Gespenster-Krimi 58 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 58 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Mein Atem hat die Fensterscheibe beschlagen. Mechanisch ziehe ich den Ärmel meines Pullovers über meine Faust, aber dann lasse ich die Hand zurück in meinen Schoß sinken. Ich möchte nicht hinaussehen. Allein der Gedanke an die verschneite Landschaft genügt, um eine Gänsehaut über mein Rückgrat bis zum Scheitel kriechen zu spüren. Ich fange an zu zittern. Schon wieder ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Schloss des Schreckens

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati / BLITZ-Verlag

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0659-9

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Das Schloss des Schreckens

von Earl Warren

»Mein Gott, was habe ich getan? Ich habe Glorya Glanton ermordet, die schönste Frau der Welt ... Ich musste es tun, denn sie war kein Mensch mehr, sondern eines der Geschöpfe des Professors Malveillance.«

Mit diesen melodramatischen Worten begann das Geständnis, das ein junger Mann in den frühen Morgenstunden des 23. Februar vor Beamten des FBI und der Mordkommission von Los Angeles ablegte. Der Mann hatte um die Villa des Filmstars Glorya Glanton in Beverly Hills mit Hühnerblut und anderen Essenzen einen – wie er es nannte – »magischen Kreis« gezogen. Dann war er in die Villa eingedrungen und hatte die Glanton mit einem antiken Dolch angefallen und umgebracht – und das vor den Augen von Glorya Glantons entsetztem Agenten Dan Miller. Doch aus Miller war keine vernünftige Aussage herauszubekommen. Er stammelte wirres Zeug und musste in eine Nervenklinik gebracht werden, da er unter einem schweren Schock stand. Sein Geist hatte sich verwirrt ...

Er stammelte was von »Dämonen«, »Ghuls«, »Gehirnoperationen«, »teuflischen Experimenten wider die Natur« und Menschen, »die durch Wände gehen und von keiner Waffe verletzt werden konnten«.

Dan Miller war eine Berühmtheit in der Filmwelt. Sein Zusammenbruch wurde geheim gehalten. Vier Wochen in der Intensivstation der Nervenklinik sollten ihn heilen.

»Kein Wunder«, sagte Inspektor Dallas im Police Headquarter von Los Angeles. »Bei dem Leben, das die Filmleute führen ... Saufen, fixen, Weiber, dazu extreme nervliche Belastung und Stress. Es wundert mich, dass dieser Miller überhaupt so lange ausgehalten hat.«

Inspektor Dallas sprach zu anderen Beamten der Stadtpolizei. Sie stimmten ihm zu. Der Inspektor trank seinen schwarzen Kaffee aus und kehrte zurück in den schalldicht abgeschlossenen Raum, in dem der Mörder Glorya Glantons verhört wurde. Der Junge sah gut aus, war steinreich, wusste sich zu benehmen und durchzusetzen. Es bestand also kein Grund für ihn, wegen eines Mädchens – und sei es ein Filmstar – durchzudrehen und einen Mord zu begehen.

Doch das Verrückteste war das Motiv, das der Junge für seine Tat angab. Er erzählte die ausgefallenste Story, die Inspektor Dallas in seiner dreißigjährigen Polizeilaufbahn je gehört hatte. Der Inspektor hätte dem grünen Bengel längst die Flausen ausgetrieben oder ihn an den Psychiater weitergegeben, doch die Sonderagenten des FBI hörten sich voller Ernst jedes Wort der verrückten Geschichte an.

Was blieb also einem kleinen Inspektor des Morddezernats anderes übrig, als sich gleichfalls in Geduld zu fassen und zuzuhören?

Inspektor Dallas steckte sich eine Zigarette an. Vornübergebeugt saß er auf dem Stuhl, den Hut ins Genick geschoben. Er betrachtete den Gefangenen, einen großen, schlanken, blonden jungen Mann Mitte zwanzig. Er sah bleich und sehr erschöpft aus. Tiefe, dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, seine Bewegungen waren langsam, seine Stimme klang müde. Der grelle Scheinwerfer riss sein Gesicht aus der Dämmerung des vor den Fenstern grauenden Tages.

