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Martin Reiche ist ein erfolgloser Schriftsteller; ebenso wie sein Freund und Rivale Christoph Becker, wobei es den kleinen Unterschied gibt, dass Becker kürzlich den leidlich erfolgreichen Roman "Kahlmann" veröffentlicht hat. Hat Becker etwa aus dem Roman "Die Turmuhr" abgeschrieben? Auf der Suche danach, die Plagiatsvorwürfe zu beweisen, wendet sich plötzlich das Blatt. Becker und Reiche bekommen die Chance, eine Studienreise in das texanische Austin anzutreten. Dort treffen sie auf Männer, die dort hätten nie sein dürfen und sie treffen auf Gregor Kahlmann, den Helden aus Beckers Roman. Die sich anschließenden Verwicklungen nehmen rasant Fahrt auf; einzig zum Schreiben scheinen die beiden nicht zu kommen. Irgendwann endet aber auch der längste und schönste Studienaufenthalt und es geht zurück nach Deutschland. Mit welchen Ergebnissen im Koffer, wird man sehen...
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Seitenzahl: 535
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Für Johanna und Leonie – danke, dass ihr da seid!
Unsere Zeit ist eine Parodie aller vorhergehenden. Friedrich Hebbel
Keine Zeit, keine Zeit
Links und rechts der AKW
Die Strafkompanie im Einsatz
Austin, Texas – Gustafsson fährt Rad
Mehrere Kopfschütteln, die es in sich haben
Von Princeton nach Austin
Wer hat sich sowas ausgedacht?
Die Umrisse Spaniens verschwimmen
Von den Reizen der Uckermark
Ein Geheimnis wird gelüftet, ein anderes nicht
Ein weiterer misslungener Versuch
Von der Arbeit des Denkers
Ein Treffen, das Mut erfordert
Ein weiterer Protagonist stellt sich vor
Weiche Landung Austin
Ritsch, ritsch…
Zurück vom Tauchgang
Gespräche in der Bibliothek
Advantage Gustafsson
183/620 und zurück
Die Reihe der Vorlesungen beginnt
Von dem Wunsche, in der Zeit reisen zu können
Sand, Sand, Sand
Weinberg fühlt sich beobachtet
Sie haben Post!
Vom Mithören und Mitwissen in Büchern
Security Advices
Landeanflug
Das Geschenk
Klappe zu, Affe tot?
Hat sich irgendjemand schon einmal ein Bild davon gemacht, wie viel Zeit ein Schriftsteller dafür verwendet, interessante und wohlklingende Namen für die Protagonisten seiner Geschichten zu finden? Macht sich überhaupt jemand darüber Gedanken, wie kompliziert das ist, Namen wie Victor Konsky, Hagen Waltrup oder Gina Hansum zu kreieren? Oder Paula Anderborg, Wim van der Leinende, Gert Soldebaum und Clara Weckhoff? Gibt es nicht genügend Stümper, die sich überhaupt keine Mühe geben; noch nicht einmal, wenn es um die Namen in IHREN Geschichten geht? Diese Stümper, die Namen aus wildfremden Büchern und aus der Historie abschreiben, Namen wie Steven Weinberg, Kurt Gödel oder Lars Gustafsson? Oder den Namen Kahlmann erfinden? Was soll das denn sein, ein Herr Kahlmann? Klingt es demgegenüber nicht wie die Versuchung an sich, Micha Leprov zu heißen? Oder Walt Koldick?
Kennen Sie den Roman Der Zauberberg von Thomas Mann? Oder kennen Sie den Roman in Fragen von Padgett Powell? Hörten Sie je von dem Roman Kahlmann? Sie fragen sich, was das soll, ein Roman in Fragen? Und Sie kennen diese Bücher nicht? Oder Sie kennen nur eines der drei Bücher? Oder Sie kennen zwei der drei Bücher? Wenn ja, welches oder welche von den drei Büchern kennen Sie denn? Und kennen Sie es oder sie nur oder haben Sie es oder sie auch gelesen? Oder haben Sie gar alle drei Bücher gelesen? Und wenn Sie sie gelesen haben, haben Sie sie dann auch verstanden? Und Sie fragen sich, warum ich Sie das frage? Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten, warum ich gerade Sie danach frage. Vielleicht frage ich Sie, obwohl es eigentlich belanglos für die nachfolgende Geschichte ist. Und vielleicht frage ich gerade auch Sie, weil es eigentlich belanglos für die folgende Geschichte ist, weil nämlich die folgende Geschichte mit vielem zu tun haben wird; irgendwie gefühlt mit allem. Jedenfalls mit der Zeit oder doch eher der fehlenden Zeit, mit der Uckermark, mit dem fernen Amerika (von der Uckermark aus ist Amerika wohl tatsächlich fern zu nennen), mit dem Tennisspiel, mit Sand und mit Sanduhren und mit Glasscherben, mit Männerfreundschaften und mit Liebschaften, mit Füllfederhaltern, die mit violetter Tinte aufgefüllt sind, mit zehngängigen Fahrrädern, mit Walter Cronkite (Wieso fragen Sie mich jetzt, wer wohl Walter Cronkite sei? Bisher war es doch ich, der Fragen stellte, oder?) mit Flugzeugen und der königlich-sächsischen Post, mit Sätzen in Büchern und in Zeitschriften (Sätzen wohlgemerkt, die sich selbständig zu machen scheinen), mit botanischen Gärten und Tennisplätzen auf denen dem schon erwähnten Tennisspiel gefrönt wird, mit der Energieversorgung und mit Zeitreisen, mit Konstruktionsbeschreibungen, mit Eisenbahnfahrten und mit den dazugehörigen Bahnhöfen, mit den ersten drei Minuten unseres Universums und mit dem Unvollständigkeitssatz von Kurt Gödel und mit Kurt Gödel selbst und mit weiteren Menschen, mit unserem Alphabet und der Kompliziertheit, es in seiner Gänze zu Papier zu bringen, mit der Lokalzeitung und mit Diktiergeräten, mit kleinen Parks am Ende der Straße, mit Bücherregalen in Stadtbibliotheken und in Universitätsbibliotheken… das Buch befasst sich offenkundig eben doch mit allem und… mit nichts, mit… nun, lassen Sie sich doch einfach überraschen.
Halt, halt, halt, Sie müssen jetzt das Buch nicht so abrupt beiseitelegen. Fühlen Sie sich doch bitte nicht ertappt dabei, wenn Sie den Roman in Fragen nicht kennen. Den können Sie doch noch immer lesen, nachdem Sie dieses Buch hier gelesen haben, eben nachdem Sie versucht haben, die vielen Enden von Fäden, die ausgelegt werden, zusammenzubinden, so gut zusammenzubinden, wie es vielleicht nicht einmal dem Autor gelingen kann.
So lassen Sie doch Ihrer Phantasie (oder sieht Fantasie besser aus?) endlich einmal freien Lauf und folgen Sie unseren Helden, streiten Sie endlich mit Kahlmann, dem Weitgereisten – oh, wir wollen nicht vorgreifen, er möge entschuldigen… Sie können ja das Buch immer noch in die Ecke werfen, nach den ersten dreißig Seiten meinethalben, oder den ersten vierzig. Dann können Sie ja wieder zu dem Althergebrachten wechseln, zu dem Althergebrachten, das Ihnen um so vieles weniger Verständnisschwierigkeiten bereitet, zu dem Stromlinienförmigen, zu dem weniger kantigen, ohne Grat und ohne Widerhaken – aber versprechen Sie mir, wenigstens den Versuch zu wagen!
Fast hätte ich es vergessen: Neben all dem Erwähnten dürfte eine zentrale Rolle in der Geschichte, die Sie ja jetzt schon begonnen haben zu lesen, ein brauner Lederkoffer spielen. Ja, solch ein Koffer, mit dem man heute auf einem Flughafen schon fast auffallen würde, ein zerschundener Lederquader, dem man zutrauen würde, mit Sprengstoff bis obenhin inklusive scharf geschaltetem Zünder gefüllt zu sein.
Nun gut, bevor wir endgültig in die Geschichte einsteigen, klappen wir den Koffer auf, was werden wir darin wohl alles finden? Also langsam die halb angerosteten Messingbeschläge, diese manchmal klemmenden Schnappverschlüsse, nach rechts und links gedrückt. Klack rechts. Klack links. Jetzt vorsichtig den Deckel anheben und in der oberen Stellung arretieren. Dazu die mittig in Scharnieren gelagerten Blechschienen ganz durchdrücken; ein wenig über den gestreckten Winkel hinaus, ja, so dass sie einrasten und dem Deckel des Koffers gegen den Rückfall sichern. Na, hier sieht es ja gemischt aus. Was fällt uns denn da als erstes ins Auge? Natürlich Bücher. Ah, da liegt ja der Zauberberg. Soso, Sie geben zu, ihn nicht zu kennen. Jetzt geben Sie es also zu! Endlich. Aber nicht weiter schlimm. Sie werden ihn sicher irgendwann noch lesen. Vielleicht werden Sie ihn ja geradezu verschlingen wollen, wenn Sie dieses Büchlein hier endlich geschafft haben?
Ach, gut, das eine will ich Ihnen dann doch noch verraten. Ein zentrales Motiv im Zauberberg ist die Zeit und wie wir ihren Fluss fühlen, mal langsam mal schnell, wo sie doch im Hintergrund in absoluter Gleichförmigkeit abläuft. Wieso ist es dann so, dass die eine Minute für uns zur Stunde werden kann, wo andererseits uns ganze Tage nur wie Stunden vorkommen?
