Gespensterjäger - Die komplette Reihe - Cornelia Funke - E-Book
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Gespensterjäger - Die komplette Reihe E-Book

Cornelia Funke

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Beschreibung

+ Bücher, die Kinder gerne lesen wollen + Beliebtes Thema: Gespenster + Mit vielen zweifarbigen Illustrationen + Bereits über 350.000 verkaufte Gespensterjäger-Bücher + Ausgewogenes Text-Bild-Verhältnis + Große Schrift + Kurze Kapitel + Sammelband +   Die Gespensterjäger jetzt auch als Sammelband:   Tom Tomsky, Hedwig Kümmelsaft und Gespenst Hugo sind das unschlagbare Gespensterjäger-Team! Ob unheimliche Schreie in der Nacht, geheimnisvolle Erscheinungen oder Furcht einflößende Orte – die drei Gruselexperten bereiten jedem Spuk ein Ende. Dabei verfolgen sie völlig unerschrocken eisige Spuren, jagen bedrohliche Feuergeister, erkunden eine Gruselburg oder treffen im Moor auf gefährliche Gespenster! Aber die schrecklichen Geister geben sich nicht so einfach geschlagen …   Ein absolutes Schmuckstück im Buchregal: Die Gespensterjäger von Bestsellerautorin Cornelia Funke gibt es nun im Sammelband mit Innenillustrationen mit einer Schmuckfarbe. Der beliebte Klassiker für Kinder ab 8 Jahren und zum Vorlesen verspricht schaurig-schöne Lesestunden!   Dieser Sammelband enthält die Einzeltitel:   Gespensterjäger auf eisiger Spur   Gespensterjäger im Feuerspuk   Gespensterjäger in der Gruselburg   Gespensterjäger in großer Gefahr

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Seitenzahl: 335

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Sammlungen



Inhalt

Cover

Inhalt

Gespensterjäger auf eisiger Spur

Ein grässlicher Tag

Spott und Hohn

Hedwig Kümmelsaft

Schleimspuren in der Dunkelheit

Eine scheußliche Geschichte

Ein ernstes Problem

Das Buch der Gespenster

Heulen und Zähneknirschen

Ein Eimer Friedhofserde

Nichts als Ärger

Die Gespenstervilla

Zähneklappern, Gliederschlottern

Der Plan

Gespensterjagd

Die Rache

Gespensterjäger im Feuerspuk

Prolog

Nur ein kleiner Ausflug

Eindeutig spukgeschädigt

Erste Begegnung der feurigen Art

Angriff im Aufzug

Der vierte Stock

Schlimm, schlimm, schlimm

Was nun?

Helle Aufregung

Nachmittagsspuk

Schreck in der Abendstunde

Das große Feuerwerk

Die rettende Idee

Geister aus der Kaffeekanne

Gespensterjäger in der Gruselburg

Prolog

Der Hilferuf

Eine gespenstische Warnung

Mintpaste und erste Erkenntnisse

Ein Netz voller Geister

Die Blutige Baronin

Spuk mit dunkler Vergangenheit

Die Gruft der von Dusterbergs

In letzter Sekunde

Hugos Auftritt

Duell auf der Zugbrücke

Urlaubsreif

Gespensterjäger in großer Gefahr

Prolog

Eine leichte Aufgabe

Das Dorf im Nebel

Hornhobel

Geisterbesuch

Der Zwölfte Bote

Verdächtige Löcher

Ein schlimmer Verdacht

Ein tollkühner Plan

Die Höhle der Geister

Der Atem des Todes

Blut und eine scharfe Klinge

Ein grässlicher Tag

Der Tag, an dem die ganze Sache begann, war einer dieser Tage, an denen einfach alles schiefgeht.

Als Tom morgens in seine Hose steigen wollte, hatte seine liebe Schwester Knoten in die Beine gemacht. Nachdem er verschlafen ins Badezimmer getorkelt war, schmierte er sich Mamas Gesichtscreme auf die Zahnbürste. Und in der Küche knallte er mit dem Kopf gegen die offene Schranktür. Eigentlich reichte das schon wieder für den ganzen Tag. Und dabei hatte Tom noch nicht mal gefrühstückt.

Aber er hatte oft solche Tage. Solche Stolper-Stoß-nichts-klappt-Tage. Wenigstens die anderen hatten dann immer was zu lachen.

»Guten Morgen«, sagte Mama.

»Was soll an dem Morgen gut sein?«, brummte Tom.

Lola lehnte sich grinsend zurück und beobachtete ihn. Lola war Toms große Schwester – fast sechs Jahre älter als er und ihm hoffnungslos überlegen.

»Passt auf«, sagte sie. »Gleich passiert ihm irgendein Unglück. Heute ist wieder einer seiner Tage.«

Tom warf ihr einen finsteren Blick zu – und goss sich den Kakao über den Pullover. Schallendes Schwesterngelächter.

»Oh Tom!«, seufzte Mama. »Komm, zieh dich um.«

»Tompatsch!«, rief seine Schwester ihm hinterher.

Ja, so ein Tag war das.

In der Schule ging es weiter. Tom sorgte dafür, dass alle einen zum Schreien komischen Schultag hatten. Alle, außer ihm. Auf dem Heimweg trat er in einen Hundehaufen, lief gedankenversunken in einen Zeitungsständer – und beschloss, sich zu Hause auf der Stelle ins Bett zu legen. An solchen Tagen war das der einzig sichere Ort auf der Welt.

Aber gerade als er stumm und leise in seinem Zimmer verschwinden wollte, passierte es.

»Tom«, sagte Mama, »hol mal schnell zwei Flaschen Orangensaft aus dem Keller.«

Aus dem Keller.

Mama wusste genau, dass er entsetzliche Angst da unten hatte. Allein der Gedanke an die Spinnen jagte ihm schon eine Gänsehaut über den Rücken – ganz zu schweigen von dem, was da in der Dunkelheit sonst noch auf ihn lauerte.

»Muss das sein?«, fragte er.

»Komm mir bloß nicht wieder mit deinen Gespenstergeschichten!«, sagte Mama ärgerlich. »Los, ab mit dir!«

Gnadenlos. Dabei war er noch keine zehn Jahre alt. Seufzend öffnete Tom die Wohnungstür.

In dem großen Haus, in dem Tom wohnte, hatte jede Wohnung einen eigenen Keller. Aber Tom war der festen Überzeugung, dass ihr Keller der dunkelste, unheimlichste, spinnenverseuchteste war. Und er wusste auch, warum.

Der Hausmeister, Egon Riesenpampel, war ein Kinderhasser. Und weil Tom und Lola die einzigen Kinder im Haus waren, hatte ihre Familie auch den allerschrecklichsten Keller bekommen. Ganz klar!

Als Tom vor der staubigen Tür stand, kniff er die Lippen zusammen und rückte entschlossen seine Brille zurecht. Der enge, kalte Flur, von dem die Kellertüren abgingen, war nur spärlich beleuchtet, und Tom hatte wie immer Schwierigkeiten, den verdammten Schlüssel ins Schloss zu kriegen. Die Tür quietschte scheußlich, als Tom sie aufstieß.