Zwei FBI-Beamte führten abwechselnd das Verhör. Der eine auf die sanfte Tour mit väterlichem Zuspruch, Zigaretten anbietend und gutem Zureden. Der andere auf die harte Tour: Anschreien, Fangfragen, massiver Einsatz psychologischer Mittel. Es war ein hervorragend geführtes Verhör, das dem Jungen keine Chance ließ.

Der Inspektor sah den Gefangenen als einen Jungen an, weil er dreißig Jahre älter war und alle Arten des Verbrechens kennengelernt hatte. Er hörte dem Jungen mit milder Skepsis zu.

Doch irgendwann, während die Dämmerung grau ins Zimmer kroch und die Nacht vertrieb, irgendwann kam dem hartgesottenen Inspektor das Grauen. Er war nicht der einzige. Es war zu ungeheuerlich, was der bleiche junge Mann da erzählte.

Der Junge war sehr müde. Schwarzer Kaffee, Zigaretten und sein Wille hielten ihn aufrecht. Er fühlte sich so bleich und kalt wie der grauende Morgen. Er sprach langsam, leise, mit jenem Harvard-Akzent, den der Eingeweihte sofort erkennen kann.

Lautlos drehten sich die Spulen des Tonbandes. Der Polizeistenograf schrieb jedes Wort mit. Von Zeit zu Zeit schüttelte er den Kopf. Zwei Stunden sprach der Junge schon.

»Ich will alles von Anfang an erzählen«, hatte er gesagt, als das Verhör begann. »Damals in Tanger fing alles an.«

Dean Warren kam am 1. Februar nach Tanger. Er stieg aus der Boeing 727 der Iberia, ging über den hitzeglühenden Beton zur Zollabfertigung. Außer einem Handkoffer und einer Aktentasche hatte er kein Gepäck. Der fünfundzwanzigjährige Erbe der Warren Cosmetics sah nicht ein, wozu er sich mit schweren Koffern abschleppen sollte.

Sein Scheckbuch und die Travellerschecks reichten schließlich völlig. Vor dem Flughafen fand Warren schnell ein Taxi. Er warf noch einen Blick zurück zur Halle des Flughafens, einem weißen Gebäude mit viel Glas, und zum Tower der Flugsicherung, der einsam aufragte. Dann fuhren sie los.

Das Taxi war ein alter weißer Mercedes Diesel. Auf vielen Umwegen war er nach Tanger gekommen. Der Fahrer sprach kein Englisch, nur Arabisch und ein paar Brocken Spanisch und Französisch. Mit Händen und Füßen und unter Aufbietung seines längst vergessenen College-Französisch machte Dean Warren ihm klar, dass er zu dem kleinen Ort Murat an der Küste drei Meilen nordwestlich von Tanger wollte.

Der Fahrer strahlte. Das war eine gute Strecke und würde ihm etwas einbringen. Er schaltete das von Störungen krachende Autoradio ein, summte fröhlich vor sich hin.

Dean Warren kannte Tanger nicht. Er bat den Fahrer, langsamer zu fahren. Von Weitem war Tanger eine Stadt mit weißen Palästen und modernen Hochhäusern am Meer. Doch aus der Nähe sah Dean Warren, dass die modernen Gebäude sich auf ein Stadtteil und hauptsächlich die Hauptgeschäftsstraße beschränkten. Es gab Elendsviertel und die Altstadt mit ihren engen, verwinkelten Gässchen, den zahlreichen Basaren und Straßenhändlern.

Der Taxifahrer erkundigte sich in gebrochenem Französisch, was Warren wollte. »Frauen? Waffen? Rauschgift? In Tanger bekommen Sie für Geld alles.«

Dean Warren schüttelte lächelnd den Kopf. Er war von Tanger etwas enttäuscht, denn im Vergleich zu New York, Chicago oder Los Angeles erschien ihm die Hafenstadt an der Straße von Gibraltar mit ihren 166.000 Einwohnern klein, eng und provinziell.

Von Tanger aus nahmen sie die Küstenstraße. Murat war ein kleines Dörfchen an einem felsigen, zerklüfteten Teil der Küste mit vielen Buchten und Höhlen. Eine alte Maurenfestung ragte auf einem Felsen auf, wie ein Adlerhorst über dem Meer erbaut. Dean Warren bewunderte Hal B. Wymans guten Geschmack.

