler. Auch für uns Techniker? Bestimmt. Mir fällt zwar ad hoc kein Vorteil ein, aber das heißt nichts.
Zurück zu unseren beiden Kandidaten für, sagen wir mal, eine Automobil-Präsentation auf der IAA in Frankfurt. Aufbau und Abbau der Technik, Betreuung der Messe mit Kundenkontakt, Abendveranstaltung im Sheraton, der ganze Kram. Wen wird man buchen?
Einen Anzug besitzen auch beide. Schwarz, versteht sich.
Eine Freundin sagte mir, ohne Charisma nutzt dir auch das Fachwissen nichts. Charisma ist nicht das neue Baby der Ochsenknechts, sondern deine Ausstrahlung. Da ist was dran.
Deine Persönlichkeit ist fraglos entscheidend für den beruflichen Erfolg. Von der Diva bis zum absoluten Technik-Nerd sind auch in meiner Branche alle Facetten vertreten. Es gibt die Theoretikerin und den Theoretiker, die ewig brauchen, bis sie zufrieden sind, aber auch Praktiker*innen, die viel schneller zum gleichen Ergebnis kommen. Leute mit wenig Erfahrung stehen manchmal über Leuten, die schon ewig in der Branche arbeiten. Hierarchien sind fließend. Die Persönlichkeit entscheidet über alles. Persönlichkeit und Authentizität kann man nicht fälschen oder instrumentalisieren.
Die Persönlichkeit ist immer präsent und sorgt für Ablehnung oder Sympathie. Bei Disponenten, die dich buchen, genauso wie bei Künstlern und Agenturen. Das ist dann auch nicht immer nachvollziehbar, weshalb meiner Meinung nach oft die größten Vollidioten auf Positionen landen, die man nie für zumutbar erachtet hätte.
Auch bei uns in der Branche landen gesunde Unternehmen durch Misswirtschaft in der Insolvenz, und unsere Rechnungen werden dann nicht bezahlt. Oder von heute auf morgen wird eine erfolgreiche Zusammenarbeit plötzlich unter fadenscheinigen Begründungen beendet. Fump! Schon sitzt ein anderer auf deinem Stuhl. Das musste ich selbst noch kürzlich am eigenen Leib erfahren. Egal. Weitermachen.
Don´t stop to rock.
Was muss man mitbringen, um als freier Veranstaltungstechniker nicht nur zu überleben, sondern richtig steil zu gehen?
Im Gegensatz zu manch anderer Branche, gibt es bei uns keinen Flughafen BER oder eine Elbphilharmonie. Wenn der Helene Fischer oder Pink oder wer auch immer in Oberhausen oder am Hindukusch um 20:00 Uhr auftreten wollen, dann findet das genauso statt.
Merke: Wenn ein Konzert nicht pünktlich anfängt, liegt es nicht an den Roadies oder Technikern.
Show must go on, warum auch immer.
Wenn die Messe eröffnet wird, ist jeder Stand fertig.
Bei Problemen werden Nachtschichten eingerichtet, es wird improvisiert, umdisponiert, was auch immer. Alle ziehen an einem Strang, egal welches Gewerk.
Du musst also ein Teamplayer sein. Du musst flexibel sein, kein "Weichei".
Du triffst in so einer Arena in der ersten halben Stunde Entscheidungen, die manchmal den Erfolg der ganzen Veranstaltung beeinflussen. Die musst du dann auch vertreten können: Du brauchst Selbstbewusstsein. Dafür kannst du dir auch Ecken und Kanten leisten, die dich unverwechselbar machen. Du musst das leben, was du machst, und der sein, der du bist.
Das schafft deinen Wiedererkennungswert.
Also: Wo ist der Haken?
Genau wie die Wirtschaft, ist jede einzelne Branche stets im Wandel. Als Freiberufler*in tut man sich keinen Gefallen, wenn man sich zu billig verkauft. Auch im ältesten Gewerbe ist es angenehmer, ein Zimmer zu haben, als an der Straße zu stehen. Wie sollst du also deinen Tagessatz rechtfertigen?
Mit Authentizität alleine kommst du nicht mehr weiter heutzutage. Du solltest das sein, wofür du bezahlt wirst: Ein Dienstleister. Nicht mehr und auch nicht weniger.