Modrig riechende Schwärze gähnte ihm entgegen.

Tapfer machte er einen Schritt vorwärts und tastete nach dem Lichtschalter. Wo, zum Teufel, war das verflixte Ding? Es war so ein altmodischer Drehschalter, an dem man sich die Finger verbog. Na endlich. Da war er. Tom drehte ihn herum. Eine jämmerliche kleine Glühbirne flammte auf und – paff! – zerplatzte in tausend Splitter.

Erschrocken stolperte Tom zurück – und stieß mit dem Ellbogen gegen die Kellertür. Rums!, fiel sie ins Schloss. Tom stand mutterseelenallein im pechschwarzen Keller.

»Ganz ruhig!«, dachte er. »Ruhig bleiben, alter Junge. Es ist nur die blöde Glühbirne zerplatzt.«

Aber seit wann zerplatzen Glühbirnen einfach?

Tom spürte, wie sein Mund trocken wie Schmirgelpapier wurde. Er wollte einen Schritt zurück machen. Aber seine Schuhe klebten an irgendwas fest. Er hörte seinen eigenen Atem. Und dann ein leises Rascheln. So als striche etwas über die alten Zeitungen, die Mama irgendwo in der Dunkelheit gestapelt hatte.

»Hilfe!«, flüsterte Tom. »Oh Mann, Hilfe!«

»Aaaaaahoooo!«, stöhnte es ihm aus der Finsternis entgegen. Kalter, modrig stinkender Atem strich ihm übers Gesicht. Und eisige Finger packten seinen Hals.

»Weeeg!«, schrie Tom und schlug wie ein Wilder um sich. »Weg, du widerliches Ding!«

Die Eisfinger ließen seinen Hals los und zogen an seinen Ohren. Irgendwas schimmerte weißlich in der Dunkelheit. Irgendwas mit giftgrünen Augen, flatterndem Haar und höhnischem Grinsen.

»Ein Gespenst!«, dachte Tom fassungslos. »Ein richtiges Gespenst!«

»Ooouuuuaaaah!«, jaulte das entsetzliche Ding.

Mit einem verzweifelten Ruck zog Tom die Füße aus den festgeklebten Schuhen. Er taumelte zur Tür und tastete zitternd nach dem Riegel. Das grausige Etwas zerrte an seinen Haaren und an seiner Jacke und heulte ihm die Ohren voll. Mit letzter Kraft riss Tom die Tür auf, das Gespenst wich mit erbostem Kreischen zurück – und Tom stolperte halb tot vor Schreck auf den Flur hinaus.

Spott und Hohn

Mit einem Schlag war es still. Totenstill.

Nur die Tür knarrte in ihren Angeln. Tom gab ihr einen Stoß und sie fiel ins Schloss. Mit schlotternden Knien rannte er zur Treppe. Nur weg! Weg!

So schnell hatte er die drei Stockwerke noch nie geschafft, obwohl er sich dauernd umschaute. Keuchend erreichte er die Wohnungstür und hämmerte dagegen. Empört schielte Frau Pingel von oben übers Treppengeländer auf ihn herab. Mit ihrem kleinen, spitznasigen Kopf erinnerte sie an eine Krähe.

»Wie siehst du denn wieder aus, Tom?«, fragte sie missbilligend.

Tom rückte seine Brille gerade, strich sich über das zerrupfte Haar und schenkte ihr ein verlegenes Lächeln. Dann hämmerte er noch mal gegen die Tür.

»Was ist denn in dich gefahren?«, fragte Mama ärgerlich und zog ihn zu Frau Pingels großer Enttäuschung in die Wohnung. Erschöpft lehnte Tom sich gegen die Wand.

»Ich hab’s ja gesagt!«, stieß er hervor. »Ich hab’s immer gesagt und keiner hat’s geglaubt!« Er konnte gerade noch ein Schluchzen runterschlucken.

»Was hast du immer gesagt?«, fragte Mama. »Und wo hast du deine Schuhe gelassen?«

Lolas Zimmertür ging auf. »Oje, wie sieht der denn wieder aus?«, fragte sie und kicherte.

»Da unten ist ein Gespenst!«, flüsterte Tom. »Es … es hat mich gewürgt und …«

Der Rest ging in Lolas brüllendem Gelächter unter. »Ein Gespenst! Mann, Tompatsch, du bist einsame Spitze!«

Typisch. Da war er knapp dem Tod entronnen, und was bekam er von der eigenen Familie zu hören? Nichts als Spott und Hohn.

»Lass ihn in Ruhe, Lola!«, sagte Mama und musterte Tom mit diesem prüfenden Blick, den er so hasste. »Also, was ist los?«

Tom sah auf seine Socken. »Da unten ist ein Gespenst!«

»Lola«, sagte Mama, »geh bitte mit Tom noch mal runter und zeig ihm, dass da unten nichts als Saftflaschen und alte Zeitungen sind. Und bring seine Schuhe mit!«

Entsetzt sah Tom sie an. »Ich geh nicht noch mal da runter! Ich bin doch nicht verrückt!«

Aber Mama öffnete nur die Tür.

Grinsend fasste Lola nach seiner Hand und zerrte ihn hinter sich her. »Komm schon«, sagte sie. »Ich will dein Gespenst sehen!«

Tom wusste, dass jeder Widerstand zwecklos war, und folgte ihr.

»Es bringt uns um«, sagte er. »Du wirst sehen. Es bringt uns um!«

»Klar«, sagte Lola und kicherte.

Wütend kniff Tom die Lippen zusammen und ließ sich die Treppe runterschleifen.

Dann standen sie wieder vor der Kellertür.

»Hehe, Gespenst!«, rief Lola und stieß die Tür auf. »Jetzt geht’s dir an den Kragen.«

Stockdunkel und still lag der Keller vor ihnen. Mit angehaltenem Atem lugte Tom hinter Lolas Rücken hervor. Aber nichts rührte sich. Absolut nichts. Kein »Uauuh!«, keine Eisfinger.

Pfeifend machte Lola ein paar Schritte in die Dunkelheit hinein. »Was ist denn mit dem verflixten Licht los?«, brummte sie.

»Die Glühbirne ist zerplatzt«, hauchte Tom. Er stand immer noch im Flur. Lola rumorte in der Dunkelheit herum.

»Igitt, was ist das denn?«, hörte Tom sie schimpfen. »Hier klebt ja alles. Was wolltest du eigentlich hier unten?«

»Zwei Flaschen O-Saft holen«, murmelte Tom und machte ganz vorsichtig einen Schritt auf die Tür zu. Aber von dem weißen Etwas mit den giftgrünen Augen und dem grässlichen Grinsen war nichts zu entdecken.

Mann, war das wieder eine Blamage!

»Da!«, sagte Lola und drückte ihm seine Schuhe in die Hand. Die Sohlen waren mit einem silbrig schimmernden, klebrigen Zeug bedeckt.

