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Beschreibung

Ein einsames Haus. Abgelegen von der Stadt, ein schmaler Lichtschein glitzert durch das milchige Fenster. Eine dunkle Gestalt bahnt sich den unebenen Weg durch den Wald. Sie mordet, hinterlässt gekonnt ihre Spuren, schreibt Briefe, treibt die Menschen in den Wahnsinn. Treibt mich in den Wahnsinn. "Die Zeit läuft ab", schreibt sie. Doch wofür?

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Seitenzahl: 207

Veröffentlichungsjahr: 2023

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L. S. Burn im Jahr 2000 in Zürich geboren und aufgewachsen. Von der Versicherungsbranche ins Kommunikationsstudium, permanent begleitet von der Leidenschaft fürs Schreiben. Durch eine Auszeit in Berlin entstand ihr erster Psychokrimi «Get Rest». Neben dem Studium arbeitet sie heute noch immer in Zürich und schreibt bereits an einer neuen nervenaufreibenden Geschichte.

L.S. Burn

Get Rest

Das Schlaflied

2. Auflage 2023

Erstveröffentlichung Zürich

Umschlagbild: Nina Engelskind

Inhalt

Cover

Titelblatt

PROLOG

DAS HAUS

DIE ZEITUNG

DER STRICK

DAS RÄTSEL

EINE PLANE IM WALDE

STRICH UM STRICH

PILZE

NASSE FÜSSE

VERTRAUTE BEGEGNUNGEN

DIE RUHE VOR DEM STURM

EINMAL ZWEI MACHT SECHS

VERSPÄTETE ZEITUNG

BRIEFFREUND

LIBRARY OF THE VALLEY

EIN GAUNER

GESTOHLEN

DER TEUFEL

FREMDE STILLE

NAGEL UND HAMMER

ALEX

DER KELLER

UNGEPLANT

DER ERSTE HINWEIS

ALEXANDER MORGENSTERN

DIE TÜREN DER WAHRHEIT

DER KAMPF ZUR EWIGEN RUHE

Get Rest Das Schlaflied

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DER KAMPF ZUR EWIGEN RUHE

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PROLOG

Schlurfende Schritte. Ein Fuss nach dem anderen schleifte über das Parkett. Sie litten unter grosser Last und Anstrengung. Doch zogen sie sich immer weiter. Sein Kopf blieb an einer Treppenstufe hängen. Ein Ruck, doch nichts passierte. Ein zweiter, diesmal heftiger, beförderte seinen Kopf zur nächsten Stufe, an der er erneut hängen blieb. Eine geschlagene Minute bewegte sich nichts. Niemand rührte sich. Mit einem tiefen Seufzer hob sich sein Kopf und wurde weiter nach oben geschleift. Der Rest von ihm wurde schlaff hinter ihm hergezogen und hinterliess eine klebrige Blutspur.

DAS HAUS

Während ich meine Gedanken schweifen liess, klopfte unaufhörlich ein Ast gegen das Fenster. Sehnlichst wartete ich darauf, dass er das Fenster einschlug, nur damit dieser Krach endlich aufhörte. Es stürmte schon seit Tagen. Die Meteorologen berichteten von einem Sturm, wie es ihn schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Ich sass in meinem Waldhaus, abgeschnitten von der Welt, und liess meine Gedanken schweifen. Irgendwie erheiterte mich der Gedanke, dass, wenn dieser Ast oder gar der ganze Baum durch mein Fenster bretterte, mir niemand zu Hilfe eilen konnte. Geschweige denn ich in der Lage wäre, Hilfe zu rufen. Der Telefonmast litt bereits seit Tagen unter der alten Eiche. Wie gesagt, abgeschnitten von der Welt. Ein greller Lichtblitz, grollender Donner. Ein Klopfen an der Tür. Verwundert drehte ich mich ihr entgegen. Normalerweise verirrte sich niemand in diese Gegend. Und wer freiwillig hierherkam, bereute es nach wenigen Stunden. Erneut ein Klopfen. Ich erhob mich seufzend von meiner verwitterten Couch und schleppte mich zur Tür. Vor der Tür verharrte ich regungslos und lauschte. Erneut ein Klopfen. Bevor ich überhaupt weiter darüber nachdenken konnte, erhob sich meine Hand und umfasste den Türknauf. Die andere drehte den Schlüssel im Schloss und die Tür sprang auf. Ein heftiger Wind schoss mir ins Gesicht und liess mich einige Schritte rückwärts taumeln. Meine Hände umfassten den Türrahmen und zogen mich nach vorne. Niemand war da. Der Wind liess kurz nach. Ich nutze die Gelegenheit, um auf die Veranda hinauszutreten.

