Geschichte der Alten Welt - Hermann Bengtson - E-Book

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Hermann Bengtson

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Beschreibung

Von den altorientalischen Reichen über Persien, Griechenland und Rom bis zur Ausbreitung des Islam werden die historischen Entwicklungslinien von über drei Jahrtausenden nachgezeichnet und in konzentrierter Form dargestellt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Hermann Bengtson

Geschichte der Alten Welt

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Inhalt

Vorbemerkung1. Kapitel Ägyptische Sprachgeschichte2. Kapitel Die Geschichte Altägyptens3. Kapitel Mesopotamien4. Kapitel Die Hethiter5. Kapitel Syrien und Palästina6. Kapitel Das Reich der Achämeniden7. Kapitel Der Aufstieg Griechenlands8. Kapitel Die Übergangszeit9. Kapitel Das Zeitalter der Großen Griechischen Kolonisation10. Kapitel Die Alte Welt von 550 – 400 v.Chr.11. Kapitel Vom Ende des Peloponnesischen Krieges bis zu Alexanders Tod12. Kapitel Die hellenistische Welt und Rom13. Kapitel Die römische Kaiserzeit: Von Augustus bis Diocletian14. Kapitel Von Constantin bis zur VölkerwanderungAnhangLiteraturübersichtZeittafelÄgyptenMesopotamienKleinasienGriechenland und RomDie römische Kaiserzeit

Vorbemerkung

Eine kurzgefaßte Geschichte des Altertums wird seit vielen Jahren in der wissenschaftlichen Literatur vermißt. Sie ist aber notwendig, weil den Spezialgeschichten das verbindende Band fehlt; zudem behandeln diese in der Regel nur die Geschichte der Griechen und Römer, nur wenige auch die Geschichte des Alten Orients, ohne die ein Verständnis der Universalgeschichte der Alten Welt nicht möglich ist. Es gibt das »Handbuch der Geschichte der Staaten des Altertums« von dem Göttinger Historiker A.H.L. Heeren. Das Vorwort der 1. Auflage ist am 23. September 1799 datiert. Heerens Buch ist seinerzeit viel gelesen worden; im Jahre 1828 ist eine fünfte, verbesserte Auflage erschienen. Heerens Staatengeschichte beginnt mit den altorientalischen Reichen, den Assyrern, Medern, Babyloniern, Ägyptern, Karthagern und Persern; sie führt bis zum Untergang des weströmischen Reiches (476). Heeren konnte sich im wesentlichen eigener Vorarbeiten bedienen. Er hatte ein Werk mit dem Titel »Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der Alten Welt« geschrieben, das in zwei Bänden 1793 und 1796, gleichfalls zu Göttingen, erschienen ist. Als er 1812 den ersten Teil des 3. Bandes über die Griechen veröffentlichen ließ, hat Barthold Georg Niebuhr diesen einer scharfen Kritik unterzogen. Die Rezension mag der Grund gewesen sein, daß Heeren auf den Abschluß seines Werkes, auf den Band III2, verzichtete.

Heeren, Schwiegersohn des Philologen Christian Gottlob Heyne, dem er eine auch heute noch lesenswerte Biographie gewidmet hat, stand in der Göttinger Tradition. Diese hatte in den Historikern Johann Christoph Gatterer (1727–1799), August Ludwig Schlözer (1735–1809) und in dem Kirchenhistoriker Ludwig Timotheus Spittler (1752–1810) bedeutende Gelehrte aufzuweisen; sie waren ohne Ausnahme universalhistorisch orientiert.

Auch Niebuhr hat uns Zeugnisse universalhistorischen Denkens hinterlassen. In seinen Vorlesungen an der Universität Bonn im Sommer 1826 und dann, in erweiterter Form, im Wintersemester 1829/30 und im Sommer 1830, hat Niebuhr die antike Universalgeschichte im Zusammenhang behandelt. Er hielt sich dabei an die Geschichte des Pompejus Trogus, die Historiae Philippicae in dem Auszug des Justin. Pompejus Trogus lebte in der Zeit des Augustus, Justin gehört in die Zeit des 2. oder des 3. Jahrhunderts n. Chr. Die Vorlesungen hat Marcus Niebuhr, der Sohn des Historikers und Staatsmannes, in den Jahren von 1847 bis 1852 zum Druck gebracht. Sie sind noch heute eine interessante Lektüre.

Eine moderne Universalgeschichte, aufgebaut auf eindringender Kenntnis auch der Sprachen des Alten Orients, hat Eduard Meyer geschrieben. Sie ist in fünf Bänden in den Jahren von 1884 bis 1902 erschienen und reichte von den ältesten Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens bis in das Zeitalter Philipps II. von Makedonien. Die archäologischen Neufunde veranlaßten den Verfasser, eine Neuauflage erscheinen zu lassen; sie reichte bis zur Thronbesteigung des Assyrerkönigs Tiglatpilesar III. im Jahre 745 v.Chr. Auch diese Auflage bedarf seit längerer Zeit einer Revision. Dies läßt die Besprechung erkennen, die Walter Otto der Neuauflage gewidmet hat (HZ146, 1932, S. 205ff.).[1]

An die Darstellung Eduard Meyers hat in seinem letzten großen Werk Ernst Kornemann angeknüpft. Es führt den Titel »Weltgeschichte des Mittelmeerraumes von Philipp II. von Makedonien bis Muhammed« und ist in zwei Bänden in München 1948 und 1949 erschienen. Hier ist die Darstellung bis in die Spätantike herabgeführt, das Werk endet mit einem Ausblick auf den Hohenstaufenkaiser Friedrich II., den Kornemann als einen stark von der Antike geprägten Herrscher gesehen hat. Kornemanns Werk hat das Verdienst, die universalhistorische Idee wieder zur Geltung gebracht zu haben.

Heute kann es jedenfalls keinen Zweifel daran geben, daß der Alte Orient in einer universalhistorischen Darstellung zu seinem Recht kommen muß. Ohne die Kenntnis der altorientalischen Sprachen ist eine Gesamtgeschichte der Alten Welt nicht mehr zu schreiben.

Nun noch ein paar Bemerkungen über die Zeit und den Raum der Alten Geschichte. Über die Zeit kann es ernste Unstimmigkeiten nicht geben. Die Alte Geschichte beginnt mit den frühesten Kulturen in Vorderasien und Ägypten um 3000 v.Chr. Sie führt bis an die Schwelle des Mittelalters, wobei die Grenze zum Mittelalter elastisch abzustecken wäre. Wichtige Einschnitte bilden die Eroberung Italiens durch die Langobarden (Einnahme Pavias 572 n. Chr.) sowie der Einbruch der Araber in die Welt des Okzidents um 700 n. Chr. Mit den Arabern tritt ein neues Volk in die Geschichte ein und setzt durch seine Ausbreitung nach Osten und Westen neue Akzente. Auch in der Kulturgeschichte beginnt mit den Arabern ein neues Zeitalter, das sich von der Antike deutlich abhebt.