Aber kramen wir noch ein paar Minuten in diesem schönen (wir beginnen bereits, ihn zu lieben) Lederkoffer, der den morbiden Charme vergangener Zeiten in so sympathischer Art verströmt. Neben diesem ganzen Stapel Bücher – wie gesagt, mit dem Zauberberg ganz obenauf – steht ein Tintenfässchen. Sogleich fragen wir uns, wer wohl heute noch Tinte in diesen kleinen Glasfläschchen benutzt. Und dann wird es wohl noch ein Stück verrückter, denn neben der Tinte liegt ein angebrochenes Behältnis mit Graphitfett, wie man es zum Schmieren von Fahrradketten benutzt. Wir sind geneigt, nach diesem aus alter und mehrfach verstärkter Pappe bestehendem Schächtelchen mit dem Fett zu greifen, aber Vorsicht, der Deckel scheint nur mangelhaft zu schließen… Und daneben wiederum finden wir eine Spule. Und was ist auf dieser Spule aufgewickelt? Es sieht aus als wäre es eine Art Draht aus irgendeinem Kunststoff, solch ein Material, das man zum Bespannen von Tennisschlägern nutzt. Aber jetzt, jetzt wird es noch interessanter: In dem Koffer beginnt es zu blinken und wenn wir genau hinschauen sind es Tausende und Abertausende Lichter in Rot, Grün und Blau und wenn wir noch genauer hinschauen, dann stellen wir fest, dass diese Lichter keinesfalls wahllos angeordnet sind – ähnelt die Anordnung der Lichter nicht die Befeuerung einer Landebahn auf einem Flughafen? Aber was ist das? Nein, das glauben wir jetzt nicht! Am Ende dieser Landebahn sehen wir deutlich eine große und ganz offenbar aus Stahlbeton errichtete Kuppel. Sie ähnelt sehr, zu sehr, dem Teil eines Atomkraftwerkes, der den Reaktor beherbergt. Ach ja, und daneben ein Kühlturm in seiner unverwechselbaren Form. Aber das, so nehmen wir uns fest vor, tun wir uns nicht an, wir werden also keinesfalls bis zu dem Atomkraftwerk gehen, das lehnen wir ab, radikal! Wir wenden uns nach links und lassen die blinkenden Lichter der Landebahn rechts liegen: Sand, nichts als Sand. Es muss wohl eine Sandwüste sein, stellen wir beunruhigt fest. Aber unsere Unruhe hatte offensichtlich keinen Grund, denn bei genauerem Hinschauen erkennen wir, dass am Rande der Sandwüste Menschen damit beschäftigt sind, Sand zu gewinnen und zu verarbeiten. Es macht uns froh zu sehen, dass wir nicht allein in dieser Wüste sind. Aber was tun die Männer (wir stellen im Unterbewusstsein fest, dass es wiedermal nur Männer sind, die wir sehen)? Sie schaufeln Sand auf Förderbänder und nach seinem Transport nach oben fällt der Sand in Filter unterschiedlicher Weite und das in mehreren Arbeitsschritten. Und ganz am Ende steht eine Art Abfüllmaschine, die den Sand in aufgereihte Sanduhren abfüllt. Eine nach der anderen wird mit dem Sand abgefüllt. Und es hat den Anschein, dass noch Millionen und Abermillionen Sanduhren zu befüllen seien. Und auch ziemlich große Exemplare sind darunter…
Seltsam, es hat den Anschein, als würde der Koffer, je länger wir in ihm wühlen, immer größer. Oder werden wir etwa kleiner? Oder sollte beides zutreffen? Besteht schon Gefahr, dass wir in ihn hineingezogen werden? Einen letzten Blick also, dann reißen wir uns ganz bestimmt los – ganz bestimmt. Und wem gilt dieser letzte Blick? Einem Buch natürlich. Hier, es liegt unter dem Zauberberg. Also den Zauberberg beiseitegeschoben – ah, ja, ein weißer Einband umgibt einen ziemlich dicken Wälzer und mitten auf dem Cover prangt in lackiertem Druck eine Eidechse, verhalten olivgrün glänzend. Erst jetzt lesen wir den Titel, dessen Lettern uns von nun an nicht mehr loslassen werden: KAHLMANN.
Und mit diesen acht Buchstaben fest eingebrannt im Gedächtnis steigen wir nun ein in unsere Geschichte, von der wir jetzt noch nicht wissen, wie viel Zeit in ihr vergehen wird, in der sie uns in ihren Bann zieht; zehn Stunden, zehn Tage, zehn Wochen oder gar zehn Monate? Zehn Jahre werden es, Herr im Himmel sei dem vor, ja nicht gerade sein. Und somit fangen wir an.
„Becker, du Verbrecher!“, ich sagte es leise, aber so, dass man es hören musste. Nur meiner guten Erziehung und der Angst vor möglicherweise falschen Schlüssen, die Martina hätte ziehen können, war es zu verdanken, dass ich das vermaledeite Buch nicht in hohem Bogen in den Kamin warf, in dem orange leuchtende Buchenholzscheite vor sich hin glühten. „Becker, du elendiger Verbrecher“, murmelte ich noch einmal, als ich das Buch geräuschvoll zuklappte. Fünfzig Seiten hatte ich jetzt in diesem Becker-Roman mit dem, wie ich meinte, geistlosen Titel Kahlmann gelesen und so sehr ich mich auch anstrengte, das Buch idiotisch zu finden, es gelang mir nicht. „Und“, fragte Martina, an irgendeiner Handarbeit nestelnd, vom Sofa her, „wie liest sich denn dieser Stahlmann?“ – „Kahlmann, Kahlmann, mit K“, sagte ich in einem Ton, der nichts Gutes für den Fortgang unseres Gesprächs besagte. Martina blieb ruhig: „Aber das ist ja nun alles andere als die Antwort auf meine Frage“, – ja, so kannte ich meine Frau, Lockerlassen, wenn man merkt, dass der andere sich quält, das war nicht ihr Ding. Martina hatte zum Häkeln oder Sticken oder was weiß ich, was sie tat, ihre Lesebrille aufgesetzt; jetzt schaute sie mich über den Rand der Gläser hinweg an, auf eine Antwort wartend. Aber ich schwieg. In die Gemengelage der im Raum stehenden Frage, gemischt mit meinem Schweigen, tröpfelte nur das Vor-sich-hin-Knistern der Buchenscheite ein, vielleicht noch angereichert durch das Knattern eines Mopeds, das sich den Hang hinauf quälte und das man von der Straße her hörte. „Welcher Idiot fährt denn bei dem Schneematsch noch mit `nem Moped draußen rum?“, vielleicht ließ sich Martina ja auf diese Art und Weise ablenken. Weit gefehlt, denn vom Sofa her vernahm ich deutlich: „Ist auch nicht die Antwort, ich weiß immer noch nicht, wie sich dieser Stahl…hmmm Kahlmann liest.“ Ach, leck‘ mich, dachte ich, lies doch selber, wenn du es genau wissen willst, kannste halt ein Häkeldeckchen weniger zu Weihnachten verschenken. „Hmmm, geht so“, log ich, denn dass ich das Buch bei Seite fünfzig zugeklappt hatte, war nicht als Reaktion darauf zu verstehen gewesen, dass es mich nicht gefesselt hätte. Gefesselt hatte es mich leider von der ersten Seite an und dass ich aufhörte zu lesen, war reiner Frust (Reiner Frust, auch kein schlechter Name für einen Romanhelden, dachte ich genau in dem Moment, in dem wieder der Schriftsteller in mir durchkam; auf der Suche nach Namen, nach Gegebenheiten, nach… nach allem halt). Tja, dachte ich dann weiter, wenn mir alles beim Schreiben so leicht von der Hand ginge, wie die Namen für meine Romanhelden zu finden, tja, das wäre schon Spitze.
Martina, die im richtigen Leben (wie ich diesen Begriff liebte!) als Verkäuferin in einem Supermarkt arbeitete, hatte sich inzwischen einen Tee gemacht. Versonnen zog sie nach exakt drei Minuten den Teebeutel, der einer minderjährigen Maus, die sich soeben ertränkt hatte, nicht ganz unähnlich war, aus der Teetasse, legte ihn auf den Teelöffel und wickelte nun die paar Zentimeter Zwirn, die das kleine Pappschildchen, auf dem man die Teesorte ablesen konnte mit dem Beutel verband, um den Löffel, und zwar so, dass die noch im Teebeutel verbliebene Flüssigkeit aus dem Aufguss gepresst wurde und Tropfen für Tropfen in die Teetasse perlte. Dieser Vorgang dauerte bei Martina nicht weniger als zwei Minuten; wahrscheinlich war das kleine Kissen mit dem pulverisierten Tee inzwischen trocken, dachte ich. „Was heißt, hmm, geht so?“, Martina war so gnadenlos und unerbittlich! Ich musste in dem Moment daran denken, wie sie schon Leute zur Weißglut gebracht hatte, weil sie im Supermarkt an der Kasse sitzend und selbst mit nicht ausreichend Wechselgeld ausgerüstete Kunden dazu gebracht hatte, den Inhalt ihrer Geldbörsen auf das Warentransportband zu schütten – „na, da haben wir doch den Zweier, den wir gesucht haben“. Die Kunden räumten dann ihre Portemonnaies wieder ein, natürlich immer unter den gestrengen Blicken Martinas. Und wenn jemand weiter hinten in der Reihe stöhnte, weil es nicht weiter ging, dann hatte es Martina sogar drauf, den die Geldbörse wieder befüllenden Kunden vorwurfsvoll anzusehen und mit den Augen auszudrücken: Müssen sie denn hier alles aufhalten? Vorerst aber wollte meine Frau von ihrem Mann, der es als Schriftsteller ja wissen musste, nur erfahren, wie ihm denn der neue Becker-Roman gefalle, und zwar mit ein paar mehr Worten als diesem einsilbigen „hmmm geht so“.
