Gespenster-Krimi 24 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 24 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Die Mörderbäume
von Earl Warren

Aus dem Tagebuch des Edward Mackintosh, London, August 1975

Fünfundzwanzig grauenvolle Jahre habe ich im Geisterwald im Banne des Ungeheuers gelebt. Achaz ist die schrecklichste Kreatur, die je über diese Erde gewandelt ist. Oh, wie habe ich den Tag verflucht, als abergläubische Dorfbewohner mich, den ausgesetzten Findling, zu dem Alten brachten! Ich bin sicher, dass er mich schon damals für den schrecklichsten seiner Pläne auserkoren hatte. Nach all den Jahren kenne ich ihn wie kein anderer.
Heute versuchen gelehrte Professoren, die Rätsel um den alten Achaz und seinen Zauberwald zu lösen. Ich aber sage, lasst diese Dinge ruhen, lasst sie um Gottes Willen ruhen!

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Mörderbäume

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8508-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Mörderbäume

von Earl Warren

Aus dem Tagebuch des Edward Mackintosh, London, August 1975

Erzählt mir nichts vom alten Achaz!

Fünfundzwanzig grauenvolle Jahre habe ich im Geisterwald im Banne jenes Ungeheuers gelebt. In meinen Augen ist Achaz die schrecklichste Kreatur, die je über diese Erde gewandelt ist. Oh, wie habe ich den Tag verflucht, als abergläubische Dorfbewohner mich, den ausgesetzten Findling, zu dem Alten brachten.

Ich war ein Säugling und ihm wehrlos ausgeliefert. Er erzog mich in seinem Sinn, und ich bin davon überzeugt, dass er mich schon damals für den furchtbarsten seiner furchtbaren Pläne auserkoren hatte. Ich habe bei ihm gelebt, ich kenne ihn wie kein anderer.

Heute versuchen gelehrte Professoren, die Rätsel um den alten Achaz und seinen Zauberwald zu lösen. Ich aber sage, lasst diese Dinge ruhen, lasst sie um Gottes willen ruhen!

Es war in der Woche nach Ostern. Fünf Jungen schoben ihre Fahrräder den Steilweg in den Grampian Mountains hinauf. Sie schwitzten, obwohl die Sonne nicht heiß schien, und schnauften. Der vorderste blieb stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Ich kann nicht mehr«, jammerte es von hinten. »Wenn ich noch weiter muss, falle ich tot um.«

»Reiß dich zusammen, Fred Brubeckle«, sagte der Anführer der Jungen. »Denk daran, dass du ein Pfadfinder bist! Gleich haben wir es geschafft, dann sind wir oben und können die Straße abwärts fahren. Und bevor es wieder aufwärts geht, schlagen wir unser Zelt auf.«

»Das ist ein Wort!«, entgegnete Fred Brubeckle. »Ich komme um vor Hunger.«

Er war wie die vier anderen fünfzehn Jahre alt. Sie gehörten zum Londoner Pfadfinderklub »Richard Löwenherz« und machten eine Radtour durch Schottland. Dazu hatten sie sich die beschwerlichste Route ausgesucht, quer durch die Grampian Mountains.

Insbesondere der hamsterbackige Fred Brubeckle mit seinem Speck bereute das jetzt.

»Du denkst immer nur ans Essen, Fred«, sagte Elroy Lorrimer vorwurfsvoll. Er war der Gruppenführer. »Sieh doch einmal, wie romantisch die Bergwelt rundum ist. Zerklüftete Felsen, aufragende Gipfel, schäumende Wildbäche und dann wieder Wälder. Und diese frische, klare Bergluft!«

»Eine kräftige Linsensuppe mit Brühwurst wäre mir lieber«, maulte Fred. »Mir hängt der Magen bis in den Kniekehlen, Leute. Es ist schon verdammt spät.«

»Ein Pfadfinder flucht nicht, Fred.«

Elroy schob sein Fahrrad wieder an. Er keuchte die letzten zweihundert Meter der Steigung hinauf. Die anderen folgten ihm. Oben auf dem Pass wurden sie von hochragenden dunklen Felswänden eingeengt. Eine Aussicht gab es hier nicht.

