Gespenster-Krimi 125 - Michaela Froelian - E-Book

Gespenster-Krimi 125 E-Book

Michaela Froelian

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Beschreibung

Die Gewinner eines Schreibwettbewerbs werden in ein abgelegenes Haus eingeladen und zunächst auf drei verschiedene Etagen geführt. Angeblich soll dort die jeweilige Gruselstory "verfilmt" werden.
Doch schnell wird klar: Es ist eine Falle! Hier treibt ein Irrer sein blutiges Spielchen ...
Für die schockierten Gewinner gibt es nur eine Möglichkeit, von dort zu entkommen: das letzte Wort!
Erraten sie, was es damit auf sich hat, haben sie eine reelle Chance, das Haus lebend zu verlassen. Wenn nicht, erleiden sie selbst, was sie geschrieben haben ...


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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Das letzte Wort

Vorschau

Impressum

Das letzte Wort

Von Michaela Froelian

Die Gewinner eines Schreibwettbewerbs werden in ein abgelegenes Haus eingeladen und zunächst auf drei verschiedene Etagen verteilt. Angeblich soll dort die jeweilige Gruselstory »verfilmt« werden.

Doch schnell wird klar: Es ist eine Falle! Hier treibt ein Irrer sein blutiges Spielchen ...

Für die schockierten Gewinner gibt es nur eine Möglichkeit, von dort zu entkommen: das letzte Wort!

Erraten sie, was es damit auf sich hat, haben sie eine reelle Chance, das Haus lebend zu verlassen. Wenn nicht, erleiden sie selbst, was sie geschrieben haben ...

Blaulicht flackerte weithin sichtbar durch die Abenddämmerung, als Kommissar Frank Ebert mit seinem Kollegen Konrad Riebe bei der alten Ruine an der Neusser Landstraße eintraf, gut zwanzig Minuten von der Kölner City entfernt.

Mit schnellen Schritten betrat er das Grundstück und sah sich irritiert um. Sanitäter sowie zwei Feuerwehrfahrzeuge waren ebenfalls vor Ort. Aber die Männer hatten nichts zu tun, sondern standen sichtlich verärgert bei der alten Ruine.

»Der Anruf kam vor einer Viertelstunde.« Der Einsatzleiter der Feuerwehr Arndt Bachmann kam auf Ebert zu. »Das alte Gemäuer sollte lichterloh brennen ... und Tote gäbe es ebenfalls.«

Kommissar Ebert blickte zu den maroden Überresten der ehemaligen Villa hinauf. In den oben liegenden Fenstern befanden sich schon lange kleine Scheiben mehr, stattdessen klafften dort Löcher, die in der Dämmerung wie aufgerissene Mäuler aussahen.

»Der Anrufer hat seinen Namen nicht genannt«, fuhr Bachmann fort. Als Einsatzleiter der Feuerwehr hatte er schon öfter mit Kommissar Ebert zu tun gehabt und musste bei dem Vierundvierzigjährigen nicht ganz so förmlich sein. »Aber er meinte, dass er vor Ort bleiben würde, bis wir eintreffen.«

Ebert ging davon aus, dass es nicht so war, da er außer den Feuerwehrleuten und Sanitätern niemanden sonst sah.

Es gab zwei Möglichkeiten. Einerseits bot die Ruine der alten Villa als einer der drei angesagtesten Lost Places von Köln genug Stoff für Schauergeschichten und Mutproben, andererseits nächtigten hier ab und zu ausgerissene Jugendliche oder Obdachlose. Erstere kamen auch schon mal auf die Idee, Videos für Social Media Plattformen zu drehen. Um der ganzen Geschichte dann noch den richtigen Touch zu verleihen, meldeten sie fiktive Verbrechen und filmten den darauffolgenden Polizeieinsatz aus einiger Entfernung. Blaulicht machte sich leider gut in solchen Videos, so etwas schaffte nicht jeder.

Meistens konnten die Übeltäter gefasst werden. Der Nervenkitzel, doch noch näher an den Ort des Geschehens heranzukommen, damit die Videos authentischer wirkten, war ziemlich hoch. Den meisten von ihnen reichte es als Denkzettel, dass die Handys mit den Videos beschlagnahmt und die Eltern informiert wurden. Etwas Sozialarbeit dazu rundete die Maßnahmen ab, um wieder in die richtige Spur zu kommen. Andere wiederum sahen jegliche Strafmaßnahmen nur als temporäre Niederlage an, um schlichtweg besser zu werden.