»Gespensterschleim!«, flüsterte Tom.

»Quatsch«, sagte Lola. »Wahrscheinlich treibt sich hier ’ne Riesenschnecke rum.« Kichernd verschwand sie noch mal in der Dunkelheit. »Wo steht denn der Saft?«, fragte sie.

Tom antwortete nicht. Er starrte auf die weiße Hand, die aus der Finsternis auftauchte und winkte.

»Da!«, schrie er. »Lola, Vorsicht!«

Krach! Klirr!, kam es aus Lolas Richtung. »Mann, bist du verrückt?«, schimpfte es aus der Dunkelheit, und im nächsten Moment stand Lola wutschnaubend mit einem abgebrochenen Flaschenhals vor ihm. »Das erklärst du aber Mama. Mindestens drei Flaschen sind kaputt.«

»Aber es ist wieder da!«, rief Tom verzweifelt. »Da, da …!« Die Hand war verschwunden.

»Du spinnst!«, sagte Lola und knallte ärgerlich die Kellertür zu. »Du spinnst total. Aber das eine sag ich dir: Ich mach den Dreck nicht weg. Das machst du. Vielleicht hilft dein Gespenst dir ja dabei.«

»Es ist da!«, brüllte Tom. »Ich hab’s gesehen, du blöde Kuh!«

»Klar, klar!«, sagte Lola und ging auf die Treppe zu. »Du hast auch schon mal ein UFO gesehen und dann war es nichts als ein stinknormales Flugzeug. Ha!«

»Da war ich noch klein!«, brüllte Tom und stolperte bebend vor Wut hinter ihr her.

»Du bist immer noch klein«, sagte Lola und nahm mit ihren langen dünnen Beinen immer zwei Stufen gleichzeitig. »Und außerdem bist du verrückt.«

Mama machte den Dreck weg. Wegen der Scherben. »Du schneidest dich sonst noch«, sagte sie. Dann schüttelte sie den Kopf und seufzte.

Papa sagte: »Der Junge hat zu viel Fantasie.«

Und Lola erzählte allen Leuten, dass ihr Bruder nun endgültig übergeschnappt sei.

Aber Tom wusste, was er gesehen hatte. Er weigerte sich standhaft, auch nur in die Nähe des Kellers zu gehen, und wartete auf den Sonntag. Denn Sonntag kam Oma zum Essen. Sie hörte ihm zu, ohne ständig die Stirn zu runzeln wie seine Eltern.

Aber bis Sonntag waren es noch drei Tage und – vor allem – drei Nächte. Tagsüber traute Tom sich kaum ins Treppenhaus und nachts starrte er mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit. Das war ja das Gemeine an Gespenstern: Man wusste nie, ob sie nicht einfach durch die Wand oder die Decke kamen.

Am Sonntag hatte Tom Ringe unter den Augen und war fix und fertig.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte Oma erschrocken, als sie ihn sah. »Bist du krank?«

»Quatsch, der spinnt nur mal wieder«, sagte Lola. »Neuerdings sieht er sogar Gespenster!«

Oma sah Tom nachdenklich an, nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm in sein Zimmer.

»Also?«, sagte sie und verschränkte die kurzen dicken Arme. »Dann schieß mal los, mein Freund. Was ist passiert?«

Und Tom erzählte. Von der zerplatzten Glühbirne, von den Eisfingern und den giftgrünen Augen, dem »Uuuaahuu« und der winkenden weißen Hand.

»Hm!«, machte Oma, als er fertig war. »Schlimme Sache, aber da kann ich dir nicht helfen.«

»Nein? Oh, na ja«, murmelte Tom und ließ den Kopf hängen.

»Allerdings«, Oma zupfte an ihrer Perlenkette, was sie immer tat, wenn sie nachdachte, »habe ich eine Freundin, die sich mit Gespenstern auskennt. Ich schreib dir mal ihre Adresse auf.«

Tom schöpfte wieder Hoffnung.

Hedwig Kümmelsaft

Gleich am Montag nach der Schule machte Tom sich auf den Weg. Er kannte die Adresse. Es war die gleiche Straße, in der dieser Zahnarzt wohnte, zu dem Mama ihn immer schleppte. Hoffentlich hatte das nichts zu bedeuten.

Omas Freundin wohnte in einem schmalen Haus mit vier Klingeln an der Haustür. Ihr Name stand neben dem obersten Knopf – Hedwig Kümmelsaft.

»Hoffentlich ist die nicht so komisch wie ihr Name«, dachte Tom, als er klingelte. Es dauerte ziemlich lange, bis jemand öffnete. Als er die dunkle Treppe hinaufstieg, hatte er ein scheußlich mulmiges Gefühl im Bauch.

Hedwig Kümmelsaft stand in ihrer offenen Wohnungstür und hob erstaunt die Augenbrauen, als Tom die Treppe hochgeschnauft kam. Sie sah kein bisschen aus wie Toms Oma. Sie war spindeldürr und sehr groß, hatte eine lange spitze Nase und einen Haufen weißer Locken auf dem Kopf.

»Ein junger Mann!«, sagte sie mit tiefer Stimme. »Na, so was. Was führt dich denn hierher?«

»Ich, äh …« Tom brachte die letzte Stufe hinter sich und rückte verlegen seine Brille zurecht. »Ähm, ich heiße Tom und meine Oma schickt mich.«

»Aha, deine Oma. Und wer ist das, bitte?«

»Ach so, ach ja. Frau Anna Berberitz. Ich soll schöne Grüße bestellen und sie sagt, Sie könnten mir vielleicht helfen. Ich – ähm –, ich kann aber nicht sehr viel bezahlen.«

»Nun, das vergiss auch mal ganz schnell, junger Mann«, sagte Hedwig Kümmelsaft und schob Tom in ihre Wohnung. »Für den Enkel meiner besten Freundin sind meine Dienste selbstverständlich kostenlos!«

»Ich koche uns erst mal einen Tee«, sagte die alte Dame, nachdem sie Tom in ihr Wohnzimmer geführt hatte. »Trinkst du ihn mit oder ohne Zitrone?«

»Mit«, antwortete Tom. Er traute sich nicht zu sagen, dass er eigentlich überhaupt keinen Tee trank.

Während Frau Kümmelsaft in der Küche herumklapperte, sah Tom sich um. Was für eine seltsame Wohnung! Überall hingen Spiegel herum – selbst der Tisch hatte einen Spiegel als Platte. Die zwei Sessel und das Sofa hatten so eine komische Form, dass man nicht genau wusste, wie man sich draufsetzen sollte. Die Lampe über Toms Kopf sah aus wie von einem anderen Stern. Und alles war rot. Der Teppich, die Gardinen, die Tapete, die Möbel – alles rot. Das einzig Normale war ein Bücherregal.