»Jetzt geht es abwärts, Leute«, sagte Elroy. »Keiner überholt mich, sonst gibt es einen Verweis im Fahrtenbuch. Ich habe keine Lust, euch von den Felswänden abzukratzen, weil ihr rast wie die Irren.«

Elroy stieg in den Sattel seines Drahtesels, und nun ging es auf der gewundenen Bergchaussee bergab. Das war eher nach dem Geschmack der Jungen. Sie brauchten nicht einmal in die Pedale zu treten, sondern mussten mit Handbremse und Rücktritt bremsen.

Ihr Jauchzen und ihre ausgelassenen Schreie halten von den Bergwänden wider. Einmal kam ihnen ein Auto entgegen, ein altersschwacher Lieferwagen. Es war eine recht einsame Gegend hier.

In der Nähe entsprang der Don, jener Fluss, der zusammen mit dem Dee bei Aberdeen in die Nordsee mündete. Die fünf Jungen fuhren in ein lang gestrecktes, bewaldetes Tal ein. Die Sonne war schon fast hinter dem Massiv des Ben Macdhui im Westen versunken. Der Berggipfel ragte düster ins Abendrot, und zwischen den Bäumen des Waldes war es schon dämmrig und dunkel.

Elroy Lorrimer sah sich nach einem geeigneten Platz um, wo man das Fünf-Mann-Zelt aufschlagen konnte. Er hatte sich die Karte bei der letzten Rast gründlich angesehen und wusste, dass es noch einige Kilometer bis zu dem Städtchen Drathwinnie waren.

Die Jungen wollten im Zelt übernachten, wie es sich für zünftige Pfadfinder gehört. Elroy hatte auch bald einen Platz gefunden. Da war eine Schneise im dichten Wald, und ein Bach floss ganz in der Nähe.

»Hier bleiben wir, Leute!«, rief der rothaarige Junge. »Jeder weiß, was er zu tun hat.«

Die Arbeitseinteilung für diesen Tag war schon am Morgen erfolgt, als sie von Schloss Balmoral aufbrachen. Dort gab es eine Jugendherberge. Bald stand das Zelt, das Lagerfeuer brannte und auf dem Propangaskocher wurde das Wasser für die Suppe heiß.

Elroy hatte seine Gruppe gut im Griff. Er schaute zu dem Pfadfinderwimpel, der schlaff herunterhing. Er zeigte als Symbol einen Eisenhandschuh, wie er sicher auch einmal zur Rüstung des Richard Löwenherz gehört hatte.

Die Fahrräder der Jungen standen beim Zelt. Die Packtaschen lagen ordentlich aufgereiht nebeneinander. Elroy schaute zum Himmel, wo bereits die Sterne funkelten. Regen würde es wenigstens nicht geben.

Aber kühl war es geworden mit Einbruch der Dunkelheit.

Fred Brubeckle, der Koch, hatte das Päckchen mit den Linsen und die Brühwürste bereitgelegt. Er schaute auf das sprudelnde Wasser im Kessel.

»Worauf wartest du noch?«, fragte einer der Jungen. »Bis es grün wird?«

Fred Brubeckle hob die Hand.

»Immer langsam, Leute, erst zehn Minuten abkochen lassen. Oder wollt ihr die Ruhr oder wer weiß was haben? Aber dann wird euch Old Fred ein Menü herzaubern, nach dem sich sogar die Gäste eines First-class-Motels die Finger bis zum Ellbogen ablecken würden.«

»Rede nicht so viel, du Quasselkopf! Sieh lieber zu, dass du mit dem Essen zurande kommst. Du bist so langsam, Fred, du bringst es sogar fertig, das Wasser langsam kochen zu lassen.«

»Jetzt ist es so weit.«

Fred Brubeckle gab erst die Linsen und dann die Brühwürste in den Topf. Es begann, verführerisch zu duften. Fred grinste über alle vier Backen. Wenn es ums Essen ging, da war er vornedran, während er sich sonst vor der Arbeit drückte, wo er nur konnte.

