Gespenster-Krimi 9 - Curd Cornelius - E-Book

Gespenster-Krimi 9 E-Book

Curd Cornelius

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Beschreibung

Das Sanatorium
von Curd Cornelius und D.J. Franzen

Die Lichtfinger starker Taschenlampen glitten flackernd durch den nächtlichen Forst. Es knarzte und knackte, als wäre eine Horde Elefanten auf dem Weg durch das Unterholz.
"Wie weit noch?", fragte Fred.
"Da vorne", antwortete Stefan. "Ich sehe schon einen Teil des Fundaments. Wir müssten gleich da sein."
"Dann weiter!" Freds Tonfall duldete keinen Widerspruch. "Ich will das endlich hinter mich bringen."
In diesem Augenblick brach etwas vor ihnen aus dem Gebüsch, wickelte sich in Sekundenbruchteilen um Stefans Hals und riss ihn in die Dunkelheit. Ein gurgelnder Schrei erklang. Dann noch einer, danach ersticktes Röcheln ...

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Seitenzahl: 138

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Sanatorium

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Illustration Innenteil: Ralph Kretschmann

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7670-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dieser Roman ist Teil der »Schattenchronik«-Serie, die ab Band 3 im BASTEI Gespenster-Krimi erscheint.

Amanda Marbely, eine steinreiche Lady aus London, beerbt ihren überraschend früh verstorbenen Cousin aus Königstein im Taunus. Um das gigantische, jedoch sehr bedeckt gehaltene Firmenimperium des geliebten Verwandten aus Deutschland in Augenschein zu nehmen, übersiedelt die schrullige Lady zunächst ins Siegerland.

Die internationalen Geheimdienste ziehen im Hintergrund bereits ihre Fäden. Das Innenministerium stellt der Lady, die unversehens zur reichsten Frau auf Erden wurde, ihren besten Agenten zur Verfügung. Richard Wallburg. Er wird zum vornehmen Butler mit vielen Talenten und Geheimnissen.

In seiner Eigenschaft als Butler von Lady Marbely tritt Wallburg mit einer amerikanischen Geheimorganisation in Verbindung. Dort hat man sich auf außergewöhnliche Vorfälle spezialisiert. Doch von einem Tag zum anderen verschwindet die komplette Organisation. Sie löst sich im wahrsten Sinne des Wortes in Nichts auf. Wenig später meldet sich ein Überlebender bei Richard Wallburg. Robert Linder, der führende Topspezialist der verschwundenen Organisation, hat Unglaubliches zu erzählen.

Mithilfe der steinreichen Lady beginnt der Neuaufbau, um die negativen Mächte auf beiden Ebenen (im Diesseits und im Jenseits) weiter bekämpfen zu können. Weitgehend unabhängig von den bekannten internationalen Geheimdiensten und der Bundesregierung.

Im Team sind bereits tatkräftige Helfer. Mick Bondye und Cassy Benedikt. Ein Voodoo-Vampir und eine Ebenenwechslerin die zuvor für New Scotland Yard gearbeitet haben. Neu rekrutiert werden drei schwedische Agenten …

Die genauen Hintergründe zur Schattenchronik-Serie finden sich in der Taschenbuch-Reihe DER BUTLER, die exklusiv in einer Sammler-Edition nur im BLITZ-Verlag zu beziehen ist.

Das Sanatorium

von Curd Cornelius & D. J. Franzen

Die Lichtfinger mehrerer starker Taschenlampen glitten flackernd durch den Wald. Es knarzte und knackte, als wäre eine Horde Elefanten auf dem Weg durch das Unterholz. Stimmen erklangen, dann hallte lautstark ein Fluch durch die Nacht.

»Verdammter Mist! Pass doch auf!« Harry funkelte Stefan böse an.

Sein Freund sah über die Schulter zurück und murmelte eine Entschuldigung, nachdem er einen Ast zur Seite gedrückt und unbedacht wieder losgelassen hatte. Die beiden Männer steckten in Motorradlederjacken. Auf deren Rückseiten war ein Emblem genäht, das einen brennenden Weißwandreifen mit zwei Flügeln zeigte. Sie trugen einen schweren kugelförmigen Metallbehälter an Tragegurten zwischen sich.

Rechts von den beiden teilten sich die Äste, und zwei weitere Männer in Bikerkleidung gesellten sich zu ihnen. »Was ’n los?«, nuschelte einer der Neuankömmlinge.