»Was ist denn mit den Obergeschossen? Wäre es möglich, dass sich dort jemand ...« Weiter kam er nicht, denn Bachmann schnitt ihm das Wort ab.

»Kommen Sie mit, ich zeig's Ihnen, ist wahrscheinlich besser.« Der Einsatzleiter lief rechts um das verfallene Hauptgebäude herum.

Ebert folgte ihm. Auf der Rückseite gab es mehrere Löcher im Mauerwerk, die ins Innere der Ruine führten, und man konnte durch sämtliche verfallende Stockwerke hinauf bis unter das Dach sehen. Die Treppen, die noch intakte Stufen hatten, machten den Eindruck, als würden sie sofort einstürzen, sobald jemand sie betrat. Die anderen waren bereits so weit eingestürzt oder zusammengebrochen, dass nur noch die obersten Stufen vorhanden waren. Die höheren Stockwerke waren augenscheinlich nur mit Hilfsmitteln wie Seilen oder einer Leiter zu erreichen.

Davon war allerdings weit und breit nichts zu sehen. Auch die umgeworfenen Bauzäune, die das Grundstück vor ungebetenen Besuchern sichern sollten, lagen zu weit entfernt, um als Kletterhilfen zu dienen.

»Da vorne ... sehen Sie. Er macht zwar nicht den Eindruck, aber bei ihm müsste es sich um den anonymen Anrufer handeln. Sonst haben wir keine Personen entdeckt ... und auch keine Leichen.«

Bachmann seufzte. Für ihn sah es so aus, als hätten sie es hier mit einem älteren, geistig verwirrten Mann zu tun, zumal er zeitweise auch noch unverständliches Zeug vor sich hin brabbelte. Das war auch der Grund, warum der Typ noch immer hier saß, umgeben von Müll, herabgefallenen Steinen, Laub und Essensresten, mitten in der alten Ruine.

»Hat er irgendwas gesagt?«, hakte Ebert nach.

Gut, er würde ihn natürlich selbst auch noch befragen, aber meistens war es so, dass die erste Aussage nach dem Eintreffen der Fachkräfte schon sehr nah an der Wahrheit lag.

»Allerdings! Nur konnte weder ich noch einer der Sanitäter etwas damit anfangen. Als die ihn ins Krankenhaus bringen wollten, ist er ausgerastet, hat wild um sich geschlagen und immer wieder behauptet, das Ende wäre nahe und das letzte Wort noch nicht gesprochen. Und dann ist da immer noch die Sache, die er schon beim Anruf sagte. Es würde Tote geben. Was kann er damit gemeint haben? Hier ist niemand außer ihm. Ist schon seltsam. Ich nehme an, das fällt dann in Ihren Bereich, Frank.«

Der Angesprochene verzog das Gesicht, nickte aber. »Wie nett, danke. Na dann ...«

Kommissar Ebert wollte schon auf den Unbekannten zugehen, als Arndt Bachmann den Vierundvierzigjährigen noch zurückhielt.

»Seien Sie vorsichtig, der Kerl ist mir nicht geheuer. Er hat irgendetwas an sich ... ich ... ich kann es nicht beschreiben, Frank. Sollen wir noch bleiben, bis Sie mit ihm gesprochen haben?«

»Danke, aber das wird nicht nötig sein. Mein Kollege und ich werden schon mit ihm fertig. Fahren Sie ruhig.«

»Wie Sie meinen ...« Bachmann zuckte mit den Schultern und ging zurück zu seinen Männern. Der Einsatz war beendet, sie konnten abrücken.

Als er die Trittstufen zur Fahrerkabine hochstieg, wandte er sich noch einmal zur Ruine um. Durch die vergitterten Fenster im Erdgeschoss konnte er weder Ebert noch diesen verrückten alten Kauz erkennen.

