Gespenster-Krimi 35 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 35 E-Book

Earl Warren

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der hochgewachsene junge Mann schloss das blonde Mädchen fest in die Arme. "Ich liebe dich, Sue", flüsterte er. "Wann wollen wir heiraten?"
"Bald, Liebling, bald", antwortete Sue.
Sie küssten sich im Parkgarten des Hotels Gounod in einer abgelegenen Ecke. Von einer Party wehten Musik und Stimmengewirr herüber. Für das Liebespaar versank die Umgebung.
Da löste sich eine hagere Gestalt aus dem Schatten eines blühenden Oleanderbusches. Der Mann trug ein weißes Hemd, eine schwarze Fliege um den Hals und eine schwarze Hose. Sein Gesicht war bleich. Besonders fielen darin die großen, dunklen, dämonischen Augen auf, die wie in einem geheimnisvollen Feuer zu glühen schienen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 149

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Der Albtraum-Meister

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9228-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Albtraum-Meister

von Earl Warren

Der hochgewachsene junge Mann schloss das blonde Mädchen fest in die Arme.

»Ich liebe dich, Sue«, flüsterte er. »Wann wollen wir heiraten?«

»Bald, Liebling, bald«, antwortete Sue.

Sie küssten sich im blühenden Parkgarten des Hotels Gounod in einer abgelegenen Ecke. Von der Party auf der Tanzterrasse wehten Musik und Stimmengewirr herüber. Für das Liebespaar versank die Umgebung.

Da löste sich eine hagere Gestalt aus dem Schatten eines blühenden Oleanderbusches. Der Mann trug ein weißes Hemd, eine schwarze Fliege und eine schwarze Hose. Sein Gesicht war bleich und scharf geschnitten. Besonders fielen darin die großen, dunklen, dämonischen Augen auf, die wie in einem geheimnisvollen Feuer zu glühen schienen …

Der Mann hielt eine Geige in den Händen. Er räusperte sich und verbeugte sich vor dem Liebespaar.

»Mein Name ist Marek Kagö«, sagte er. »Sie, Miss Nicols, werden bald mir gehören. Und Sie, Mike Hardin, Sie Wicht, Sie werde ich vernichten, wenn Sie nicht freiwillig das Feld räumen.«

Mike Hardin ließ das Mädchen los. Er war groß und breitschultrig. Er hatte die Figur eines Footballspielers und auch die entsprechende Kraft und Härte. Er musterte den bleichen Mann mit der Geige.

Etwas Unheimliches ging von ihm aus. Sue Nicols stieß einen leisen Schrei des Entsetzens aus und klammerte sich an Mike Hardins Arm. Ein zynisches Lächeln spielte um Marek Kagös schmale Lippen. Er setzte die Geige an und legte den Bogen auf die Saiten. Es war, als vibrierte seine Gestalt vor innerer Spannung.

»Sie lächerliche Figur«, sagte Mike Hardin, seinen ganzen Mut zusammennehmend. »Sie sind wohl übergeschnappt, was? Oder völlig betrunken. Hauen Sie ab, bevor ich ernstlich böse werde und Ihnen Ihre Fiedel um die Ohren schlage.«

»Du armseliger Wurm«, sagte Marek Kagö. »Gleich wird sich für dich die Hölle auftun.«

Er zog den Bogen über die Saiten. Töne erklangen, wie sie Sue Nicols und Mike Hardin noch nie gehört hatten. Es waren Klänge, eines Paganini würdig, des berühmten Geigenvirtuosen, der von 1782 bis 1840 gelebt hatte. Die Melodie war wild und leidenschaftlich, schrill und aufpeitschend und zugleich zart und süß.

Sie ging durch Mark und Bein, sie rührte bis in die letzte Faser des Herzens. Mike Hardin, der zum Schlag ausgeholt hatte, stand wie angenagelt. Sue Nicols aber schauderte, als friere sie in der lauwarmen Sommernacht.