Harry wedelte angewidert mit der freien Hand vor seinem Gesicht. »Mensch, Dietmar, hauch mich nicht so an!« Der Atem seines Gegenübers roch stark nach einer Mischung aus Alkohol und fortgeschrittener Zahnfäule. »Wann gehst du endlich mal zum Zahnarzt?«

Ein Mann mit feuerroter Mähne schob sich an Dietmar vorbei. »Das kommt nicht von ihm«, sagte Fred. »Riechst du das denn nicht? Der verfluchte Wald stinkt plötzlich wie eine Wagenladung voll verdorbener Fische.«

Harry schnüffelte. »Stimmt, du hast recht. Trotzdem müffelt Dietmars Futterluke auch richtig übel.«

Fred atmete tief durch und starrte die beiden wütend an. Harry wusste, dass ihr Präsident wieder einmal kurz vor einem seiner berüchtigten Wutanfälle stand, doch heute gab es Wichtigeres zu erledigen. Etwas, das ihnen eine hübsche Stange Geld einbringen sollte.

Harry gab sich einen Ruck und wandte seinen herausfordernden Blick von Dietmar ab. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um die ständig schwelenden Reibereien mit ihm zu klären, und schon gar nicht, eine Palastrevolution gegen ihren Präsidenten anzuzetteln.

»Wie weit noch?«, fragte Fred.

Harry sah hinüber zu Stefan, der dem Lichtstrahl seiner Taschenlampe mit angestrengtem Blick folgte.

»Da vorne«, antwortete Stefan. »Ich sehe schon einen Teil des Fundaments. Wir müssten gleich da sein.«

»Dann weiter!« Freds Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Ich will das endlich hinter mich bringen. Und ihr zwei …« Er deutete auf Dietmar und Harry. »Ihr benehmt euch! Verstanden? Wir sind keine Zehntklässler auf Klassenfahrt.«

Harry nickte. Sobald das hier vorbei war, wollte er sich um den Präsi kümmern. Es wurde Zeit für einen Wechsel an der Spitze. Er wandte sich ab und folgte Stefan, der bereits an seinem Ende der Tragegurte zog.

Fred hatte recht: Die Luft roch wirklich nicht nach Wald. Es stank schlimmer als in einem verrotteten Hafenviertel. Warum wollten ihre Kunden ausgerechnet diese alte Ruine als Übergabeplatz nutzen? Und das auch noch mitten in der Nacht.

Mit einem tiefen Seufzen wich Harry einem weiteren Ast aus, den Stefan diesmal achtlos zurückschnellen ließ. Das verfluchte Zeug in dem Metallbehälter war nicht nur sauschwer, es war auch verdammt gefährlich. Kam daher vielleicht der Geruch nach altem Fisch? War der Behälter undicht? Je weiter sie gingen, desto schlimmer wurde der Gestank. Harry atmete so flach wie möglich. Er wollte nicht länger als unbedingt nötig mit dem Ding durch die Gegend stiefeln.

Plötzlich brach etwas vor ihnen aus dem Gebüsch, wickelte sich in Sekundenbruchteilen um Stefans Hals und riss ihn wie eine Stoffpuppe in die Dunkelheit. Der kugelförmige Metallbehälter fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. Harry strauchelte, konnte sich aber abfangen. Einige Meter von ihm entfernt erklang ein gurgelnder Schrei. Dann noch einer, danach ersticktes Röcheln.

»Stefan? … Fred? … Dietmar?«

Harry lauschte, hinter sich vernahm er ein Rascheln und Knacken, als ob sich jemand durch dichtes Unterholz zwängte. Er hob seine Taschenlampe, um direkt zuschlagen zu können. Schreiend fuhr er herum – und erstarrte.

Vor ihm stand ein grauenhaftes Ding, das wie ein gigantischer Krake aussah. Die Haut des Wesens leuchtete in einem schleimigen Braun. Eisblaue Augen sahen ihn aus einem Gesicht an, dem jegliche menschliche Physiognomie fehlte. Dort, wo ein Mensch seinen Mund gehabt hätte, saß ein kurzer, gekrümmter Schnabel. Eine Nase war nicht zu erkennen, auch keine Arme und Beine.

Die Zeit kroch scheinbar endlos dahin. Harry fühlte sich wie in einer Art Zeitlupe gefangen. Adrenalin pumpte durch seine Adern, ein zitternder Laut der Angst kroch in seinem Hals hoch, seine Beine wurden weich. Weitere Schreie erklangen aus der Dunkelheit.

Das Lager!