Aufmerksam beobachtete ich den Waldrand. Kein Schatten. Nichts, das sich regte. Ich trat vors Haus und vergewisserte mich, dass sich niemand an der Hausseite verbarg. Entnervt und vom Regen nass ging ich zur Veranda zurück. Verwundert hielt ich inne. Dicke, schwere Regentropfen prasselten auf mich nieder. Der Wind preschte mir um die Ohren und liess mich wanken. Vor meiner Haustür lag ein ellenlanger Ast. Ich konnte mich nicht erinnern, darüber gestolpert zu sein, als ich mich vorhin draussen umsehen wollte. Unbeholfen trat ich den Ast ein wenig zur Seite und betrat das Haus. Die Tür fiel hinter mir knarrend ins Schloss. Gedankenverloren schlurfte ich ins Wohnzimmer und liess mich auf die Couch sinken. Auf dem Boden hinterliessen meine Schuhe kleine, regelmässige Pfützen. Ich lehnte mich zurück, als ich ein weiteres Klopfen vernahm. Leiser diesmal, doch genau so kräftig wie zuvor. Mit Bedacht richtete ich mich auf und setzte einen Fuss vor den anderen. Auch die Hintertür war abgeschlossen. Ohne zu zögern, streckte ich die Hand nach dem Schlüssel aus und drehte ihn im Schloss. Die Tür sprang auf, doch keiner war zu sehen. Dieses Unwetter raubt mir den letzten Nerv. Ich schlug die Tür zu, verriegelte sie und stapfte genervt zurück zur Couch. Diesmal liess ich mich in den Sessel plumpsen. Und doch hörte ich erneut ein Geräusch. Es war ein Rascheln. Ganz leise, aber stetig. Ich versuchte das Geräusch ausfindig zu machen und blickte zur Haustür. Unter dem minimalen Türspalt bewegte sich ein Schatten. Ich blieb ruhig, stand langsam auf und schlich zur Tür. Bedacht selbst keinen Schatten zu werfen oder ein Geräusch zu verursachen. Gleichzeitig drehte ich den Schlüssel im Schloss und riss die Tür auf. Wind hämmerte in mein Gesicht ein. Instinktiv hob ich die Arme zum Schutz. Da war es wieder, das Rascheln. Ganz nahe. Ich spürte etwas an meinem Fuss und blickte nach unten. Unter meiner festgenagelten Fussmatte flatterte etwas wild hin und her. Ich machte einen Schritt zurück und beugte mich hinunter. Zwischen dem Boden und der Matte klebte ein vergilbter Zettel. Er wurde durchbohrt von einem der Nägel, die ich vor Jahren durch die Matte gejagt hatte, damit sie bei Sturm und Regen nicht weggeweht wird. Eigenartig, wie kann sich das Papier so verkeilen, dass es von einem dieser Nägel durchstossen wird? Meine Gedanken wurden von einem kräftigen Schlag ins Gesicht unterbrochen. Ich wurde von den Füssen gerissen und landete rücklings auf dem Boden. Die Haustür schlug mir heftig gegen das Bein. Dieser Sturm war unerträglich. Ich rappelte mich auf, riss vorsichtig den Brief unter der Matte hervor und zog mich ins Haus zurück. Stöhnend liess ich mich auf den Sessel nieder und breitete den Zettel vor mir aus. Die Uhr schlug bereits Sechs. Ich stutzte. Es waren einzelne Sätze zu sehen, die dem Anschein nach aber nichts miteinander zu tun hatten. Es wirkte wie ein Gedicht, doch war es keines. Die Sätze ergaben keinen Sinn. Einige standen einzeln da, anderen waren in einen Text verpackt. Es sah aus wie ein Rätsel.

DIE ZEITUNG

Erschöpft riss ich mich aus dem Schlaf. Mir war, als hätte ich einen sechsstündigen Dauerlauf hinter mir. Das ging schon seit Wochen so. Angefangen hat es ziemlich genau mit dem Verschwinden einer jungen Frau. Ende Zwanzig. Der Bericht über ihr Verschwinden war in den Nachrichten. Anscheinend nahm mich das mehr mit als gedacht. Mühsam rappelte ich mich auf und schlurfte in die Küche, nahm mir ein Glas Wasser und setze mich in den grossen Ohrensessel. Da lag wieder dieser Zettel. Da schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Eigenartig, hatte ich ihn gestern nicht auf dem Küchentresen liegen gelassen? Vorsichtig nahm ich ihn vom Beistelltisch und studierte ihn eingehend.