Marek Kagö spielte und spielte. Plötzlich fing Mike Hardin an zu stöhnen. Er presste die Hände auf die Ohren und taumelte umher wie ein Betrunkener. Er schrie laut auf.

»Nein, nein, aufhören, bitte! Diese Melodie … sie macht mich wahnsinnig. Visionen des Schreckens … Geister überall. Sie greifen nach mir. Furchtbare Gräuel … Die Hölle tut sich auf … Nein, nein! Hilfe!«

Schreiend torkelte er davon, zur Tanzterrasse des Luxushotels an der Promenade des Anglais in Nizza. Sue Nicols, die Millionenerbin der Nicols-Brauereien, hatte dort mit Freunden ihren einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Mike Hardin war schon lange ihr Verlobter. Auch er stammte aus einer millionenschweren Familie.

Er wankte durch die Rosenbüsche. Sue Nicols aber fiel Marek Kagö um den Hals. Sie küsste ihn voller Leidenschaft. Jäh brach sein Geigenspiel ab.

»Marek«, stöhnte sie, »ich liebe dich so. Ich bin verrückt nach dir. Ich tue alles, was du willst, alles, alles. Du bist der einzige Mann für mich auf der Welt. Ich werde nie wieder von dir lassen.«

Der Geiger erwiderte ihre Küsse nur zurückhaltend. Er schob Sue sachte von sich.

»Wir haben später noch genug Zeit füreinander«, sagte er. »Jetzt kehren wir zu deinen Freunden zurück, damit du mich vorstellen kannst. Das ist nur recht und billig, denn ich bin der Mann, den du in Kürze heiraten wirst, schöne Sue.«

Für einen Moment wurden Sue Nicols Augen glasig. Es sah aus, als würde sie widersprechen. Aber dann nickte sie und schmiegte sich an Marek Kagö wie ein verliebter Backfisch. Sie verließen die dunkle Parkecke, die für Liebespaare wie geschaffen war, und gingen zur von bunten Lampions erleuchteten Tanzterrasse.

Zwei nierenförmige Swimmingpools schimmerten im verschiedenfarbigen Licht. Die Vier-Mann-Combo an der Tanzfläche hatte gerade eine Pause eingelegt. Die Gäste saßen an den Tischen. Im Hintergrund war eine Bar.

Hinter der Hecke befand sich der Eingang zum Grillroom und zum im Keller des Hotels gelegenen Nightclub. In mehreren Zimmern des zehnstöckigen Hoteltraktes brannte Licht. Mike Hardin hatte die Clique seiner Freunde bereits erreicht.

Es waren salopp gekleidete, braun gebrannte junge Leute, alles Sprösslinge reicher Familien, Playboys und Jet-Set-Typen.

»Was ist mit dir, Mike?«, fragte der bärtige spanische Playboy Ramon Montez. »Du siehst aus wie ein Marathonläufer kurz hinter dem Ziel. Hat das Tête-à-Tête mit Sue dich so mitgenommen? Ich hatte geglaubt, du wärst besser in Form.«

»Einen Drink«, stammelte Mike. »Dieser Teufelsgeiger. Ich glaube, ich werde wahnsinnig.«

Die blonde Schauspielerin Zizi Casson gab ihm ihren Gin-Fizz. Mike stürzte den Drink auf einen Zug hinunter.

»Ich sage euch, es war einfach irre«, erzählte er, noch völlig aufgelöst und unter dem Schock seines Erlebnisses stehend. »Ich küsste Sue, und plötzlich war dieser Kerl mit der Geige da. Er fing an zu spielen. Mir war es, als sei ich in die Hölle selbst oder in eine Dimension des Grauens versetzt. Überall Horrorgestalten, entsetzliche Dämonen und Teufel, die nach mir fassten. Ihre Fratzen allein ließen mein Herz beinahe stillstehen.«

Die zwanzig jungen Männer und Mädchen von der Clique hörten jetzt alle zu. Noch waren sie skeptisch. Einer lachte.