Er kniff die Augen zusammen. Natürlich konnte er sie nicht sehen. Die auf Steinsäulen gestützten Rundbögen im Eingangsbereich der dem Verfall überlassenen Villa warfen noch zusätzlich zur Dämmerung Schatten über die Fenster, sodass dahinter so gut wie alles im Dunkeln lag. Wenn die Fensteröffnungen nicht sowieso schon zugemauert waren.

Seltsam war allerdings dieser dünne Nebelschleier, der sich wie ein Leichentuch über die Reste des Hauptgebäudes legte ... oder verschwand er sogar darin? Der Einsatzleiter wischte sich fahrig über die Augen und sah ein zweites Mal dorthin. Nichts, der milchig weiße Schleier war nicht mehr zu sehen.

Kommissar Frank Ebert sah auf den Mann, der einfach nur dasaß und vor sich hinstarrte. Er wirkte sogar ein wenig unheimlich mit dem eingefallenen, abgemagerten Gesicht und den schulterlangen, grauen Haaren, die ihm zerzaust und wild um den Kopf hingen.

Kurz überlegte Ebert, seinen Kollegen hinzuzurufen, der sich vor dem Gebäude umsah, während er selbst die Rückseite und damit auch den Unbekannten übernommen hatte. Als der Alte dann aber etwas vor sich hin brabbelte, ging er vor ihm in die Knie.

»Kommissar Frank Ebert«, stellte er sich vor. »Können Sie mich hören? Haben Sie die Feuerwehr gerufen?«

Der Mann, Mitte bis Ende sechzig, trug eine braune Cordhose und ein blaues Hemd, die beide schon bessere Zeiten gesehen hatten. Er hielt tatsächlich inne, als er angesprochen wurde, und sah auf, Ebert direkt in die Augen.

Der Kommissar erschrak. Der Blick des Mannes schien ihn förmlich zu durchdringen, die Augen weit aufgerissen. »Lesen Sie es, bis zum letzten Wort ...«

Die Stimme des Mannes klang rau und kratzig, aber gleichzeitig auch fest und bestimmt. Fast so, als wären es zwei Stimmen, die übereinander lagen.

»Was soll ich lesen?« Ebert sah sich um, hier war weit und breit nichts, das nach einem Buch, Zettel oder einem beschrifteten Stück Papier aussah. Abgesehen von den Graffiti-Schmierereien an den Wänden.

Ein leises Kichern drang aus dem Mund des Unbekannten. »Lesen Sie ...«

»Wie ist Ihr Name? Was, zum Teufel, soll ich lesen?«

Das Kichern wurde beinahe schon unheimlich. Es klang hart, fast gehässig und dann sogar hohl, als würde es aus einem Rohrschacht zu ihm heraufwehen. Eine Gänsehaut lief Frank Ebert über den Rücken. Er würde Konrad Riebe nun doch dazu holen, man konnte ja nie wissen.

In dem Moment, als er sich aufrichtete, griff der Alte blitzschnell zu, umklammerte seinen Arm und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen und irrem Blick an!

»Ich bin das Buch! Ich bin der Scriptor! Lesen Sie ... oder es geht immer weiter! Lesen Sie ... bis zum letzten Wort!«

Ebert schnappte nach Luft und wollte seinen Arm aus dem Klammergriff befreien, als der seltsame Alte ihn von selbst einfach losließ und dann kraftlos in sich zusammensackte.

Der Kommissar zuckte hoch, wollte endlich seinen Kollegen rufen, doch er konnte den Blick nicht von dem Geschehen abwenden, und weder seine Beine noch seine Stimme wollten ihm nicht gehorchen. Wie unter einem fremden Einfluss stehend und zu keiner Regung fähig, starrte er auf den Unbekannten, der zusammengesunken, mit dem Kopf auf der Brust ruhend, vor ihm saß.

Kommissar Ebert wurde vom Grauen gepackt, als sich aus der Kleidung des Alten ohne jede Vorwarnung kleine Rauchfäden emporkräuselten. Nur ein leises Knistern war zu hören, der Mann bewegte sich keinen Millimeter.

Dann wurde es noch merkwürdiger, und Frank Ebert glaubte, den Verstand zu verlieren. Die Umrisse des Unbekannten waren sekundenlang verschwommen und plötzlich nur noch zweidimensional zu erkennen. Ein glühender, leise vor sich hin knisternder Schmorrand fraß sich von außen nach innen. Der Mann, der kein Mensch mehr sein konnte, dunkelte völlig ein, wurde brüchig und rieselte schließlich in kleinen Flocken zu Boden.

