Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett: Band 5 - Rita Lakin - E-Book
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Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett: Band 5 E-Book

Rita Lakin

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Beschreibung

Wer ist der Tote im Fundament? Der heitere Kriminalroman »Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett« von Rita Lakin jetzt als eBook bei dotbooks. Das Verbrechen ruht nie ... Gladdy Gold, die vermutlich älteste Privatdetektivin Floridas, ist sehr gefragt – eigentlich wünscht sie sich aber nichts lieber, als sich endlich bei einem ruhigen Date mit ihrem Liebsten Jack entspannen zu können! Doch daraus wird nichts, denn ein Hurricane bricht über die Küste herein. Kurz danach ist auch in der noblen Seniorenresidenz die Hölle los: In den Trümmern eines eingestürzten Hauses wird ein Skelett gefunden. Eindeutig ein Fall für Gladdy Gold! Was sie nicht ahnt: Der Mörder beobachtet bereits jeden ihrer Schritte – und will mit aller Macht verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt … »Ob jung oder alt – alle werden diese Serie lieben. Unbedingt empfehlenswert.« I Love Mystery Newsletter Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett« von Rita Lakin ist der fünfte Band dieser Reihe von humorvollen Kriminalromanen, die auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 403

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Über dieses Buch:

Das Verbrechen ruht nie ... Gladdy Gold, die vermutlich älteste Privatdetektivin Floridas, ist sehr gefragt – eigentlich wünscht sie sich aber nichts lieber, als sich endlich bei einem ruhigen Date mit ihrem Liebsten Jack entspannen zu können! Doch daraus wird nichts, denn ein Hurricane bricht über die Küste herein. Kurz danach ist auch in der noblen Seniorenresidenz die Hölle los: In den Trümmern eines eingestürzten Hauses wird ein Skelett gefunden. Eindeutig ein Fall für Gladdy Gold! Was sie nicht ahnt: Der Mörder beobachtet bereits jeden ihrer Schritte – und will mit aller Macht verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt …

Hierher kommt der Rückseitentext.

»Ob jung oder alt – alle werden diese Serie lieben. Unbedingt empfehlenswert.« I Love Mystery Newsletter

Über die Autorin:

Rita Lakin ist seit über zwanzig Jahren als Schriftstellerin, Drehbuchautorin und im Fernsehgeschäft tätig. In diesen Bereichen wurde sie immer wieder für prestigeträchtige Preise nominiert, etwa für den Edgar-Allan-Poe-Preis und den Writers-Guild-of-America-Preis. 2015 veröffentlichte sie ihre Autobiographie »The Only Woman in the Room«, die erstaunliche Einblicke in das Hollywood der 60er Jahre gibt. Heute lebt sie im kalifornischen Marin County.

Bei dotbooks erscheinen in der Gladdy-Gold-Reihe von Rita Lakin »Gladdy Gold und der Geburtstagsmörder«, »Gladdy Gold und der Killer auf dem Kreuzfahrtschiff«, »Gladdy Gold und der charmante Bösewicht«, »Gladdy Gold und der tote Ehemann« und »Gladdy Gold und die verführerische Französin«.

***

eBook-Neuausgabe Dezember 2019

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2009 by Rita Lakin

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel »Getting Old Is a Disaster« bei The Bantam Dell, A Division of Random House, Inc., New York.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2011 by RM Buch und Medien Vertrieb GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Published by Arrangement with Rita Lakin

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Kevin Ruck / Lesia_A / surasaki

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96148-719-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

Besuchen Sie uns im Internet:

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blog.dotbooks.de/

Rita Lakin

Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett

Krimi

Aus dem Amerikanischen von Christine Nägele

dotbooks.

Dieses Buch widme ich Leslie Simon Lakin, meiner großartigen Schwiegertochter, in Liebe und Dankbarkeit.

Der Bauarbeiter ignorierte das Gewitter und den wolkenbruchartigen Regen, der ihm ins Gesicht peitschte und seine Jeansjacke durchweichte. Sein Arbeitshelm bot ihm nur wenig Schutz. Der Werkzeuggürtel triefte vor Nässe und hing schwer um seine Hüfte. Aber er war zufrieden, der letzte Mann auf der Baustelle zu sein. Er wusste, wie man einen Job anständig zu Ende bringt.