Du wirst nicht gebucht als eine "Ein Mann Show", keiner der Kolleg*innen wird schließlich dafür bezahlt, Rücksicht auf deine Psyche zu nehmen.
Diplomatie und Anpassungsvermögen sind genauso wichtig, wie das Bestreben, sich weiter zu entwickeln. Die Zeiten sind vorbei, als die Künstler noch den Techniker oder die Technikerin groß gemacht haben, weil sie auf der Erfolgswelle die Bedingungen diktieren konnten.
Dem/der Künstler*in ist es heute fast egal, wer am Pult sitzt, solange alles funktioniert. Ich habe auf Festivals schon unfassbare Sachen erlebt, die belegen, dass man besser den Job bewerten sollte, als die Referenzen.
Aber wenn die Band ihre*n Toningenieur*in seit 40 Jahren mitschleift, ist das ja auch irgendwie süß. Nicht alle Künstler haben die Eier, so etwas zu garantieren.
Hoffentlich geht es Lemmy gut in der Heaven Allstar Band. ;-)
Überall geht es schließlich um Menschen, und die machen Fehler, aus denen sie im günstigsten Fall lernen. Im ungünstigsten Fall hängen sie dir das an. (Siehe Selbstbewusstsein)
"Bäh, jetzt habe ich aber keine Lust mehr... Wo bleibt die Motivation?" höre ich den einen oder anderen sagen. Die Regeln habe ich nicht gemacht. Aber alles halb so wild.
Wenn man den Finger am Puls der Zeit hat, und Weiterbildung betreibt, teamfähig ist, und sich selbst nicht belügt, indem man vorgibt, jemand zu sein, der man nicht ist, wird man an seinen Aufgaben wachsen.
Dann kommt der Erfolg von ganz alleine. *
Macht keinen Hehl daraus, wer ihr seid.
Opportunisten und Schleimer bekommen sowieso irgendwann die Quittung.
Seid unbedingt authentisch, aber bleibt immer fair.
Nice boys don´t play rock´n´roll.
*Anmerkung des Autors:
Als ich das geschrieben habe, gab es noch kein Corona. Wer mich kennt, weiß, wie ich die Situation heute bewerte.
Viel Spaß mit der kleinen Sammlung meiner Ergüsse.
Tom 06.12.2021
veröffentlicht am 25.03.2020 auf weibisch.wordpress.com – Die Liebe in Zeiten von Corona
Ich drücke den Knopf, der meine Seele zum müden Körper gesellen wird. Das Mahlwerk springt an und einen Augenblick später erfüllt der Duft von frischem Espresso die Küche.
Ich nippe an der Tasse und betrachte Mutter, die im Wohnzimmer am Esstisch Bastelarbeiten für das nahe Weihnachtsfest begonnen hat.
Komm gleich, Mutti, rufe ich ihr zu. Sie ist fast 90. Keine Ahnung, was sie zur Antwort brabbelt. Ja, ja, sage ich.
Dann ignoriere ich mein Versprechen und begebe mich einfach ins Arbeitszimmer, während ich mir eine Kippe aus der Schachtel fingere und sie anzünde.
Meine Frau würde mich umbringen, wenn sie mich dabei erwischte.
Fast ein Jahr ist es her, dass ich auf der Messe in Barcelona gearbeitet und mich noch darüber lustig gemacht habe, dass die „Mobile World“ abgesagt wurde. Die größte Mobilfunkmesse der Welt.
Ja, ich bin Messebauer.
Ich war einer der ersten, die ihren Job verloren haben.
Danke für nichts, Covid-19.
Du Arschloch.
Der Kaffee ist schon wieder leer. Zurück in die Küche. Das Procedere da capo. Unter dem Lärm der Kaffeemaschine höre ich Mutter.
Ja, Mutti. Ich trinke nur meinen Kaffee.
Sie zeigt mir die Geschenke für die Mädchen. Keine Ahnung, was das sein soll. Irgendwas mit Wolle. Und Tannenzweigen.
Toll, Mutti. Wird ihnen gefallen, rufe ich. Und gehe wieder ins Arbeitszimmer.