Wie Papier, schoss es Ebert durch den Kopf. Er sieht aus wie eine Zeichnung auf einem verdammten Blatt Papier.

Dann war es vorbei. Der Kerl, mit dem der Kommissar sich eben noch unterhalten hatte, war verschwunden. Verkokelt wie eine angebrannte Serviette.

Ebert sog scharf die Luft ein. Das konnte doch nicht sein! Sollte er gerade Zeuge einer spontanen Selbstentzündung geworden sein? Aber wieso hatte der Kerl dann ausgesehen, als wäre er nur ... eine Zeichnung auf Papier?

Als sein Herzschlag sich einigermaßen beruhigt hatte, konnte Frank Ebert sich auch wieder bewegen. Rückwärts stolpernd beeilte er sich, diesen unerklärlichen Schauplatz zu verlassen, und hetzte Richtung Einfahrt, wo sein Kollege wartete.

»RIEBE!«, rief er keuchend und winkte seinem Kollegen zu. »Wo, zur Hölle, waren Sie, Konrad?«

»Sie haben doch gesagt, Sie würden mich rufen, wenn Sie mich brauchen. Geht's Ihnen gut? Sie sehen aus, als wären Sie einem Geist ...«

»Ich habe Sie doch gerufen!«

Nein, hatte er nicht. Er wollte nach ihm rufen, aber dann wurde er förmlich auf der Stelle gebannt und alles, was er eigentlich tun wollte, blieb bei einem schlichten Gedanken.

Ebert winkte ab. »Schon gut. Aber der Mann in der Ruine ... der Zeuge ... er ist irgendwie ... verbrannt! Möglicherweise eine Art von spontaner Selbstentzündung, ich weiß es nicht. Das sollen die Kollegen von der Spurensicherung herausfinden. Aber zunächst tun Sie mir bitte einen Gefallen ...«

Riebe sollte mit ihm in die Ruine kommen und sagen, was er dort sah.

Die Dämmerung war inzwischen vorangeschritten, und die beiden holten Taschenlampen aus dem Wagen.

»Alles klar bei Ihnen, Ebert?« Arndt Bachmann kam noch einmal zu ihnen. Er hatte den Kommissar gesehen, nachdem er den seltsamen Nebelschleier beobachtet hatte. »Was ist da drin passiert, hat der Kerl sie angegriffen?«

»Nein, Arndt ... der Kerl ... er ... Kommen Sie am besten noch mal mit. Vielleicht haben Sie eine Erklärung dafür.«

Auf dem Weg erzählte Frank Ebert auch dem Einsatzleiter der Feuerwehr, was gerade eben passiert war. Der schüttelte nur den Kopf, denn so etwas hatte er bisher auch noch nicht erlebt.

Im Inneren der Ruine sahen sich die drei um, wobei Ebert besonders auf die Stelle verwies, an der der Alte gesessen hatte und verschwunden war. Nur war dort nichts. Gar nichts.

»Müll, Chef, Geröll ... Schutt ... und ... müssten hier nicht Asche und Knochen liegen, wenn der Typ ...« Konrad Riebe sah sich irritiert um.

Hier war niemand außer ihnen. Aber auch kein Hinweis auf eine Leiche, geschweige denn darauf, dass hier irgendetwas gebrannt hätte. Arndt Bachmann sah das ebenso, räumte allerdings ein, dass schon ein leichter Geruch von Ruß in der Luft lag. Aber das hätte auch von einem Lagerfeuer stammen können. Das erlebten sie öfter. Leute, die hier Unterschlupf suchten, entfachten meist ein kleines Feuer, was dann auch hin und wieder gemeldet wurde, wenn es von der Straße her sichtbar war.

»Hey ... da ist ein Buch!« Riebe hatte sich an die Stelle hingehockt, wo Ebert mit dem Alten gesprochen hatte, und stocherte mit einem dünnen Ast durch Laub und Abfälle.

Der Kommissar stutzte. Ein Buch? Er war sich ganz sicher, dass dort vorhin noch nichts gelegen hatte.