Elroy sah sich um. Unterbewusst hatte er schon die ganze Zeit gespürt, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte. Er fühlte sich unbehaglich. Während die anderen Jungen nur ihr Abendessen im Kopf hatten, fiel ihm auf, dass es völlig ruhig war, vom fernen Rauschen des Baches abgesehen.

Die Stille bedrückte Elroy. Das ganze Tal und die Berghänge waren bewaldet. Man hätte Tierstimmen hören müssen, das Knacken von Ästen oder ein gelegentliches Rascheln im Unterholz. Irgendetwas. Stattdessen herrschte Schweigen.

Unheimlich kam es Elroy vor, der etwas abseits von den anderen Jungen am Rand des Lichtkreises des Lagerfeuers saß. Ihm war fast, als seien die Bäume und Büsche zu beiden Seiten der Schneise näher herangerückt an die kleine Gruppe.

Gern hätte er mit einem von den anderen darüber gesprochen. Aber das getraute er sich nicht. Sonst wär es für alle Zeiten vorbei mit seiner Autorität als Gruppenführer und sie würden ihn nur noch auslachen. Elroy sagte sich, dass er irgendwie in eine merkwürdige Stimmung hineingeraten war.

Vielleicht hatte er etwas Verkehrtes gegessen. Vielleicht war gerade mit seinen belegten Broten, die man ihm wie den anderen in der Jugendherberge von Schloss Balmoral eingepackt hatte, etwas nicht in Ordnung gewesen.

Jetzt, wo er daran dachte, spürte Elroy auch ein Rühren in den Eingeweiden. Er sah zu den anderen hinüber. Bis die Linsensuppe fertig war, würde es noch eine Weile dauern. Also konnte er in den Wald und sein Geschäft erledigen.

Eine Papierrolle lag bei den Gepäcktaschen, und er riss einen Streifen ab und steckte ihn in die Tasche der Pfadfinderhose. Dann ging er auf den Waldrand zu. Ein bisher unbekanntes Gefühl hielt ihn zurück. Die düsteren, zusammengedrängten Bäume, Laub- und Nadelwald, erschienen ihm bedrohlich.

Energisch ermahnte er sich. Er war doch kein achtjähriges Pfadfinderwelpen mehr, das Angst vor der Dunkelheit hatte. Einer von den Jungen schaute zu ihm herüber. Er nickte ihm betont gleichmütig zu und trat zwischen die Bäume.

Das Dunkel des Waldes verschluckte ihn.

Es war finsterer, als Elroy gedacht hatte. Das kam auch daher, dass seine Augen noch den Feuerschein gewöhnt waren. Er kniff sie zu schmalen Schlitzen zusammen, damit sie sich schneller umstellen konnten.

Bald schon konnte er seine Umgebung deutlicher erkennen. Die Bäume und das Brombeergesträuch zur Rechten, die aus der Erde ragenden Wurzeln. Abgefallene Blätter und Nadeln bedeckten den Boden. Es war so finster, dass Elroy von allem, was weiter als zwei Meter entfernt war, nur Umrisse erkennen konnte.

Fast schien es, als schirmten die Bäume das Mond- und Sternenlicht ab. Elroy suchte sich einen Platz, wo er sich niederhocken konnte. Ein gestürzter Baumstamm vor einem Gebüsch erschien ihm geeignet.

Der Wald war sehr verfilzt und verwildert. Man merkte, dass niemand ihn hegte und pflegte.

Als Elroy die Jacke mit dem Pfadfinderabzeichen an einen Baumast hängte, sah er eine Bewegung. Er schaute schärfer hin. Kein Zweifel, da bewegte sich etwas in der Dunkelheit, kam näher. Er körte ein Knistern, Prasseln und Rauschen.

Zusammengeduckt stand Elroy da, im Moment vor Schreck unfähig, sich zu bewegen. Etwas Großes näherte sich ihm, streckte jetzt Äste und Zweige nach ihm aus.