Diese zerklüftete Felsenküste war genau das Richtige für die Außenaufnahmen zu dem Piratenfilm »Unter der Totenkopfflagge«, dem großen Projekt der CCC-Filmgesellschaft. Barfüßige Kinder sahen neugierig hinter dem Taxi her. Dean Warren wies den Fahrer an, zum Filmdorf der CCC zu fahren.

Mit treuherzigem Gesicht verlangte der Fahrer einen stolzen Preis. Dean Warren bot ihm nach bewährtem Rezept die Hälfte. Nachdem sie mehrere Minuten gefeilscht, der Fahrer sich ein Büschel Haare ausgerissen und den baldigen Hungertod seiner ganzen Sippe in bewegten Worten geschildert hatte, trafen sie sich in der Mitte. Dean Warren zahlte. Der Fahrer fuhr weg.

Das Filmteam hatte mehrere Zelte und Häuser errichtet. Dean Warren fragte einen Statisten nach Glorya Glanton.

»Miss Glanton dreht«, sagte er, »in der Nordbucht. Aber lassen Sie es sich ja nicht einfallen, die Dreharbeiten zu stören. Wir sind drei Tage im Verzug, und Hal Wyman kocht wie ein Dampfkessel.«

Dean Warren ging in die angegebene Richtung. Er sah eine Menschengruppe an der steil abfallenden Küste. Ein Aufnahmewagen war nahe an eine vorspringende Felsklippe herangefahren. Kameramänner filmten von zwei Seiten. Der Regisseur dirigierte die Szene.

Glorya Glanton stand am letzten Ende der Klippe. Vor ihr fochten zwei Männer miteinander. Die Degen blitzten in der Sonne. Die Klingen verbissen sich ineinander. Der schwarz gekleidete, schlanke Pirat drängte den massigen Kapitän mit den Kniehosen und dem schimmernden Brustharnisch gegen den Rand der Klippe.

Glorya Glanton wich zurück, auf den Abgrund zu.

»Nein, nein, nein«, schrie der Regisseur, ein rotgesichtiger Mann mit weißem Haar, »das ist kein Gerangel, was ihr da macht, das ist ein Kampf auf Leben und Tod. DeWitt, gehen Sie näher an den Abgrund ran, Albert schmeißt Sie schon nicht runter. Und Sie, Glanton, zeigen Sie mehr Angst und Furcht, schließlich ist es Ihr Geliebter, der da um sein Leben kämpft. Los, noch einmal.«

Dean Warren las auf der Klappe 2/431. Zweite Einstellung, vierhunderteinunddreißigste Szene. Wieder begann der Zweikampf. Die beiden Männer drangen wild aufeinander ein. Schweiß lief über ihre Gesichter. Der schlanke, schwarz gekleidete Pirat machte einen Ausfallschritt. Die Degenklinge zischte durch die Luft. Der Kapitän parierte.

Haarscharf vor Glorya Glantons Gesicht zischte die Klinge vorbei. Die blonde Schauspielerin machte voller Schreck einen Schritt zurück. Sie trat über den Rand der Klippe. Ihre Arme ruderten in der Luft. Doch sie fand das Gleichgewicht nicht wieder. Glorya Glanton stieß einen gellenden Schrei aus und stürzte von der steil aufragenden Klippe hinab ins Meer!

Die beiden Hauptdarsteller und der Regisseur standen am Rand der Klippe und starrten fassungslos hinab auf die blonde Frau, die reglos im Wasser trieb.

Frankie DeWitt, Held zahlloser Abenteuerfilme, fand als Erster die Sprache wieder.

»Zehn Meter tief«, sagte er, »das hat sie nicht überstanden. Sie werden sich für Ihren Film eine andere Hauptdarstellerin suchen müssen, Mister Wyman.«

Doch Glorya Glanton lebte. Sie hatte nichts gebrochen, ihr Herz schlug, und der Puls ging regelmäßig. Aber sie öffnete die Augen nicht. Bleich und starr lag sie auf der Tragbahre, während zwei Sanitäter und die für die Erste Hilfe zuständige Miss Shade sich um sie bemühten.