Immer noch das Buch vor mir auf dem Tisch, musste ich daran denken, welche Mühe ich mir gemacht hatte, es zu besorgen. Eigentlich hätte ich es ja ganz einfach bei einem Internet-Händler bestellen können (ein Buch dabei – portofrei!) aber nicht ich, nicht der große Schriftsteller Martin Reiche, der Bücher angreifen musste, wenn er sie kaufen wollte, wie um festzustellen, ob sie auch passten, über den Schultern nicht spannten, die Ärmel nicht zu kurz oder zu lang wären. Gerade weil ich ja selbst Schriftsteller war, gestaltete sich das Beschaffen von Büchern für mich als kompliziertes Unterfangen. Handelte es sich um Bestseller, munkelte man bald, ich wolle wohl auch mal in einem guten Buch lesen oder womöglich gar abschreiben; handelte es sich um den ganz gewöhnlichen Schund, der zentnerweise die Bretter in den Regalen der Buchläden bis auf ein bedenkliches Maß zum Durchbiegen brachte, fragte man sich, auf welches Niveau ich wohl abgesunken sei. Die Leute hätten sich wahrscheinlich am wenigstens gewundert, wenn ich gar nicht gelesen hätte.
In der Landesinnung unseres Schriftstellerverbandes jedenfalls – ich war Schatzmeister, nicht weil ich so gut mit Geld umgehen konnte, sondern, weil (meine Kollegen hatten das feixend gesagt) bei mir keine Gefahr bestünde, dass ich etwas veruntreute, mit meinem einfachen Gemüt – war längst bekannt, dass Becker einen neuen Roman auf den Markt warf. Über tausend Seiten, munkelte man. Über tausend Seiten Schrott, sprach ich mir damals noch Mut zu. Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Schwarte zu ignorieren, bis mir Martina – sie selbst war wahrscheinlich sogar der Meinung, dass das treusorgend und die Pflicht einer Ehefrau sei – fein säuberlich ausgeschnitten eine Rezension auf den Schreibtisch drapierte, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Drei Spalten im Neuen Boten, unserer renommierten Lokalzeitung mit einer Auflage von immerhin zweihunderttausend Exemplaren (ich überschlug im Kopf und stellte mit dem Gefühl der sich aufrichtenden Nackenhaare fest, dass das bedeute, dass rund vierhunderttausend Menschen die Möglichkeit hätten, diese Rezension zu lesen) in der Mitte eine große Abbildung mit Christoph Becker, der sein Buch Kahlmann vor einem mit Büchern vollgestopften Regal grinsend in die Kamera hält, und dazu Sätze wie „wird ein völlig neues Kapitel zeitgenössischer Literatur aufgeschlagen“ oder „wird Eingang finden in das, was bleiben wird“ oder „einfach genial und genial einfach“ oder „sucht seinesgleichen unter den heutigen Schriftstellern“. Mich wunderte, dass Martina das Wort „seinesgleichen“ nicht rot angestrichen hatte und vielleicht noch mit einem Pfeil versehen hat, der auf mich zeigte. Immer. Und immer wieder.
Ja, was ich hätte alles tun können, um mich zum neuen Becker bemerkbar zu machen; ich hätte den Kulturredakteur des Neuen Boten anrufen können, um ihn zu fragen, was Becker denn hatte springen lassen, für diese tolle Rezension. Aber das getraute ich mir schon deshalb nicht, weil besagter Kulturredakteur wahrscheinlich nur hämisch am Telefon gelächelt hätte. Hämisch gelächelt deshalb, weil er sich gut daran erinnert hätte, mit welchen Tricks und Kniffen ich nach dem Erscheinen meines ersten kleinen Buches versucht hatte, mir den Mann gefügig zu schmieren. Da war die Einladung zu einer kleinen exklusiven Lesereise mit weiteren Schriftstellern aus unserem Landesverband – natürlich von Freitag bis Montag und natürlich nur in die besten Hotels in alten Schlössern – nicht einmal nur gefühlt war das eine Veranstaltung mit klar bestechlichem Hintergrund. Ich weiß nicht mehr, wie teuer die damalige Reise gewesen war, für mich und den Verband, der sich an den Unkosten beteiligt hatte. Aber ich weiß noch, dass besagter Kulturredakteur damals auch etwas geschrieben hatte zu meinem kleinen Bändchen – „…war Martin Reiche versucht, auf dem nicht leicht zu beschreitenden Weg, den Plot spannend zu halten, mit interessanten sprachlichen Mitteln zu agieren; leider ist der Versuch aus der Sicht des Rezensenten nur teilweise geglückt…“ – und so weiter und so fort. Ganze Dreizehn Zeilen, in irgendeiner Dienstagsausgabe, pfui, schäm dich doch! Und dafür hat der schon am ersten Abend mindestens zwei Flaschen Champagner allein gesoffen. Whisky – nicht zu knapp! Rotwein sowieso, immer, schon zum Frühstück. Erstaunlich, dass der in seinem Suff die dreizehn Zeilen in den Laptop hacken konnte, oder hat den missratenen Text auch noch die Dame geschrieben, die der mit hatte, eine Bekannte, olala, eine Bekannte, ich hab auch Bekannte… An der Stelle ein verstohlener Blick zu Martina, die weiter an ihrer Handarbeit werkelt – danke Martina!
Oder einen Leserbrief hätte ich schreiben können, unter falschem Namen, zum Beispiel unter dem Namen Andrea Chatwin, mit der ich sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Andrea ist Martinas Freundin. Und das Hühnchen zu rupfen habe ich Grund, weil Andrea immer – ich betone immer – in den allerunpassendsten Momenten stört. Zum Beispiel sonntags, wenn es mir fast gelungen ist, Martina zu einem Mittagsschlaf zu überreden – natürlich nicht, weil ich wirklich müde bin, sondern nur, weil ich Lust auf ungestörten Sex habe – wenn also Martina fast soweit ist, mir in das Schlafzimmer zu folgen, höre ich, schon unter der Dusche, ein Geräusch, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt: das Schellen des Telefons. Oh, diese vermaledeite Melodie, denke ich, noch in der Hoffnung, dass es Martinas Mutter sein könnte, mit der sie nie lange spricht. „Du bist‘s, schön dass du anrufst!“, ich weiß immer noch nicht, wer am anderen Ende der Strippe ist. Vorsichtshalber stelle ich die Dusche ab und lausche – schon nach Sekunden wird mir klar, dass es nur Andrea sein kann, denn Martina ist nach wenigen Sätzen in einen Plausch mit ihrer Freundin verfallen, der jetzt noch ein bis zwei Stunden anhalten kann. Prima Sex, denke ich, steige aus der Duschkabine und habe schlechte Laune.
Zwei Stunden später, ich habe versucht, ein Stündchen zu schlafen, was mir aber wegen der ständigen Präsenz des nicht stattgefundenen Beischlafs mit meiner Frau nur andeutungsweise gelungen ist, ruft Martina aus der Küche: „Andrea hat angerufen!“ – „Prima, lebt sie also doch noch“, gebe ich gereizt zurück, was wiederum bei meiner Frau ein verstörtes Gesicht hervorruft. Ein böser Leserbrief zu Beckers Kahlmann mit dem Absender Andrea Chatwin wäre also sicher eine schöne Strafe gewesen, für Becker und für Andrea. Und für meine Frau.