Ein Schrei löste sich aus Elroys Kehle. Ein Baum war in Bewegung geraten und wollte ihn packen. Jetzt wusste er auch, woher die Geräusche kamen. Das Geäst und Laub des Baumes streifte das andere. Elroy wirbelte herum wie ein zu Tode erschrecktes Tier.

Er wollte davonlaufen. Hinter ihm ragte der Baum auf, massiv, borkig, mit starken Ästen. Er lief auf seinen Wurzeln. Ein Zweig legte sich um Elroys Hals, und der Junge schrie gellend auf Äste packten ihn mit eisernem Griff.

Er strampelte und schrie aus Leibeskräften. Aber gegen den Baum hatte der Fünfzehnjährige keine Chance. Kein Mensch und kein Tier hätte die Kraft gehabt.

Elroy schluchzte vor Entsetzen, als seine Arme und Beine gefesselt wurden, als ungeheure Kräfte ihn gegen Baumrinde und Aststummel pressten. Scharfe Holzkanten drangen in sein Fleisch, verletzten ihn aber nicht ernsthaft.

Er konnte nicht mehr laut schreien, denn der starke Zweig schnürte ihm wie eine Schlinge die Luft ab. Nicht so, dass er in Gefahr geraten wäre, zu ersticken. Aber fürs Schreien reichte die kostbare Atemluft auch nicht mehr.

Der Baum trug Elroy davon, tiefer in den dunklen Wald hinein. Ein Sturmwind erhob sich, brauste über die Baumwipfel und schüttelte sie, dass sie ächzten. Ungeheure, unnatürliche Mächte waren hier am Werk, Kräfte, von denen die moderne Menschelt nichts wusste und denen sie nichts entgegenzusetzen hatte.

Die vier Pfadfinder am Feuer hatten Elroys Schreien gehört. Sie sprangen auf und sahen sich entsetzt um. Selbst Fred Brubeckle hatte jetzt keinen Gedanken ans Essen mehr.

Ein Pfadfinder ergriff ein Handbeil, zwei andere zogen die Fahrtenmesser. Fred Brubeckle umklammerte die Schöpfkelle, ohne es zu merken.

Elroy schrie noch immer, aber seine Schreie ertönten in längeren Abständen. Es hörte sich an, als bekäme er kaum noch Luft.

»Ein Untier hat Elroy angefallen«, sagte einer der Pfadfinder. »Ein Bär vielleicht.«

»Ach was«, meinte einer seiner Kameraden. »In Schottland gibt es keine Bären mehr.«

»Und wenn es doch einer ist? Was sollen wir denn bloß machen?«

»Auf jeden Fall können wir unseren Gruppenführer nicht im Stich lassen. Los, Leute, wir müssen ihm helfen!«

»Ich gehe nicht in dieses Dickicht«, sagte der Pfadfinder, der zuerst gesprochen hatte. »Wenn es ein Bär ist, zerreißt er uns wie Elroy.«

Elroys Schreie waren jetzt zu einem Röcheln und Keuchen geworden. Man hörte ein Knistern und Prasseln.

»Du kannst ja zurückbleiben, wenn du die Hosen voll hast«, sagte der mutige Pfadfinder. »Ich gehe und sehe nach Elroy.«

Er holte die Stabtaschenlampe, die vor dem Zelt lag, und ging auf den Waldrand zu. Die Taschenlampe hielt er in der Linken, das Handbeil in der Rechten. Nach kurzem Zögern folgten ihm die anderen, auch der Pfadfinder, der Angst vor einem Bären hatte.

Fred Brubeckle fuchtelte mit der Suppenkelle. Sein Gesicht war zu einer Grimasse geworden, in der sich Angst wie Entschlossenheit gleichermaßen abzeichneten.

Ein Sturmwind erhob sich nun, ein Brausen und Tosen, von einem Moment zum anderen. Die vier Pfadfinder drangen in den stockdunklen Wald ein. Schon erfasste der Lichtkegel der Taschenlampe Elroy Lorrimers Jacke, die an einem Baumast hing. Von ihm selbst war keine Spur zu sehen.