»Der Tee!«, verkündete Hedwig Kümmelsaft und stellte eine Kanne auf den Spiegeltisch, die flach wie ein Ufo war. Der Becher, den sie Tom hinschob, war rot. Tom schaufelte vier Löffel Zucker hinein. So schmeckte der Tee gar nicht schlecht, aber der heiße Dampf ließ Toms Brille beschlagen. Nach dem zweiten Schluck war er blind wie ein Maulwurf.

»Nun?«, fragte Hedwig Kümmelsaft. »In welcher Sache benötigst du meine Hilfe, junger Mann?«

Hastig putzte Tom seine Brille und beförderte sie zurück auf seine Nase.

»In unserem Keller«, er sah in der Spiegeltischplatte, dass er knallrot wurde, »in unserem Keller ist ein Gespenst!«

»Aha«, sagte seine Gastgeberin. »Darf ich fragen, um welche Sorte es sich handelt?«

»Um … um welche Sorte?«, stammelte Tom.

»Nun, es gibt sehr unterschiedliche Gespenster«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Wie genau sieht es denn aus?«

Einen Moment lang starrte Tom sie fassungslos an.

»Na, es war irgendwie weiß«, sagte er schließlich. »Und es hatte eiskalte Finger und giftgrüne Augen und … und ein scheußliches Grinsen!«

»Wie groß war es?«, fragte Hedwig Kümmelsaft.

»Ziemlich groß«, sagte Tom. »Es stieß fast an die Kellerdecke!«

»Nun, das ist keineswegs sehr groß«, stellte Frau Kümmelsaft fest. »Es gibt Gespenster, die es leicht auf die Größe eines Hochhauses bringen. Hast du etwas Klebriges auf dem Fußboden festgestellt?«

Tom nickte. »Meine Schuhe sind festgeklebt«, sagte er. Das mit den hochhausgroßen Gespenstern beunruhigte ihn sehr.

»Hast du sie wieder vom Boden abbekommen?«

»Was?«

»Deine Schuhe.«

»Äh, nein. Aber meine Schwester. Die hat sie abgekriegt.«

»Hm!« Nachdenklich tippte Hedwig Kümmelsaft sich an die spitze Nase. »Noch eine letzte Frage. Was hat das Gespenst genau gemacht?«

»Es hat an mir rumgezerrt«, sagte Tom. Von der Erinnerung bekam er gleich wieder eine Gänsehaut. »Und es hat mich mit seinen Eisfingern gewürgt und scheußlich rumgeheult!«

»Nun, dann besteht kein Zweifel, junger Mann«, sagte Hedwig Kümmelsaft, während sie Tom noch etwas Tee eingoss. »In deinem Keller sitzt ein MUG. Ein Mittelmäßig Unheimliches Gespenst. Glück im Unglück, könnte man sagen. Das ist eine Routinesache für Hedwig Kümmelsaft!«

»Heißt das, Sie können es verjagen?«, fragte Tom. Eine Welle der Erleichterung schwappte über sein verzweifeltes Herz.

»Oh nein, nicht ich«, sagte die alte Dame und zog ein dickes rotes Buch aus dem Regal. »Du selbst wirst es verjagen, junger Mann. Mit meiner Hilfe.«

Das hörte sich schon wieder gar nicht so beruhigend an. »Wie soll denn das vor sich gehen?«, fragte Tom.

»Nun, ganz einfach.« Frau Kümmelsaft blätterte suchend in dem dicken Buch herum. »Ah, hier ist es. Die Vertreibung eines MUGs. Pass gut auf, junger Mann! Ich lese es dir vor …«

Schleimspuren in der Dunkelheit

Tom saß auf seinem Bett und kaute an den Fingernägeln.

Zum neunhundertneunundneunzigsten Mal sah er auf den Wecker. Zehn vor elf.

Punkt elf musste er im Keller sein. Eine Stunde vor Mitternacht. Da sind MUGs am schwächsten, hatte Frau Kümmelsaft gesagt.

Toms Gespenster-Vertreibe-Ausrüstung lag vor ihm auf dem Teppich. »Warum muss ausgerechnet ich dieses miese Gespenst vertreiben?«, dachte er ärgerlich. »Warum hat es Lola nicht gewürgt?« Aber Jammern half jetzt auch nichts. Es musste weg – oder er würde nachts kein Auge mehr zukriegen.

Seufzend nahm Tom seine Brille ab und putzte sie noch einmal sorgfältig. Auf Frau Kümmelsafts Rat hin hatte er nur rote Sachen an. Leicht war das nicht gewesen. Die rote Strickjacke hatte er seinem Vater geklaut und die Socken Lola.

Fünf vor elf. Tom stopfte sich die heiße Wärmflasche unters T-Shirt. Pfui Teufel, scheußlich war das! Zum Glück hatte Mama nicht gesehen, wie er das verflixte Ding füllte, sonst hätte sie ihn bestimmt für todkrank gehalten.

»Wärme schreckt MUGs ausgesprochen zuverlässig ab«, hatte Frau Kümmelsaft gesagt.

»Na hoffentlich«, dachte Tom. »Lästig genug ist das Ding.«

Dann steckte er sich ein Paar Ersatzschuhe hinten in den Gürtel und hängte sich Mamas runden Spiegel um den Hals. Als Nächstes sprühte er sich von oben bis unten mit Lolas Lieblingsparfüm ein und klemmte seinen Kassettenrekorder unter den Arm.

»Musik ist eine wunderbare Waffe gegen kleinere Gespenster«, hatte Frau Kümmelsaft gesagt. »Allerdings muss es die richtige sein. Ich persönlich rate immer zu Mozart – damit kann man bei MUGs eigentlich nichts falsch machen.«

Also hatte sich Tom bei seinen Eltern diesen Mozart besorgt. Jetzt fehlte nur noch das rohe Ei. Vorsichtig ließ Tom es in die Jackentasche gleiten.

»Auf keinen Fall eine Taschenlampe, junger Mann!«, hatte Hedwig Kümmelsaft gewarnt. »Taschenlampen machen Gespenster absolut wild und wahnsinnig. Aber du wirst feststellen – man sieht im Licht, das ein Gespenst verströmt, recht gut.«

Na ja. Tom hätte sich mit Taschenlampe entschieden besser gefühlt, aber was half’s? Prüfend sah er noch mal an sich runter. »Mann, hoffentlich sieht mich so keiner«, dachte er. Dann stopfte er noch ein paar Kissen unter die Bettdecke, damit es aussah, als läge er darunter, machte das Licht aus und öffnete die Zimmertür.

Es war genau elf Uhr.

Niemand sah ihn. Wie auch? Lola lag bestimmt mit ihrem Walkman im Bett und hörte Schnulzmusik. Und Mama und Papa saßen vor dem Fernseher.

Auch im Treppenhaus rührte sich nichts. Tom beschloss, die Flurbeleuchtung vorsichtshalber nicht einzuschalten. Sonst schielte womöglich im nächsten Moment Frau Pingel auf ihn runter. Das Licht der Straßenlaterne, das durch die Flurfenster hereinfiel, reichte sowieso.