»Sie ist mit dem Kopf auf irgendetwas im Wasser Treibendes aufgeschlagen«, sagte Hal B. Wyman, der weißhaarige Regisseur. »Sie muss so schnell wie möglich in eine Klinik, sonst kann sie sterben.«

»Nach Tanger«, mischte Dean Warren sich ein. »Wir müssen sie nach Tanger bringen.«

Lawrence Albert, der die zweite Hauptrolle spielte, schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ob Miss Glanton überhaupt transportfähig ist? Nein, wir können sie nicht einfach in ein Auto legen und über die holprigen Straßen fahren.«

»Aber irgendetwas müssen wir doch tun«, rief die Maskenbildnerin. »Wir können sie doch nicht einfach sterben lassen.«

Hal B. Wyman, der große Regisseur des Abenteuerfachs, legte die Stirn in Falten.

»Es gibt nur eine Möglichkeit«, entschied er, »der Professor muss her. Schließlich ist er eine weltweit anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Gehirnforschung und Gehirnchirurgie. Lantrell, setzen Sie sich in den Jeep, und fahren Sie zum Schloss des Professors. Er soll sofort kommen.«

Lantrell, Mädchen für alles im Filmteam, entfernte sich. Die anderen umstanden weiter die Bahre mit der regungslosen Frau. Glorya Glantons schönes Gesicht wurde von blondem Haar umrahmt. Ihre blauen Augen waren nun geschlossen. Der herzförmige Mund stand etwas offen.

Dean Warren gab es einen Stich, wenn er sie ansah, so schön war sie. Der fünfundzwanzigjährige Millionenerbe wusste es nicht, aber Hal B. Wyman, dem Regisseur, und vielen anderen im Filmteam war es klar, dass Glorya Glanton immer rücksichtslos auf den eigenen Vorteil bedacht war und die Moral einer läufigen Katze hatte.

Doch die Sorgen, die sie sich um das Auftauchen von Glorya Glantons Verehrer Dean Warren gemacht hatten, verblassten um die weit größere Sorge um Glorya Glantons Leben und den Film.

»Professor Malveillance hat nicht den besten Ruf«, sagte der Regieassistent schüchtern. »Die Fachwelt nennt ihn einen Scharlatan. Er hat sich hierher nach Marokko zurückgezogen, um in dem alten Maurenschloss ganz seinen Forschungen zu widmen. Niemand weiß genau, worum es dabei geht. Die Einheimischen munkeln von verschwundenen Menschen und von Ghuls, von Geistern, die auf widernatürliche Art die Lebenskraft der ...«

»Halten Sie doch endlich das Maul, Otrando«, fuhr der Regisseur ihn an. »Wissen Sie vielleicht etwas Besseres? Sie sollten Gruselfilme machen, bei Ihrer Fantasie ...«

»Ich fragte mich nur, ob es richtig ist, Miss Glanton einem solchen Mann anzuvertrauen«, sagte der Regieassistent.

Der Jeep kam zurück. Neben Lantrell, dem Fahrer, saß ein kleines, buckliges Männchen. Es sprang aus dem Jeep.

»Professor Malveillance«, stellte es sich kurz vor. »Wo ist die Verletzte?«

Die Menge wich auseinander. Der Professor beugte sich über die Tragbahre, untersuchte die bleiche junge Frau. Er trug einen weißen fleckigen Laborkittel. Sein Buckel ragte am Rücken auf wie ein Höcker. Der Professor hatte lang über den Kragen fallendes braunes Haar, von grauen Strähnen durchzogen. Sein Mund war ein dünner Strich, das Kinn klein und fest. Die große Hakennase passte proportionell nicht zum Gesicht des kleinen Mannes. Die Augen blitzten dunkel. Tief in ihnen schien ein inneres Feuer zu glühen.

Die Hände des Professors waren überraschend groß und kräftig, wie Klauen.