Verwirrt legte ich das Rätsel neben mich und versuchte mir einen Reim daraus zu machen. Ich beschloss nicht mehr weiter darüber nachzudenken, kochte mir einen heissen Kaffee und sprang danach unter die Dusche.

Kurz vor Neun verliess ich das Haus und fuhr mit dem Jeep Richtung Stadt. Eine knapp zweistündige Fahrt. Zwar ein weiter Weg, aber nur so konnte man sich ungebetene Gäste vom Hals halten. Ich fuhr schon eine ganze Weile und liess meine Gedanken schweifen, als ich plötzlich lautes Hupen hörte. Ich schreckte auf und trat gerade noch rechtzeitig auf die Bremse. Ein Rumpeln im Kofferraum. Wie versteinert umklammerte ich das Lenkrad. In einer engen Kurve war ein Auto liegen geblieben. Allmählich beruhigte ich mich wieder und stieg aus meinem Wagen. Ich lief zu dem etwas älteren Mann und bot meine Hilfe an. Er meinte ein Abschleppdienst sei schon unterwegs, aber er hätte noch nicht die Möglichkeit gehabt, auf sich aufmerksam zu machen. Sein Wagen sei natürlich am dümmsten Ort liegen geblieben. Ich rannte zu meinem Wagen, öffnete den Kofferraum, holte eines der beiden Pannendreiecke heraus und erstarrte. Der Strick, den ich für das Sichern meiner Verandamöbel bei Wind und Regen brauchte, hing normalerweise an einem Haken im Keller. Ausserdem meinte ich die Axt ebenfalls im Keller verstaut zu haben. Ein Rufen durchbrach meine Gedanken. „Haben Sie Ihr Pannendreieck gefunden? Ich würde die Stelle hier gerne markieren, bevor ein weiterer Autofahrer mich überfährt.“ Der ältere Mann trommelte ungeduldig auf seinem Autodach herum. „Klar, ich werde ein Stück zurücklaufen und es aufstellen“, rief ich zurück. Eilig machte ich mich auf den Weg, stelle das Dreieck so auf, dass es schon von weitem gut sichtbar war, lief zurück und vergewisserte mich, dass ich dem Herrn nicht weiter behilflich sein konnte. Er verneinte dankend und ich fuhr weiter.

In der Stadt hatte ich bereits alles hinter mir gelassen. Ich machte meine üblichen Besorgungen von Lebensmitteln und Haushaltswaren für die nächsten zwei Wochen und packte alles in den Jeep. Da fiel mir ein, dass das Dach beim letzten Sturm etwas gelitten hatte und ging nochmals los. Auf dem Weg zum Baumarkt kam ich am Zeitungsstand von Frau Kurzbach vorbei. „Guten Tag Frau Kurzbach, das Wetter scheint ja heute für Ihren Gemüsegarten zu sprechen“. Doch mein freundliches Lächeln schien sie nicht im Geringsten zu berühren. Mit heiserer Stimme entgegnete sie: „Haben Sie denn die Zeitung von heute noch nicht gelesen?“ Ich schüttelte stumm den Kopf. Frau Kurzbach verschwand und kam kurz darauf mit einem Bündel Zeitungen zurück. Es war mit einem Zettel versehen auf dem stand: AM. Wortlos und mit traurigem Blick reichte sie mir das Bündel über den Tresen. Da ich für gewöhnlich nur alle zwei Wochen in die Stadt einkehre, bei dringenden Erledigungen wöchentlich, legt mir Frau Kurzbach jeden Tag eine Zeitung zur Seite und übergab mir dann das Päckchen beim nächsten Besuch. Schnell suchte ich die heutige Zeitung raus und überflog die Titelseite. Die fette Schrift sprang mir sofort ins Auge:

Serie geht weiter! Junger Mann Anfang Dreissig im Wald gefunden – erhängt.