Natürlich hätte ich auch noch eine viel bessere Strafe für Becker auf Lager gehabt: Ich hätte selbst nur ein besseres Buch schreiben müssen. Aber diese naheliegendste der Strafen war leider auch mit den größten Schwierigkeiten für mich verbunden. Ich musste nämlich schreiben, beharrlich, einfallsreich, in einem ansprechenden Plot… Warum fällt es Schriftstellern eigentlich häufig so unsagbar schwer, ihren Beruf auszuüben? Gar nicht auszudenken, wenn Busfahrer nicht Bus fahren könnten, Schornsteinfeger nicht schwindelfrei wären oder Holzfäller sich weigerten, Bäume zu fällen, weil sich das nicht mit ihren ethischen Naturschutzvorstellungen deckt. Nur wenn Schriftsteller sich zu dumm anstellen, einen einzigen halbwegs sinnvollen Satz an einem ganzen Vormittag aufs Papier zu bringen, wird das als „kreative Leere“ gedeutet. Und mit welchen ausgefeilten Mitteln ich versucht hatte, diese Leere zu überlisten. Einmal dachte ich, dass es besser würde, wenn ich fortan nur noch mit Füllfederhalter schriebe. Ich war auf diesen tollen Einfall nicht ganz von selbst gekommen; irgendwie hatte ein anderer Kollege, Ulli Tellmann, der mit seinem Roman mit dem Titel Die Turmuhr (auch so ein „Fastzwei-Kilo-Buch“), für einigermaßen Furore gesorgt hatte, mir ein Licht aufgehen lassen. Tellmanns Roman spielt in einem luxuriösen Villenviertel in einer barocken Stadt, in der er selbst wohnt. Und Tellmann lässt Authentizität und Fiktion miteinander in seinem Roman spielen, was heißen soll, dass man einen Teil der im Roman beschriebenen Häuser auch tatsächlich an den nach Nordwesten hin leicht ansteigenden Hängen an dem Strom, an dem die Stadt liegt, stehen sehen kann. Nachdem also der Roman meinem Kollegen Tellmann (grüßt der mich eigentlich noch, nachdem er irgend so einen Preis für sein Buch bekommen hat?) einige Berühmtheit eingebracht hat, sind gleich auch die Trittbrettfahrer aktiv geworden und es dauerte nicht lange, und es wurden thematische Stadtführungen mit dem Titel „Auf den Spuren der Turmuhr“ in besagtem Villenviertel angeboten. Als ich einmal ganz sicher war, dass Tellmann zu einem Studienaufenthalt (woher hatte der immer diese Stipendien?!) weilen musste, buchte ich mich in solch eine Führung ein. „Und jetzt“, die Stimme des narzisstischen Stadtbilderklärers wurde verschwörerisch leise, „nähern wir uns dem Wohnhaus von Ulli Tellmann.“ Dann erzählte er uns, dass er selbst schon bei ihm gewesen sei und Tellmann ihm dreißig Seiten Originalmanuskript geschenkt hatte – weil er sich so rührend um die Vermarktung der Turmuhr bemühe. Der Stadtbilderklärer griff in seine Umhängetasche und zauberte eine Mappe hervor, die die Kopie einer angeblichen Originalmanuskriptseite der Turmuhr enthielt. Die hielt er uns, sie im Bogen langsam schwenkend, vor die Augen. Andächtiges Schweigen breitete sich aus. Ich erlaubte mir, weiter zu atmen. Dann kam aus der Runde (nicht von mir!) die Frage, wieso denn Tellmann noch mit der Hand schreibe. Der Stadtführer lächelte verzückt: „Aber etwas für das Literaturarchiv in Marbach muss doch bleiben!“
Marbach hin, Marbach her, ich wäre ja schon froh, wenn mein Buch endlich irgendwie fertig würde. Aber vielleicht nützte die Nummer mit dem Füllfederhalter ja etwas. Also kaufte ich ein entsprechend teures Gerät, befüllte es mit Spezialpatronen (nachfüllbar – angeblich, was unbewiesen bleiben muss, weil ich es nie versuchte), brachte das Gerät wie eine Waffe in Anschlag und … kritzelte drei Worte auf das karierte Papier. „Ganz zu Anfang“ stand nun in krakeliger Schrift auf einem Blatt und nahm gerade mal drei Prozent der DIN-A-4-Seite ein. Nach fünf Minuten fuhr ich mit der Hand vorsichtig über die Worte: prima, trocken war die Tinte schon mal. „Ganz zu Anfang“ – ich starrte auf die drei Worte, bis sie verschwammen. Dann versuchte ich, die Augen wieder scharf zu stellen, was mir nur bedingt gelang. „Glanz nun langsam“ las ich jetzt, nicht mehr ganz sicher, was ich damit ausdrücken wollte. Ich blickte noch immer wie gebannt auf das Blatt. Meine Augen hatten leicht angefangen zu Tränen, was einen neuen Halbsatz zutage brachte: „Gans und Sandmann“ – damit wiederum konnte ich nun noch weniger anfangen als mit „Glanz nun langsam“. Nach einer Viertelstunde und drei weiteren ebenfalls wenig sinnvollen Versionen meines ersten Teils des ersten Satzes fiel mir – völlig überraschend, weshalb ich irgendwie erschrak – die Fortsetzung meines Geschichtenbeginns ein: „Ganz zu Anfang“ (ja, ich weiß, das stand schon da) „sah alles noch so aus, als wenn es sich wieder einrenken würde.“ Ich griff zum Füller, um den zweiten Halbsatz, den ich bis dahin nur leise vor mich hingemurmelt hatte, zu Papier zu bringen. Ich setzte die Feder im richtigen Abstand hinter das Ende von „Anfang“ und wollte schreiben – ja was, ich hatte den zweiten Teil des Satzes wieder vergessen. Ich grübelte und drückte dabei die Feder so gegen das weiße Papier, dass sie sich bedenklich bog. „Ganz zu Anfang“ las ich, aber ich wusste wieder nicht weiter. „Kratschsch“ – aus der abgebrochenen Feder quoll schwarze Tinte auf das Blatt – jetzt konnte ich nur noch „Ganz zu Anf“ lesen, „ang“ war leise röchelnd in einem schwarzen See ertrunken. Ich warf den Füller weg.
Ein andermal versuchte ich, bei ausgiebigen Spaziergängen zu dichten. Dazu besorgte ich mir ein Diktiergerät der Marke Samsung inklusive Batterien zum Preis von 19,90 Euro. „Nehmen Sie nicht den billigsten Schrott, Herr Reiche“, hatte die freundliche Verkäuferin gesagt und mir verschwörerisch zugelächelt, bevor sie mir ein Handbuch von der Dicke eines mittleren Telefonbuchs über den Ladentisch schob: „Die Bedienungsanleitung, in acht Sprachen, deshalb etwas voluminös.“ Das Wort „voluminös“ hätte ich ihr gar nicht zugetraut, dachte ich in dem Moment, als ich mit einem Zwanzig-Euro-Schein bezahlte und das mit viel Styropor und reichlich Pappe umhüllte Gerät nebst des Telefonbuchs in einen Plastikbeutel gleiten ließ. „Na dann, viel Spaß beim Diktieren“, rief mir die nette Verkäuferin hinterher, als ich aus dem kleinen Laden trabte, um schnell nach Hause zu kommen, denn ich wollte das Gerät sobald wie möglich ausprobieren. Zu Hause angekommen riss ich die Verpackung auf und versuchte, die Batterien in das Gerät einzulegen. Die Bedienungsanleitung hatte ich schon nach zwanzig Sekunden entnervt zur Seite geschoben, denn es war schon schwierig, den deutsch geschriebenen Teil in dem daumenstarken Büchlein zu finden, geschweige denn dafür zu sorgen, dass die einmal gefundene Seite aufgeschlagen blieb, denn nach einem Blick in das Buch musste ich natürlich das Gerät zur Hand nehmen, was unweigerlich damit verbunden war, das Buch beiseite zu legen, was wiederum damit einher ging, dass sich die Seite mit der in Deutsch geschriebenen Anleitung von selbst verblätterte… Nach zwanzig Minuten waren die Batterien in dem Gerät und ein erster Funktionstest verlief positiv. „Eins, eins, eins, zwo, drei“, knarrte es in meinem Arbeitszimmer, nachdem ich die Wiedergabetaste gedrückt hatte. Ich spulte zurück, warf mir den Mantel über, steckte das Gerät in die Manteltasche, griff vorsichtshalber noch nach einem Schirm und war mir sicher, heute endlich den Durchbruch bei meinem neuen Buch zu schaffen.
Es war einer dieser Herbsttage, wie ich sie liebte. Die Temperaturen waren noch angenehm, sicher um die achtzehn Grad, es regnete nicht, auch wenn sich immer mal wieder Wolkenberge auftürmten und der Wind zerzauste einem die spärlicher werdenden Haare, dass es eine Freude war. Dazu ließ sich immer wieder auch für längere Perioden die Sonne blicken, strahlte schon tiefer über den Häusern stehend in die Gärten und brachte die noch vorhandenen Blätter in den Bäumen zum Glühen. So bekommt man den Kopf frei, dachte ich, so lässt sich arbeiten. Zielstrebig steuerte ich auf den Park am Ende unserer Straße zu. In dem kleinen Areal, das einstmals der Park zu einer Fabrikantenvilla war, ging ich gerne spazieren. Die Wege waren gepflegt und man hatte im allgemeinen seine Ruhe, verirrten sich doch nicht allzu häufig Besucher oder Jugendliche mit Fahrrädern oder Skatboards hierher. Ich ging durch das gusseiserne Tor, das immer offenstand und betrat meine kleine heile Welt. Ich verlangsamte meine Schritte, ein Griff in die Manteltasche sagte mir, dass auch das Equipment stimmte, denn das Diktiergerät mit seinen abgerundeten Ecken fühlte sich gut an und gab mir Sicherheit. Nach einigen Schritten hatte ich den Faden gefunden. Ich legte mir den ersten Satz im Kopf zurecht, nahm das Gerät aus der Tasche, drückte den Aufnahmeknopf und sprach: „Peter aber konnte einem Friedensangebot nie und nimmer zustimmen, dass wusste er schon in dem Moment, in dem er Mark die Hand reichte. Er würde alles daran setzen, als Sieger vom Platz zu gehen.“ Im Mittelpunkt der Geschichte, die ich gerade schrieb, standen zwei Jugendliche, die sich beide in das gleiche Mädchen verliebt hatten und nun, nachdem klar war, dass das Mädchen sich nicht würde entscheiden können, versuchten, in einer Art Wettbewerb auszuspielen, wer Anspruch auf die wahre Liebe der Schönen hatte. „Also stimmte er zwar pro forma zu, wusste aber in dem Moment schon, dass er alles tun würde, die Abmachung auf keinen Fall einzuhalten.“ Ich drückte den Halt-Knopf. Der böige Wind strich mir um den Kopf. Ich war mit den beiden Sätzen, die nun auf dem Speicher des Diktiergerätes fest eingebrannt waren, zufrieden. Daraus würde sich etwas entwickeln lassen, ein handfester Konflikt, um dessen Auflösung ich mir in dem Moment noch keine Gedanken machen musste. Ich hatte das Diktiergerät und Tage, die sich anböten, im Park zu diktieren, würde es noch wie Sand am Meer geben. Wie gesagt war der Park nicht gerade riesig; nach sieben Minuten war man den Rundweg bei normalem Tempo einmal abgegangen. Ich lief an jenem Tag mindestens zehn Runden und hatte nach meinem ausgiebigen „Diktier-Spaziergang“ so um eine halbe Stunde herum gesprochen und kluge Sätze auf das Speichermedium gebannt. Ich kontrollierte den Batteriestatus; alles noch im grünen Bereich. Als ich das Gerät wieder in die Manteltasche gleiten ließ, spürte ich noch einmal deutlich die befreiende Wirkung des böigen Windes. Das einzige, was mir dazu einfiel war, dass ich vielleicht hätte eine Mütze aufsetzen sollen – wegen der Ohren, ich war manchmal etwas empfindlich auf den Ohren. Wenn ich wieder zu Hause wäre, würde ich alles Geschriebene sofort in meinen Rechner tippen, nahm ich mir vor und steuerte den Heimweg an.
