Gespenster-Krimi 61 - Earl Warren - E-Book

Gespenster-Krimi 61 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Im schottischen Hochland, bei den Hängen des Ben-More-Hügels, nahe dem Dorf Dornochshire, ragen sie auf, die Ruinen von Grummond Hall. Selbst im Sonnenlicht sind die zerbröckelnden Mauern düster. Auf dem Wehrfried hat sich seit Jahrhunderten kein Vogel mehr niedergelassen, geschweige denn sein Nest gebaut. Die Einheimischen meiden die Ruinen. Nach Einbruch der Dunkelheit wagt sich niemand mehr dorthin, wenn ihm sein Leben und das Heil seiner Seele lieb sind. Stimmen und Schreie sind in den Nächten zu hören, und ein grausiges Heulen ertönt aus dem Innern der Erde.
In manchen Nächten aber steigt er selbst empor, der böse Geist des verfluchten Robert Bruce MacLoran. Als hochgewachsener Mann mit Kilt, Tartan und Schwert umreitet er auf einem schwarzen Pferd, aus dessen Nüstern Feuer züngelt, sein Anwesen.
Der Reiter hat keinen Kopf, ein Flammenbündel, in dem sich ein bärtiges Gesicht abzeichnet, sitzt auf seinem Hals. Wer ihm begegnet, ist verloren.
Hütet euch vor dem Mann mit dem Feuergesicht! Bleibt Grummond Hall fern, denn dort wirken die Kräfte des Bösen!


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Inhalt

Cover

Die Geister von Grummond Hall

Vorschau

Impressum

Die Geister vonGrummond Hall

von Earl Warren

Im schottischen Hochland, bei den Hängen des Ben-More-Hügels, nahe dem Dorf Dornochshire, ragen sie auf, die Ruinen von Grummond Hall. Selbst im Sonnenlicht sind die zerbröckelnden Mauern düster. Auf dem Wehrfried hat sich seit Jahrhunderten kein Vogel mehr niedergelassen, geschweige denn sein Nest gebaut. Die Einheimischen meiden die Ruinen. Nach Einbruch der Dunkelheit wagt sich niemand mehr dorthin, wenn ihm sein Leben und das Heil seiner Seele lieb sind. Stimmen und Schreie sind in den Nächten zu hören, und ein grausiges Heulen ertönt aus dem Innern der Erde.

In manchen Nächten aber steigt er selbst empor, der böse Geist des verfluchten Robert Bruce MacLoran. Als hochgewachsener Mann mit Kilt, Tartan und Schwert umreitet er auf einem schwarzen Pferd, aus dessen Nüstern Feuer züngelt, sein Anwesen.

Der Reiter hat keinen Kopf, ein Flammenbündel, in dem sich ein bärtiges Gesicht abzeichnet, sitzt auf seinem Hals. Wer ihm begegnet, ist verloren.

Hütet euch vor dem Mann mit dem Feuergesicht! Bleibt Grummond Hall fern, denn dort wirken die Kräfte des Bösen!

Walter Mackenzie, Privatbankier in Glasgow, las die Vorladung der Staatsanwaltschaft. In knappen Worten teilte sie ihm mit, dass er in drei Tagen, am Freitag also, zu einem Vorverhandlungstermin erwartet wurde. Mackenzies Hand zitterte, als er das Schriftstück weglegte.

Er wusste genau, was es zu bedeuten hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, und das war sein geschäftlicher Ruin. Wenn sich das erst einmal herumsprach, und daran bestand kein Zweifel, stand der Zusammenbruch der Mackenzie u. Fletcher Privatbank bevor.

Dann würden alle Kunden ihre Einlagen zurückhaben wollen, und diese Einlagen gab es nicht mehr. Mackenzie hatte sich gewaltig verspekuliert und stand mit zehn Millionen Pfund in der Kreide.

Die Schließung seiner Bank und der Einzug seiner Lizenz als Privatbankier standen unmittelbar bevor. Mackenzie barg das Gesicht in den Händen. Erst jetzt wurde ihm mit betäubender Wucht klar, wie übel es aussah.

Nach menschlichem Ermessen gab es keinen Ausweg mehr für ihn. Höchstens ein Wunder hätte ihn noch retten können.