Auch über die räumliche Ausdehnung der Alten Geschichte kann es kaum einen ernsthaften Streit geben. Es ist die Geschichte des Mittelmeerraumes und der an ihn angrenzenden Gebiete, die zu ihm in historisch wirksamen politischen und kulturellen Beziehungen gestanden haben. Es sind dies die Randländer des Mittelmeeres mit Nordafrika und Ägypten, dazu kommen in Vorderasien die Länder Syrien, Mesopotamien, der Iran und Vorderindien. Der Raum zwischen der Straße von Gibraltar im Westen und dem Ganges im Osten ist allerdings niemals zusammengewachsen, wohl aber ist die Idee des Universalreiches in seiner Geschichte des öfteren von Bedeutung gewesen. Es sei hier an Alexander den Großen und an das Imperium Romanum erinnert. Auch die Kultur des Hellenismus ist in diesem Zusammenhang wichtig, sie bildet die Voraussetzung für die Ausbreitung des Christentums, dessen Gemeinden am Ausgang des Altertums zwischen Irland und Indien zu finden sind. Innerhalb des Mittelmeerraumes und seiner Nachbargebiete sind im Altertum mehrere Hochkulturen entstanden, in Ägypten, im Zweistromland, in Griechenland und in Italien. Diese Kulturen weisen zahlreiche Berührungen mit anderen auf, und gerade dies ist für den Gesamtzusammenhang von Bedeutung. Die Weltkultur unserer Zeit verdankt dem Altertum hervorragende Errungenschaften, die unverlierbar sind: die Idee und die Entstehung der abendländischen Wissenschaft den Griechen, die Schöpfung des römischen Rechts den Römern. Aber wir schulden den beiden Kulturvölkern noch mehr: den Griechen die Entstehung der Tragödie und der Geschichtsschreibung, die Anfänge der abendländischen Philosophie, die Blüte der bildenden Kunst, den Römern die Grundlagen der Staatskunst; sie haben uns auch die »Romidee« hinterlassen. Es wird nicht leicht sein, dies alles in einem einzigen Band darzustellen, doch eine gedrängte Schilderung hat den Vorteil, daß sie das Wesentliche berücksichtigen, alles Nebensächliche außer Betracht lassen wird. Zu ihrem Recht muß vor allem die Kulturgeschichte kommen, denn das Leben der Völker der Alten Welt erschöpft sich nicht in Kriegen und Schlachten. Natürlich dürfen sie nicht ignoriert werden, wenn sie für den Ablauf der Geschichte von Bedeutung sind. Weder die Schlacht bei Salamis (480 v.Chr.) noch die Schlacht bei Actium (31 v.Chr.) können in einer antiken Universalgeschichte fehlen. Herrn Dr. Wolfgang Schramm und Herrn Elmar Eggerer, der auch das Register angefertigt hat, möchte ich an dieser Stelle für ihre Mithilfe bei der Korrektur danken.

1. Kapitel Ägyptische Sprachgeschichte

Die ägyptischen Dynastien

Die Synode von Vienne (1311) hat die Errichtung von Lehrstühlen der orientalischen Sprachen, vor allem des Arabischen, an den Universitäten Paris, Löwen und Salamanca gefordert. Das Arabische sollte der Mission unter den Mohammedanern dienen. Aber diese Absicht hat sich als unwirksam erwiesen. In Deutschland waren die orientalischen Sprachen in der Reformationszeit eine Hilfswissenschaft der Theologie (ancilla theologiae). Man brauchte sie, um die Übersetzungen des Neuen Testaments ins Syrische, Armenische und Koptische zu verstehen. Mit dem Alten Orient, seiner Kultur und Geschichte, hat man sich nur insoweit beschäftigt, als dieser in der Heiligen Schrift eine Rolle spielt. Dieser Zustand hat nur zu einer eingeschränkten Kenntnis des Alten Orients geführt. Erst im beginnenden 19. Jahrhundert trat hier eine Wende ein. Den Anfang machte die Expedition Napoleons nach Ägypten (1798–1801). Wie einst Alexander d. Gr. hatte sich auch Napoleon mit einem Stab von Gelehrten umgeben. Ihrer Arbeit wird die »Beschreibung Ägyptens« verdankt. Es ist dies ein monumentales Tafelwerk mit zwölf Abbildungs- und nicht weniger als vierundzwanzig Textbänden. Seit dieser Zeit kannten alle Gebildeten das Land Ägypten, man interessierte sich für die Pyramiden, aber man konnte die ägyptische Schrift, die Hieroglyphen, nicht lesen. Ihre Entzifferung ist mit dem Namen des französischen Forschers Jean François Champollion le Jeune (1790–1832) für immer verbunden. Champollion war Bonapartist, zweimal hat er seinen Lehrstuhl verloren, doch dies ist vergessen; seine Entdeckung aber ist von bleibendem Wert. Champollion hatte sich von der Vorstellung, die Hieroglyphen seien Symbole, freigemacht und festgestellt, daß sie auch als Buchstaben gebraucht wurden. In seinem Brief an Dacier vom 29. Oktober 1822 hat er diese Erkenntnis niedergelegt. Dies war ein bedeutender Fortschritt über die früheren Forschungen hinaus. Wichtig war ein Inschriftenstein, den französische Soldaten bei Schanzarbeiten im Nildelta bei Rosette gefunden hatten (1799). Es war dies ein Priesterdekret für den 5. Ptolemäer vom Jahre 196 v.Chr. in drei verschiedenen Schriften und Sprachen, eine Trilingue, und zwar in Hieroglyphen, Demotisch und Griechisch.

Erst als im Jahre 1866 das Kanoposdekret, ein Priesterdekret vom Jahre 237 v.Chr., gefunden wurde, erwies es sich, daß Champollion auf dem rechten Weg gewesen war. Die weiteren Fortschritte in der ägyptischen Wissenschaft sind mit dem Namen der deutschen Forscher Richard Lepsius, Heinrich Brugsch und Adolf Erman (1854–1937) verbunden. Erman hat die einzelnen Perioden der ägyptischen Sprachgeschichte voneinander geschieden; er hat das Neuägyptische des späteren 2. Jahrtausends als eigene Sprachstufe neben das Altägyptische, die Sprache des Alten und Mittleren Reiches, gestellt, eine grundlegende Erkenntnis, die nicht wieder verlorengegangen ist. Mit dem Ägyptischen Wörterbuch, das die Berliner Akademie unter der Leitung Grapows herausgegeben hat, ist eine weitere Grundlage geschaffen worden, die zum Aufblühen der ägyptischen Studien nicht weniger beigetragen hat.