»Mike, mir scheint, du hast gehascht«, sagte Franco De Sanzo auf Italienisch eingefärbtem Englisch. »Oder sogar LSD genommen. Lass dich heimgeigen mit deiner Geschichte von dem Horrorgeiger.«

»Ich habe Geigenspiel aus dem Park gehört«, sagte Ann Westlake. Sie war Sue Nicols beste Freundin, ein großes, recht hübsches Mädchen mit brünettem Haar. Der junge Mann an ihrer Seite machte ein ziemlich enttäuschtes Gesicht, weil sie ihm bisher die kalte Schulter gezeigt hatte. »Vorhin, ich habe mich nicht geirrt.«

»Selbst wenn«, wandte der dicke George ein, ein internationaler Playboy und anerkannter Führer der Clique. »Selbst wenn jemand Geige gespielt hat, dann kann Mike kaum deswegen durchgedreht haben. Hat ihm vielleicht einer von euch Verrückten einen LSD-Würfel in den Drink gejubelt?«

In der Clique waren alle möglichen Späße an der Tagesordnung. Auch solche, die man nicht mehr harmlos nennen konnte. Doch es meldete sich niemand. Da kamen Sue Nicols und Marek Kagö. Kagö hatte die Geige unter dem Arm. Die Clique verstummte.

Befremdet musterten die jungen Männer und die Girls mit den durchsichtigen oder tief ausgeschnittenen Blusen den bleichen Geiger. Kagö war über einsachtzig groß. Er hatte pechschwarzes Haar, das die Blässe seines Gesichts noch unterstrich.

Es fiel ihm lang in den Nacken.

»Da schlag doch einer hin!«, sagte der Deutsche Hansi Baumgart, dessen Vater einige Maschinenfabriken gehörten. »Da ist ja der Geigenheini.«

Vor Überraschung hatte er deutsch gesprochen. Kagö verbeugte sich steif. Seine langen Haare flogen dabei. In seinem bleichen, schmalen Gesicht rührte sich nichts.

»Marek Kagö«, stellte er sich vor. »Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Jetzt hielt nichts mehr die Clique auf ihren Plätzen. Die Männer und die Mädchen sprangen auf und umringten Sue Nicols und Marek Kagö. Eine Menge Fragen wurden gestellt. Die Boys und Girls von der Clique witterten eine Sensation.

Sie wurden nicht enttäuscht.

»Marek Kagö ist mein neuer Verlobter«, sagte Sue Nicols mit blassen Lippen. »Wir werden heiraten, sobald er seine Papiere aus Ungarn hat, von wo er emigriert ist.«

Mike Hardin konnte es nicht fassen.

Er kniff sich in den Arm, so fest er konnte. Er wusste nicht, ob er träumte oder wachte. Jetzt verstand er gar nichts mehr. Zwischen Sue und ihm war schon seit Monaten alles klar gewesen.

Sie hatten sich leidenschaftlich geliebt. Diesen Kagö aber hatte sie vor fünf Minuten zum ersten Mal gesehen.

Der dicke George fasste sich als Erster.

»Das nenne ich eine Neuigkeit. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick, was?«

»Ja«, antwortete Marek Kagö in fast akzentfreiem Französisch. Die Clique war international. Meist wurde Englisch oder Französisch geredet. »Genauso war es.«

Die Combo fing wieder an zu spielen. Einen Blues.

»Kinder«, sagte der dicke George, »das muss gefeiert werden. Die Neuverlobten bezahlen Champagner für alle. Und wehe dem, der nüchtern bleibt!«

Die Clique war rasch begeistert. Ein Toast wurde ausgebracht. Die andern Gäste der Hotelparty sahen zu den ausgelassenen jungen Leuten hin, von denen sie allerhand gewohnt waren. Niemandem fiel auf, wie blass Sue Nicols war.

Ihr linker Mundwinkel zuckte nervös. Ihr war es, als träumte sie. Seit sie Kagös Geigenspiel gehört hatte, war sie nicht mehr sie selbst. Eine fremde, dämonische Kraft schien sich in ihrem Inneren eingenistet zu haben und sie zu treiben und zu beherrschen.