Lautlos schlich Tom an Fräulein Schmalz-Schmierigs Wohnung vorbei, an der von Familie Dackelmann und Herrn Rinaldini. Hinter allen Türen waren gedämpfte Fernsehgeräusche zu hören. »Typisch«, dachte Tom. »Ich rette das Haus vor einem widerlichen Gespenst, und die sitzen alle seelenruhig vorm Fernseher.« Tom seufzte – und blieb stocksteif stehen.

Da. Nur ein paar Stufen tiefer tanzte etwas schimmlig grün Schimmerndes vor der Tür von Hausmeister Riesenpampel.

Das Kellergespenst. Kein Zweifel.

Tom bekam eine Gänsehaut, trotz der Wärmflasche. Eine glitzernde Schleimspur zog sich die dunkle Treppe hinauf bis zu Riesenpampels Fußmatte, die so vollgeschleimt war, dass sie aussah wie ein ausgespucktes Lutschbonbon.

»Ich schleich wieder rauf«, dachte Tom. »Ich schleich jetzt mucksmäuschenstill wieder rauf. Soll der blöde Riesenpampel sich doch mit dem Ding rumärgern! Hauptsache, aus unserem Keller ist es raus.« Aber genau da – als er sich gerade umdrehen wollte – sah das Gespenst zu ihm herauf.

Es riss seine giftgrünen Augen auf, wuchs mindestens einen Meter und streckte seine Eisfinger nach ihm aus.

Tom schlotterte so sehr, dass ihm Papas Strickjacke von den Schultern rutschte. »Das war’s«, dachte er und kniff die Augen zu. »Das war’s.«

Aber die Eisfinger packten nicht zu. Stattdessen strich ein leises Stöhnen durch das Treppenhaus. Vorsichtig öffnete Tom ein Auge. Das Gespenst starrte in den Spiegel vor seiner Brust, stöhnte noch mal – und schwebte hastig die Treppe hinunter.

Toms Zähne hörten augenblicklich auf zu klappern. Das scheußliche Ding floh! Es floh vor ihm! Eins zu null und ein Hurra für Frau Kümmelsaft! Bärenmut machte sich in Toms klopfendem Herzen breit. Siegesgewiss stürmte er an Riesenpampels Tür vorbei die Treppe runter. Der Spiegel stieß ihm unters Kinn, die Ersatzschuhe flogen aus dem Gürtel, die Wärmflasche rutschte ihm fast aus der Jacke und dauernd musste er der verflixten Schleimspur ausweichen. Aber nichts konnte ihn aufhalten. Noch eine Treppe, und er war im Keller.

Heulend sauste das Gespenst vor ihm den langen düsteren Flur entlang – vorbei an den Kellertüren von Egon Riesenpampel, von Frau Pingel und Fräulein Schmalz-Schmierig. Dann drehte es sich plötzlich um, stieß ein wütendes Heulen aus – und verschwand. Durch die Tür zu Toms Keller.

Tom bremste und schnappte nach Luft. »Das wird dir gar nichts nützen!«, rief er und schloss mit bebenden Fingern auf.

Dann schaltete er den Kassettenrekorder ein, drehte auf volle Lautstärke und stürmte mit dröhnender Orchesterbegleitung in den Keller.

»Aaaiuuuuh!«, kreischte das Gespenst und wich schwabbelnd in den hintersten Winkel zurück. Tom knipste die frisch eingeschraubte Glühbirne an. Paff! Wieder zersprang sie in tausend Stücke.

»Macht nichts«, dachte Tom. »Gleich hab ich es.«

»Aaarg!«, würgte das Gespenst und verfärbte sich bläulich. Eindeutig die Wirkung von Lolas Parfüm. Tom tappte noch weiter in den dunklen Keller hinein. Da ging seinem Rekorder der Saft aus. Und so verzweifelt Tom auch rüttelte – das Ding gab keinen Piep mehr von sich. Unangenehm. Sehr unangenehm!

Sofort wuchs das Gespenst bis unter die Decke. »Uuuuaa-haha-haha!«, heulte es, blähte sich auf und spuckte einen widerlich gelben Saft auf den Spiegel. Dann schwebte es mit miesem Grinsen auf Tom zu.

»Rückzug«, dachte der – und merkte, dass er wieder festgeklebt war. Seine Ersatzschuhe aber lagen oben auf der Treppe. Mist.

»Iiiiiiieeeeehjaaa!«, jaulte das Gespenst, griff mit seinen Eisfingern nach ihm – und fuhr jammernd zurück.

Die Wärmflasche. Zwei zu null für Hedwig Kümmelsaft.

»Ha, zu früh gefreut, du Ekel!«, rief Tom und holte das rohe Ei aus der Tasche. »Und ich hab hier noch was für dich!«

Klaaatsch!, traf er das Gespenst mitten auf die bleiche Brust.

»Äääähiiii!«, heulte es. Wie wahnsinnig rieb es in dem kleckernden Ei herum. Dann fing es zu schluchzen an – und schrumpfte. Bis es einen Kopf kleiner als Tom war.

»Verschwinde aus unserem Keller!«, rief Tom. »Aber dalli!«

»Noin, noin, noin, noiiiin!«, schniefte das Gespenst und presste die eiverschmierten Finger vor sein Gesicht. »Öööhörbaharmen, oooh, bühütte!«

Verdutzt rückte Tom seine Brille zurecht.

»Üch woiß nücht, wohühün!«, heulte das Gespenst und rollte schaurig mit den giftgrünen Augen.

Von weinenden Gespenstern hatte Hedwig Kümmelsaft nichts gesagt. Verdattert setzte Tom sich auf eine Getränkekiste. War das ein Trick? Allerdings – sehr gefährlich sah das Gespenst wirklich nicht mehr aus. Es schimmerte sogar ein bisschen rosa.

»Warst du schon immer hier?«, fragte Tom.

»Blöödsünn!«, schniefte das Gespenst ärgerlich. Für einen Moment nahm es wieder seine scheußliche Schimmelfarbe an. »Moinst du, ös macht Spaß, ün diesem drüttklassigen Köller zu löben? Abör«, es schluchzte wieder los, »was bloibt mir dönn üüühübrig?«

»Wieso?«, fragte Tom. »Wo hast du denn vorher gewohnt?«

»Göht dich nüchts an!«, sagte das Gespenst und flackerte wie eine kaputte Glühbirne. »Noin, absolut nöcht.«

»Na gut, dann verschwinde!«, sagte Tom ärgerlich. »Oder ich hol eine Zehnerpackung Eier.«

»Öhörprösser!«, schniefte das Gespenst und rollte empört mit seinen Augen. »Pfüi Teuföl! Du hast ja oinen scheußlüchen Charaktör. Die Göschüchte üst viel zu trauhaurig, um sie zu örzöhlen.«

»Na, komm schon«, sagte Tom. So langsam wurde er neugierig.