Das Grüppchen scharte sich zusammen, wegen der engstehenden Bäume dicht aneinander gedrängt.

»Was jetzt?«, fragte Fred Brubeckle. »Elroy ist verschleppt worden.«

»Von wem denn nur?«

Fred Brubeckle sagte: »Vielleicht … vielleicht von einer Hexe.«

Der Pfadfinder mit dem Handbeil lachte. Aber es klang gezwungen.

»Eine Hexe hätte sich sicher den fettesten von uns ausgesucht, Fred, also dich.«

Der Lichtkegel der Taschenlampe wanderte umher. Das Prasseln und Rauschen verklang, wurde vom Heulen des Sturmwindes übertönt. Die vier Pfadfinder spürten, wie die Angst mehr und mehr Besitz von ihnen ergriff, in das Mark ihrer Knochen sickerte.

»Habt ihr schon einmal einen solchen Sturmwind erlebt?«, fragte Fred Brubeckle. »Er kam ganz plötzlich, von einer Sekunde zur anderen. Ich sage euch, das geht nicht mit rechten Dingen zu.«

»Jetzt reicht es mir aber, Fred. Du mit deinem Geunke …«

Fred Brubeckle schrie auf.

»Da! Der Ast hat sich eben bewegt!«

»Au«, brüllte einer der Pfadfinder und stürzte zu Boden, als eine Baumwurzel aus dem Erdreich schnellte und ihm die Beine weghieb.

Im nächsten Augenblick hagelten Schläge auf die vier Pfadfinder nieder. Sie bekamen von allen Seiten Stöße und Püffe, wurden angerempelt, dass sie durcheinander flogen wie die Kegel. Ein Ast hieb gegen das Handgelenk des Pfandfinders, der die Taschenlampe hielt.

Die Stablampe flog weg und war im nächsten Augenblick verschwunden. Es war stockfinster, und in das Heulen des Sturmwinds mischten sich Rauschen und Knistern, Zischen und das Geräusch aus dem Erdreich springender Wurzeln.

Die Bäume waren zum Leben erwacht. Sie hieben und stießen die Pfadfinder unbarmherzig.

»Weg von hier!«, schrie einer voller Panik. »Sie bringen uns um.«

Stolpernd und hastend, manchmal auf allen vieren, flüchteten die Jungen. Sie schrien und keuchten vor Angst. Und immer noch drangsalierten die Bäume die vier Jungen, stießen und schlugen sie mit Wurzeln und Ästen und warfen sie mehrmals zu Boden. Die Bäume bogen sich und rammten die Pfadfinder hart mit ihren borkigen Stämmen.

Endlich hatten die Jungen den Waldrand erreicht, zerschunden, voller Schrammen und Beulen. Zweien lief das Blut übers Gesicht. Atemlos und vor Entsetzen fast von Sinnen sammelten sie sich beim Lagerfeuer.

Da reichte ein langer Baumast vom Waldrand herüber und packte Fred Brubeckle. Er hob ihn zwei Fuß vom Boden ab und schüttelte ihn in der Luft wie einen nassen Sack.

Fred brüllte. Dann ließ der Baumast ihn los und schnellte zurück. Fred kollerte über den Boden wie ein Fallapfel.

»Sie kommen!«, keuchte er. »Die Bäume … sie greifen uns an! Nichts wie weg von hier, der Ort ist verflucht.«

Ohne sich zu besinnen, stürzten die Jungen zu den Fahrrädern. Sie ließen alles stehen und liegen, ließen das Feuer brennen und liefen mit den Rädern zur höher liegenden Straße.

»Was ist mit Elroy?«, fragte einer.

»Dem können wir doch nicht mehr helfen. Schnell weg, solange wir es noch können.«

»Sonst werden auch wir geholt.«

Die Pfadfinder traten in die Pedale, was sie konnten. Sie fuhren die einsame Chaussee entlang und warfen immer wieder ängstliche Blicke zum Waldrand an beiden Seiten der Straße. Der Sturmwind hatte sich so plötzlich gelegt, wie er begonnen hatte.