Zu Hause angelangt brühte ich mir zuallererst einen großen Pott schwarzen Tee auf. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch, fuhr den Computer hoch und stellte das kleine Diktiergerät neben denselben. Ich schaute das kleine mattschwarz glänzende Gerät an; irgendwie war ich von meiner guten Idee mehr als begeistert. Dann spulte ich zurück bis zum Anfang und drückte auf Wiedergabe: „Pssschhhciehhhhhüühhhriedens sshhchcccihehhehhhhyhyhhhhheiihhmmer zusticchchhccihhehehhhyyte er schon in deccchhchciheheuussshhhiiehhynt, in dem er Mark schhchhcciiuuuhhhiieeehhwürde alles daran setzen, alyyyhhiihhuhhhhhuutz zu ssccsshhiegen.“ Ich spulte noch einmal zurück und drückte die Wiedergabetaste. Das gleiche Ergebnis: „Pssschhhciehhhhhüühhhriedens sshhchcccihehhehhhhyhyhhhhheiihhmmer zusticchchhccihhehehhhyyte er schon in deccchhchciheheuussshhhiiehhynt, in dem er Mark schhchhcciiuuuhhhiieeehhwürde alles daran setzen, alyyyhhiihhuhhhhhuutz zu ssccsshhiegen.“ Noch einmal. Noch einmal und noch einmal. Dann wurde mir klar, dass die Windböen im Park dafür gesorgt hatten, dass ich nichts, aber auch gar nichts von dem, was mir an dem Nachmittag eingefallen war, auch nur annähernd würde retten können. Vor Wut nahm ich das Diktiergerät und tauchte es in den noch nicht angerührten Pott Tee. Eine kleine bernsteinfarbene Flutwelle ergoss sich über den Rand des Glases auf die Untertasse und den Tisch; das Diktiergerät nahm das Aussehen einer Wasserleiche an – wenigstens fühlte ich mich nicht mehr ganz so schlecht. Dann entsorgte ich beides, den Tee in den Ausguss und das Diktiergerät in den Restmüll. Ich wusste, dass das nicht die richtige Art der Entsorgung von Elektronikschrott war. Na und!?
Neben der also mehr oder weniger wegen der eigenen Schwäche ausfallenden Möglichkeit, Becker durch Leistung zu schlagen (DAS BESSERE BUCH SCHREIBEN!!!! – DER ALPTRAUM), gab es nur noch eine ernst zu nehmende Alternative, ihn zu demütigen: Ich musste ihn in eine Situation manövrieren, in der er sich unsagbar blamierte. Das war mir übrigens schon einmal gelungen gewesen, und das ging so: Becker und ich waren gemeinsam (in meinem Auto – aha, geizig ist dieser Becker also auch noch) unterwegs zu irgendeiner Sitzung unseres Landesverbandes gewesen. Auf der Autobahn kurz vor einer größeren Stadt (ich glaube, wir fuhren damals in Richtung Osten) sah man schon von weitem auf der linken Seite zwei Türme aufragen, die entfernt den Kuppeln ähnelten, die man von Atomkraftwerken her kennt. Da ich kurz zuvor in der Zeitung gelesen hatte, dass genau an der Stelle kürzlich eine Biogasanlage in Betrieb genommen worden war, wusste ich also, dass da nichts mit Atom und so weiter war. Aber Becker? Als wir uns den beiden grau gestrichenen vierundachtzigmal vergrößerten Straußeneiern auf ein paar Hundert Meter genähert hatten, setzte ich – für Becker unbemerkt – die schönste Leidensmine auf, die ich irgendwie aus meinen Gesichtsmuskeln hervorkramen konnte und presste ein verzweifelt klingendes „Diese Dreckschweine!“ hervor. Becker bewegte den Kopf langsam in meine Richtung, wohl immer noch annehmend, dass er sich nur verhört hätte. Links und rechts rauschten die Leitplanken an uns vorbei – ansonsten war es friedlich; die Welt schien mit sich selbst im Reinen. Aber ich setzte noch einen oben drauf. Als sich meine Leidensmine in eine Superleidensmine verwandelte, gleichzeitig aber kein weiteres Wort über meine Lippen kam, sagte Becker (wir waren in dem Moment in Höhe der Biogasanlage): „Was hast du gesagt, ich habe schlecht verstanden?“ Ich ließ die Frage gefühlt vier Stunden lang in der muffigen Luft meines Autos hängen. In die Wind- und Abrollgeräusche, die mein Wagen, ein uralter Opel Kadett mit einer Ökobilanz, die nicht einmal ganz zu Beginn der industriellen Revolution gesellschaftliche Anerkennung gefunden hätte, verursachte, presste ich dann noch einmal aus meinen Stimmbändern: „Schweine, elende Dreckschweine!“ hervor. Ich sagte es fast tonlos und Becker musste es von meinen Lippen ablesen. Als ich spürte, dass sein Blick mich traf, fing ich an, wie entgeistert zu blinzeln. Es hätte mich in dem Moment auch nicht gewundert, wenn mir eine Träne (links oder rechts – ganz egal) die Wange hinunter gerollt wäre. „Was denn für Schweine?“, Becker wirkte ratlos. Die Biogasanlage war jetzt sicher schon einen Kilometer hinter uns. „Mensch, Becker, hast du denn die beiden Türme links nicht gesehen?“ Becker hatte: „Ja und, was ist mit den beiden Türmen?“ – „Das ist ein erst vor vier Wochen in Betrieb genommenes Atomkraftwerk, mein lieber Becker.“ – „Quatsch, Atomkraftwerke werden in Deutschland abgeschaltet, Martin, da werden die doch keine neuen in Betrieb nehmen.“ – „Weißt du Christoph, ich staune schon manchmal, wie leicht man die Leute für dumm verkaufen kann. Leider auch dich! Natürlich werden in Deutschland die Meiler abgeschaltet, aber nur die der sogenannten A-Klasse. Das ist die Klasse AKW’s, die im Verbrauch über einer bestimmten Menge Uran pro Jahr liegt. Als klar wurde, dass die Politik diese Klasse AKW’s schrittweise abschalten lassen würde, hat sich die beschissene Atomlobby hingesetzt und hat kleinere Meiler entwickelt, B- und C-Klasse, die nennen das Block-AKW’s, wenig Uran, wenig Gefahr, behaupten die jedenfalls, Gefährdungsradius maximal zweihundert Meter – alles ganz prima.“ Ich musste wieder einmal nach rechts schauen, denn eigentümlicher Weise hatte sich Becker während meiner Ansprache erstaunlich ruhig verhalten. Jetzt erst sah ich, dass Becker mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin starrte. Wir rollten, rollten und rollten. Es muss kurz vor Ankunft an unserem Ziel gewesen sein, als Becker zu mir sagte: „Das lassen wir uns nicht gefallen, das nicht, Martin. Das werden die büßen. Martin, ich werde noch heute einen offenen Brief verfassen, den unser Landesverband an die Bundesregierung schreibt. Und allen Zeitungen bei uns und den überregionalen werde ich den auch zuschicken, bis hin zum SPIEGEL. Ja, Martin, so mache ich das – und danke, dass du mich so gut ins Bild gesetzt hast – Schweine, die elenden, elende Atomlobby…“ Ich legte meine rechte Hand auf Beckers linken Oberschenkel, nahm sie aber schnell wieder weg, damit Becker nichts, aber auch gar nichts falsch verstehen konnte. Dann waren wir am Ziel.
Und Becker hielt Wort: Becker schrieb. Drei Tage nach unserer Landesverbandssitzung irgendwo im Osten erhielt ich eine E-Mail mit Anhang von Becker. Der Anhang war der Entwurf des offenen Briefes. Ich las:
Entwurf
Offener Brief des Landesverbandes Sachsen des Schriftstellerverbandes an die Bundesregierung
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir, die Mitglieder des Landesverbandes Sachsen unseres Schriftstellerverbandes, sind in großer Sorge. Und diesmal drehen sich unsere Gedanken nicht um Meinungs- oder Reisefreiheit, nicht um die Freiheit von Kunst und Kultur, nicht um den allgemeinen Werteverfall unter den jungen Menschen, nicht um neue Stipendien für unseren Verband, nein diesmal geht es um mehr, diesmal sind es existentielle Nöte, die uns plagen. Nein, wir wollen nicht über Auftragswerke und Honorare mit Ihnen verhandeln, wir wollen uns nicht beschweren über den Verfall der Sitten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens, wir wollen die Buchpreisbindung nicht aufheben – wir wollen Sie danach fragen, was Sie uns, unseren Kindern und unseren Enkeln hinsichtlich unserer weiteren Lebensgrundlagen noch zumuten wollen – ja, Sie haben richtig verstanden, zumuten wollen.