Die Ägypter haben nur die Konsonanten geschrieben. Daraus ergibt sich das Problem der Vokalisation, das noch heute in der Forschung diskutiert wird. Es wird sich wohl nur im einzelnen, nicht als Ganzes lösen lassen. Die Schönheit der ägyptischen Poesie wird uns sicher noch lange verschlossen bleiben.

Man unterscheidet folgende Perioden der ägyptischen Sprachgeschichte:

1. Das Altägyptische, die Sprache der Dynastien I bis VIII, von etwa 2955 bis 2040 v.Chr. Hierzu gehören unter anderem die Pyramidentexte, die in ihrer Orthographie gewisse Eigenheiten aufweisen, dazu kommen offizielle Dokumente, Grabinschriften und Inschriften biographischen Inhalts.

2. Das Mittelägyptische, die Sprache der Dynastien IX bis XVIII, von etwa 2040 bis 1350 v.Chr.

3. Das Spätägyptische, die Umgangssprache in den Dynastien XVIII bis XXIV, von etwa 1570 bis 715 v.Chr. Es sind dies vor allem offizielle Dokumente, aber auch literarische Texte.

4. Das Demotische, die Sprache der Dokumente in demotischer Schrift, von der XXV. Dynastie bis in die spätrömische Zeit, von etwa 715 v.Chr. bis 470 n. Chr.

5. Das Koptische, das ist das Ägyptische in seiner letzten Entwicklungsstufe, geschrieben in koptischer Schrift, vom 3. Jahrhundert n. Chr. an. Im 16. Jahrhundert ist es als lebendige Sprache erloschen. Es zerfällt in Dialekte, von denen das Achmimische und das Bohairische die wichtigsten sind. Die Hieroglyphen sind als Monumentalschrift bis ans Ende des Altertums erhalten geblieben. Die letzte hieroglyphische Inschrift findet sich am Hadrianstor von Philae, sie stammt aus der Zeit des Theodosius I. (394).

Die Anfänge der ägyptischen Denkmälerkunde fallen in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor allem zwei Expeditionen erbrachten hier viel Neues. Ippolito Rosellini, Professor an der Universität Pisa, veröffentlichte die Ergebnisse der toskanischen Expedition in dem Werk »Monumenti dell’Egitto e della Nubia« (1832–1844). Richard Lepsius ließ das auch heute noch grundlegende Werk »Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien« von 1849 an erscheinen, gewaltige Folianten, die ihresgleichen in der ägyptologischen Wissenschaft nicht kennen.

Die Periodisierung der ägyptischen Geschichte beruht auf den Königslisten. Ein Bruchstück ist der Turiner Königspapyrus, kürzere Auszüge bringen die Königstafeln von Abydos und Saqqara. Dazu kommt die Darstellung des ägyptischen Priesters Manetho aus der Zeit des 2. Ptolemäers (285–246). Von ihm stammt die Einteilung der Herrscher in 31 Dynastien von den Anfängen der ägyptischen Geschichte bis zum Ende der Perserherrschaft (331 v.Chr.). Doch können die Daten der einzelnen Dynastien vielfach nicht aufs Jahr genau angegeben werden. Früher hat man allgemein, vor allem im Alten Reich, mit hohen Daten gerechnet, doch müssen diese – sie stammen von Borchardt und Eduard Meyer – nach unten korrigiert werden. So beginnt die I. Dynastie nicht, wie man früher annahm, bereits im 4. Jahrtausend v.Chr., sondern in den ersten Jahrhunderten des 3. Jahrtausends (H. Stock). Doch gibt es immer noch Forscher, die an den wesentlich höheren Regierungszahlen festhalten. Ein Beispiel ist die Ägyptische Geschichte von A.H. Gardiner (in deutscher Übersetzung: »Geschichte des Alten Ägypten«, Stuttgart 1965). Die erste Dynastie muß jedenfalls in der Zeit nach 3000 v.Chr. angesetzt werden, nach Jürgen von Beckerath um 2955 (oder um 2985). Die Zahlen von Beckerath ergeben folgendes:

Das Alte Reich:

I.

Dynastie: 2955–2780

II.

Dynastie: 2780–2635

III.

Dynastie: 2635–2570

IV.

Dynastie: 2570–2450, das sind die Pyramidenbauer.

V.

Dynastie: 2450–2290

VI.

Dynastie: 2290–2115

VII.

Dynastie: um 2155 (Interregnum)

VIII.

Dynastie: 2155–2135

Erste Zwischenzeit:

IX.

und X. Dynastie: 2134–2040

Das Mittlere Reich:

XI.

und XII. Dynastie, die XI. von 2134–1991, die XII. von 1991–1785 (in dieser der König Sesostris I.)

Zweite Zwischenzeit:

XIII.

Dynastie 1785–gegen 1650

XIV.

Dynastie 1715–1650

XV.

und XVI. Dynastie: die Hyksos 1650–1540

Das Neue Reich:

XVII.

Dynastie: 1650–1554

XVIII.

Dynastie: 1554–1305

XIX.

Dynastie: 1305–1196

XX.

Dynastie: 1196–1080

XXI.

Dynastie: 1080–946

XXII.

Dynastie: 946–720

XXIII.

Dynastie: 792–720

XXIV.

Dynastie (von Saïs): 740–712

XXV.

Dynastie (Kuschiten): 745–655

XXVI.

Dynastie: 644–525, darunter Psammetich I., Necho, Psammetich II., Amasis, Psammetich III.

XXVII.

Dynastie: die Perser 525–404

XXVIII.

Dynastie: einheimische Könige: Amyrtaios 404–399

XXIX.

Dynastie: Einheimische 399–380

XXX.

Dynastie: Einheimische 380–342

XXXI.

Dynastie: 2. Herrschaft der Perser 342–331

Es folgen Alexander d. Gr., die Diadochen, seit 323 die Ptolemäer (bis 30 v.Chr.), danach die Römer.

Nur wenige der Daten sind astronomisch festgelegt, wie etwa für die XI. und XII. Dynastie. Erst mit der XXVI. Dynastie beginnen die absoluten Datierungen.

Die Zeit von 712 bis 332 wird als die Spätzeit bezeichnet. Höhepunkte der ägyptischen Geschichte sind das Alte Reich, das Mittlere Reich und das Neue Reich. Dazwischen liegen Zeiten des Niedergangs; sie werden als die Erste und die Zweite Zwischenzeit bezeichnet. Die Einteilung geht auf Eduard Meyer zurück und ist im wesentlichen von den späteren Forschern übernommen worden.

2. Kapitel Die Geschichte Altägyptens

von den Anfängen bis zum Ende des Neuen Reichs (etwa 3000 bis 712 v.Chr.)