Aber dann kamen ihm wieder die Worte des seltsamen Unbekannten in den Sinn. Hatte der nicht die ganze Zeit davon gesprochen, dass er etwas lesen sollte?

Lesen Sie ... oder es geht immer weiter! Lesen Sie bis zum letzten Wort!

»Ein Buch? Zeigen Sie mal her, Riebe.«

Der Polizist streifte sich Einweghandschuhe über und nahm den Fund vorsichtig hoch. Anschließend blies er über den Umschlag, der ziemlich staubig war.

»Merkwürdig ... es sieht alt aus. Zumindest der Einband. Irgendwie ledrig ... aber nicht abgenutzt.«

Er wollte es gerade aufschlagen, als Ebert es ihm aus der Hand nahm. Den Kommissar beschlich der Verdacht, dass das gar kein Staub war, sondern ... Asche.

Er war doch nicht blind. Genau an der Stelle, wo das Buch gelegen hatte, war der Unbekannte, ein Abbild von ihm oder was auch immer, vor seinen Augen verbrannt. Nein, eigentlich nicht direkt verbrannt, sondern tatsächlich eher verschmort oder verkokelt. So, als würde man ein Pergament anflämmen, um ihm einen antiken Touch zu verleihen.

Er besah sich das Buch mit dem seltsamen Umschlag genauer und schlug es dann auf.

»Die Seiten sind nicht vergilbt oder abgegriffen und ...«

Plötzlich begann sein Herz einen Schlag zu überspringen, Schweiß trat ihm auf die Stirn und seine Augen wurden groß.

Der Titel.

»Das letzte Wort ...«, kam es ihm leise über die Lippen, und seine Augen saugten sich förmlich an dem Text fest.

Dass sich fast zeitgleich mit dem Aussprechen des Titels eine Art Blase um ihn bildete, bekam er überhaupt nicht mit. Und nicht nur er. Ebert sank auf den Boden, legte das Buch auf seine Knie und begann, die ersten Worte zu lesen ...

Gruseln Sie sich gerne?

Mögen Sie Romanhefte?

Fiebern Sie leidenschaftlich mit, wenn Protagonisten in missliche Lagen geraten?

Manchmal kann es gar nicht genug Splatter sein?

Oder lieber psychischer Horror?

Sie brennen darauf, zu erfahren, wie sich die Helden aus den gefährlichsten Situationen retten?

Haben Sie vielleicht eine Lieblingsheftromanserie?

Oder sogar mehrere?

Sie kennen sich einigermaßen gut im Gruselromangenre aus und wissen ganz genau, wie Ihre Lieblingsserienhelden agieren?

Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten können, lassen Sie sich eines gesagt sein: Es nutzt Ihnen rein gar nichts!

Wie spannend, langweilig oder gruselig die Handlung auch sein mag, wie schnell Sie die nächsten Aktionen Ihrer Helden und Sidekicks vorausahnen können ... wenn Ihnen nicht auch das letzte Wort über die Lippen kommt, werden Sie sterben!

Sollten Sie sich jetzt immer noch zutrauen, diese Geschichte zu lesen, weil Sie genug Heftromanwissen haben oder einfach mutig sind, vielleicht auch, weil Sie die Gefahr lieben oder nur nach Fehlern suchen, weil Sie sich besser auskennen, als jeder Autor oder weil sie einfach gerne ins Ungewisse blicken und sich am liebsten überraschen lassen wollen ...

Aus welchen Gründen auch immer, über eines sollten Sie sich im Klaren sein: Vergessen Sie das letzte Wort, kann das verheerende Folgen haben ...

Jasper Klinger hatte das Haus gänzlich anders in Erinnerung, gehörte es doch zu den wenigen angestammten »Lost Places« von Köln. Dort war einiges passiert, das sogar belegbar war. Aber so manches Mal, wenn sich dort wieder Geisterjäger, Hobby-Fotografen oder medial begabte Menschen (zumindest meinten sie, dass sie es wären) aufhielten, berichteten sie über ein seltsam beklemmendes Gefühl, über Lichterscheinungen oder mysteriöse Grabsteine. Jasper selbst hatte davon noch nichts bemerkt. Jedenfalls nicht so deutlich.