Das ist natürlich zu erklären: Kürzlich fuhr ich mit einem Kollegen zu einer Veranstaltung unseres Verbandes. Während der Fahrt auf der Autobahn kamen wir auch auf die zukünftige Energie- und Umweltpolitik zu sprechen, nach unserem Dafürhalten das Politikfeld mit den größten Risiken aber auch den meisten Chancen für eine gedeihliche Entwicklung. Wir waren noch nicht lange unterwegs, da tauchten am Rande der Autobahn zwei zwar kleine aber unverkennbar der Sparte Atomkraftwerk zuordenbare Meilerkuppeln auf. Wir haben uns kundig gemacht: Richtig, die großen Atomkraftwerke, die der Klasse A, werden in den nächsten Jahren schrittweise abgeschaltet werden. Richtig auch, dass damit ein nicht unerhebliches nukleares Gefährdungspotential beseitigt wird. Das aber sozusagen im Windschatten dieses Atomausstiegs durch Regierung und Parlament mit der Genehmigung kleinerer Block-AKWs die genau entgegenstehende Strategie gefahren werden könnte, ist uns im Traum nicht eingefallen.
Im Sinne unserer gemeinsamen Zukunft und im Sinne unserer Kinder und Enkel haben wir Sie aufzufordern, sofort und nachhaltig sämtliche Aktivitäten, die auf eine Fortsetzung der Gewinnung von Energie mit nuklearen Anlagen gerichtet ist, einzustellen.
Wir möchten des Weiteren mit Ihnen gemeinsam in eine breite öffentliche Diskussion zu diesem Thema eintreten, weshalb wir diesen offenen Brief den einschlägigen Redaktionen von Presse, Funk und Fernsehen zustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Vorstand des Landesverbandes Sachsen des Schriftstellerverbandes
Ich schluckte. Armer Becker. Aber was sollte ich ihm sagen?...
Halthalthalthalthalt - ein Taktstock niedersausend und das Notenpult fast zerhackend. Neineineineinein! Dann, ein wenig versöhnlicher: Bis hierher ging das ja mal, konnte man lesen, ganz amüsant immerhin aber die letzten reichlich drei oder vier Seiten sind die blanke Zumutung. Wer soll denn das wirklich noch ernst nehmen? Man darf nicht überziehen! Falsch – man darf überziehen, aber wenn, dann bitte mit Niveau. Aber was hier steht ist ein Schmarren, einfach ein großer Schmarren. Na klar, man muss halt manchmal etwas übertreiben, ist so in der modernen Gegenwartsliteratur aber solche Posse darf man nicht zu Papier bringen. Da vergaloppiert sich M. R. doch, und wie er sich vergaloppiert. Bitte ins Notizbuch eintragen: Kapitel Links und rechts der AKW unbedingt überarbeiten. So, dann leg ich mich halt wieder hin…(Taktstock ab ins Futteral).
Manchmal, direkt nach dem Aufwachen, noch nicht ganz hier aber auch nicht mehr ganz dort, mit diesem fahlen Geschmack im Mund, wenn die letzten Traumfetzen, unkenntlich wie sie nun mal sind, einem an der unrasierten Wange entlang streichen, manchmal hängen bleiben, so wie an Sandpapier (grobe Körnung), dann gelang es mir, eine besonders heftige Abneigung gegen diesen bornierten Professor (war er das überhaupt und hatte es auch nur irgendeinen Sinn, etwas gegen ROMANFIGUREN zu haben?) Kahlmann und seinen Schöpfer, meinen hoch verehrten Kollegen Christoph Becker, zu entwickeln. Auch wenn ich eigentlich hätte aufstehen müssen (hast du nicht genug zu tun, hast du nicht zu schreiben, zu denken, etwas – irgendetwas auf Papier zu bringen, du Nichtsnutz?), ließ ich mich noch einmal in das zerknüllte und vom Nachtschweiß feuchte Kopfkissen, das alles andere als einladend war, zurücksinken und gab meinen Gedanken die Sporen. Dann galoppierten sie mit mir davon und wir überholten Becker auf seiner struppigen Mähre und schon bald auch den Professor, dessen Pferd nicht weniger klapprig war. Dann ließen wir uns gemeinsam (meine Gedanken, die sich irgendwie verselbständigt hatten und ich) etwas einfallen, wie wir die beiden strafen könnten.
Eine schöne Strafe hätte zum Beispiel darin bestanden, Beckers Buch nach Stellen abzusuchen, die er ganz offensichtlich abgeschrieben hatte, denn ich war mir mehr als sicher, dass Becker abschrieb. Dann sah ich ihn vor meinem inneren Auge, wie er bei trübem Licht und so den Buchdeckel abschirmend, dass ja auch niemand den Titel sehen konnte, mit krakeliger Schrift etwas in ein abgeschabtes Notizbuch übertrug, sich immer wieder umschauend, bei jedem kleinsten Windhauch (Becker hatte vergessen, das Fenster zu schließen, so dass sich die Gardinen manchmal leicht im Wind regten – also doch kein Profi, dachte ich dann) erschreckend, sich wiederum auch beeilend beim Schreiben mit dem angenagten Füllfederhalter, beeilend aus der Angst heraus, damals schon von mir und meinen Gedanken überführt zu werden. Noch zwei, drei Worte kratzte die Feder aus billigem Bandstahl in das grobe Papier des Oktavheftchens, violette Worte, die noch ein paar Sekunden feucht glänzten und dann in den gepressten Fasern aus Altpapier erstarrten; eigentlich waren sie in dem Moment schon verstorben. Welche Qual musste es für die armen Worte sein, später noch von diesem Scharlatan aus dem Oktavheftchen in den alten Rechner mit dem noch älteren Betriebssystem übertragen zu werden, wie musste das schmerzen, wenn man doch wusste, schon in einem Werk mit gutem Ruf aneinander gereiht zu stehen; und nun die Schmach, im Kahlmann von Becker wieder aufzutauchen!
Aber in welchen Werken würde er seine Plagiate suchen und finden? Meine Gedanken und ich gaben den Pferden richtig die Sporen, so dass sich die Spitzen der Stahldornen in die Weichteile gruben. Tief. Schmerzhaft. Blutig. Ach Becker, zählst du nicht zu den Faulsten von uns allen (nur noch durch mich selbst übertroffen – nein, diesen Teil später unbedingt wieder streichen!)? Was liest du eigentlich, dass du daraus abschreiben könntest? Was, Becker liest? Meine Häme lief zu Höchstform auf. Und wieso eigentlich pflegst du so eine innige Beziehung zu unserem gemeinsamen Kollegen Ulli Tellmann, der mit seinem Roman Die Turmuhr erst kürzlich so einen umwerfenden Erfolg gelandet hat. Ja – ein wohliger Schauer durchfuhr mich – ja, das musste eine Spur sein. Die Sporen gruben sich noch tiefer in die weichen Flanken unserer edlen Rennpferde. Die Tiere rasten vor Schmerz; aber sie liefen, sie liefen in rekordverdächtiger Zeit… Ich erinnerte mich im Halbschlaf auch daran, dass ich selbst Die Turmuhr gelesen hatte. Gleich nach dem Aufstehen würde ich das Buch wieder zur Hand nehmen, um nach verdächtigen Stellen, die sozusagen von Buch zu Buch gewandert waren, abzusuchen. Gleich nach dem Aufstehen, gleich – sofort – als erstes. Das feuchte Kopfkissen presste sich an mein linkes Ohr, dann an mein rechtes Ohr, dann an meinem Hinterkopf; oh, feuchtes Kopfkissen, wie ich dich trotz deiner Feuchte liebe, oder gar wegen deiner Feuchte?