Das trübe Licht der Arbeitslampe flackerte im heftigen Regen. Wenn es blitzte, leuchtete die hölzerne Reklametafel am Rande der Baustelle vorübergehend auf Lanai Gardens Modern, Neue Garten-Apartments mit ein bis zwei Schlafzimmern. Drei Morgen Rasenfläche, sechs Swimmingpools, Gemeinschaftsräume. In einer der besten Gegenden von Fort Lauderdale. Eröffnung September 1958.

In ein paar Minuten würde er heimgehen. Eine warme Dusche, seinen geliebten Whisky, Radionachrichten. Noch immer faszinierten ihn die Nachrichten in dem Land, das, ohne dass er es gewollt hatte, zu seiner neuen Heimat geworden war.

Pedantisch bis zur Zwanghaftigkeit ärgerte er sich darüber, dass er die Schaufel, die er zuletzt bei dem großen Kieshaufen gesehen hatte, jetzt nicht finden konnte. Sollte er sie noch länger suchen? Ach was, sagte er sich, er würde sie morgen bei Tageslicht irgendwo im Schlamm finden und ausbuddeln. Er musste nur noch die Geräte, die nicht in den Schuppen passten, mit der Plane abdecken. Dann konnte ergehen.

Durch den lauten Donner hatte er den Fremden nicht bemerkt, bis er direkt vor ihm stand. Er war in einen langen schwarzen Wintermantel gehüllt und trug einen grauen Filzhut mit breiter Krempe, wodurch sein Gesicht nur teilweise zu sehen war. Der Bauarbeiter war so erschrocken, dass er mit seinem Stiefel dröhnend gegen einen Stapel Rohre stieß. Doch schnell beruhigte er sich wieder. Wahrscheinlich jemand, der sich verlaufen hatte und nach dem Weg fragen wollte.

Unbeweglich sah der Fremde zu, wie der Bauarbeiter die letzte Ecke der Plane zurechtzog.

»Haben Sie sich verlaufen?«, fragte der Bauarbeiter schließlich.

Der Fremde antwortete nicht gleich. »Nein, ich habe mich nicht verlaufen.«

Misstrauisch geworden, richtete sich der Bauarbeiter auf und ballte die Fäuste. Er hatte einen sechsten Sinn für gefährliche Situationen. »Was wollen Sie dann?«

»Ich will, dass du stirbst«, sagte der Fremde mit unverhohlener Bitterkeit. »Und zwar jetzt.«

Ein greller Blitz erleuchtete das Baugelände, und beide sahen gleichzeitig den hölzernen Stiel und das scharfe Blatt der Schaufel, die keine zwei Meter von ihnen entfernt im Schlamm steckte. Beide Männer stürzten sich darauf Der Fremde erreichte sie zuerst. Er hob die Schaufel hoch, bereit zum Angriff, doch der Bauarbeiter war zu schnell. Er ergriff die Schaufel, drehte sie und entwand sie ihm, wobei er mit seinem schwereren Körper versuchte, den Fremden aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dieser jedoch hielt stand, entschlossen, wieder die Oberhand zu gewinnen.

Blitze und Donner waren Zeugen dieses Totentanzes. Schwere Erdbaumaschinen waren weitere stumme Zuschauer. Der Fremde kämpfte verzweifelt, um nicht den Halt zu verlieren. Doch er stürzte zu Boden und riss den Bauarbeiter mit sich. Die Männer kämpften im Schlamm weiter, beide gleichermaßen entschlossen, die Schaufel nicht loszulassen. Der Matsch in ihren Augen nahm ihnen die Sicht; der Schlamm war überall und behinderte sie, aber der Hass und die Gewissheit, dass nur einer von ihnen überleben würde, ließ sie weiter miteinander ringen, während animalische Laute aus ihren Kehlen drangen.

Einige Minuten später hob der Sieger das Gesicht zum Himmel, um sich vom Regen abwaschen zu lassen. Als er wieder sehen konnte, beugte er sich hinab und starrte in das Gesicht des Toten. Mit hämischem Grinsen sah er sich um, während er den nächsten Schritt überlegte.