Er öffnete den Schreibtisch und holte die Schatulle mit der .32er Smith u. Wesson hervor. Geistesabwesend strich er über den brünierten Waffenstahl. Sollte er sich erschießen?

Für ihn selbst wäre es das Einfachste gewesen. Die Schande des Ruins, die gesellschaftliche Ächtung und womöglich noch eine Gefängnisstrafe konnte er nicht ertragen. Aber wie sah es mit seiner Familie aus?

Mit seiner Frau Norah, seinem fünfzehnjährigen Sohn Toby und vor allem seiner geliebten Tochter Eleanor, die jetzt dreizehn Jahre alt war? Auch ihr Leben würde zerstört oder doch zumindest auf Jahre und Jahrzehnte schwersten Belastungen ausgesetzt sein.

Walter Mackenzie schluckte.

Was konnte er tun, um seine Familie zu retten? Er zermarterte sich den Kopf auf der Suche nach einem Ausweg. Sein Herz klopfte heftig, und der Schweiß brach ihm aus. Bisher hatte er sich immer etwas vorgemacht und Zweckoptimismus betrieben.

Jetzt war die Stunde der Wahrheit da. Nichts ging mehr.

Er hatte Löcher gerissen, um andere zuzustopfen, jetzt gab es nichts mehr, wovon er noch etwas hätte nehmen können. Keine Mündelgelder und Wertpapiere, keine Kreditmöglichkeiten. Nur noch der Ruin, der ihn angrinste und ihn wie ein Abgrund verschlingen wollte.

Als es an der Tür seines Büros im ersten Stock des Privatbankhauses im Zentrum von Glasgow klopfte, wischte Mackenzie sich eilig den kalten Schweiß von der Stirn und legte die Pistole in die Schublade.

Moira Mclnnes, seine Privatsekretärin, trat ein, nachdem er heiser »Herein« gerufen hatte. Sie war eine dünne, farblose Person mit Brille, wie immer unauffällig gekleidet.

»Da sind zwei Herren vom Vorstand der Guinness-Brauerei«, sagte sie. »Sie möchten Sie dringend sprechen wegen der bei unserer Bank deponierten Gelder.«

»Geben Sie ihnen einen Termin, Moira. Sagen wir, morgen.«

»Sie lassen sich nicht abweisen.«

Guiness, Mackenzies größter Kunde, hatte also schon etwas läuten hören. Mackenzie lächelte gezwungen.

»Also gut, in fünf Minuten bin ich bereit.«

Miss Mclnnes schloss die Tür leise hinter sich. Walter Mackenzie trat ans Fenster, öffnete es und atmete tief durch. Er musste sich zur Ruhe zwingen, er durfte jetzt nicht in Panik geraten. Er lebte zwanzig Jahre in Glasgow, und er hatte eine große Karriere gemacht.

Von einem kleinen Schalterbeamten aus der Provinz war er zum millionenschweren Privatbankier aufgestiegen. Und hatte alles wieder verloren. Nicht nur sein Geld, sondern auch das seiner Familie, das von Freunden und Bekannten und die Gelder seiner Kunden.

Und hatte noch Millionenschulden obendrein.

Er wünschte sich in diesem Moment, er wäre in dem kleinen Dörfchen Dornochshire geblieben, in dem er geboren war, hätte dort an der örtlichen Kleinbank gearbeitet und als Angestellter seine sechzig bis siebzig Pfund die Woche verdient. Dann hätte er jetzt diese Sorgen nicht und müsste die Schande und Katastrophe nicht erleben.

Ach ja, Dornochshire, wie schön war es dort, und wie weit lag es zurück. Da waren die Leute fleißig und genügsam und hatten nur kleine Probleme. Als Junge hatte Mackenzie in den Hügeln gespielt und sich zwei oder dreimal als besondere Mutprobe mit seinen Kameraden sogar durchs Moor bis auf wenige hundert Yard an die Ruinen von Grummond Hall herangewagt.

Natürlich nur bei Tag.

Grummond Hall! Mackenzie durchfuhr es wie ein Stromstoß. Er erinnerte sich plötzlich an die Legenden und Überlieferungen, die er jahrelang vergessen hatte. Er dachte an den Reiter mit dem Feuergesicht und an das Gerücht, dass der alte Abner Ward einen Pakt mit ihm geschlossen hätte.