Ein Überblick über die Geschichte Altägyptens in seinen wichtigsten Perioden vermag nur die Grundzüge zu bieten, er sollte jedoch zu zeigen versuchen, wie die altägyptische Kultur entstanden ist, welchen Veränderungen sie unterworfen war und welche Gründe für ihren Niedergang maßgebend waren. Dazu kommt das Problem, in welchen Beziehungen sie zum Ausland gestanden hat. Die Frage nach der Entstehung der ägyptischen Kultur ist schwer zu beantworten. Damit im Zusammenhang steht die Erfindung der ägyptischen Schrift, die unmittelbar vor der I. Dynastie anzusetzen ist. Sie muß dem Kopf eines begabten Individuums entsprungen sein, das für die ägyptische Sprache eine Lautierung erfunden hat. Trotz mancher Veränderungen im einzelnen hat sie über viele Jahrhunderte Bestand gehabt. Sie ist aus dem Bedürfnis entstanden, Aufzeichnungen niederzulegen, die es verdienten, der Zukunft überliefert zu werden. Doch ist die ägyptische Schrift immer nur einzelnen Menschen zugänglich gewesen, die sie an Schreibschulen in den Tempeln lernten. Um sie zu beherrschen, brauchten sie oft Jahre, und nicht alle, die sich als Schreiber versuchten, werden ans Ziel gelangt sein. Mit der Schrifterfindung durch die Sumerer im Zweistromland war es ähnlich. Auch die Keilschrift ist eine Schrift für wenige geblieben.

Die Hieroglyphenschrift – der Name stammt aus dem Griechischen und bedeutet »heilige Bilderschrift« – ist ein hervorragendes Beispiel für den konservativen Geist der alten Ägypter. Bis zum Ende ihrer Kultur haben sie an dieser Schrift festgehalten, geringfügige Änderungen fallen kaum ins Gewicht. Die Schrift spiegelt die Welt Altägyptens wider. Tiere, Pflanzen, Häuser werden durch die Schrift dargestellt, in genialer Weise vereinfacht, aber doch so, daß sie ohne weiteres wiederzuerkennen sind. Die Hieroglyphenschrift war eine Monumentalschrift, ihre blockweise Anordnung hat dies nur noch unterstrichen. Die Schreibschrift, wie sie sich im Neuägyptischen und später im Demotischen herausgebildet hat, weist Unterschiede auf, ohne jedoch zu verleugnen, daß sie aus der Hieroglyphenschrift hervorgegangen ist.

Zu den frühesten Dokumenten der Hieroglyphenschrift gehören die Pyramidentexte. Sie beschäftigen sich mit dem Leben nach dem Tode, das sich die alten Ägypter wie ein Leben nach irdischem Vorbild vorgestellt haben. Das Leben im Jenseits war für sie nichts anderes als eine Verlängerung des irdischen Lebens – über den leiblichen Tod hinaus. Diese Einstellung wirkte natürlich auf das Privatleben zurück. Frömmigkeit und Pietät gegenüber den Eltern standen in hohem Ansehen, niemand durfte ungestraft die Pflege der Gräber der verstorbenen Eltern vernachlässigen. Diese Gesinnung manifestiert sich in den Pyramidenbauten der Könige der IV. Dynastie. Die Übersteigerung der Grabpflege ist eine typisch ägyptische Sitte. Tausende von Arbeitern sind mobilisiert worden, um die Pyramiden zu erbauen. Sie hatten einen harten Frondienst zu leisten. Er fiel in jene Jahreszeit, in der die Arbeiter auf den Feldern nicht gebraucht wurden.

Die Geschichte Ägyptens beginnt mit dem König Menes. Er stammte aus dem Ort Thinis in Oberägypten, danach werden die Könige der beiden ersten Dynastien die Thiniten genannt. Bereits in der I. Dynastie sind Kämpfe mit den Asiaten auf der Halbinsel Sinai bezeugt. Auch Verbindungen zwischen Ägypten und Phönikien hat es gegeben, vor allem mit der Seestadt Byblos. Schon in früher Zeit verschiffte man die Zedern des Libanon nach dem Nilland. Da Ägypten über wenig brauchbare Holzarten verfügte, mußten die Zedern eingeführt werden.

Die III. Dynastie ist die Zeit der Pyramidenbauer. Das älteste Bauwerk ist die Stufenpyramide des Djoser. Die Könige Cheops, Chefren und Mykerinos haben Pyramiden hinterlassen; die größte ist die Cheopspyramide, die heute noch 139 Meter hoch ist. In den Gräbern, die um die Pyramiden angelegt sind, haben die hohen Hofbeamten ihre letzte Ruhe gefunden. Das Alte Reich war eine zentral regierte, absolute Monarchie; in ihr galt allein der Wille des Königs, ihm gehorchten die hohen Würdenträger, unter ihnen der »Vezir und Richter der großen Torhalle«, der »Vorsteher der Arbeiten« und viele andere mehr. Der König war die Inkarnation des Gottes Horus und empfing als göttliches Wesen hohe Verehrung. Er war der größte Grundbesitzer Ägyptens und die Zahl seiner Bauern ging in die Tausende. Auch die Großen verfügten über bedeutenden Landbesitz, sie verdankten ihn der Gnade des Königs, der zu ihnen in einem patriarchalischen Verhältnis stand.

Der Feudaladel ist von dem König über Gebühr gefördert worden; dies ging so weit, daß der König und seine Herrschaft in Gefahr gerieten. Mit dem Aufstieg der Gaufürsten vollzog sich ein grundlegender Machtwechsel. Die Gaufürsten von Herakleopolis beispielsweise bildeten die IX. und X. Dynastie. Nach einer vorübergehenden Zwischenherrschaft herrschten sie als Könige von Ägypten von etwa 2190 bis 2050.

Gegen Ende des Alten Reichs hatte sich eine bedeutende Veränderung im Lande vollzogen. Die Stabilität war trügerisch gewesen, ein neues Lebensgefühl hatte sich Bahn gebrochen, das auch in der Literatur seinen Ausdruck gefunden hat. Es ist von einer betonten Skepsis und Lebensmüdigkeit gekennzeichnet, die sich von der frohen Gesinnung der früheren Generationen bemerkenswert unterscheidet. Andererseits fehlt nicht die Aufforderung zum Lebensgenuß, womit sich Vorwürfe gegen Gott verbinden. In der »Lehre für den König Merikarê« finden sich das Totengericht und die Rechenschaftsablegung für das, was der Mensch im Leben getan oder unterlassen hat. Die Zerrissenheit des Menschen spiegelt sich in dem »Streitgespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele«. Es sind dies wohl die frühesten Äußerungen über den Seelenzustand des Menschen, viele Jahrhunderte vor den Griechen, die erst in der Zeit der Aufklärung, im 5. Jahrhundert v.Chr., zu ähnlichen Gedanken gekommen sind. Die Ägypter sind wohl die ersten, die begonnen haben, über das Wesen und die Bestimmung des Menschen nachzudenken; die Ideen über das Jenseits sind Zeugnisse für die Haltung der Menschen, wie sie außerhalb Ägyptens zu dieser Zeit kaum eine Parallele finden.