Ich schluckte und sah Frau Kurzbach mit grossen Augen an. Sie schluchzte und sagte: „Es ist schon wieder passiert. Erst die jungen Frauen und nun ein junger Mann. Wer ist als nächstes dran?“ Ihre Stimme versagte. Ich verabschiedete mich von ihr und legte das Zeitungsbündel auf den Rücksitz meines Jeeps. Mein Blick blieb auf der Titelseite hängen. „Serie geht weiter!“, hallte es in meinem Kopf nach. Ich riss mich los und stapfte eiligen Schrittes zum Baumarkt, schnappte mir einige Bretter, Nägel, eine neue Axt und sonstiges, bezahlte und verstaute alles im Kofferraum meines Jeeps. Ein Mann mittleren Alters mit kahlrasiertem Schädel rempelte mich an und humpelte ohne Worte weiter. „He!“, rief ich ihm hinterher, „was soll das“? Ohne mich eines Blickes zu würdigen, warf er seine Einkäufe auf den Asphalt. Unfähig hantierte er am Autoschlüssel herum, bis er den Knopf fand. Der Kofferraum sprang auf. Eine völlig verdreckte Matte kam zum Vorschein mit rotbraunen Flecken und übersät mit Tannennadeln und Laub. Unberührt sammelte er die Gegenstände einzeln ein und bugsierte sie nacheinander in den Kofferraum, ohne sich gross darum zu kümmern, wer ihn allenfalls beobachten könnte. Wie angewurzelt stand ich da und schaute dem Mann gebannt zu. Klebeband, Taschenlampen mit Batterien, zwei, drei Bärenfallen, 20 m Seil und Kabelbinder packte er in aller Seelenruhe in seinen Wagen, knallte den Kofferraum zu und fuhr mit dem Wagen davon. Weg war er. Wozu brauchte ein Mann all diese Gegenstände gleichzeitig fragte ich mich. Verwirrt liess ich mich auf den Fahrersitz gleiten und drehte den Schlüssel gedankenverloren im Zündschloss. Der Motor sprang an und holte mich aus meiner Gedankenwelt wieder in die Realität. Eilig fuhr ich davon.

DER STRICK

Die Enden je in eine Hand nehmen, unten zusammenführen und mit dem rechten einen Knoten in den linken Teil des Strickes machen. So hatte er es gelernt. So funktionierte es. Draussen war es stockdunkel. Die perfekte Zeit. Aber er musste noch warten. Auf Zehenspitzen schlich er ins Wohnzimmer, betrachtete sein Stück Papier, schüttelte enttäuscht den Kopf und setzte einen Strich. Sorgfältig legte er es zurück auf den Beistelltisch und ging in den Keller – sein Lieblingsort. Es war ein altes Haus, irgendwo mitten im Walde. Hier plante er alles. Neben dem Boiler stand die Tüte voller Baumaterialien. Glücklich reihte er alles vor sich auf, sortierte die Gegenstände und legte sie sauber an ihren Platz. Ihm war Sauberkeit und Ordnung sehr wichtig. Immer sechsnebeneinander. Man konnte es schon beinahe einen Zwang nennen. Das nächste Opfer musste er sich noch aussuchen. Wenn es denn eines gibt, das lag natürlich nicht in seiner Hand. Klar hoffte er, dass es ein nächstes gebe, aber, wenn er besiegt würde, dann wäre es vorbei. Er lachte in sich hinein. Wer würde gegen ihn denn schon gewinnen?

DAS RÄTSEL

Zeitung für Zeitung ging ich durch. Einmal in der Woche gab es eine neue Schlagzeile, die das Verschwinden eines weiteren Opfers mitteilte. Das erste wurde am 8. August verschleppt, eine junge Frau Ende Zwanzig. Darauf folgten zwei weitere Frauen gleichen Alters, bis es das erste Mal einen Mann Anfang Dreissig traf. Das war am 29. August, vorgestern. Bisher gab es keinerlei Spuren oder Anhaltspunkte, die den Täter überführen könnten. Alle waren völlig hilflos und verzweifelt. Anfangs waren die einzigen Verbindungspunkte, dass die Opfer jeweils junge Frauen Ende Zwanzig waren. Mit dem neuen männlichen Opfer war diese Verbindung allerdings auch dahin. Die einzige Gewissheit war, dass alle mit einem Strick erhängt wurden. Mit einem schweren Seufzer legte ich die Zeitungen auf den Tisch und lehnte mich im Stuhl zurück.