Ward, der alte Geizhals, war ungeheuer reich gewesen, wenigstens für die Verhältnisse von Dornochshire. Seine Geschäfte hatten geblüht, doch er selbst war dabei immer griesgrämiger und verdorrter geworden.

Walter Mackenzie wusste plötzlich, was er zu tun hatte. Er würde nach Dornochshire fahren, das er zwanzig Jahre nicht mehr gesehen hatte. Er würde sich an den Geist von Grummond Hall wenden, an den Reiter mit dem Feuergesicht. Das war die einzige Möglichkeit, die ihm noch blieb, um das abzuwenden, was er nicht ertragen konnte.

Er schloss das Fenster und ging zu seinem Schreibtisch zurück. Als die beiden Vorstandsmitglieder der Guiness-Brauerei eintraten, mit grimmigen Gesichtern und eisigen Blicken, zeigte er ein gelassenes Lächeln.

Mackenzie stieg auf dem Bahnhof von Dornochshire aus dem Zug. Es war Nachmittag, er war der Einzige, der das Triebwagenabteil verließ. Der Privatbankier sah sich um. Wie klein und alt und schäbig hier doch alles war. Er hatte es ganz anders in Erinnerung gehabt. Die niederen Häuser duckten sich entlang der schlechten Straße. Im Hintergrund ragte der Ben More Hügel auf.

Nach Grummond Hall waren es dreieinhalb Meilen, ein guter Fußgänger konnte das in einer knappen Stunde schaffen.

Walter Mackenzie schritt durch die Sperre und gab seine Fahrkarte bei einem alten Mann ab. Er hatte nur ein kleines Köfferchen bei sich, denn er wollte nicht lange bleiben. Möglichst nur eine Nacht.

Übermorgen musste er wegen der Vorladung der Staatsanwaltschaft unbedingt wieder in Glasgow sein, sonst wurde Haftbefehl erlassen.

Als Mackenzie vor dem Bahnhof stehen blieb, kam der alte Bahnbeamte hinter ihm her.

»Sie sind fremd hier, Sir. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Mackenzie erinnerte sich jetzt an den Alten. Auch sein Name fiel ihm ein. Fergus Thomson. Einen Augenblick lang wollte er dem alten Thomson erfreut die Hand schütteln und sich zu erkennen geben.

Aber dann ließ er es lieber. Er hatte Dornochshire mit dreiundzwanzig Jahren verlassen und sich seither sehr verändert. Damals war er ein linkischer junger Bankangestellter gewesen, der den Dialekt der Gegend sprach und sich nicht von den Dörflern unterschied.

Jetzt redete er anders, gab und kleidete sich anders. Wenn man ihn nicht erkannte, konnte es nur umso besser sein.

»Ja«, sagte er, »ich bin fremd. Wo kann ich hier übernachten?«

»In Lonnegans Pub. Aber hat der alte Abner Ward Ihnen denn kein Zimmer bestellt?«

»Abner Ward?«, entfuhr es Mackenzie. »Lebt der denn noch? Er muss doch schon bald hundert sein.«

»Dreiundneunzig ist er, ein Wucherer und ein Geizkragen. Kerngesund und boshaft wie eh und je. Wollen Sie denn nicht zu ihm? Alle gut gekleideten Geschäftsleute, die nach Dornochshire kommen, wollen zu Abner Ward. Und Sie kennen ihn doch?«

»Ja, äh, flüchtig. Ich hatte mal vor längerer Zeit mit ihm zu tun. Dachte nicht, dass er noch lebte. Diesmal bin ich nicht wegen Abner Ward hier. Vielen Dank für die Auskunft. Guten Tag.«

Der alte Fergus Thomson sah dem hochgewachsenen Fremden nach, als er die Hauptstraße des Dorfes entlangging. Thomson schob die Eisenbahnermütze ins Genick und kratzte sich am Kopf.

»Irgendwie kommt dieser Mann mir bekannt vor«, sagte er zu sich selbst. »Ich hätte ihn nach seinem Namen fragen sollen.«

Walter Mackenzie hatte den Pub noch nicht erreicht, da humpelte ein gebeugter alter Mann am Stock aus der Seitengasse zwischen einem Haus und einem Gartengrundstück. Der Alte war schwarz gekleidet und hatte einen Zylinder auf dem Kopf.