Wahrscheinlich war ich noch einmal tief eingeschlafen. Beim nächsten So-gut-wie-wach-werden, das sich drei Viertelstunden später (der verschwommen wirkende Blick auf den Wecker sagte mir „halb zehn“, aber er sagte es leise, sehr leise) ereignete, nahm ich das Rennen wieder auf. Die Pferde hatten sich etwas erholt, die Blutung der Weichteile war vorerst gestillt; man konnte ja auch erst einmal versuchen, die Tiere nur mit der Peitsche zu schnellem Lauf zu animieren. Dann, urplötzlich, überkam mich ein Gefühl, das auch das schönste Pferderennen überlagerte. Eigentlich war es gar kein Gefühl, sondern ein Geruch. Martina, die gegen sieben zur Frühschicht aufgebrochen sein musste, hatte mir Kaffee übriggelassen. Der Duft des frisch gebrühten Kaffees (des damals noch frisch gebrühten Kaffees), hatte sich auf den Weg durch unsere Wohnung gemacht. Erst hatte er die ganze Küche erfüllt, war dann durch die nur angelehnte Tür in den Flur gewandert, hatte im Bad nach mir gesehen aber feststellen müssen, dass Martin Reiche dem Bad noch keinen Besuch abgestattet hatte – Irrtum mein lieber Duft, Martin Reiche war schon ganz früh, da lungertest du noch in der Blechdose rum, eingesperrt bei dem braunen Kaffeepulver, machtlos wie ich selbst! – im Bad gewesen, denn ohne den einschlägigen morgendlichen Badbesuch wäre jetzt wahrscheinlich nicht nur das Kopfkissen feucht gewesen. Freund Duft war dann irgendwann auch bis ins Schlafzimmer vorgedrungen, was ihm schon schwerer gefallen sein musste, denn wenigstens diese Tür hatte Martina, nachdem sie aufgestanden war, wieder hinter sich verschlossen. Freund Duft setzte sich in meiner Nase fest, umspielte die grauen Haare, die sich im Eingang zu den beiden Höhlen immer wieder, meinen Pinzettenoperationen kämpferisch standhaltend und fröhlich vor sich hinbüschelnd, bildeten, regte irgendwelche mir nicht persönlich bekannten Nervenzellen an, die nichts Besseres zu tun hatten, als elektrische Signale zu erzeugen, die mir vorgaukelten, dass jetzt keine Zeit für Pferderennen sei. Die geschundenen Pferde erfreute Freund Duft ganz besonders, denn es war die Zeit gekommen, die Gäule trocken zu reiben und in den Stall zurückzubringen. Dann stand ich auf, folgte der Spur, die Freund Duft hinterlassen hatte, kam endlich in der Küche an (nicht ohne dem Bad noch einen weiteren Besuch abgestattet zu haben – neuerlich wieder ein halber Liter), griff mir einen Pott aus dem Küchenschrank und goss mir die fast eingekochte schwarze und wie sich wenig später herausstellen sollte auch schon bittere Lorke in den Porzellanbecher. Jetzt hatte ich nicht nur Wut auf Becker sondern auch auf Freund Duft, denn beide täuschten! Ah, ja, Becker war mir wieder eingefallen (die Pferde ruhten sich inzwischen aus); Becker galt es zu überführen, Becker hatte abgeschrieben, Becker war ein Verbrecher – ich schäumte immer noch und das bittere Gift, das vor reichlich drei Stunden schmackhafter Bohnenkaffee gewesen sein musste, umspielte mein Zäpfchen. Ich schlurkste, die Tasse in der Hand, an das große Bücherregal, das im Flur eine ganze Wand einnahm. Zielsicher griff ich nach einem dicken Band in der vorletzten Reihe: Ulli Tellmann, Die Turmuhr, musste ich nicht lesen, denn ich wusste, dass die Worte sowohl auf dem Buchrücken als auch auf dem Einband prangten. Roman stand dann noch da. Ich schlug das Buch ganz hinten auf, die letzte vermerkte Seitenzahl des eigentlichen Romantextes war eine 972. Ich wog das Buch in der Hand. Wie viel Gramm mochte es wiegen? Herr Jauch, ich nehme mal lieber den Publikumsjoker. Wie lauten die vier Antwortmöglichkeiten? A 320 Gramm, B vier Zentner, C zwei Gramm oder D was weiß ich. Ich plädiere für D, lasse mir das aber vom Publikum lieber noch einmal bestätigen. Das Publikum plädiert auch für D. Dann können Sie jetzt einloggen oder den fifty-fifty-Joker zur Absicherung einsetzen. Das überlasse ich Ihnen! Ich sichere mal lieber ab. Wer hätte das gedacht, B und C bleiben übrig… Das Buch in der Hand gehe ich zurück in die Küche.
Lorke ist in der Zwischenzeit noch dunkler, kälter und bitterer geworden. Ich setze mich an den verkrümelten Küchentisch (Martina muss wieder in Eile gewesen sein) und blättere in dem Buch. Nach Seite 972 folgt nur noch das Inhaltsverzeichnis: drei Hauptabschnitte mit in Summe mehr als siebzig Kapiteln; demzufolge (ich überschlage grob) jedes Kapitel um die zwölf oder dreizehn Seiten lang, im Durchschnitt, logisch, Reiche, im Durchschnitt! Und was für schöne Kapitelüberschriften sich Tellmann hat einfallen lassen: Die Reise nach Tadshikistan zum Beispiel oder Nach einer kleinen Weile gingen die Wochen … dahin oder Macht es wie die Blumenuhr oder Auf Usedom oder – ich sagte noch zwanzig verschiedene Kapitelüberschriften leise vor mich hin, mit diesem höhnischen Lächeln auf den Lippen, die sich, wenn ich höhnisch lächle, so unangenehm quer stellen, so als hätte ich einen Schlaganfall gehabt. Ich gebe Lorke eine letzte Chance, aus dem Kaffeebecher zu entfliehen – nicht genutzt – schluuurfff – schüttel – mit einem Glas Wasser nachspülen – Geschirrspüler auf – Becher hinein (Öffnung nach unten) – Wasserglas hinein (Öffnung auch nach unten, logisch Reiche) - Geschirrspüler zu – schlurf in Richtung Bad – Morgentoilette – schlurf – schlurf – schlurf…
Aber mit welcherlei Hilfsmitteln sollte ich ihn nun, da ich mir ziemlich sicher war, dass Becker abgeschrieben hatte, überführen. Unerwartet nahte Hilfe, denn zu der Zeit las ich gerade in Lars Gustafssons Erzählung Die Tennisspieler. Das kleine Büchlein – weniger als einhundert Seiten – hatte es mir angetan, wenn ich in irgendeiner Form eine „Erhellung meines schwermütigen Gemüts“ benötigte – also sozusagen immer – nahm ich es zur Hand, blätterte ein wenig, las die eine oder andere Seite, manchmal auch das ganze Buch in einer anderthalben Stunde. Hatte ich nicht vor kurzem wieder einmal gelesen, dass man beliebige Schriftsätze mithilfe sogenannter Gödelnummern vergleichbar machen konnte? Lars Gustafsson, vielleicht bist du meine Rettung!? Ich ging zum Bücherregal, griff mir das kleine Büchlein und es dauerte gar nicht lange, und ich hatte die richtige Stelle gefunden. Ich las einmal und noch einmal: Gödelnummern von einem beliebigen Text erhielt man, indem man alle Buchstaben und Satzzeichen nummeriert (auch die Zwischenräume zwischen den Worten etc. erhalten eine eigene Nummer), dann nacheinander das Produkt jedes Satzes bildet, dann die Reihe der Primzahlen hernimmt und diese mit den bereits erhaltenen Produkten aus den Sätzen potenziert. Dann braucht man nur noch die Gödelzahlen der Sätze zu multiplizieren, um die Gödelzahl des Buches zu erhalten. Ganz einfach. Geradezu simpel. Null problemo.
Ich fasste einen höllischen Plan. Ich würde die Gödelnummern von Tellmanns Die Turmuhr und Beckers Kahlmann bilden, wie auch immer, und wenn ich nächtelang Produkte großer Zahlen auf ellenlangen Zetteln untereinander schrieb, notfalls mit der Hand berechnet. Ich würde zum Rechenmeister werden. Ich würde Becker überführen. Ja!