Oder stand sie unter einem Bann? Was es auch war, sie kam nicht dagegen an.

Die Clique feierte noch um drei Uhr morgens. Bald würde die Sonne über Nizza aufgehen und die weißen Häuser und Villen am Meer beleuchten. Einige Paare hatten die Hotelzimmer aufgesucht. Andere waren zu betrunken, um noch bei der Fete mithalten zu können. Die übrigen aber brachten wieder und wieder Hochrufe aus und tranken dem jungen Paar zu.

»Jetzt springen wir alle in den Swimmingpool!«, rief der dicke George. »Ein Feigling, wer nicht mitmacht. Los, runter mit den Kleidern!«

Ein Kellner mit weißer Smokingjacke eilte herbei.

»Mesdames et Messieurs, das können Sie nicht! Das Gounod ist ein First-class-Hotel!«

»Und ob wir können!«, rief der dicke George und riss sich das Hemd vom Leib. »Jetzt kommt Leben in die Bude.«

Mike Hardin trat hinzu. Er hatte an der Bar gesessen und vor sich hin gegrübelt. Getrunken hatte er wenig. Mit glühendem Hass hatte er Marek Kagö betrachtet, der die ganze Zeit neben Sue gesessen und den Arm besitzergreifend um ihre Schultern gelegt hatte. Mike Hardins Angst war völlig gewichen.

Er spürte nur noch Wut und Zorn in sich.

Er stieß den Kellner zur Seite.

»Einen Augenblick«, sagte er. »Einen Augenblick, George, einen Augenblick, ihr alle. Kagö befördere ich selbst in den Swimmingpool, Sue ist meine Verlobte, verdammt noch mal. Dieser Teufel hat sie verhext.«

Marek Kagös Geige lag auf dem Tisch. Er wollte sie ergreifen, aber da hatte Mike Hardin ihn schon am Kragen. Er schüttelte den Ungarn wie einen nassen Lappen. Mikes Schläfenadern schwollen an. Er war völlig außer sich.

»Du heimtückischer Halunke! Ich weiß nicht, wie du das angestellt hast, aber ich werde es dir austreiben! Du elender Lump, du verdammter!«

Die meisten Partygäste hatten sich schon zur Ruhe begeben. Der Kellner und ein Barmixer wollten den Streit schlichten. Aber die Mitglieder der Clique umringten Mike Hardin und Marek Kagö. Sie waren begeistert. Endlich gab es einmal eine Nacht voller echter Abwechslungen.

Erst die unverhoffte Verlobung, jetzt eine Schlägerei. Mit der Zeit wurde auch das tollste Jet-Set-Treiben fade und langweilig.

Sue Nicols stand neben den Streitenden. Sie fühlte sich völlig verwirrt und rührte keinen Finger. Zu Marek Kagö zog sie etwas Unbeschreibliches hin. Aber ihre wahre Liebe galt Mike Hardin.

Der kräftige Mike Hardin boxte Marek Kagö mühelos nieder. Er riss ihn hoch und versetzte ihm noch einen Schlag. Danach war der Ungar k. o.. Mike warf ihn sich über die Schulter und trug ihn unter dem Gejohle der Zuschauer zum Pool.

Es klatschte mächtig, Wasser spritzte, als er Kagö hineinwarf. Mike Hardin rieb sich die Hände.

»So, das hätten wir. Nein, noch nicht ganz. Wo ist seine Geige?«

Ramon Montez gab Mike die Geige und den Geigenbogen.

»Da, Amigo Mike. Willst du ihm eins vorspielen?«

»Nein, bestimmt nicht. Jetzt kann er uns im Swimmingpool seine Geigerkünste zeigen.«

Marek Kagö hatte sich hartnäckig geweigert, für die Clique eine Probe seiner Kunst zu geben. Sein Geigenspiel sei besonderen Gelegenheiten vorbehalten, hatte er gesagt. Er schwamm halb bewusstlos im Swimmingpool und hatte Mühe, sich über Wasser zu halten.