Der Schnabel im Gesicht des Wesens öffnete sich und gab den Blick auf zwei Reihen messerscharfer Zähne frei, die im Licht der Taschenlampe glitzerten. Bevor Harry auch nur den Gedanken an Flucht fassen konnte, peitschte ihm ein Tentakel entgegen und traf ihn hart an der Brust.

Der Schlag raubte ihm den Atem und schleuderte ihn einige Schritte weit in das Unterholz. Die Taschenlampe flog zur Seite, die Schatten wurden tiefer.

Ein lähmendes Gefühl machte sich in seinem Oberkörper breit. Auf dem Boden liegend schnappte er nach Luft, während aus dem Dunkel rechts und links neben ihm weitere Tentakel hervorschossen, nach seinem Hals griffen, sich über sein Gesicht legten und auf seinen Bauch peitschten. Funken sprühten. Harry wollte schreien, als pulsierende Energie ungehemmt in seinem Körper wütete, doch einer der Tentakel hielt ihm den Mund zu.

Dann kam tiefe Dunkelheit über ihn.

Michael Gunnarson, Big Mike, hockte auf einem umgestürzten Baumstamm oberhalb der Eder und starrte auf die Reste eines Hasen, der an einem Spieß über dem Lagerfeuer hing. In dem wolkenlosen Nachthimmel über ihm funkelten die Sterne, deren Schein sich in den feuchten Blättern der Bäume spiegelte.

Seit einem halben Jahr war er mit den Hot Riders auf Tour, aber trotzdem immer noch von vielen Geschäftsaktivitäten ausgeschlossen. Vier Mitglieder des Klubs hatten etwas aus Österreich mitgebracht, um das ein großes Geheimnis gemacht wurde.

Gunnarson hatte die Rocker genau beobachtet. Fred und Harry hatten das geheimnisvolle Objekt wie ihren Augapfel bewacht, und gemeinsam mit Dietmar und Stefan waren sie jetzt zu der alten Ruine unterwegs. Lief heute Nacht wieder ein Deal ab, ohne dass man ihn, den Neuen, eingeweiht hatte? War es vielleicht sogar der Deal, von dem die anderen immer so geheimnisvoll sprachen?

Seufzend blickte Big Mike hinunter ins Lager. Das Gelände, auf dem sie campierten, war ein umzäuntes Privatgrundstück mit einem Tor, zu dem ihr Präsident einen Schlüssel hatte. Mit Erlaubnis unserer Freunde, hatte er grinsend in die Runde gesagt. Ja, heute oder morgen Abend würde etwas ablaufen. Etwas Großes, dessen war er sich sicher. Gunnarson hatte das Objekt nicht genau gesehen, doch sie hatten etwas silbrig Glänzendes geschleppt. Aber was zur Hölle sollte das sein?

Nachdenklich stand er auf. Big Mike hatte seinen Namen nicht zu Unrecht. Er war ein Riese, zwei Meter groß, muskulös. Er trug einen Schnauzbart, dessen Enden weit über seine Mundwinkel nach unten hingen. Zusammen mit seiner langen blonden Mähne und seinen eisblauen Augen wirkte er wie ein Wikinger auf Raubzug. Dazu kam die typische Lederkleidung eines Motorradfahrers. Gunnarson war das perfekte Klischee eines Rockers.

Seine Schritte führten ihn am Ufer der Eder entlang, er blickte auf den dunklen Schatten des neuen Sanatoriums von Bad Berleburg, nicht allzu weit vom Lager der Hot Riders entfernt. Gunnarson wusste, dass das Sanatorium ein privater Klub reicher, alter Männer war, in den man nur auf ausdrückliche Einladung und Empfehlung gelangte. Waren dort vielleicht ihre Auftraggeber zu finden?

Vereinzelt drang Licht aus den Fenstern des Gebäudekomplexes, der wie ein Gutsherrenhof aufgebaut war. Zahlreiche Nebengebäude und Anbauten schmiegten sich in unstrukturierter Weise an das dreistöckige Haupthaus. Ein hohes Bauwerk, das wie ein Leuchtturm wirkte, ragte am Westflügel in die Nacht.

Big Mike sah sich noch einmal um. Nichts regte sich. Er griff in die Jackentasche, holte sein Handy heraus und wollte gerade eine Verbindung wählen, als im Lager der Rocker Chaos ausbrach. Schreie hallten durch die Nacht, er sah dunkle Schatten zwischen den Zelten hin und her laufen. Schüsse fielen.