Er schwitzte, denn die Junisonne schien warm.

»He, Mister Mackenzie!«, rief er mit krächzender Stimme.

Mackenzie erkannte ihn sofort. Wie hatte er sich mit dem alten Giftzwerg herumärgern müssen, als er noch Bankangestellter in Dornochshire gewesen war. Ein junger Spund, den der alte Abner Ward ständig schikaniert hatte. Einmal hatte er ihn sogar der Unterschlagung verdächtigt.

Nicht zuletzt wegen Abner Ward hatte Walter Mackenzie sich entschlossen, Dornochshire zu verlassen und nach Glasgow zu ziehen.

»Abner Ward!«, sagte er ohne jede Freundlichkeit. »Sie sehen keinen Tag älter aus als vor zwanzig Jahren. Der Teufel meint es anscheinend gut mit Ihnen, dass er Sie noch herumkrauchen lässt.«

Der Alte zuckte heftig zusammen, aber dann drohte er gleich mit dem Stock.

»Werde nicht frech, du Bankrotteur. Ich habe schon vor zwanzig Jahren gesagt, dass du ein Defraudant bist. Einer, der ihm anvertraute Gelder unterschlägt und Schulden macht.«

Mackenzie erbleichte. Woher konnte der alte Ward das wissen? Weshalb erkannte er ihn überhaupt, und wie kam es, dass er ihn hier abgepasst hatte?

»Was wollen Sie?«, fragte der Privatbankier.

»Mit Ihnen reden«, sagte der Alte und sprach jetzt wieder förmlich mit Mackenzie. »Begleiten Sie mich in mein Haus. Ich weiß, weshalb Sie hier sind.«

Mackenzie folgte ihm wortlos. Fergus Thomson sah es vom Bahnhof aus und nickte erbittert.

»Also hat er doch Geschäfte mit dem alten Ward«, sagte er. »So ein Lügner. Na, mir kann es egal sein.«

Er kehrte ins Bahnhofsgebäude zurück. Abner Wards Haus war außen frisch getüncht, aber innen sah es noch ziemlich genauso aus, wie Mackenzie es von seinen wenigen Besuchen aus der Zeit von vor über zwanzig Jahren in Erinnerung hatte. Ein großes, düsteres Haus, in dem es modrig und noch irgendwie seltsam roch.

Konnten Bosheit und Tücke stinken, oder war das nur eine Redensart und Einbildung? Mackenzie hatte immer eine Beklemmung gespürt, wenn er dieses Haus betreten hatte, das Abner Ward allein bewohnte.

Der Alte hatte eine Haushälterin, eine Putz- und Küchenhilfe und zwei Knechte. Aber mit ihm unter dem gleichen Dach hausen mochte niemand. Ward humpelte vor Mackenzie ins Wohnzimmer.

»Setzen Sie sich.«

Mackenzie stellte den Koffer ab und nahm Platz. Stumm saß er dem Alten gegenüber. Abner Wards Gesicht war gelblich, leberfleckig und runzlig. Unter dem Zylinderhut hingen ungepflegte grauweiße Haarsträhnen hervor, denn der steinreiche Abner Ward war zu geizig, um zum Friseur zu gehen.

Er hatte gelbe Zähne, die Nase sprang in dem Runzelgesicht auf dem faltigen Hals wie ein Geierschnabel vor. Die rechte Hand, die auf den Stockknauf gestützt war, sah wie eine Klaue aus.

»Da haben Sie sich aber mächtig in die Tinte gesetzt, Mackenzie«, sagte der Alte. »Zwölf Millionen Pfund Schulden! Das haben Sie fein angefangen. Ich sage es ja immer, ein Hohlkopf hat im Geschäftsleben nichts zu suchen.«

»Zehn Millionen Pfund«, entfuhr es Mackenzie wider Willen. »Mehr Schulden habe ich nicht.«

»Meinen Sie! Sie besitzen noch keinen hundertprozentigen Überblick und kennen die letzten geschäftlichen Entwicklungen noch nicht. Und nicht die zukünftigen in der nächsten Zeit. Aber ich, ich weiß es. Ich erfahre alles, was ich in geschäftlichen Dingen wissen will. Deshalb bin ich auch so erfolgreich, hähä!«

Das Lachen klang so angenehm wie das Krächzen eines Raben. Mackenzie hielt es in dem düsteren, übel riechenden alten Haus mit dem widerlichen alten Mann nicht länger aus.