Die Arbeitslampe warf kaum einen Schatten, während der Mann seine Kleider auszog und mit denen seines Opfers vertauschte. Es kostete ihn viel Mühe und dauerte entsprechend lange. Die Sachen waren völlig durchnässt, außerdem passten sie ihm nicht richtig. Sorgfältig durchsuchte er seine eigenen Taschen, um nichts zurückzulassen, was ihn verraten könnte.

Dann sah er es. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als ihm klar wurde, was es bedeutete. Er starrte auf den Körper des Toten, als wollte er sich etwas einprägen.

Schließlich zerrte er sein Opfer über den nassen Kies bis zu dem Graben, der mit Holz ausgekleidet war. Seine Wut kehrte zurück, während er den Toten mit Fußtritten an den Rand bugsierte, bis die Leiche das Übergewicht bekam und hineinfiel. Er nahm die Schaufel und häufte Schlamm und Kies darüber, mehr und immer mehr, bis seine Wut endlich verflogen war und er völlig erschöpft von seinem Tun abließ. Er spuckte auf den Boden und ging davon.

Kapitel 1Wieder daheim

Der Minivan vom Flughafen hält zwischen den Gebäuden, die zu Block zwei unseres Wohnkomplexes Lanai Gardens gehören. Es ist ein milder Septemberabend mit einem leichten Nieselregen. Endlich wieder zu Hause!

Mit einem glücklichen Seufzer steige ich aus. Wir sind aus New York zurück, und ich bin froh, wieder auf heimischem Boden zu sein. Doch gleichzeitig frage ich mich: Wie wird es mit uns weitergehen?

Die Mädels und Jack drängen heraus. Ich nenne sie die Mädels, obwohl keine von ihnen jünger als einundsiebzig ist – meine Schwester Evvie und unsere drei Freundinnen Bella, Sophie und Ida. Sie sind auch meine Partnerinnen in unserem gemeinsamen Detektivbüro, das wir vor drei Monaten gegründet haben.

Jack Langford, der nach zahlreichen Turbulenzen in unserer Beziehung jetzt endgültig mein Freund bleibt, bezahlt großzügig den Fahrer, da die Mädels es geschickt fertigbringen, mit verlegenen Gesichtern so lange nach ihren Geldbörsen zu suchen, bis er sich schließlich erbarmt. Und als stünde dies außer Frage, wird er sofort auch zum Kofferträger für alle. Sind meine Mädels denn plötzlich so hilflos? Nächstes Jahr werde ich ihnen wohl am besten Riechsalz zum Geburtstag schenken, falls sie sich obendrein auch noch zu spontanen Ohnmachtsanfällen entschließen sollten. Aber Jack trägt gutmütig Bellas Reisetaschen zusammen mit denen meiner Schwester Evvie zum Fahrstuhl im Gebäude P und anschließend in ihre Apartments im zweiten Stock. Kurz darauf erscheint er wieder unten und läuft über den Hof, um Sophies und Idas Sachen in den dritten Stock von Gebäude Q zu schleppen. Die Mädels immer einen Schritt voraus, um rechtzeitig ihre Türen aufzuschließen – das ist ihre Vorstellung von Mithilfe.

Ich warte unten, bis die Truppenbewegungen aufgehört haben. Ich ahne schon, wir werden ein paar Spielregeln darüber einführen müssen, inwieweit sie meinen Freund beanspruchen dürfen, damit daraus kein Ausnutzen wird, jetzt, da wir offiziell zusammengehören. Ich bin sehr erleichtert, dass die Mädels unsere Beziehung endlich akzeptieren, nachdem sie so lange dagegen angekämpft haben. Aber akzeptieren sie sie auch wirklich? Nun, wir werden ja sehen.

Die kleine Bella ist völlig aufgedreht. »Ach, wie schön ist es doch, einen Mann im Haus zu haben«, trällert sie leicht schief, während sie sich über ihr Balkongeländer beugt und zu mir herunter winkt.

»Ich könnte mich auch daran gewöhnen!«, ruft Sophie vom Balkon gegenüber und streicht über ihren Rock, um die Falten in ihrem giftgrünen Reisekostüm aus Velours zu glätten, während Jack das Gepäck in ihr Apartment hievt.

Ida besteht darauf, wenigstens eine ihrer Taschen selbst zu tragen, also nimmt sie ihren kleinen Bordkoffer. »Ich bin nicht hilflos. Noch nicht«, sagt sie zu Jack, während sie ihm widerwillig gestattet, ihren großen Rollkoffer zu ziehen, der so stark Schlagseite hat, dass man meinen könnte, sie hätte einen Elefanten eingepackt.