Gunnarson warf sich hinter einem Gebüsch zu Boden und starrte von seinem Versteck aus entsetzt auf die entsetzlichen Wesen, die wie eine bizarre Mischung aus Kraken und Menschen aussahen und mit ihren Tentakeln Zeltplanen zerfetzten, nach ihren Opfern griffen und sie in ihre schleimige Umarmung zerrten. Die braune Haut dieser albtraumhaften Gestalten glitzerte wie Schleim im Licht des Lagerfeuers.

Winzige Elmsfeuer tanzten ihre Gliedmaßen entlang, die Körper der Rocker erschlafften, sobald sie von den Tentakeln der Wesen berührt wurden. Die Kraken schleppten ihre Opfer in den Wald hinter dem Lager. Nach wenigen Augenblicken war der Platz leer und verlassen, von den Rockern keine Spur mehr.

Erst jetzt bemerkte Big Mike, dass er am ganzen Körper zitterte. Sein Handy lag neben ihm im Gras.

Der dunkle Raum, in dem sich der Mann befand, war kreisrund. Eine Regalreihe erstreckte sich entlang der Wände, nur unterbrochen von vier großen Aussichtsfenstern, die den Blick in alle vier Himmelsrichtungen freigaben.

An einem davon stand der Mann, dessen Hakennase seinem Profil etwas von einem Raubvogel verlieh. Er verfolgte durch ein Nachtsichtfernglas die Vorgänge im Biker-Lager auf der gegenüberliegenden Seite der Eder.

Durch die gläserne Decke funkelte das Licht der Sterne und brach sich vereinzelt auf der goldenen Schrift der Buchrücken aus altem Leder. In der Mitte des Raums glitzerte feiner Kupferdraht, der in einem verwirrenden Muster in den Holzboden eingelassen worden war.

Der Mann wollte gerade das Fernglas absetzen, als er keine fünfzig Meter vom Lager entfernt, auf einer Anhöhe oberhalb der Eder, einen Schatten bemerkte. Dort unten hockte ein Rocker in Lederkluft mit wilder Mähne und starrte auf das verwüstete Lager.

Der Mann am Fenster brummte mürrisch, ließ das Fernglas sinken und griff nach seinem Handy.

Big Mike verharrte weiter in seinem Versteck. Das Zittern hatte zwar nachgelassen, doch der Schock saß tief. Plötzlich sah er die flackernden Lichter mehrerer Einsatzfahrzeuge der Polizei den schmalen Weg zu dem Privatgrundstück heraufkommen, den er selbst am Vormittag genommen hatte.

Die Wagen fuhren durch das offene Tor und hielten mitten im zerstörten Lager der Rocker. Wie in Trance stand Gunnarson auf und ging mit erhobenen Händen, den kleinen Trampelpfad hinunter, auf die Polizisten zu.

Einer von ihnen zielte mit seiner Waffe auf ihn und sagte: »Sie sind wegen des Verdachts auf Vandalismus, Drogenkonsum und Wilderei verhaftet!«

Verwirrt blieb Big Mike stehen. Als die Handschellen klickten, erwachte sein klarer Verstand, als wäre das Gefühl des kühlen Metalls an seiner Haut ein Anker, der ihn in die Realität zurückzog. Hier passierte gerade etwas, das er nur einem einzigen Menschen anvertrauen konnte. Jetzt brauchte Big Mike einen echten Freund.

Langsam und gleichmäßig strich der hünenhafte Mann mit dem Striegel über das Fell des Rappen, der sogleich behaglich schnaubte.

»Das tut gut, nicht wahr, mein Freund?«, sagte Babsi Kruger zu dem Tier, das den Kopf zur Seite wandte und ihn aus dunklen Augen ansah. »In vier Tagen werden wir zwei es allen zeigen, hm?«

Seit seiner Kindheit nannten ihn alle Babsi. Er hatte sich daran gewöhnt. Babsi war völlig in Ordnung. Und es gab auch inzwischen niemanden mehr, der es wagte, sich über den Namen lustig zu machen. Kruger war bei jeder Gelegenheit der Fels in der Brandung. Durchtrainiert, kein Gramm Fett zu viel, darauf legte er großen Wert. Sein Gesicht wirkte seriös. Im Fernsehen hätte man seinen Kopf für den eines Nachrichtensprechers oder Versicherungsvertreters gehalten.