»Wenn Sie mir etwas Wichtiges zu sagen haben, so sagen Sie es«, sprach er. »Auf Ihren Kommentar zu meiner Geschäftslage kann ich verzichten. Das geht Sie übrigens gar nichts an.«

»So, meinen Sie? Wir sind aber geschäftlich miteinander verbunden. Ich habe über einen Strohmann Anteilscheine von Ihrer Bank gekauft. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Hören Sie, Mackenzie, ich muss bald ... hrm, hrm, abtreten. Wenn Sie den Pakt mit dem Mann mit dem Feuergesicht schließen, werde ich Sie als Universalerben einsetzen. Damit sind Sie gerettet. Vor dem geschäftlichen Ruin und allem, was dranhängt, jedenfalls.«

Jetzt staunte Mackenzie gewaltig.

»Sie wollen mich als Erben einsetzen? Aber warum denn?«

»Weil ich es muss. Falls Sie den Pakt schließen. Was mich angeht, von mir aus könnten Sie ruhig Schiffbruch erleiden. Es würde mich nur freuen, denn ich habe schon immer gesagt, dass so einer wie Sie nicht ins Bankfach gehört.«

Mackenzie überhörte die Beleidigung.

»Meine Schulden sind sehr hoch«, sagte er. »Besitzen Sie denn überhaupt genug Geld, um sie ausgleichen und den Fortbestand meines Bankhauses wahren zu können?«

»Haben Sie eine Ahnung! Sie kaufe ich allemal auf, Sie Stümper und Versager!«

»Nun gut, ich bin einverstanden. Wir wollen einen Vertrag schließen, denn ich brauche auf der Stelle viel Geld. Sie werden mein Teilhaber. Selbstverständlich muss ich Ihnen sehr vorteilhafte Bedingungen einräumen dafür, dass Sie mir einen Vorschuss auf mein Erbe gewähren.«

Abner Ward atmete rasselnd.

»Sie verstehen nichts, gar nichts! Blind sind Sie, so blind, wie ich es war vor sechzig Jahren. Wir brauchen Mitternacht in Grummond Hall, dann wird sich alles weitere finden. Aber wenn ich Ihnen einen Rat geben darf...«

»Welchen?«

Der Alte keuchte. Sein Gesicht wurde unnatürlich blass. Eine unbeschreibliche Qual und Verzweiflung zeichneten es, brannten in den tief liegenden, sonst so boshaften schwarzen Augen.

Aberner Wards Hände krampften sich um den Stockknauf.

»Tun Sie es nicht, Mackenzie, verschreiben Sie Ihr Leben und Ihre Seele nicht dem bösen Geist von Sir Robert Bruce MacLoran, dem Reiter mit dem Feuergesicht. Er ist eine Kreatur der Hölle. Was immer auch auf Sie zukommt, Mackenzie, es ist nicht einmal einen Bruchteil so schlimm wie das, was Sie erwartet, wenn Sie den Pakt einlösen müssen.«

Ward krümmte sich unter Schmerzen. Doch er sprach weiter.

»Tun Sie es nicht, Mackenzie, nur Bosheit und Verderben erwarten Sie! Was glauben Sie, was ich durchgestanden habe? Wie ein Hund habe ich gelebt all die Jahre, und jetzt ist die Zeit reif! Heute Nacht, Mackenzie, heute Nacht! Genau sechzig Jahre ist es her, in der Mitternachtsstunde! Ich ... ich ... ich leide fürchterliche Qualen der Angst und der Verzweiflung. Wie gern hätte ich etwas unternommen, aber mir sind durch meinen Pakt die Hände gebunden. Weil ich meine Seele verschrieben habe! Ganz gleich, was Sie anfangen, Mackenzie, wie auch immer Sie sich entscheiden, verschreiben Sie Ihre Seele nicht!«

Der Alte röchelte. Plötzlich zuckte er an allen Gliedern, als werde er von unsichtbaren Kräften gezerrt. Er riss den Mund auf, um zu schreien, aber es drang kein Ton heraus. Es war merklich dunkler geworden im Zimmer. Mackenzie spürte Kälte, die an sein Herz griff, der üble Geruch wurde intensiver.