Einige unserer Nachbarn strecken die Köpfe heraus, um zu sehen, was los ist. Das verwundert weiter niemanden. Sie stecken grundsätzlich ihre Nasen in alles, was gerade vor sich geht. Tessie und Sol Spankowitz, die Frischvermählten, kommen aus Tessies Apartment im zweiten Stock von Gebäude Q. Bilde ich mir das nur ein? Sol, der Bräutigam wider Willen, kommt mir vor, als sei er geschrumpft, seit er verheiratet ist. Das ist nicht mehr »Sol der Spanner«, der alle Frauen mit seinem lüsternen Herumschnüffeln in Angst und Schrecken versetzte. Er wird überragt von der riesigen Tessie, die aus einem Vier-Liter-Behälter Pistazieneis löffelt.

Natürlich dauert es nicht lang, und auch Hy Binder, unser Mr Neunmalklug, taucht auf seinem Balkon im zweiten Stock von Gebäude P auf. Ihm auf den Fersen sein Papagei, ich meine natürlich seine Frau Lola.

»Ja, schaut mal, wer da wieder im Lande ist!«, ruft er. »Und wie war's im Big Apple? Ist jemand von euch überfallen worden?«

»Ja«, erklingt das Echo von Lola, »ist jemand von euch überfallen worden?«

Bella, zwei Türen weiter, strahlt die beiden an. »Nein, aber wir haben an einem Umzug teilgenommen und einen Orden bekommen. Wir haben es sehr genossen.«

Sophie muss natürlich auch ihren Senf dazugeben und ruft hinüber: »Und seht nur, wen wir in New York getroffen haben. Unseren lieben Jackie.«

Ooh, da fängt's schon an. Jetzt werden die eifrigen Mädels mein ganzes Leben vor den neugierigen Nachbarn ausbreiten. Aber was soll ich machen? Ich mag sie, auch wenn ich ihnen manchmal am liebsten den Mund mit Leukoplast verkleben möchte.

Wir sind alle verwitwet – nur Evvie ist geschieden – und haben uns vor Jahren zu einer neuen Familie zusammengetan und uns versprochen, uns umeinander zu kümmern und gemeinsam durch dick und dünn zu gehen. Meist ist es eher dick als dünn. Wir sind schon eine verrückte Mischung – gemischte Nüsse, sagt Evvie immer. Meine kluge und sprachgewandte Schwester ist gleichzeitig meine beste Freundin. Dann ist da Bella, die uns wie ein kleiner, freundlicher Schatten überallhin folgt; ferner die rundliche Sophie, die sich als Trendsetterin in Sachen Mode sieht und einen Kleiderfimmel hat; und schließlich Ida, unser Griesgram und bekennende Männerhasserin.

Bella ist ganz aufgeregt wegen der Aufmerksamkeit, die man uns schenkt. »Und wir haben eine Riesenneuigkeit für euch alle.«

Sogar Ida grinst.

Inzwischen ist Jack wieder bei mir angekommen. Er schnauft noch ein bisschen, und als neues Alphatier in unserem kleinen Rudel beschließt er, die Sache augenblicklich im Keim zu ersticken. »Meine Damen!«, ruft er. »Es war ein anstrengender Tag. Jetzt brauchen wir alle unsere Ruhe.«

»Ja«, sagt Evvie mit spöttischem Unterton, »ruhen wir uns doch jetzt erst mal aus.« Ich traue meinen Augen kaum. Sofort verschwinden alle in ihren Apartments und winken sich zum Abschied zu. Die Türen von Nummer eins, zwei, drei und vier schließen sich und werden auch nicht mehr geöffnet. Ich halte den Atem an – sollte es sich die eine oder andere doch noch anders überlegen? Jack und ich stehen da und warten. Und schließlich ziehen sich auch die Zuschauer zurück. Es scheint, als sei die Vorstellung beendet. Aber ich weiß schon: Jetzt spähen sie alle durch ihre Jalousien, gespannt darauf, was wir als Nächstes machen.