Krugers Kommunikationsanlage am Kragen vibrierte. Seufzend legte er die Bürste zur Seite und aktivierte mit Fingerdruck die Verbindung. »Kruger.«

»Mein Freund«, sagte die wohltönende Stimme. Es war die von Richard Wallburg, Leiter der Geheimorganisation Schattenchronik. »Bitte lesen Sie die Nachricht auf Ihrem Pad.«

Wallburg kannte Babsi Kruger aus früheren internationalen Einsätzen. Im Laufe der Jahre waren sie bei ihren Einsätzen irgendwie Freunde geworden. Dennoch bewahrten beide die Form und siezten sich.

Vor nur einer Woche hatte Wallburg seinen ehemaligen Kollegen für die Schattenchronik angeworben. Kruger hatte sich anfangs geziert, weil er nicht wusste, was ihn in einer Organisation namens Schattenchronik erwarten würde. Die außergewöhnliche Höhe der Gehaltszusage hatte seine Überlegungen jedoch entscheidend abgekürzt.

»Dringend?«, fragte Kruger nach. »Ich war ausreiten. Mein Pad liegt noch auf meinem Zimmer.«

»Im Augenblick ist alles dringend, Kruger.« Wallburg klang etwas spröde. »Sie sollten bei Gelegenheit in Ruhe die Infos auf Ihrem Pad studieren. Um es mal simpel auszudrücken: Wir werden von Wesen aus dem Jenseits bedroht.«

Kruger zog die Augenbrauen hoch und strich sich durch das dunkle Haar. »Was?«

»In der Nähe von Bad Berleburg wurden gestern Nacht krakenähnliche Wesen gesichtet«, fuhr Wallburg fort. »Sie sollen eine Gruppe von campierenden Motorradfahrern angegriffen und bis auf einen von ihnen alle verschleppt haben.«

Kruger horchte auf. »Ich weiß nicht, ob ich alles richtig verstanden habe, Richard? Was für Wesen? Kraken?« Im Hintergrund vernahm er Stimmengewirr. Bei Wallburg musste es hektisch zugehen.

»Der verschont gebliebene Rocker ist übrigens ein guter Bekannter von Ihnen und befindet sich derzeit in Polizeigewahrsam«, erklärte Wallburg weiter. »Somit haben wir also unseren ersten gemeinsamen Einsatz, Kruger. Schneller als ich dachte. Lassen Sie alles stehen und liegen. Sie werden gebraucht. Ich habe bereits alles veranlasst.«

In diesem Moment trat einer der Stallburschen von hinten an Kruger heran. Der Riese drehte sich um.

»Herr Kruger«, sagte der junge Mann höflich. »Jemand hat mich gebeten, Ihnen dies hier zu geben. Der Wagen steht auf dem Hof.«

»Danke«, sagte Kruger nur und nahm einen Autoschlüssel in Form einer kleinen Scheckkarte entgegen.

»Bitte!«, erwiderten die Stimmen des Stallburschen und Wallburgs aus der Com synchron.

Kruger nickte dem Jungen kurz zu, dann drehte er sich zu dem Rappen um, legte seine Wange auf die Nüstern des prächtigen Tieres und strich am Hals entlang. »Ich bin bald wieder zurück, hörst du?«

Das Pferd schnaubte leise.

»Ich bin für ein, zwei Tage aus geschäftlichen Gründen unterwegs«, rief Kruger dem Stallburschen hinterher. »Versorgen Sie bitte mein Pferd, aber nur leichte Ausritte. Zum Turnier bin ich wieder zurück. Black Wind darf bis dahin nicht übertrainiert werden.«

Der junge Mann nickte über die Schulter zurück, und Kruger ging durch den Stall Richtung Hof, wo ein Sportcoupé auf ihn wartete, dessen edle Metallic-Lackierung im hellen Licht des frühen Tages glitzerte. Kruger lächelte. Wallburg verstand sein Handwerk, schon immer.

»Melden Sie sich, sobald Sie eine erste Einschätzung der Lage geben können«, sagte der Leiter der Schattenchronik, bevor er die Verbindung beendete.

»Jawohl, Richard.«

Kruger öffnete den Kofferraum des Wagens. Seine privaten Sachen waren in einer großen Tragetasche verstaut, und auch sein Pad befand sich bereits im Fahrzeug. Für den Moment gruselte es Kruger. Der unendlich lange Arm von Wallburg war offensichtlich noch weiter angewachsen.

Kruger ließ den Kofferraumdeckel zufallen und setzte sich hinter das Steuer des Wagens. Mit einem kurzen Fingerdruck aktivierte er sein Pad, las die Nachricht und rauschte vom Hof.

Polizeiobermeister Rüdiger Ruuts wanderte unruhig in seinem Büro auf und ab.