»Also gut«, sagte das Gespenst und rieb wieder an dem Ei herum. »Abör dann kann üch hierbloiben.«

»Mal sehen«, sagte Tom. »Erst musst du erzählen!«

»Pfüi Teuföl!«, murmelte das Gespenst noch einmal. Aber dann ließ es sich auf einem Stapel alter Zeitungen nieder und begann …

Eine scheußliche Geschichte

In Menschensprache übersetzt hörte sich das, was Tom nun erfuhr, etwa so an:

Die eigentliche Heimat des Gespenstes war eine alte Villa am Stadtrand. Seit mehr als hundertfünfzig Jahren spukte es dort herum. Das Haus war dunkel und feucht, hatte ein kleines Echo in der Eingangshalle und all die Jahre herrlich schreckhafte Bewohner. Kurzum – das Gespenst war wunschlos glücklich gewesen – bis zum letzten Freitag …

»Ös war kurz vor Morgengrauen«, berichtete es schniefend. »Üch wollte gerade müt dem Spuken aufhören und schlafen gehön, da kam ös. Oin fürchterliches Göspenst. Grässlich und gemoin, oh, soooho gemoin! ›Deihein Haus gefähällt miiiiir!‹, heulte es, packte müch und schlöppte müch aufs Dach. Dann holte es oinfach Luft und pustete müch davon. Fort von moinem Zuhause!« Schluchzend schrumpfte das Gespenst in sich zusammen. Aber keine Träne kam aus den giftgrünen Augen, nur ein bisschen silbriger Staub.

Der Atem des großen Gespenstes hatte es bis in Toms Straße gewirbelt. Und da es schon hell wurde, suchte es sich das dunkelste, älteste Haus aus und schlüpfte in den Keller.

»Dör hier roch ganz besonders hörrlich nach Spinnen und Asseln«, schluchzte das Gespenst. »Abör jetzt«, es rang die bleichen Hände, »jötzt werde ich hür auch noch verjagt. Was soll nur aus mür werden?«

Tom nahm seine Brille ab und putzte sie. Das tat er immer, wenn er verlegen war und nicht weiterwusste. Er hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen.

»Hast du eigentlich einen Namen?«, fragte er. »Oder soll ich dich einfach ›Gespenst‹ nennen?«

»Üch hoiße Huuhuhuuugo«, schniefte das Gespenst.

»Das ist aber kein sehr unheimlicher Name«, sagte Tom und setzte seine Brille wieder auf.

»Na und? Kann üch etwas für moinen Namen?«, fragte Hugo beleidigt. »Wie hoißt du denn?«

»Tom.«

»Na, das üst auch nücht besser!«, sagte Hugo und begann wieder vor sich hin zu jammern.

»Hör schon auf. Ich hab eine Idee«, sagte Tom. »Ich kenne eine Frau, die sich ziemlich gut mit Gespenstern auskennt. Sie hat mir auch verraten, wie ich dich, äh –«, er wurde rot, »ja, also, was Gespenster nicht mögen, das weiß ich von ihr.«

»Aha, rohe Oier zum Boispiel«, sagte Hugo und bekam auf der Stelle seine Ärger-Schimmelfarbe.

Verlegen rückte Tom seine Brille zurecht. »Ja, ja, schon gut. Aber vielleicht weiß diese Frau, wie du das große Gespenst aus deinem Haus jagen kannst.«

»Moinst du?«, hauchte Hugo. Aufgeregt schwabbelte er hin und her. »Moinst du würklüch?«

»Gleich morgen frag ich sie«, sagte Tom. »Und du verhältst dich still hier unten, klar? Wegen der Schleimerei im Treppenhaus wird Riesenpampel sowieso schon ausrasten!«

»Paaaah!«, sagte Hugo – und verzog sich beleidigt hinter die Kartoffelkiste.

Gähnend stieg Tom die Kellertreppe hinauf und öffnete, jetzt nichts Böses mehr ahnend, die Tür zum Hausflur.

»Aha, Tom Schlaukopf! Du also!«, dröhnte eine wohlbekannte Stimme über seinem Kopf, und im nächsten Moment zappelten Toms Beine hilflos in der Luft. »Na warte, Bürschchen!«, knurrte Egon Riesenpampel, der ehrenwerte Hausmeister. »Jetzt wirst du schrubben, bis dir die Knie wehtun. Und das hier«, er zog Tom den Kassettenrekorder unter dem Arm weg, »das ist ruhestörender Lärm, auch wenn du dich dafür in den Keller verkriechst!«

»Lassen Sie mich los!«, fauchte Tom und trat und boxte um sich. »Ich hab überhaupt nichts gemacht!«

»Soo?«, zischte Riesenpampel, und das Zischen klang noch viel bedrohlicher als sein Brüllen. »Soo, dann guck dir doch mal meine Fußmatte an. Und die Treppe hier. Na?« Er hielt den zappelnden Tom mit der Nase genau über den Gespensterschleim. »Ist das etwa keine Schweinerei?«

»Das war ich nicht!«, sagte Tom empört. »Lassen Sie mich sofort runter oder ich schreie!«

»Na, das mach mal«, sagte Riesenpampel und grinste breit. »Dann kannst du deinen Eltern auch gleich erklären, was du um Mitternacht im Keller treibst.«

Wütend biss Tom sich auf die Lippen. Mist! Wie sollte er das erklären?

»Ha, da bist du plötzlich ganz still, was?«, lachte Riesenpampel und stellte Tom wieder auf die Beine. »Rühr dich nicht von der Stelle, klar? Ich hole jetzt einen schönen großen Eimer und einen großen Wischlappen, und dann machst du mucksmäuschenstill und fix wie der Blitz den ganzen Dreck wieder weg!«

Mit düsterer Miene und zusammengebissenen Zähnen nickte Tom. Was sollte er sonst tun?

Bis drei Uhr morgens schrubbte er das Treppenhaus. Während alle anderen im Haus – einschließlich seiner lieben Familie – in ihren warmen Betten lagen.

Ein ernstes Problem

Na, das ist ja eine Überraschung!«, sagte Hedwig Kümmelsaft, als sie Tom zum zweiten Mal in ihr merkwürdiges Wohnzimmer führte. »So schnell hätte ich dich nicht wieder hier erwartet. Haben meine Ratschläge etwa nicht geholfen?«

»Doch, doch. Ganz erstklassig sogar, aber …« Tom stellte seinen Rucksack aufs Sofa und setzte sich daneben. »Ich hab schon wieder ein Problem!«

»Aha«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Gut. Ich mache uns einen Tee.« Und schon war sie in der Küche verschwunden.

Durch den Stoff von Toms Rucksack schob sich eine weiße Hand.

»Hey, wir haben eine Abmachung!«, zischte Tom. »Du bleibst drin, bis ich es sage, verstanden?«

»Ös ist äußerst unböquem hier!«, kam es aus dem Rucksack.

Da steckte Frau Kümmelsaft ihre lange Nase durch die Tür und sagte: »Übrigens, junger Mann, sag dem Gespenst in deinem Rucksack doch, dass es herauskommen kann.«

Sprachlos sah Tom sie an.