Die Natur holte sich mit jedem weiteren Jahr, in dem das Gebäude sich selbst überlassen war, immer mehr von dem alten Mauerwerk zurück. Doch das, was Jasper Klinger jetzt vor sich sah, nachdem er den Bus an der gegenüberliegen Haltestelle verlassen hatte, machte ihn sprachlos.

Ein völlig anderes Haus war in der Abenddämmerung zu erkennen. Längst nicht so verfallen, wie die ursprüngliche Ruine. Eine ehemals opulente Villa, deren Seitenflügel aber bereits abgerissen wurden. Es stand nur noch das Haupthaus.

Oder der Rest davon.

Lediglich der Außenbereich samt Zaun und die Pfeiler der Einfahrt hatten sich nicht groß verändert. Gut, auch hier kamen Sträucher und Gewächse immer näher, und irgendwann würde das Gebäude wohl gar nicht mehr zu sehen sein.

Jasper ging auf das verfallende Tor der Einfahrt zu. Es war marode, aber immer noch mit einer Kette verschlossen. Er spähte durch die Eisenstreben und kniff die Augen zusammen.

Der Nebel war auch nicht normal. Nein, es war irgendwie kein richtiger Nebel, sondern merkwürdige, milchige Schleier, die nur knapp über dem Boden lagen. Die Schwaden waren nahezu hauchdünn, sodass man noch durch sie hindurchsehen konnte. Aber sie begrenzten sich fast ausschließlich auf das Gebäude und die nähere Umgebung.

Das war seltsam. Nie hatte er hier bisher auch nur den Hauch von Nebel beobachten können. Das Haus war umgeben von Bäumen, Sträuchern und Wildwuchs, der sich mittlerweile auch auf dem Grundstück selbst und dem direkten Vorplatz des ehemaligen Eingangsbereichs ausbreitete.

Und Jasper musste es wissen. Immerhin hatte auch er in der Vergangenheit einige Male in der sich selbst überlassenen Villa übernachtet. Damals, als es dem Mittsechziger noch schlecht ging, er keinen Job hatte und auch kein Dach über dem Kopf.

Inzwischen war ihm längst der Absprung gelungen, Jasper lebte von einem geregelten Einkommen als Angestellter der Stadt und konnte auch eine kleine Zweizimmer-Wohnung sein Eigen nennen.

Ab und zu verspürte er noch den Drang, hierherzukommen. Er wollte nicht vergessen, wie es ihm damals ergangen war, auch wenn er sein derzeitiges Leben sehr zu schätzen wusste. Vielleicht war da aber auch noch etwas anderes, das ihn regelmäßig zu der verlassenen Villa zog.

Es wurde immerhin behauptet, dass es hier spukt. Als Jasper hier genächtigt hatte, war ihm allerdings nie etwas aufgefallen. Das seltsame Gefühl der Beklemmung und unterschwelliger Angst, von dem so manch einer berichtete, schaffte er immer zu verdrängen. Irgendwo musste er ja schlafen.

Doch ebendieses Gefühl überkam ihn jetzt mit voller Wucht. Er fühlte sich unwohl. Dabei befand er sich noch nicht einmal auf dem eigentlichen Grundstück des mysteriösen Gebäudes, das jetzt so anders aussah. Ein wenig nach altem Hexenhaus, wie im Märchen Hänsel und Gretel. Nur ohne die Leckereien an den Wänden.

Klinger schlüpfte durch das Loch im Zaun. Natürlich war es noch immer da. Wer sollte es auch reparieren? Niemand kümmerte sich um die einst so prachtvolle Villa. Es gab mehrere Restaurations- und Instandsetzungsversuche, doch bisher war jeder Investor gescheitert oder abgesprungen.

In welcher Obhut das alte Herrenhaus inzwischen stand, war ihm nicht bekannt. Laut den Plakaten, die an den Bauzäunen prangten, wenn sie nicht schon wieder abgerissen wurden, war eine Firma, die bis jetzt allerdings auch noch nichts unternommen hatte, um das Gebäude vor dem Verfall zu bewahren.

Jasper war neugierig. Erst geschah über Jahrzehnte nichts, und dann stand hier plötzlich über Nacht ein völlig anderes Haus? Wie war das möglich?