Die Geige klatschte neben ihm ins Wasser, der Bogen flog ihm an den Kopf.

»Da, Kagö, jetzt hast du eine besondere Gelegenheit, deine Kunst zu zeigen!«, rief Mike Hardin. »Die Verlobung mit Sue Nicols ist gelöst. Leute, wir gehen alle in den Nightclub. Dieser ungarische Pomadengeiger soll zum Teufel gehen!«

Wieder johlte die Clique. Alle zogen in den Nightclub. Der eine Kellner und der Barmixer halfen Marek Kagö aus dem Swimmingpool. Der Mixer fischte die Geige aus dem Wasser und gab sie Kagö.

»Hier, Monsieur. Ist es ein wertvolles Instrument? Hoffentlich ist es nicht beschädigt worden.«

»Eine Geige ist für meine Zwecke so gut wie die andere«, antwortete Marek Kagö. Das Wasser rann ihm aus den Kleidern und aus den Haaren. »Ich danke Ihnen, ich brauche Sie nicht mehr.«

»Wohnen Sie hier im Hotel?«, fragte der Barmixer mit der weißen Jacke.

»Allerdings. Im Gebäude eins, Zimmer 317.«

Marek Kagö klemmte sich die Geige unter den Arm und entfernte sich. Den Geigenbogen ließ er schwimmen. Triefnass, eine ungeheure Wut im Leib, ging er zu dem ersten der drei Hotelgebäude, die in einem Parkgelände lagen. Die Frontseite des ersten Gebäudes befand sich direkt an der Promenade des Anglais, der berühmtesten von Nizza.

Kagö betrat das zehnstöckige Hotelgebäude durch einen Hintereingang. Es störte ihn nicht, dass Wasser von seinen Hosen auf den Teppich im Korridor tropfte. Er ging zu den Lifts. Ein grauhaariger Mann mit funkelnden Ringen an den Fingern und einem Seidentuch unter dem offenen Sporthemd und seine blutjunge, angetrunkene Begleiterin musterten ihn kritisch.

Kagö trat in den Lift, wo er Wasserlachen hinterließ. Das ungleiche Paar fuhr mit ihm nach oben.

»Sind Sie beim Geigenspielen in den Pool gefallen, Monsieur?«, fragte der grauhaarige Lebemann auf Französisch.

Kagö wandte ihm den Rücken zu und würdigte ihn keiner Antwort.

»Lass ihn, René«, sagte das Mädchen, das die Enkelin des Grauhaarigen hätte sein können, aber bestimmt nicht war.

Im dritten Stock stieg Marek Kagö aus. Er ging zu seiner Suite, die aus zwei großen Räumen bestand. Den Schlüssel hatte er in der Tasche seiner nassen Hose. Marek Kagö schloss auf und betrat die Suite. Achtlos warf er die Geige im Wohnraum auf die Couch.

Im Bad betrachtete er sich im großen Spiegel. Er lachte grimmig. Das sollte ihm Mike Hardin büßen! Er hatte es sich zu einfach vorgestellt, er konnte die Kräfte noch nicht richtig einschätzen, die er mit seinem Geigenspiel kontrollierte.

Er hatte geglaubt, die eine Kostprobe würde genügen, um Mike Hardin für immer zu vergraulen und Sue Nicols an sich zu fesseln. Aber jetzt war sie wieder bei Hardin, und die Clique amüsierte sich auf Kagös Kosten.

Er warf die nassen Kleider in die Badewanne und trat unter die Dusche. Dann zog er den rotgoldenen Bademantel über. Marek Kagö ging ins Schlafzimmer. Schwere Stores verbargen die beiden Fenster. Der Raum war sehr groß, ein ganzes Orchester hätte darin Platz gefunden.

Der Preis, den Kagö für die Zwei-Zimmer-Suite bezahlen musste, war entsprechend. Er öffnete den Wandschrank und nahm einen Violinkasten heraus. Kagös bleiche Züge verzerrten sich in einem bösen Lächeln.