Amüsiert verzog Frau Kümmelsaft den Mund. »Junger Mann, mir entgeht der modrige Schimmelgeruch eines Gespenstes auch dann nicht, wenn es in einem Rucksack steckt. Moment, ich ziehe noch schnell die Vorhänge zu, denn das Tageslicht würde bei deinem gespenstischen Begleiter auf der Stelle Übelkeit und starken Niesreiz hervorrufen.«

Die Vorhänge waren natürlich rot, wie alles in dem eigenartigen Zimmer.

Mit verlegener Miene schwebte Hugo aus seinem Versteck hervor, sah sich um – und sank entsetzt in sich zusammen.

»Pfui, ohoooho, pfui!«, heulte er. »Was für oin ekölhaftes Zimmör!« Er presste die weißen Hände vors Gesicht und lugte nur zwischen den Fingern hindurch. »Nüchts als scheußliches Rohoot und überall Spiegöl, öntsetzlich!«

»Tut mir leid«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Aber ich habe es manchmal mit äußerst gefährlichen Gespenstern zu tun. Und dieses Zimmer hat eine ziemlich abschreckende Wirkung auf sie.«

»Ohooho, es ist nücht auszuhalten!«, jammerte das Gespenst. Und schwups – war es wieder in Toms Rucksack verschwunden. Hedwig Kümmelsaft zuckte mit den Schultern und holte den Tee aus der Küche.

»Kommen wir zu deinem zweiten Problem, junger Mann«, sagte sie, während Tom sich wieder Unmengen Zucker in seine Tasse schaufelte. »Ich nehme an, es hat mit deinem Begleiter zu tun.«

»Allerdings«, sagte Tom und erzählte ihr die ganze traurige Geschichte.

Als er fertig war, knetete Frau Kümmelsaft nachdenklich ihre spitze Nase.

»Sososo«, sagte sie. »Ich nehme an, ich weiß, von welchem Haus hier die Rede ist. Noch vor Kurzem bin ich beim Spazierengehen an einer alten Villa vorbeigekommen, die eine ganz außergewöhnlich starke Gespensterausdünstung hatte. Tja, junger Mann, diesmal hast du wirklich ein Problem.«

Tom schluckte. »Wie … wie meinen Sie das?«

»Nun, bei diesem unangenehmen Gespenst, das deinen Begleiter verjagt hat, handelt es sich eindeutig um ein UEG – ein Unglaublich Ekelhaftes Gespenst, wie die Fachbezeichnung lautet. Und mit einem UEG, junger Mann, ist weiß Gott nicht zu spaßen!«

Tom erschrak. »Sie meinen, da ist nichts zu machen? Hugo muss in unserem Keller bleiben?«

Aus dem Rucksack war leises Schluchzen zu hören.

»Oh nein, das habe ich nicht gesagt«, antwortete Hedwig Kümmelsaft. »Aber es ist eine sehr gefährliche Sache, sich mit einem UEG anzulegen. Äußerst gefährlich. Mit Spiegeln, Musik und rohen Eiern kommt man da nicht weit!«

»Und«, Tom wagte kaum zu fragen, »was hilft gegen UEGs?«

Hedwig Kümmelsaft knetete ihre Nase, bis sie so rot wie ihr Wohnzimmer war. »Nun, da gibt es eigentlich nur eins«, sagte sie. »Friedhofserde!«

Entgeistert sah Tom sie an. »Bitte was?«

»Friedhofserde. Mindestens ein Eimer voll. Ja – und Schielen müsstest du üben, junger Mann. Schielen kann lebensrettend sein bei der Begegnung mit einem UEG.«

Die alte Dame stand auf und trat an ihr Bücherregal. »Ich werde dir etwas mitgeben«, sagte sie und zog ein kleines Buch heraus. »Hierin findest du alle Merkmale, Vorlieben und Abneigungen von MUGs und UEGs sorgfältig aufgelistet. Kapitel zwei, soviel ich mich erinnere. Studiere es sorgfältig!«

Aber Tom schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er heiser. »Nein danke. Vergessen Sie das Ganze. Meinetwegen soll Hugo in unserem Keller wohnen, bis er schwarz wird. Ich glaub, ich geh jetzt besser nach Hause.«

Aus dem Schluchzen in Toms Rucksack wurde Heulen und Zähneknirschen.

»Schade, junger Mann«, sagte Frau Kümmelsaft. »Ich wollte dir gerade meine Hilfe anbieten.«

Erstaunt sah Tom sie an. »Ja, aber Sie sagen doch, es ist furchtbar gefährlich!«

»Nun ja.« Hedwig Kümmelsaft zuckte mit den Schultern. »Das ganze Leben ist gefährlich, nicht wahr? Und dein bleicher Freund hier tut mir ein bisschen leid. Wenn wir uns gut vorbereiten – nun, dann können wir dieses UEG schon verjagen!«

»Und was ist mit der Friedhofserde?«, fragte Tom. Der Punkt beunruhigte ihn im Moment am meisten.

»Oh, das ist kein Problem. Die könnten wir schon in dieser Nacht besorgen.«

Tom runzelte die Stirn. »Nachts, wieso denn nachts?«

»Oh, vergaß ich das zu sagen? Nur Nachterde ist gegen UEGs wirksam. Was meinst du? Wollen wir uns heute Nacht vor dem Friedhofstor treffen, so gegen elf?«

»Ich … äh … ich weiß nicht«, stotterte Tom.

»Du könntest dich von deinem Kellergespenst hinfliegen lassen«, sagte Hedwig Kümmelsaft. Prüfend sah sie Tom über ihre spitze Nase hinweg an.

»Üch bin koin Kellergöspenst!«, kam es beleidigt aus dem Rucksack. »Aber üch wäre durchaus beroit zu helfen!«

»Wieso fliegen? Wie meinen Sie das?«, fragte Tom mit schwacher Stimme. Ihm wurde immer schwindliger im Kopf.

»Nun, Gespönster fliegön für gewöhnlüch«, kam es dumpf aus dem Rucksack. »Odör denkst du etwa, öch schwebe zu Fuß?«

»Nun, was sagst du, junger Mann?« Hedwig Kümmelsaft streckte Tom ihre lange dünne Hand hin. »Wollen wir zusammen diesem UEG Manieren beibringen, damit dein Gespensterfreund wieder nach Hause kann?«

Was sollte Tom darauf sagen? »In Ordnung«, murmelte er und ergriff Frau Kümmelsafts Hand.

Aus seinem Rucksack drang ein erleichterter Seufzer.

Das Buch der Gespenster

Seit wann schleppst du denn deinen Rucksack nachmittags mit rum?«, fragte Lola, als Tom nach Hause kam.

»Geht dich gar nichts an«, brummte er.

»Finde ich doch«, sagte Lola. Zack!, hatte sie ihm den Rucksack aus der Hand gerissen und schielte neugierig hinein. »Nichts, absolut nichts!«, stellte sie enttäuscht fest.

»Na klar, denn da hatte ich nur mein Gespenst drin«, sagte Tom und grinste seine Schwester an. »Und das sitzt längst wieder im Keller.«

»Witzig. Sehr, sehr witzig!«, keifte Lola ärgerlich und verzog sich vor den Fernseher.