»Ein Schädelbruch ist es nicht«, sagte der Professor, nachdem er Glorya Glanton untersucht hatte. »Wohl eher eine schwere Gehirnerschütterung. Aber es ist äußerste Vorsicht geboten. Vielleicht ist ein Äderchen im Gehirn geplatzt, oder ein Blutgerinnsel hat sich gebildet. Wir müssen annehmen, dass Miss Glanton in akuter Lebensgefahr schwebt, solange nicht das Gegenteil erwiesen ist. Ich nehme sie mit ins Schloss. Zwei Männer müssen die Bahre tragen, aber vorsichtig, äußerst vorsichtig!«

Dean Warren und Frankie DeWitt nahmen die Bahre. Sie folgten dem Professor. Es war ein anstrengender Fußmarsch von einer halben Stunde. Es ging steil bergauf zu der alten Festung, dem Schloss des Professors Malveillance. Dean Warren und Frankie DeWitt waren in Schweiß gebadet.

»In diesen Gebäudetrakt dort«, sagte der Professor, als sie im Innenhof der Festung standen. »Dort sind meine Behandlungsräume.«

»Ich dachte, Sie praktizieren schon lange nicht mehr«, sagte Frankie DeWitt.

Der Professor kicherte hoch und dünn. »Es gibt noch genügend Leute, bei denen ich einen guten Namen habe. Malveillance ist bekannt, wenn auch sein Name auf den medizinischen Fachkongressen in Boston, Paris und Amsterdam nicht mehr erwähnt wird – oder nur im Spott. Seit ich damals den Vater des heutigen Königs Hassan nach einem Attentat durch eine gewagte Gehirnoperation rettete, ist dieses Land die letzte Zuflucht für mich. Doch es gibt immer noch Menschen, die mich in meinem Bergschloss aufsuchen, weil sie meinen Rat oder meine Hilfe brauchen.«

Dean Warren und Frankie DeWitt trugen die bewusstlose Glorya Glanton durch ein dunkles, gruftartiges Gewölbe in einen hellen Operationsraum. Dean Warren war überrascht. Hier gab es alles, vom Herzschrittmacher bis zum Sauerstoffzelt. Ein antiseptischer Raum, blitzend vor Sauberkeit. Kunststoffboden, OP-Tisch, Lampen, chirurgische Instrumente, Narkosegeräte, alles wie in einer modernst eingerichteten Klinik.

»Was glauben Sie denn, wo ich operiere, auf dem Küchentisch? Jeder Künstler braucht das beste Handwerkszeug – und ich, Philippe Louis Malveillance, bin ein Künstler und ein Meister meines Fachs.«

Der Professor läutete. Er sprach ein paar Worte in einer Dean Warren unbekannten Sprache in die Sprechanlage. Kurze Zeit später öffnete sich die Tür. Ein dunkelhaariges hübsches Mädchen kam herein. Ein großer vierschrötiger Mann mit grobem, zerfurchtem Gesicht folgte ihr.

La belle et la bête, ging es Dean Warren durch den Kopf. Er sah in die Augen des vierschrötigen Mannes und erschauerte. Diese Augen waren stumpf, leer und tot, ohne jedes Gefühl und jede menschliche Regung. Doch tief in ihnen schien etwas zu sein, etwas Dunkles, Schwarzes, schwärzer noch als die Pupille...

Dean Warren wandte sich ab.

»Wer sind diese Leute?«, fragte er schärfer als nötig.

»Die Dame ist Elvira Saba, die Tochter meines alten Freundes Didier Saba, eines Studienkollegen von der Sorbonne. Sie ist meine Assistentin. Der Mann hinter ihr ist Gabriél, mein Helfer. Ich weiß, er sieht aus wie ein Unmensch, aber er ist voller Seele und Gemüt, und er hat die geschicktesten Hände, die Sie sich vorstellen können.«

Wieder kicherte der bucklige Professor hoch und schrill. Ein Schauder lief Dean Warren über den Rücken. Am liebsten hätte er die bewusstlose Glorya Glanton wieder mitgenommen. Doch wo sonst fand er eine solche Kapazität wie Malveillance?