Mit dem Aufstieg Thebens in Oberägypten hebt eine neue Zeit an. Um 2040 beginnt mit der XI. Dynastie das Mittlere Reich. Die Dynastie stammt aus dem Gebiet von Hermonthis (südlich von Theben). Um die Aufklärung der Vorgänge in der XI. Dynastie hat sich H.E. Winlock bleibende Verdienste erworben. Den Beginn der XII. Dynastie hat man mit Hilfe eines Siriusdatums aus Illahun auf das Jahr 1991 – mit einem geringen Spielraum von zwei Jahren – festlegen können.

In der XII. Dynastie aus Theben wechseln die Namen Amenemhet (»Amon ist an der Spitze«) und Sesostris (»der Mann der Göttin Wosret«) miteinander ab. In der XII. Dynastie hat die Innenpolitik den Vorrang vor den Ereignissen der äußeren Geschichte. Die Machtfülle der Gaufürsten verringert sich, der Schreiber ist nun der große Mann im Staat. Dies zeigt die Lehre des Duauf an seinen Sohn Pepi. Das Land Ägypten hat drei Teile, das Nordland, den Süden und den ›Kopf des Südens‹ (tp smc). Sesostris III. (1871–1841) hat die Gaufürstentümer beseitigt. Die Zeit der XII. Dynastie ist, wie es scheint, eine glückliche Zeit für die Untertanen gewesen. Unter Amenemhet III. (1840–1792) wurde das Faijum erschlossen, der König erhielt hier einen Totentempel, den die Griechen wegen seiner unübersichtlichen Bauweise das Labyrinth genannt haben. Der Totenkult für den Herrscher erhielt sich bis in die Ptolemäerzeit. Sesostris III. hat die Grenze Ägyptens im Süden bis Semneh vorgeschoben. Nubien, das Land zwischen dem 1. und 2. Katarakt, ist erobert worden – es ging um das Gold Nubiens.

Das Mittlere Reich brachte bedeutende literarische Werke hervor. Von ihnen sei die romanhafte Geschichte des Sinuhe erwähnt. Bemerkenswert ist das lehrhafte Element, es erscheint sowohl in der Lehre des Amenemhet I. wie auch in der des Duauf. Doch gab es keine Sicherheit, was die Zukunft bringen würde. Dies zeigen Prophezeiungen, die eine allgemeine Katastrophe und danach das messianische Reich ankündigen. In der späteren Tradition wird Sesostris III. als ein großer Kriegsheld angesehen, doch ist dies nicht historisch, auch wenn er in Palästina Krieg geführt hat.

Dem Mittleren Reich, einer Blütezeit Ägyptens, folgt die Zweite Zwischenzeit mit den Dynastien XIII und XIV, deren Herrscher jedoch blaß und schattenhaft bleiben. Immerhin haben sie versucht, die Tradition der XII. Dynastie fortzuführen. Dies gilt vor allem für die Könige der XIII. Dynastie, in der der Name Sebekhotep wiederkehrt. Die Herrschaft der XIV. Dynastie blieb auf Unterägypten beschränkt, sie stammte aus Xoïs, Oberägypten hatte sich ihrer Herrschaft entzogen.

Die XV. und XVI. Dynastie sind die Hyksosherrscher. Sie kamen aus Palästina und waren Fremde in Ägypten. Ihre Hauptstadt war Tanis im Delta. Die Volkszugehörigkeit der Hyksos genauer zu bestimmen, ist noch nicht gelungen. Bei Manetho heißen sie die »Hirtenkönige«. Aber der Name Hyksos kann nur bedeuten »Herrscher der Fremdländer«. Ihre Namen sind zum Teil ägyptisch, zum Teil aber auch fremdländisch-asiatisch, d.h. semitisch. Die Hyksos brachten den Gott Sutech mit ins Nilland, hier wurde er mit dem Gott Seth gleichgesetzt. Unter den Hyksos erscheint das Pferd in Ägypten. Sie waren Wagenkämpfer, wie die Churriter in Nordmesopotamien und die Hethiter. Die Hyksosherrschaft mag ungefähr ein Jahrhundert gedauert haben, von etwa 1670 bis gegen 1560 (nach v.Beckerath von 1650 bis 1550). Wenn sie sich im Nilland der Herrschaft bemächtigen konnten, so ist dies eine Folge des allgemeinen politischen Niedergangs, der seit dem Ende des Mittleren Reichs ganz unverkennbar wurde.

Die Heimat der Hyksos war Vorderasien. Wie es den Anschein hat, waren sie kein homogenes Volk, sie hatten vielmehr Elemente aus Palästina und wohl auch aus Nordmesopotamien aufgenommen. Im übrigen ist ihre Zeit in Ägypten immer noch zu wenig bekannt, hauptsächlich siedelten sie im Delta, von hier aus bestanden auch weiterhin Verbindungen zu Palästina.

Der Widerstand der Ägypter gegen die Fremdherrschaft ist vom Süden, von Theben, ausgegangen. Hier regierte die XVII. Dynastie, und zwar zum Teil gleichzeitig mit den Hyksos. Früher hat man den Kampf gegen die Hyksos als eine nationale Erhebung betrachtet, dies ist jedoch nicht zutreffend. Es ist vielmehr die Machtpolitik gewesen, welche die Könige Kamose von der XVII. und Amosis von der XVIII. Dynastie gegen die Hyksos geführt haben. Einige Einzelheiten des Kampfes bringt die Biographie des Schiffsoffiziers Ahmose aus der Familie der Gaugrafen von El-Kâb, der an der Eroberung der Hyksosstadt Auaris (mit Tanis gleichzusetzen) teilgenommen hat. Die Ägypter vertrieben die Fremden aus dem Land und verfolgten sie bis hinein nach Palästina (Scharuhen). Hochgepriesen wird die Königin Ahhotep, die Mutter des Amosis. Sie heißt die »Herrin der Haunebu«. Ob unter diesem Namen die Hellenen des Ägäischen Meeres zu verstehen sind, ist möglich, wenn auch nicht sicher. Irrig sind auf jeden Fall die weitreichenden Kombinationen Eduard Meyers. Nach seiner Auffassung wäre Ahhotep eine kretische Prinzessin gewesen, und die Hyksos wären den verbündeten Kräften der Ägypter und Kreter erlegen. Alles, was sich sagen läßt, ist, daß der Vertreibung der Hyksos aus dem Nilland eine Erhebung der Ägypter vorausgegangen ist.