Ein Kichern und Fauchen ertönte.

Abner Ward sank in sich zusammen. Walter Mackenzie sprang auf um ihn zu stützen. Plötzlich war er von Mitleid für den alten Mann erfüllt, das aber nicht lange anhielt. Er trug Abner Ward, der nicht viel mehr als hundertzehn Pfund wog, ins Nebenzimmer, legte ihn auf die Couch und holte ihm ein Glas Wasser.

Ward erholte sich rasch. Seine Augen schauten trübe, er sagte nicht mehr viel. Er meinte nur, Mackenzie wisse jetzt Bescheid, wie er die geschäftliche Katastrophe mit all ihren Auswirkungen abwenden könne, und er solle gehen.

Der Privatbankier verließ das muffige alte Haus nur zu gern. Es war ihm nicht geheuer. Was Abner Ward zu ihm gesagt hatte, spukte in seinem Kopf herum. Als Mackenzie ein Zimmer in Lonnegans Pub gemietet hatte, setzte er sich dort hin, stützte den Kopf in die Hände und überlegte.

Mackenzie war entschlossen, den Pakt mit dem Mann mit dem Feuergesicht zu schließen. Aber er wollte es schlauer anfangen als der alte Abner Ward. Die Stunden bis zu seinem Aufbruch zu den Ruinen von Grummond Hall vergingen dem Privatbankier wie im Flug.

Er vermochte nichts zu essen, so aufgeregt war er.

Kurz nach halb elf Uhr abends verließ er den Pub durch die Hintertür. In einem Schirmständer im Flur im ersten Stock hatte er einen Knotenstock gefunden und mitgenommen. Mackenzie trug einen wetterfesten Raglanmantel und hatte den Hut in die Stirn gezogen.

In seiner Manteltasche steckte eine Stablampe. Er eilte raschen Schrittes aus dem Dorf und schlug den Weg nach Nordwesten ein, zum Moor und den Ruinen von Grummond Hall.

Dunkel und stürmisch war die Nacht, eine Ausnahme in dieser Jahreszeit. Wolkenfetzen trieben rasch über den Himmel. Manchmal nur schimmerte die Mondsichel und blinkten ein paar Sterne durch Wolken und Dunst. Mackenzie fand den Weg, den er seit vielen Jahren nicht mehr gegangen war, ohne jede Schwierigkeit.

Rings um ihn erstreckte sich das Moor mit seinem Röhricht, mit wenigen Hügeln, die feste Inseln bildeten, und Büschen. Der Wind pfiff durchs Schilf und Sumpfgras und verursachte seltsame und klagende Laute. Tierstimmen erklangen, hauptsächlich Froschgequake. Walter Mackenzie zitterte wie im Fieber und fror bis ins Mark.

Geh nicht!, sagte ihm eine innere Stimme. Kehr um! Denke an deine Erziehung, an alles, was gut ist in dir. Die Kräfte des Bösen wirken in Grummond Hall, dämonische Mächte, die sich im Geist des verfluchten Earl Robert Bruce MacLoran manifestieren! Kehr um, Walter Mackenzie, kehr um!

Narr!, flüsterte ihm eine andere Stimme zu. Was glaubst du an Ammenmärchen, wenn es gilt, deine Karriere, deine Familie, deine Zukunft und alles zu retten, was dein Leben bedeutet? Du bist klug, du wirst einen Ausweg finden. Geh voran!

Walter Mackenzie eilte stetig weiter, und bald sah er bei den Hängen des Ben More Hügels und einer Gruppe von alten Erlen die Ruinen von Grummond Hall. Sie wirkten schwarz und bedrohlich und flößten ihm Schrecken ein.

Er sah auf die Uhr, er hatte noch mehr als eine halbe Stunde Zeit bis Mitternacht. Wie von einem inneren Zwang getrieben näherte er sich den Ruinen. Der Wind heulte auf, und etwas wie ein Klagelaut erklang über dem Moor. Kein Tier war mehr zu vernehmen.