Die Violine an der Schulter, trat er vor den großen Toilettenspiegel. In seinen dämonischen schwarzen Augen irrlichterte es.

»Jasdrubal«, flüsterte er, »mächtiger Dämon! Fürst der Hölle! Dein Diener ist beleidigt und gekränkt worden. Ich rufe dich. Hilf mir, meine Ziele zu erreichen. Strafe und vernichte meine Gegner!«

Mit entschlossener Gebärde setzte Kagö den Violinbogen an. Er spielte die erste Tonfolge. Seine Augen waren geschlossen, er improvisierte frei. Ohne Blatt und Noten spielte er eine Melodie, wie sie die Welt noch nicht gehört hatte.

Schrill, aufpeitschend, hektisch und unheimlich. Das laute Geigenspiel musste auch in anderen Hotelzimmern zu hören sein. Aber niemand beschwerte sich. Wer dieses Geigenspiel hörte, der erschrak bis ins Innerste.

Furcht umkrallte sein Herz. Ahnungen von unheimlichen Dingen, die im Unterbewusstsein jedes Menschen schlummerten, stiegen in ihm auf und überwältigten ihn.

Es war eine Melodie des Schreckens, die Marek Kagö spielte, eine Melodie, die nicht in diese Welt gehörte und die niemals hätte erklingen dürfen.

Rauch umwölkte Kagö. Die Wände des Zimmers wichen vor ihm zurück. Plötzlich stand er in einer völlig fremden, höhlenartigen Umgebung. Düsterer Lichtschein erhellte sie. Stalaktiten hingen von der niederen Decke. Es roch nach Schwefel und üblen Gerüchen. Marek Kagö zeigte keine Angst. Er kannte diese Umgebung, er war nicht zum ersten Mal hier.

Er setzte die Geige ab.

»Jasdrubal!«, rief er, und seine Stimme hallte hundertfach wider. »Dein Diener ruft!«

Im Hintergrund war eine Bewegung zu erkennen. Eine unheimliche Gestalt, ein Dämon schälte sich aus dem Dunkel. Sein massiger Leib, dessen Bauch beinahe auf der Erde schleifte, hatte sechs dünne Beine, die in Hufen endeten. Der Dämon war am ganzen Körper schwarz behaart.

Er hatte zwei muskulöse Arme. In der linken Hand hielt er eine Peitsche, in der rechten einen schwarzen Dreizack. Seine Augen glühten rot. Sein Rumpf verjüngte sich nach oben wie eine Birne, aber er wirkte keineswegs lächerlich.

Der Kopf war übergroß. Die Nase sprang vor wie ein Geierschnabel, die tief in Höhlen liegenden Augen glühten rot. Jasdrubal, ein mächtiger Dämon und ein Fürst der Hölle, hatte einen langen, zottigen Bart und struppiges Haar. Seine Ohren waren spitz und haarig wie die Lauscher eines Tieres, er konnte sie in alle Richtungen wenden.

Außerdem hatte er Hörner auf dem Kopf, und wenn er sprach, quoll Dampf aus seinem Mund und den Nüstern. Jetzt gähnte er gewaltig und stieß eine Qualmwolke aus.

»Was störst du mich schon wieder, Kagö?«, fragte er. »Ich habe dir die Kunst des dämonischen Geigenspiels verliehen und dir den Weg gezeigt, wie du alle deine Wünsche erfüllen kannst. Was brauchst du jetzt noch meine Hilfe? Sieh zu, wie du allein damit fertigwirst.«

Jasdrubal war launisch, das wusste Marek Kagö. Er ließ sich nicht einschüchtern.

»Ich habe dir einen hohen Preis bezahlt, Jasdrubal. Den höchsten überhaupt. Dafür kann ich auch etwas von dir verlangen.«

»Pah, du Stümper! Du bist faul und untüchtig, das ist es. Wenn man nicht alles selbst anpackt …«