Die späteren Könige der XVIII. Dynastie erscheinen in der Überlieferung als große Kriegshelden. Dies mag übertrieben sein, doch hatten sie bedeutende Leistungen auf dem Gebiet der auswärtigen Politik aufzuweisen. Es ergaben sich Beziehungen zu Kreta und Koilesyrien, auch im Süden Ägyptens wurde die Grenze weiter vorverlegt. In Nubien wurde der 4. Katarakt bei Nápata erreicht (Thutmosis I.). Nubien wurde als eine besondere Provinz konstituiert, die Verwaltung hatte der »Königssohn von Kusch« inne. Nach Thutmosis II. hatte die Königin Hatschepsut die Zügel der Regierung in die Hand genommen; nach Edgerton wäre sie eine Halbschwester des Thutmosis III. gewesen, doch sind auch andere Lösungen der genealogischen Probleme vorgeschlagen worden. Andere Forscher halten Hatschepsut für die Stiefmutter des Thutmosis III. Ohne Zweifel gehörte sie zu den großen Königinnen der antiken Geschichte; sie regierte von etwa 1500 bis 1480. Thutmosis III. wurde von ihr zunächst vollständig beherrscht, bis sich dieser durch einen Gewaltakt von ihr freigemacht hat. Davon zeugen starke Spuren der Zerstörung an ihren Bauten in Theben wie an ihrem Tempel von Dêr-el-Báhari. Auch in Theben hatte sie bedeutende Sakralbauten aufgeführt. Auf den Tempelwänden ist ihre Expedition nach dem Lande Punt dargestellt, das in Ostafrika gelegen haben dürfte. Es war vor allem ein Weihrauchland, aber auch verschiedene Tierarten sind aus Punt nach Ägypten gebracht worden. Gegen die Königin muß sich ein großer Haß angesammelt haben: Man versuchte, ihr Andenken auszulöschen, was jedoch nicht gelungen ist.

Thutmosis III. gehört zu den großen Eroberern der ägyptischen Geschichte. Nicht weniger als sechzehnmal ist er nach Syrien gezogen. Seine Feldzüge werden in den Annalen des Tempels von Karnak im einzelnen geschildert, einer sehr wertvollen Quelle der altägyptischen Kriegsgeschichte. Über den 8. Feldzug gibt eine Inschrift aus Hermonthis (Erment) einen Bericht. Die Annalen bringen eine Schilderung der Schlacht bei Megiddo (Tell-el-Mutesellim) am Rande der Ebene Jesreel. Gegner waren syrisch-palästinensische Stadtfürsten mit dem Fürsten von Qadesch an der Spitze. Die Ägypter haben sogar den Euphrat überschritten, sie bezeichneten ihn als den ›Fluß, der in der verkehrten Richtung fließt‹, nämlich vom Norden nach dem Süden, im Gegensatz zum Nilstrom. Die Inschrift von Hermonthis berichtet auch von einer Elefantenjagd im Sumpfgebiet östlich des Orontes in Nordsyrien. Es konnte nicht ausbleiben, daß das Gewicht des Militärs, und insbesondere der hohen Offiziere, unter Thutmosis III. bedeutend zunahm. Unter diesem König hat Ägypten seine größte Ausdehnung erreicht, und zwar vom Orontes und vom Euphrat bis hin zum 4. Katarakt bei Nápata in Nubien. Die Entfernung von Norden nach Süden beträgt etwa 3200 Kilometer.

Amenophis II. stellt sich würdig an die Seite seines Vaters Thutmosis III. Auf einer Stele von Memphis befinden sich unter den Gefangenen 3600 Männer als Apiru bezeichnet, sie erscheinen nicht zum erstenmal in Ägypten, denn auch unter seinem Vater sind die Apiru Weingärtner im Nilland.

Den Gipfel seiner Macht erreicht Ägypten unter Amenophis III. (etwa 1413 bis 1377), dem Urenkel des Thutmosis III. Seine Regierung ist die Blüte des Pharaonenreiches (nach dem Titel eines Buches von Georg Steindorff). Zwar war Amenophis III. kein Kriegsheld, aber er hatte Verbindungen zu zahlreichen Herrschern in Vorderasien; in seinem Harem waren Königstöchter aus allen vorderasiatischen Ländern. Das Ansehen Ägyptens stand in hoher Blüte, dem König wurden Huldigungen vieler Potentaten zuteil. Sein Sohn Amenophis IV. verlegt die Residenz und den Hof von Theben nach El-Amarna in Mittelägypten, wohl in der Absicht, Vorderasien näher zu sein. In El-Amarna wurde das Archiv des Reichs gefunden, mit zahlreichen Briefen ausländischer Fürsten, und zwar ohne Ausnahme in babylonischer Keilschrift. Die Auffindung des Archivs im Jahre 1887 war eine Sensation, denn niemand hatte erwartet, daß in Ägypten die diplomatische Korrespondenz in Keilschrift abgewickelt worden war. Es ist nämlich mehr als wahrscheinlich, daß auch die ägyptischen Antwortschreiben in Keilschrift geschrieben worden sind. Der Schriftverkehr vorderasiatischer Fürsten besteht vor allem aus Bettelbriefen um Gold, worüber nach ihrer Ansicht Ägypten in Hülle und Fülle verfügte.

Amenophis IV. war in Konflikt mit der Priesterschaft des Amon in Theben geraten. Dies erklärt den Wechsel seiner Residenz. Der Kult des ehemaligen Reichsgotts Amon wurde geradezu verfolgt, an seine Stelle trat der Sonnengott Aton. Der König nahm den Namen Echnaton an, d.h. »Es ist dem Aton wohlgefällig«. Die Veränderung ist das Werk Echnatons, dessen Gattin die berühmte Nofretete war. Ob sie eine Ägypterin oder eine ausländische Prinzessin gewesen ist, wird sich kaum entscheiden lassen. Unter Echnatons Nachfolgern findet sich der König Tutenchaton. Er hat sich mit den Amonspriestern von Theben versöhnt und den Namen Tutanchamon angenommen. Im übrigen war er nur ein unbedeutender König, er hat nur wenige Jahre regiert. Sein Name ist durch die Entdeckung seines Grabes im Tal der Königsgräber durch Lord Carnarvon und Carter (1922) weltbekannt geworden.

In der Amarnazeit hat sich ein Kunststil ausgebildet, den man als naturalistisch bezeichnen kann. Berühmt sind die Abbildungen der Königsfamilie, die einen durchaus persönlichen Eindruck machen und ganz aus dem Rahmen der ägyptischen Kunst herausfallen. Auch die Religiosität der Amarnazeit hat eine eigene Note. Sie findet ihren schönsten Ausdruck in dem Sonnenhymnus, in dem die Sonne als die Erhalterin der Schöpfung gepriesen wird. Er findet wohl nur im 104. Psalm und im Sonnenhymnus des Hl. Franz von Assisi eine Parallele. Für die einfachen Menschen war diese Religion zu hoch, sie hat niemals die Massen ergreifen können. Doch ist sie der Ausdruck einer tiefen, persönlichen Frömmigkeit, und so ist sie eine einmalige Erscheinung in der Alten Welt.