Anfang März hatte die Regierung endlich reagiert - etwa sechs Wochen zu spät, meiner bescheidenen Meinung nach, um das zu verhindern, was im April kam.
Erkenntnisse aus China und Italien gab es da schließlich schon. Während ich an die Reserven musste, um Frau und Kinder zu ernähren, eskalierte die Situation noch im März. In Italien wurden die Toten mit Militär-Lkw abtransportiert und hierzulande traf man sich zu Partys am Rheinufer, als die Kneipen dicht machten. Es erwischt eh nur die Alten, dachten viele.
Ich gieße den Tee für Mutter auf und bringe ihn ihr ins Wohnzimmer. Sie streichelt meinen Unterarm.
Die Demenz brach im Juni durch. Endlich rief man Ausgehverbote aus. Wir beschlossen, Mutti zu uns zu holen.
Auf dem Weg nach Hause wurden wir von der Polizei gestoppt. Familienzusammenführung, sagte ich.
Welche Ironie.
An der Haustür wartete meine Frau, in Tränen aufgelöst. Unser Sohn war mit seinen 19 Jahren vor unseren Regeln und Erwartungen zu seiner leiblichen Mutter geflüchtet und hinterließ einen Haufen offene Rechnungen und Zahlungsbescheide - dazu zahllose offene Fragen, die nie beantwortet werden würden.
Ich mache mir den dritten Espresso und setze mich zu Mutter an den Tisch.
Zwischen Tannenzweigen, roten Weihnachtsservietten und Bastelkram finde ich mein iPad.
In den Nachrichten heißt es, dass mit einer baldigen Normalisierung des öffentlichen Lebens zu rechnen sei.
Kommt Leon gleich aus der Schule, fragt Mutter.
Ich erstarre.
Ich glaube nicht, Mutti.
Soll ich für Maria und die Kinder etwas kochen?, will sie wissen.
Tränen laufen mir über das Gesicht.
Wir waren doch gestern erst auf dem Friedhof.
Wir hatten damals die Gelegenheit genutzt und Leons Zimmer ausgemistet, um Mutter dort einzuquartieren. Das Gesundheitssystem war dank der Unvernunft des dummen Pöbels, der sich bei „Corona-Partys“ vergnügte, unter der Vielzahl an schweren Krankheitsverläufen bald überfordert gewesen.
Mutter nimmt plötzlich meine Hand und drückt sie so fest, dass ich erschrecke.
Musst nicht weinen, mein Schatz. Sie waren glücklich.
Zuerst war unsere Jüngste gestorben.
Elf Jahre Glück, aber sie hatte die Lungenkrankheit meiner Frau geerbt.
Genau wie unsere Älteste.
Sie starb kurz vor meiner Frau.
Neue Regeln.
Alle 14 Tage eine Beerdigung.
Nicht mehr als vier Personen.
Plus Pfarrer.
Plus Sarg.
Die Lebensversicherung konnte nicht trösten, aber sie half.
Ohne Mutter hätte ich wohl aufgegeben.
Es klingelt.
Mutter ist erstaunlich schnell an der Tür.
Die Trauer hat mich schwer gemacht.
Dann kommt sie zurück ins Wohnzimmer und strahlt.
Leon ist aus der Schule gekommen, sagt sie.
Ich stehe auf.
Ich sehe meinen Sohn.
Wir umarmen uns.
Ohne Worte.
von Tom Fuhrmann ©2018
Wer kennt sie nicht: Die Anekdoten und Geschichten aus der Veranstaltungsbranche.
An dieser Stelle tragen wir die Kuriositäten zusammen.
Der Unterschied besteht darin, dass unsere fiktive Band „The Sparkles“ mit ihrer fiktiven Crew all diese Episoden erlebt.
Geschrieben habe ich die Geschichten für meinen Freund und Kollegen Chris Orth von O-Lab Audio GmbH.
Im Blog auf www.audioplanung.de werdet ihr auch künftig die „Sparkles finden.
Die Luft dröhnte vom Geräusch eines lauten Dieselmotors. Timo stand rauchend vor der Emslandarena und beobachtete den schwarzen Sattelschlepper, wie er rückwärts im Loading Dock ansetzte. In auffälligen gold-blauen Lettern stand auf dem Trailer