Erleichtert ging Tom in sein Zimmer und schloss die Tür zu. Dann zog er Hedwig Kümmelsafts Buch unter der Jacke hervor, warf sich aufs Bett und begann zu lesen. Kapitel zwei, wie Hedwig Kümmelsaft ihm geraten hatte. Dort stand:

Eigenschaften von MUGs und UEGs

Es gibt zwei Hauptarten von Gespenstern, die Mittelmäßig Unheimlichen Gespenster (abgekürzt MUGs) und die Unglaublich Ekelhaften Gespenster (abgekürzt UEGs). MUGs treten recht häufig auf, während UEGs ausgesprochen selten sind – und das ist auch gut so, denn UEGs sind äußerst schwer zu vertreiben und sehr gefährlich. Ein MUG kann – nach fachmännischer Beratung – auch ein Anfänger vertreiben. Vor der Vertreibung eines UEGs durch Anfänger muss jedoch DRINGEND gewarnt werden. Es besteht ABSOLUTE LEBENSGEFAHR! Nur hoch qualifizierten Fachleuten ist es unter Aufbietung eiserner Nerven und all ihres Wissens möglich, sich einem UEG zu nähern und es – unter günstigen Umständen – zu verjagen. Eine Gegenüberstellung der Fähigkeiten, Vorlieben und Schwächen von MUGs und UEGs mag das verdeutlichen und den ehrenwerten Leser dieses Buches zu äußerster Vorsicht bewegen:

 geht durch bis zu einem halben Meter dicke Wände

 geht durch beliebig dicke Wände (nur nicht durch Spiegel)

fliegt etwa so schnell wie eine Krähe

rast mit Düsenjetgeschwindigkeit auf sein Opfer zu

verursacht bei Erscheinen Gänsehaut und Zähneklappern

siehe MUG; lässt außerdem bei Erscheinen Haare zu Berge stehen, verursacht Zittern am ganzen Körper und ständiges Über-die-Schulter-Gucken

verursacht mit Eisfingern leichtes Kälteschlottern

friert durch Eisatem Menschen ein

verrückt mit einem Blick Gegenstände bis zu 20 Kilo

verrückt mit einem Blick beliebig schwere Gegenstände und wirbelt sie durch die Luft

erzeugt Gänsehaut verursachende Geräusche

erzeugt Zähneklapper-Gliederschlotter-Herzschlagstopp-Geräusche

bläht sich bis zu drei Metern Größe auf

bläht sich zu entsetzlicher Wolkenkratzergröße auf

lässt kleinere Maschinen (Telefone, Küchenmaschinen, Bügeleisen) durchdrehen

schaltet gern Radios und Fernseher ab und lässt größere Maschinen wie Baufahrzeuge, Kräne, Eisenbahnen und Karussells durchdrehen

sondert unangenehmen Modergeruch ab

verströmt entsetzlichen Gestank, der zu Ausschlag (blaue Punkte) führt

lässt gern Glühbirnen, Blumenvasen, Kaffeetassen zerplatzen

lässt Glühbirnen, aber auch andere, beliebig große Dinge zerplatzen. Deshalb äußerste Vorsicht! Niemals einem UEG in die gelben Augen sehen, es droht Zerplatzen!

sondert schneckigen Klebschleim ab

hinterlässt eine Glitzerspur, die besser klebt als der beste Spezialklebstoff

mag keine Wärme, flieht vor Wärmflaschen, heißem Tee und Heizungen

mag ebenfalls keine Wärme, flieht aber nicht, sondern wird wild vor Wut und tobt doppelt schlimm

hat panische Angst vor rohen Eiern

Über rohe Eier kann ein UEG nur lachen.

verspürt bei Tageslicht Übelkeit und einen starken Niesreiz

Tageslicht kann einem UEG nichts anhaben.

verabscheut Parfümgeruch, reagiert mit Verfärbung, Übelkeit und Zurückweichen

Direktes Besprühen mit Veilchenparfüm bewirkt meist Zurückweichen oder vorübergehendes Verschwinden.

fürchtet und meidet Friedhöfe, wird bei Berührung mit Friedhofserde zu Staub

Gegen UEGs ist Friedhofserde vermutlich das wirksamste Vertreibemittel. Genaueres ist aber nicht bekannt.

Diese Liste hat den verehrten Leser hoffentlich endgültig davon überzeugt, dass jede Begegnung mit einem UEG unbedingt zu vermeiden ist. Sollte er dennoch – und gegen den ausdrücklichen Rat dieses Buches – so verwegen sein, sich mit einem dieser grässlichen Wesen anzulegen, so kann man ihm nur mehr Glück als Verstand wünschen.

Das war’s. Mit düsterer Miene klappte Tom das Buch zu. Er rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke.

War er eigentlich verrückt geworden? Wieso, zum Teufel, ließ er sich auf so ein haarsträubendes Abenteuer ein? Konnte ihm das mal jemand sagen? Nur wegen eines Gespenstes, das ihn zu Tode erschreckt und mit seinen Eisfingern fast erwürgt hätte? Weshalb ihn seine ganze Familie mal wieder für verrückt erklärt hatte? Durch dessen Schuld er die halbe Nacht das Treppenhaus hatte schrubben dürfen? Nein.

Entschlossen setzte Tom sich auf. Kam gar nicht infrage. Nein. Sollte das alte Ekelpaket doch da unten im Keller bleiben. Er hatte keine Angst mehr vor ihm. Man musste ja lebensmüde sein, um sich mit so einem UEG anzulegen. Am besten sagte er es ihm gleich. Dann hatte er die ganze Sache endgültig hinter sich.

»Wo willst du denn jetzt schon wieder hin?«, fragte Lola, als Tom die Wohnungstür aufmachte.

»Mit meinem Gespenst spielen«, antwortete er ärgerlich und knallte die Tür hinter sich zu.

Heulen und Zähneknirschen

He!«, raunte Tom und tastete sich in den dunklen Keller vor. »He, Hugo, wo bist du?«

»Was wüllst du dönn hür?«, kam es verschlafen aus einer Ecke.

»Ich, ehm«, Tom räusperte sich verlegen, »ich muss mit dir reden.«

»Hat das nücht Zoit?«, maulte das Gespenst. Flackernd erhob es sich aus der Kartoffelkiste. Es gähnte – und durch seinen gähnenden Mund sah Tom nichts als die Kellerwand.

»Du kannst ja gleich weiterschlafen«, sagte Tom. »Ich wollte dir nur mitteilen, dass«, er biss sich auf die Lippen, »dass ich heute Nacht nicht mitkomme.«

Fassungslos starrte Hugo ihn an. »Hoißt das, du willst mür nücht mehr hölfen?«

»Tut mir leid«, sagte Tom. »Aber du kannst ja erst mal hierbleiben. Gute Nacht!«

Rasch drehte er sich um. Am liebsten wäre er vor Scham im Kellerboden versunken.