»Und jetzt verlassen Sie den Raum, alle beide«, sagte der Professor streng. »Wir müssen Miss Glanton gründlich untersuchen. Hirnströme messen, röntgen und so weiter. Dabei kann ich keine Störung gebrauchen. Vielleicht ist eine Operation notwendig, aber Sie können ganz beruhigt sein: Die Behandlung, die sie hier erhält, bekommt Miss Glanton auf der ganzen Welt nicht wieder.«

War es Hohn, was Professor Malveillances Gesicht prägte? Dean Warren und Frankie DeWitt verließen den Raum. In der Tür drehte Dean Warren sich um und sagte: »Ich warte draußen. Geben Sie mir Bescheid, sobald Sie Genaueres über Miss Glantons Verletzungen wissen, Professor.«

Elvira Saba stand vor dem reglosen Körper auf der Bahre. Voller Mitleid sah sie auf die bewusstlose Schauspielerin nieder.

Draußen auf dem Hof steckten Dean Warren und Frankie DeWitt sich Zigaretten an. Der schwarzlockige Schauspieler mit dem markanten Gesicht, das Millionen Frauen und Mädchen anhimmelten, sah sich um. Die Mauern und Gebäude der Maurenfestung waren ausgebessert worden. In einem der Türme war eine Funkstation errichtet. Einige neue Gebäude schlossen sich an die alten Gemäuer an.

»Das ist die kurioseste Kreuzung zwischen altem Schloss und Klinik, die ich je gesehen habe«, sagte DeWitt. »Was halten Sie davon, Dean?«

DeWitt war kein Freund von Förmlichkeiten.

»Mir gefällt vieles nicht«, antwortete Dean Warren halblaut. »Wissen Sie, was Malveillance übersetzt heißt?«

»Keine Ahnung.«

»Malveillance heißt Böswilligkeit, Bösartigkeit«, sagte Dean Warren leise, »und ich werde das Gefühl nicht los, dass der Name genau auf den buckligen Professor passt.«

Professor Malveillance bestand darauf, Glorya Glanton zu operieren.

»In der Schädeldecke ist ein haarfeiner Riss entstanden, und außerdem liegt der Verdacht nahe, dass sich ein Blutgerinnsel gebildet hat«, sagte Malveillance zu Dean Warren. »Es wird eine schwierige Operation, doch bei einer Koryphäe von meiner Kapazität haben Sie die besten Aussichten auf ein Gelingen, Mister Warren.«

An Minderwertigkeitskomplexen litt der Professor nicht. Es würde Dean Warren nichts anderes übrig bleiben, als ins Filmdorf zurückzukehren. Selbst wenn er gewollt hätte, mit welchem Recht hätte er die Operation untersagen sollen? Er war kein Angehöriger von Glorya Glanton.

»Wann kann ich Miss Glanton sehen?«, fragte Dean Warren.

Der Professor wiegte den Kopf. In diesem Augenblick erinnerte er Dean Warren an einen Geier, den er einmal in der Mojave-Wüste auf einem abgestorbenen Baum hatte hocken sehen. Die große Hakennase gab dem Profil des Professors etwas Raubvogelartiges.

»Das kommt auf den Verlauf der Operation an. Fragen Sie morgen Abend oder besser übermorgen nach, Mister Warren.«

Frankie DeWitt hatte den Jeep geholt, während Dean Warren das Ergebnis der Untersuchung auf der Burg abwartete. Jetzt fuhren beide im Jeep ins Filmdorf hinunter. Frankie DeWitt saß am Steuer. Der männliche Abenteuerdarsteller hatte sich die Wartezeit mit einer Dreiviertelflasche Wodka vertrieben. Dementsprechend war seine Fahrweise. Als sie in einer Kurve fast in den tiefen Graben fuhren, zog Dean Warren die Handbremse.

DeWitt fluchte, schlug nach ihm. Er stoppte.

»Was fällt Ihnen ein, Dean?«, fragte er, und seine Schläfenadern schwollen an. »Haben Sie solche Angst um Ihr bisschen Leben, oder sind Sie ganz durchgedreht, weil Ihr Püppchen auf den Kopf gefallen ist?«

»Ich fahre.«

»Einen Dreck wirst du, mein Junge. Du meinst wohl, ohne dich geht es hier nicht, he? Um Glorya brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Unkraut vergeht nicht. Wir wären hier ohnehin alle recht gut ohne dich und deine Make-up-Millionen zurechtgekommen. Besonders Glorya.« Frankie DeWitt grinste betrunken. »Du meinst wohl, ohne dich kann Glorya nicht auskommen, was? Das ist aber ein schwerer Irrtum.«

»Was soll das heißen?«