Als ich gestern vom Parkplatz des Baumarktes fuhr, versuchte ich den silbernen Wagen des kahlrasierten Mannes ausfindig zu machen. Ich sah ihn kurz an einer Kreuzung weit vor mir, doch als ich da ankam, war er verschwunden. In eine zufällige Richtung bog ich an der Kreuzung ab und folgte dem Strassenverlauf eine Weile. Aber ich konnte ihn nicht mehr finden. Wo war er nur hingefahren? Es fiel mir schwer einfach wieder nachhause zu fahren, doch was blieb mir anderes übrig? Das Einzige, was ich von seinem Nummernschild noch wusste, waren die Zahlen 2 6 0 3. Als ich Zuhause ankam, war ich zu erschöpft und zu verwirrt, um die Einkäufe auszupacken. Ich stellte sie in den Keller und legte mich aufs Bett.

Mit einem Ruck stand ich auf. Das Einzige, was mir half, von meinen Gedanken loszukommen, war das Holzhacken. Kaminholz wurde so oder so langsam rar, weshalb es keinen Unterschied machte, ob ich es heute oder morgen in Angriff nahm. Ich schnappte mir meine schweren Handschuhe, schlüpfte in meine Stiefel und ging die Treppe in den Keller hinunter. Die alte Axt hatte ich bereits entsorgt und nahm nun die neue von der Holzleiste, da wo ich sie immer aufhing. Lichtschalter aus, Tür zu und schon war ich auf der kleinen Grasfläche hinter meinem Haus. Ich liess das Beil am Baumstumpf liegen und steuerte auf den Waldrand zu. Geschlagene 20 Minuten war ich mit dem Holzsuchen beschäftigt. Obwohl ich mehr als genug Brennholz zusammengesucht hatte, machte ich noch 10 Minuten weiter. Da, ein Rascheln. Dort, ein Knacken. Hier, der Pfiff des Windes, der um meine Ohren fegte. All das kümmerte mich nicht. Mit gesenktem Kopf schleppte ich ein Holzstück nach dem anderen in die Mitte der Grasfläche. Mit dem Holzhacken war ich den restlichen Morgen bis in den Nachmittag beschäftigt. Mein Körper wurde müde und träge. Die ausgelassenen Mahlzeiten zerrten an meinen Kräften. Bevor ich das zerkleinerte Holz in den Vorratsraum brachte, setzte ich mich an den Küchentisch und verschlang gierig die Reste der Gulaschsuppe von vorgestern. Gestärkt machte ich mich daran, das Holz in den Vorratsraum zu bringen. Die Hälfte hatte ich geschafft, als ich hinter mir plötzlich ein Rascheln im Unterholz vernahm. Ich verharrte. Schritte. Mit einem Ruck drehte ich mich um. „Schöner Nachmittag, was?“ Herr Walker blieb am Waldrand in seiner khakifarbenen Shorts stehen, einen Korb in der Hand. „Ach Sie sind es. Ich habe mich schon gefragt, wer sich wohl in diesen Teil des Waldes verirrt hat.“ Ein Lachen huschte über mein Gesicht. „Die Sonne drückt ein wenig durch, ja. Sie sind wieder auf Pilzsuche?“

„Na klar, wie jeden Donnerstag. Ich wusste gar nicht, dass Sie schon wieder zurück sind. Sie meinten doch die Reise dauere länger?“ Mit verwirrtem Blick gab ich ihm zu verstehen, dass ich nicht wusste, wovon er sprach. Herr Walker brachte ein schnaubendes Lachen hervor. „Sie haben mir doch vor drei Tagen erzählt, dass sie für sechs Tage nicht mehr zu sehen wären. Die Ausdrucksweise fand ich ja schon eigenartig. Aber schliesslich war ich auf meinem wöchentlichen Nachtspaziergang. Sie wissen doch, dass ich die besonderen Pilze immer nachts suche.“ Amüsiert blickte er in seinen Korb. Es schien, als würde er an seine Pilze denken. Mit einem Räuspern holte ich ihn aus seinen Gedanken zurück. „Entschuldigen Sie Herr Walker, aber ich glaube, sie müssen mich da verwechselt haben. Ich war die letzten Tage nicht nachts unterwegs. Naja, eigentlich bin ich nie nachts unterwegs. Warum auch?“ Herr Walker gluckste. „Na dann, war das wohl jemand anderes, wenn Sie das sagen. Wir wissen doch beide: Jeder hat so seine kleinen Geheimnisse.“ Er zwinkerte mir zu, lachte in sich hinein, drehte sich um und verschwand im Unterholz. „Äh wiedersehen.“ Murmelte ich.