Als Martina sicher war, dass niemand mehr im Haus weilte (die letzten Geräusche, die sie von ihrem Mann gehört hatte, waren ein mühselig daherkommendes Schnaufen – wahrscheinlich Ausdruck der Anstrengung, die Schuhbänder zu schnüren – dann ein metallisches Klappern, das von den Schlüsseln rühren musste, die Martin vom Schlüsselbrett genommen hatte und dann – endlich, endlich – das Zuschlagen der Tür; wohin ihr Mann gegangen war, würde wieder sein Geheimnis bleiben - vielleicht machte er ja wieder Tonaufnahmen im Park?!), als also tatsächlich niemand mehr in der Nähe sein konnte, griff Martina erneut zu dem Buch auf dem Couchtisch, ja, genau zu dem Buch, das ihr Mann so zu hassen schien und las: ...wohnte damals in einem ziemlich heruntergekommenen Teil der Stadt in einem Appartementhaus, das sich insbesondere dadurch auszeichnete, dass sich die Bewohner gegenseitig nicht – oder jedenfalls fast nicht – kannten. Wie sollten sie sich auch kennenlernen: jeder ging so gut es ging seiner Wege und die gemeinsamen Wege durch das Haus waren nur kurz: zehn Meter Gang, Fahrstuhl, Treppe zur Haustür, schon war man draußen. Zu der Zeit, zu der Lars Gustafsson das Haus damals also gewöhnlich verließ, immerhin schon ziemlich früh am Morgen, so gegen sechs oder halb sieben, war die Gefahr, jemandem zu begegnen, natürlich noch einmal ein ganzes Stück geringer, als sie vielleicht am frühen Vormittag oder am frühen Abend war. Gustafsson zog die Tür zu sich heran (sie abzuschließen, kam ihm nicht einmal in den Sinn – man lebte hier so abgeschieden voneinander, dass man das Gefühl absoluter Sicherheit hatte), ließ den Fahrstuhl links liegen und nahm die Treppe, immer zwei Stufen auf einmal, in Richtung der Tiefgarage, in der er sein Fahrrad mit einer Kette gesichert hatte (wieso eigentlich sicherte er das Fahrrad, ließ die Wohnung aber unabgeschlossen?). So flog er mehr als das er lief, immerhin fünf Stockwerke bis ins Erdgeschoss und noch einmal eine Etage unter die Erde in die Tiefgarage. Dann, in der nur mäßig gefüllten Garage angekommen, öffnete er das Vorhängeschloss, mit dem die schwere Kette die Zehngängige an dem Betonpfeiler arretierte, ließ die Kette geräuschvoll zu Boden gleiten (was niemanden störte, da es niemand hören konnte), klickte genauso geräuschvoll das wohl um die dreihundert Gramm schwere und zwei Glieder der Kette umfassende Vorhängeschloss wieder zusammen, steckte den Schlüssel weg, schulterte den Rucksack mit den Büchern (Nietzsche, Brandes…), überprüfte den festen Sitz des Tennisschlägers auf dem Fahrrad (ach ja, den Tennisschläger zu erwähnen hatten wir bisher vergessen), schwang sich auf den Sattel – einige kräftige Tritte, vorbei an der Ausfahrschranke, die er mühelos umfahren konnte, anders als jedes Auto, das aus der Garage ausfahren wollte und schoss den ersten Hügel Richtung Campus hinab, weitere Hügel, die hinauf zu radeln waren, würden folgen. Travis County, so dachte er sich wahrscheinlich bei jeder Fahrt, ist eine hügelige Gegend. Aber er fühlte sich wohl in Texas, in Travis County und in Austin, an dessen Universität er ein paar Jahre als Gastprofessor tätig war. Später würde man lesen können, wie es ihm dort ergangen war, denn das kleine Bändchen Die Tennisspieler gab ziemlich verlässlich die Stimmung wieder, die in besagten Tagen an der University of Texas at Austin herrschte. Jetzt allerdings war Gustafsson nicht mit Schreiben sondern mit Denken befasst. Denken und Wagner-Melodien pfeifen, das war es, was Gustafsson bei jeder Radfahrt besonders gern und ausgiebig tat. Heute dachte er mehr; er dachte an die bevorstehenden Vorlesungen und daran, dass sich bald die Zeit in Travis County, dem texanischen Distrikt, in dessen Zentrum Austin, die texanische Hauptstadt lag, ihrem Ende zuneigen würde, dass er dann zurück nach Schweden musste, in die Kälte, in die Dunkelheit, in die europäische Tristesse… Und er dachte daran, dass an genau diesem Morgen etwas anders war, als an den anderen Morgen bisher, hier im wunderbaren Austin, mit der wunderbar weitläufigen Universität, deren Campus sich über Kilometer hinzog, so recht seine Seele baumeln zu lassen, in den Bibliotheken, zwischen den Vorlesungstagen oder auch nur in den Parks, die wie eingestreut und jeder mit einem anderen Charakter die Gefühle derjenigen, die sie an sich herankommen ließen, anregten. Heute früh, er hatte gerade seine Sachen, die er für gewöhnlich in einen zerschlissenen Rucksack stopfte, um sicherzugehen, dass sie beim Radeln nicht störten, zurechtgelegt, da fiel ihm ein Zettel auf, der wie achtlos hingeworfen zwischen dem Tennis-T-Shirt und den verwaschenen Jeans (Levi’s 501, diese und nur diese würde er tragen, der eitle alte Mann, das hatte er sich geschworen, war es auch noch so unbequem, die blanken Knöpfe an den häufig zu waschenden Jeans zu schließen) hervor lugte. Nun war es bei weitem nicht so, dass ein einziger Zettel die Aufmerksamkeit von Professor Lars Gustafsson, dem berühmten schwedischen Literaturwissenschaftler und Autor erregt hätte, bestand doch sein Leben im Wesentlichen aus nichts anderem als Zetteln: kleinen Notizen, Skripten, Sammlungen mit Gedanken und Skizzen, fein beschnittenen Zettelblöcken mit einer Fadenheftung an der Rückseite (Gustafsson freute sich über dieses schöne Bild, das er für den Begriff Buch gefunden hatte), Heftern, auch wieder mit Zetteln vollgestopft, Zeitungen zuhauf, Papier, Papier, Papier – was also sollte ein einzelner Zettel den Professor aufregen? Und doch war es genau dieses kleine Fitzelchen Papier, kariert, matte taubenblaue Linien bildeten die Karos, einmal gefaltet und aufgeschlagen wohl nicht größer als drei Mal fünf Zoll. Zuerst wollte Gustafsson den Zettel einfach wegwerfen; was wollte das Stückchen Papier zwischen seinen Tennisklamotten, wer hatte es dorthin gelegt? Weg damit! Dann aber hatte ihn für einen winzigen Augenblick doch die Neugierde überrumpelt; vielleicht war ja eine Botschaft verzeichnet, die sein Leben ändern würde (Lars Gustafsson schmunzelnd), also Zettel auffalten – jemand hatte mit violetter Tinte geschrieben. Violette Tinte benutzte er selber auch, aber was er da auf dem Zettel las, war keinesfalls von ihm geschrieben worden, nicht diese Schrift, nein, niemals. L. G. las: Sie sind weit gekommen: nun ist es nur noch ein kleiner Schritt. Sie müssen die Freunde finden, die Freunde, die genau wie Sie suchen. Und dann müssen Sie Geduld haben, denn die Formel ist lang und nicht ganz leicht zu finden aber Austin in Texas ist schon ein guter Platz – nehmen Sie sich die Zeit – vier oder mehr werdet ihr sein und gebt Euch zu erkennen! Wer verfasst nur so einen sinnlosen Quatsch? Also doch weg mit dem Zettel? Es war die violette Tinte, die benutzt worden war, den Zettel zu beschreiben, die dafür gesorgt hat, dass Lars Gustafsson den Zettel in dem Strindberg-Band verschwinden ließ, der heute am Nachmittag Inhalt seiner Literatur-Vorlesung sein würde. Dann aber galt es, endlich los zu radeln.
Man konnte sich gut an das Leben in Austin gewöhnen, in diesem interessanten Distrikt, der zu den Distrikten gehörte, die nicht, wie viele in Texas, mit dem Lineal gezogene Grenzen hatte, mal davon abgesehen, dass seine südwestliche Grenze schon ziemlich mit dem Lineal gezogen schien. Man konnte sich gut daran gewöhnen, selbst als Schwede, der auch zu Hause ziemlich selten einen Menschen traf, wenn er nicht gerade in Stockholm oder Göteborg oder Malmö lebte, dass im gesamten Distrikt nicht einmal eine Million Menschen lebten, auf einer Fläche von fast dreitausend Quadratkilometern. Und die meisten Menschen lebten ja nicht im Distrikt, sondern in der texanischen Hauptstadt Austin. Man konnte sich gut daran gewöhnen, an die einmaligen Sonnenauf- und Untergänge, die in unnachahmlicher Art rosenfarben waren, an das Klima, das schon als heiß zu bezeichnen war, aber keine solch schwüle Hitze hervorbrachte, die einem aufs Gemüt schlägt, die einem den Kopf vernebelt und das Blut dickflüssig werden lässt… Schon von weitem sah Gustafsson den Universitätsturm, der das Zentrum des Campus bildete. Jetzt war noch eine Viertelstunde zu radeln, dann würde er seine Schönheit, das zehngängige Rennrad, vor der Uni anketten oder, man sah ihm das liebevoll nach, einfach in einen der erstbesten Keller bugsieren, schnell in einem der Umkleideräume, die an die diversen Sportsäle anschlossen, eine Dusche nehmen, sich die im Rucksack verstauten Jeans überziehen und auch das T-Shirt wechseln und zu seinen Studenten marschieren – vielleicht eine Wagner-Melodie auf den Lippen…. Brrrrümmmmmm… Brrrrümmmmmm… Brrrrümmmmmm… das Telefon; Martina hätte es fast nicht gehört, so vertieft hatte sie sich in die paar Seiten des Becker-Romans. Brrrrümmmmmm… Brrrrümmmmmm… Brrrrümmmmmm – ja doch, dachte sie, ich komme ja schon: „Martina Reiche!“ Am anderen Ende der Leitung war erst ein Räuspern und dann Martin, der sich aus der Bibliothek meldete. Er hatte seinen Zettel zu Hause liegen gelassen, auf dem notiert war, welche Bücher er aus der Bibliothek ausleihen wollte. „Weißt du Martina, das Schreiben ist eine anstrengende Angelegenheit, Martina, da muss man tierisch viel lesen, um einen guten Satz schreiben zu können Martina, das ist Knochenarbeit, Martina, ach was weißt du denn schon…“ - auf dem Weg zum Schreibtisch gingen ihr die diversen klugen Sprüche ihres Mannes durch den Kopf. Aber sozusagen als Nebenprodukt hatte sie erfahren, dass Martin in die Bibliothek gegangen war. Na wenigstens kein ganz sinnloser Weg, dachte sie. Endlich fand Martina den Zettel auf dem Schreibtisch, ging zurück zum Telefon und las ihrem Mann Titel für Titel vor. Als sie fertig war, legte sie auf. Irgendwie, ohne dass sie es gewollt hätte, war ihr der Telefonhörer ziemlich hörbar auf die Basisstation gekracht. „So ein Trottel“, entfuhr es ihr leise, „eben kein Gustafsson und auch kein Becker.“ Dann legte sie den Kahlmann wieder so auf den Tisch, dass es aussah, als hätte das Buch niemand angerührt gehabt, aufgeschlagen auf Seite 234, der Seite, an der sich ihr Mann gerade abmühte, das Buch zu verstehen. Aber wahrscheinlich ohne Erfolg.
Klar, ich hätte vorgeben können, keine Zeit zu haben, als Becker mich bat, ihn doch zu seiner Kahlmann