Die XIX. Dynastie beginnt mit der Herrschaft des Haremhab, wohl eines Generals und Usurpators. Seine Regierung fällt (nach v.Beckerath) in die Zeit zwischen 1332 und 1305. Das Reich bedurfte dringend einer festen Hand, denn die Vorgänger waren alles andere als starke Herrscher gewesen. In der XIX. Dynastie finden sich mehrere Könige mit dem Namen Ramses (»Ra hat ihn geboren«). Die Familie stammte aus Auaris, der alten Hyksosstadt im Ostdelta. Nach Haremhab saßen folgende Könige auf dem Thron Ägyptens: Ramses I., Sethos I., Ramses II., Merneptah, Sethos II. Mit ihm endet um 1200 die XIX. Dynastie. Sie hatte, wenn man Haremhab mitrechnet, insgesamt etwa 140 Jahre regiert. Sethos I. hatte die Hauptstadt des Landes von Theben in die Ramsesstadt (Tanis) nach dem Norden verlegt, wohl aus strategischen Gründen. Der König wollte näher an Palästina sein, da sich die Ägypter hier vielfach als Krieger betätigten. So hat Sethos I. eine Stele in Beth-san errichtet, d.h. in Skythopolis in Palästina. In ihr wird von einem Überfall der Apiru auf die ägyptische Nachhut berichtet.

Das bedeutendste Ereignis der Ramessidenzeit ist jedoch der Zusammenstoß der Ägypter und Hethiter in der Schlacht bei Qadesch, wahrscheinlich im Jahre 1296 oder nur wenig später (1285 nach v.Beckerath). Hier standen sich Ramses II. und der hethitische Großkönig Muwattal gegenüber. Glaubt man den Berichten Ramses’ II., so wären zuerst die Hethiter mit ihren Streitwagengeschwadern siegreich gewesen, aber Ramses II. habe durch sein persönliches Eingreifen die Ägypter zum Stehen gebracht. An den Wänden von fünf ägyptischen Tempeln ist die Schlacht bei Qadesch dargestellt, in Karnak, Luxor, Abydos, Abu Simbel und im Ramesseum. Es gibt auch eine poetische Darstellung, das Gedicht des Penta-weret (dies ist der Name des Abschreibers, nicht des Dichters). Der Krieg der beiden Großmächte wurde mit einem Vertrag beendet, nach Eduard Meyer im Jahre 1278, nach v.Beckerath um 1270/69. Machtverschiebungen von Bedeutung hat der Vertrag nicht gebracht, die Grenze der beiden Großmächte war der Fluß Nahr-el-Kelb in Phönikien. Der Vertrag ist in zwei Fassungen überliefert, der ägyptischen auf den Wänden des Ramesseums und in Karnak, der hethitischen auf einer Keilschrifttafel von Boghazköi. Beide Fassungen stimmen übrigens an einigen nicht einmal unwesentlichen Punkten nicht miteinander überein.

Nicht weniger als 67 Jahre hat Ramses II. regiert. Sein Totentempel ist das Ramesseum, doch sind seine Bauten nicht alle von der gleichen Qualität: Sie lassen den beginnenden Niedergang auf künstlerischem Gebiet verspüren. Auch sonst war die lange Regierung Ramses II. kein Segen für das Reich. Der König bedachte die großen Tempel mit riesigen Stiftungen; im Besitz des Gottes Amon von Theben befand sich nicht weniger als ein Zehntel des gesamten Grund und Bodens von Ägypten. Amon hatte damit alle anderen Götter Ägyptens weit überflügelt.

Während der Regierung Ramses’ II. (gest. 1224) hatten sich im Mittelmeerraum bedeutende Veränderungen vollzogen. Die Bewegungen werden unter dem Begriff der Großen Wanderung zusammengefaßt, zu der auch die Dorische Wanderung in Hellas gehört. Unter dem König Merneptah (1224 bis gegen 1214) stürmten die Seevölker und die Libyer gegen die Grenzen des Nillandes. Die letzteren griffen die Westgrenze Ägyptens an, Merneptah aber konnte sie zurückschlagen, womit der König das Land Ägypten vor einer Fremdherrschaft bewahrte. Unter den Seevölkern finden sich die Schirdana, Schakalscha, Turscha, Aqaiwascha, Luka, Peleset und Zakar. Von ihnen lassen sich die Luka und Peleset mit großer Wahrscheinlichkeit als Lykier und Philister identifizieren, bei den anderen ist die Gleichsetzung nicht gesichert, und wenn man in den Aqaiwaša die Achäer zu sehen vermeinte, so war dies nicht richtig, es muß sich vielmehr um ein kleinasiatisches Volk handeln, auf keinen Fall um Griechen. Die Siegesstele des Merneptah verzeichnet übrigens zum erstenmal den Namen des Volkes Israel (»ihr Land ist verwüstet und ohne Frucht«). Die Israeliten waren bereits in Palästina eingedrungen, der »Pharao der Bedrückung« ist wohl Ramses II. Ob der Name des Moses in einer ägyptischen Quelle vorkommt, ist trotz F. Cornelius nicht sicher.

Die letzten Herrscher der XIX. Dynastie waren Sethos II. und Siptah, die Dynastie endete mit Thronstreitigkeiten. Vorübergehend scheint auch ein Fremder, ein Choriter, auf dem Thron in Ägypten gesessen zu haben.

Bald nach 1200 ist das Hethiterreich untergegangen, wahrscheinlich nach einer Invasion von Seevölkern und nicht durch innere Unruhen. Seit 1197 herrschte in Ägypten die XX. Dynastie, der erste Herrscher war Ramses III. (1197–1165). Er hatte sich nicht nur gegen die Libyer, sondern auch gegen die Seevölker zu wehren, gegen die letzteren entweder an der Nilmündung oder in Syrien. Ramses III. ist wahrscheinlich durch eine Palastrevolution gestürzt worden. Ihm folgten mehrere Könige, von denen es nichts zu berichten gibt, der letzte war Ramses XI. Smendes von Tanis beraubte ihn seines Thrones, in Theben hatte dagegen Herihor die Herrschaft inne. Beide haben offenbar zusammengearbeitet.