Sonderbar dieser Mann. Er wohnte genauso abgeschieden hier im Wald wie ich. Allerdings auf der anderen Seite des Waldrandes. Immer wieder brachte ihn seine Pilzsuche in mein Revier. Manchmal glaubte ich, er liess sich mit Absicht durch den Wald zu mir leiten. Pilze hin oder her.

Schnell brachte ich das restliche Holz weg und verkroch mich wieder im Haus. Ich warf noch einen Blick auf den vergilbten Zettel, der noch immer auf dem Couchtisch lag, kümmerte mich aber nicht weiter darum und verbrachte den Abend schweigend vor dem Fernseher.

Es war kurz vor Mitternacht, als ich hochschreckte. Ich war wohl im Sessel eingeschlafen. Der Fernseher lief noch. Ich schaltete ihn aus und rieb mir die Augen. Als mein Blick wieder klar wurde, fiel meine Aufmerksamkeit auf das beige Papier. Ich starrte es an. Irgendetwas daran war anders. Unten rechts war ein gerader schwarzer Strich zu erkennen. Beinahe so, als hätte man ihn mit einem Lineal gezogen. Ich war sicher, dass dieser Strich zuvor nicht da gewesen war. Ausserdem befanden sich neun kleinere Striche nacheinander am unteren Rand des Papiers. Am Ende befand sich ein Fragezeichen. Das weckte meine Neugierde.

Er besitzt eine Krone, bleibt bodenständig.

Fällt er, so ist es um ihn geschehen.

Aus einer verholzten Pflanze wachse er.

Der zweite oder letzte.

Es spielt keine Rolle.

Gern gebraucht, selten gemisst.

Schlau wie der Fuchs, doch hoch im Himmel.

Nah bei dir und ganz weit weg.

Trittst du hinein, so verteidigen sie ihr Revier.

Schwarz wie die Nacht und gross noch dazu.

Ein Singvogel, der nicht singt.

Ein Boot mit drei Os ergäbe keinen Sinn.

Selten gesucht, selten gefunden, selten gehört, selten gesehen, selten Seltsam.

Die Sonne geht auf, oder geht sie unter?

Den Altar findest du gegenüber.

Dysis zeigt dir den Weg.

Von dunkler Tönung gefärbter Zustand, die Abwesenheit.

Macht den Tag zur Nacht.

Ideales Ideal irritiert Ideale in ihrem Inneren.

Die Frage nach der Qualität eines literarischen Werkes, oder ist es doch nur der Abstand zur Oberfläche?

Findest du sie einzeln, dann findest du mich. Noch ist es eine Frage, bald wird es keine mehr sein. Nachts im Spiegel, da wendet sich das Blatt. Lass dir Zeit, nein besser lass sie dir nicht. Blickst du wöchentlich in die Zeitung, dann findest du mich.

Ich stutzte. „Blickst du wöchentlich in die Zeitung, dann findest du mich.“ Nein, das konnte nicht sein. Wie versteinert starrte ich auf die Zeilen. Geistesabwesend stand ich auf und lief in den Keller. Dort verstaute ich wie viele andere Sachen auch die alten Zeitungen. Stapelweise schmückten sie den hinteren Teil meines Kellers. Eilig ging ich die Stapel durch, bis ich zum ersten Mordfall kam und nahm alle späteren Zeitungen ebenfalls mit. Im Wohnzimmer sortierte ich alle Mordartikel aus und legte sie nach Datum der Reihe nach hin. Ich murmelte leise:

„8. August: Junge Frau Ende Zwanzig erhängt aufgefunden.

15. August: Leiche gefunden – Frau Ende Zwanzig. Handelt es sich um den gleichen Mörder?

22. August: Nächstes Opfer aufgetaucht – Indizien stimmen überein. Junge Frau erhängt.

29. August: Serie geht weiter! Junger Mann Anfang Dreissig im Wald gefunden – erhängt.“

Die Daten lagen jeweils exakt eine Woche auseinander. Ob das ein Zufall war? Obwohl ich davon überzeugt war, entweder einem ganz üblen Scherz ausgesetzt zu sein oder völlig verrückt geworden zu sein, machte ich mich weiter an das Rätsel. Doch was musste man überhaupt herausfinden und was hatte es mit diesen Strichen auf sich? „Findest du sie einzeln, dann findest du mich.“ Was könnte dies bedeuten? Was sollte ich finden? Zahlen, Orte, Buchstaben, Wörter? Ich überlegte fieberhaft. Wenn man