Es war Juni geworden. Vera Lorrimer parkte ihren Rover vor dem Polizeirevier von Drathwinnie. Es war in einem hässlichen alten Backsteingebäude untergebracht.

Vera stieg aus, und zwei Polizisten, die gerade mit dem Streifenwagen von einer Kontrollrunde zurückkamen, musterten sie erstaunt und bewundernd. Vera Lorrimer verdiente diese Bewunderung. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, rothaarig und grünäugig und hatte eine mehr als aufregende Figur.

Sie war ziemlich groß für eine Frau. Ihre Art zu gehen beschleunigte bei jedem Mann von sechzehn bis sechsundachtzig den Puls. Der Rock ihres grünen Kostüms, recht kurz, gab den Blick auf lange schlanke Beine frei.

Die beiden Polizisten pfiffen synchron.

Vera hatte es sich längst abgewöhnt, auf jeden bewundernden Männerblick zu reagieren. Sonst wäre sie zu nichts anderem mehr gekommen. Sie betrat das Backsteingebäude und verlangte in der Wachstube, den Revierleiter McDonnel zu sprechen.

»Mein Name ist Vera Lorrimer«, sagte sie zu dem Beamten. »Ich habe mich telefonisch angemeldet.«

Er nickte. Nach dem er sich von der Überraschung bei ihrem Anblick erholt hatte, führte er sie schleunigst zum Chief Constable. Er überschlug sich fast vor Eifer, ihr Türen aufzuhalten und freundlich zu sein.

»Mrs. Lorrimer, Sir«, meldete er dann seinem Vorgesetzten.

Der Revierleiter, ein großer, kräftiger Mann mit eisgrauem Schnurrbart, sah von seinem alten zerkratzten Schreibtisch auf. Sein Gesicht wurde nur wenig freundlicher, als er Vera Lorrimer sah.

»Sie können gehen, McMurray. Setzen Sie sich, Mrs. Lorrimer.«

»Miss Lorrimer«, sagte Vera, setzte sich und schlug die langen Beine übereinander. »Sie wissen, weshalb ich hier bin. Chief Constable McDowell?«

»Und ob ich das weiß.« Der Reviervorsteher nahm einen Schnellhefter aus einer Schreibtischschublade. »Sie sind Vera Lorrimer, Fotoreporterin bei der Morning News in London. Sie sind wegen Ihres Bruders Elroy hier, der seit der Woche nach Ostern spurlos verschwunden ist.«

»Genau, Chief. Darf ich rauchen?«

»Wenn Sie sich unbedingt die Lungen vergiften müssen, bitteschön.«

Während Vera Lorrimer sich eine Zigarette ansteckte, sagte der Reviervorsteher: »Miss Lorrimer, ich verstehe nicht, was Sie erreichen wollen. Das Verschwinden Ihres Bruders geht Ihnen nahe, und Sie haben mein volles Mitgefühl. Aber Sie können versichert sein, dass wir bei unseren Nachforschungen alle Sorgfalt haben walten lassen. Auch New Scotland Yard hat ermittelt. Es kam nichts dabei heraus. Sie allein werden auch nichts erreichen, wenn das den Polizeibehörden nicht gelang.«

»Ich komme gerade von der Scotland-Yard-Abteilung in Inverness. Dort habe ich mit einem Inspektor gesprochen, Chief. Man hat mich Einblick in die Vermisstenakten nehmen lassen. In dieser Gegend hier, im Geisterwald, verschwinden Jahr für Jahr Menschen. Im letzten Herbst ein norwegisches Ehepaar, das mit einem Caravan unterwegs war. Der Caravan wurde leer aufgefunden, von den Norwegern keine Spur. Im Frühjahr des vergangenen Jahres ein Vertreter. Er war nachts die einsame Strecke gefahren. Sein Wagen wurde am frühen Morgen mit noch brennenden Scheinwerfern und laufendem Motor auf der Straße aufgefunden, so als sei er nur mal für einen Augenblick ausgestiegen. Man sah ihn aber nie wieder. Und in den Jahren davor sind auch immer wieder Vermisstenfälle vorgekommen.«