Im Ausland war es jedoch mit dem Ansehen des Nillandes zu Ende. Ein Zeichen hierfür ist die Expedition des Wenamon, der Holz aus Byblos holen sollte. Ihm bereitete man in Syrien die größten Schwierigkeiten. Mit der XXI. Dynastie wird der politische Niedergang Ägyptens vor aller Welt offenbar, die Zeiten seiner Großmachtstellung sind vorüber. Die Dynastie von Tanis wird von libyschen Generälen abgelöst. Unter ihnen befindet sich Scheschonk, der in Bubastis im Delta residiert. Scheschonk ist nach Palästina gezogen und stieß dort mit Rehabeam (etwa 935–919), dem Sohne Salomos, zusammen. Die Schätze des Tempels von Jerusalem und des Königspalastes von Israel führte er nach Ägypten.

Die Hauptsorge der ägyptischen Könige bestand darin, die Soldaten zufriedenzustellen. Denn diese waren zu einer regelrechten Kaste geworden. Auch die XXIII. Dynastie war libysch; die Ägypter hatten sich längst an fremde Herrscher gewöhnt.

Zur XXIV. Dynastie gehören die Könige Tefnachte und Bokchoris. Dieser ist als Gesetzgeber berühmt geworden. Beide gerieten in Konflikt mit den Äthiopen, deren Herrscher Pianchi sich als überlegen erwies. Von 715 bis 663 regierten äthiopische Könige über Ägypten, und zwar von Theben aus. Und im Jahre 671 kamen die Assyrer nach dem Nilland. Asarhaddon vertrieb den Äthiopen Taharka aus dem Lande. Seit dem Jahre 660 ist die assyrische Herrschaft in Ägypten fest gegründet. Die Assyrer hatten ägyptische Vasallenfürsten mit der Herrschaft betraut, vor allem im Delta. Ihre Namen stehen auf einer Inschrift Assurbanipals. Doch blieb die Assyrerherrschaft über Ägypten nur eine Episode. Mit der XXVI. Dynastie unter Psammetich I. von Saïs kommen wieder Ägypter an die Regierung. Sie herrschen im Lande von 663 bis 525, bis zur Eroberung Ägyptens durch die Perser.

Über die Saitenzeit berichtet der griechische Geschichtsschreiber Herodot von Halikarnaß. Es darf nicht verwundern, wenn diese Zeit griechische Züge trägt. In der Außenpolitik waren den Saïten wenige Erfolge beschieden. Der König Necho wurde bei Karkemisch in Syrien von dem Kronprinzen Nebukadnezar von Babel vernichtend geschlagen (605 v.Chr.). Schon vorher, wahrscheinlich gegen 610, war Naukratis als Stützpunkt des griechischen Handels im Delta gegründet worden. Unter dem König Amasis (569–525) vollzogen sich bedeutende weltpolitische Veränderungen: Im Jahre 547 besiegte Kyros, der Perser, den König von Lydien, Kroisos, bei Sardes, im Jahre 539 eroberten die Perser Babylon. Die ägyptische XXVI. Dynastie endet mit Psammetich III. Die Perser besiegten ihn bei Pelusion und setzten ihn als König ab; später wurde er sogar getötet. Mit dem Jahr 525 geht die Geschichte eines selbständigen Ägypten zu Ende, das Nilland wird ein Teil des Perserreiches, doch hat es mehrfach Zeiten der Unabhängigkeit unter einheimischen Königen gegeben. Seit 332 stehen die Makedonen mit Alexander d. Gr. im Lande. Nach dessen Tod im Jahre 323 beginnt die Herrschaft des Makedonen Ptolemaios I. Die von ihm begründete Dynastie der Ptolemäer hat bis zum Jahre 30 v.Chr. regiert, wobei Ägypten inzwischen längst zu einem Vasallenstaat der Römer geworden war. Nach einer kurzen Zwischenherrschaft der Neuperser (Sassaniden) eroberten die Araber im Jahre 639 das Land. Ägypten war damit in den arabischen Kulturkreis eingefügt, dem es noch heute angehört.

Die Zivilisation der Menschheit verdankt den alten Ägyptern zwei Errungenschaften, die nicht wieder verlorengegangen sind: die Zeitrechnung und die Schrift. Beide sind aus den Bedürfnissen der Landesverwaltung hervorgegangen. Die Adaptierung der ägyptischen Zeitrechnung durch die Römer ist von größter Fernwirkung gewesen; die ägyptische Hieroglyphenschrift ist zwar ausgestorben, aber sie hat doch seit ihrer Entzifferung im 19. Jahrhundert zum Verständnis der ägyptischen Zivilisation entscheidend beigetragen. Wichtig sind auch die Anregungen der ägyptischen Kunst gewesen, und nicht weniger gilt dies für die altägyptische Götterwelt, die über Hellas und Rom in den Westen Europas vorgedrungen ist.

Zu den bedeutendsten Erfindungen des menschlichen Geistes ist die Schrift zu zählen. Sie dürfte vor der I. Dynastie erfunden worden sein, d.h. um 3000 v.Chr. oder nur wenig später. Dem System muß die Idee eines einzelnen genialen Menschen zugrunde liegen. Nahezu gleichzeitig ist die Erfindung der Schrift durch die Sumerer im alten Zweistromland, wenn sie auch auf anderen Prinzipien beruht. Wem von beiden, den Ägyptern oder den Sumerern, der zeitliche Vorrang gebührt, ist bis heute nicht entschieden. Sicher ist nur die Tatsache, daß es bereits in frühester Zeit Berührungen zwischen den beiden Kulturen gegeben hat.

Das System der ägyptischen Schrift, der Hieroglyphenschrift, wie sie von den Griechen genannt wurde, ist verhältnismäßig einfach. Es gibt Zeichen für einen, für zwei und auch für drei Buchstaben. Die Vokale werden nicht geschrieben. Dies aber macht die Aussprache der einzelnen Wörter zu einem schwierigen und vielfach unlösbaren Problem. Zu den Buchstabenzeichen kommen die Deutezeichen, Determinative genannt. Diese zeigen an, welcher Begriffsgruppe die vor dem Determinativ stehenden Buchstaben zuzuordnen sind. Von ihnen seien beispielsweise das Haus () oder der Begriff des Gehens () hier genannt; die Zahl der Determinative ist groß. Das Zeichen für das Haus wird pr gelesen, die beiden Buchstaben können aber auch für alle gleichlautenden Begriffe verwandt werden. Das pr-Zeichen ist also gewissermaßen generalisiert, seine ursprüngliche Bedeutung spielt keine Rolle mehr. Die Hieroglyphenschrift war eine monumentale Schrift, sie wurde in der Regel von rechts nach links gelesen, nach Möglichkeit war sie blockförmig angeordnet. Gelehrt wurde sie in Tempelschulen, doch werden die Schüler Jahre gebraucht haben, bis sie sich die Elemente angeeignet hatten. Und mancher wird es wohl nie zum Schreiber gebracht haben. Abgesehen von einigen Schülerhandschriften sind Lehrbücher der ägyptischen Schrift nicht auf uns gekommen, doch ist anzunehmen, daß es derartige Lehrbücher gegeben hat.