Mein sehr großer Liebster beugt sich herunter und flüstert: »Ich spüre förmlich, wie ihre Augen mir Löcher in den Leib brennen.«

»Lass nur. Es wird ihnen gleich langweilig werden, spätestens wenn ihr Lieblingsprogramm im Fernsehen anfängt.«

»Und was machen wir jetzt?«, fragt er. »Soll ich mit zu dir hinaufkommen?« Eine sehr verständliche Frage, da wir nun offiziell ein Paar sind.

»Vielleicht ist es besser, wenn wir getrennt in unsere Wohnungen gehen. Wir treffen uns morgen und denken über eine Überlebensstrategie nach.«

»Gute Idee. Aber mir ist es egal, ob die Jente-Brigade uns beobachtet, ich werde dir jetzt auf jeden Fall einen Gutenachtkuss geben.«

Was habe ich doch für ein Glück mit diesem wunderbaren Mann. Einen kurzen Augenblick muss ich wieder an die Ereignisse in New York denken, die mein Leben verändert haben. Es wird eine Weile dauern, bis ich die Wahrheit über den Mord an meinem Mann vor so vielen Jahren verarbeitet haben werde. Aber ich verdanke es Jack, dass ich jetzt die Wahrheit kenne, und betrachte es als das beste Geschenk, das er mir hätte machen können. Es hat uns endlich zusammengebracht – hoffentlich für immer.

Und Jack küsst mich. Wunderbar. Liebevoll. Ich halte ihn fest, ich möchte, dass dieser Kuss nie endet.

Von irgendwoher kommt leiser Applaus.

Den Koffer in der Hand und den Kragen wegen des Nieselregens hochgestellt, geht Jack zu seinem Gebäude in Block sechs. Aus dem dritten Stock hört er eine honigsüße Stimme.

»Huhu, Süßer! Hier oben!«

Er sieht hoch und entdeckt Louise Bannister, die mit einem Taschentuch winkt. Seine Nachbarin, die über ihm wohnt, ist eine auffällige Witwe in den Sechzigern, die sich aufgrund ihrer roten Haare vorkommt wie Rita Hayworth in der Rolle von Gilda. Sie beugt sich weit über die Balkonbrüstung, wobei sich ihr roter chinesischer Morgenmantel öffnet und reichlich Dekolleté freigibt – nicht ganz unabsichtlich, wie Jack vermutet.

»Willkommen zu Hause«, haucht sie. »Wir haben dich vermisst.«

»Danke, Louise«, sagt er leise, weil er die anderen Nachbarn nicht stören möchte. Diese überdrehte Femme fatale, die er da als Nachbarin hat, ist schwer zu ertragen, aber Jack kann nicht umhin zuzugeben, dass sie eine verdammt gute Bridgespielerin ist.

Seine Aufmerksamkeit wird durch zwei Männer abgelenkt, die auf das Gebäude zukommen. Beide sind nach der orthodoxen jüdischen Tradition gekleidet: schwarzer Hut, Anzug mit Weste und Vollbart.

Vergnügt ruft Louise: »Abe, Stanley, seht mal, wer wieder da ist!«

Jack findet, dass die beiden Männer, beide über achtzig, die man immer nur zusammen sieht, ein seltsames Paar abgeben. Abe Waller blinzelt durch seine Brillengläser, dick wie Flaschenböden, und nickt, als er Jack erkennt. Stanley Heyer lacht ihm freundlich zu und winkt. Während Abe groß und stämmig ist, ist Stanley klein und lebhaft. Abe spricht wenig und lächelt selten. Stanley ist geschwätzig und fröhlich.

»Also dann, ich muss gehen, Jungs«, sagt Louise und richtet sich auf. »Bis bald, Süßer.« Sie winkt Jack noch einmal zu, ehe sie in ihrem Apartment verschwindet.

»Ich kann's kaum erwarten«, murmelt Jack.

»Gute Reise gehabt?«, fragt Abe.

»Sehr gut«, erwidert Jack.

»Gerade noch rechtzeitig. Es soll ganz schön schütten in den nächsten Tagen«, sagt Stanley und pflückt ein paar abgestorbene Blätter von einem Rosenstrauch.

Jack lächelt höflich. Alle wissen, dass Stanley damals, Ende der Fünfzigerjahre, einer der Bauherren von Lanai Gardens war. Es heißt, es habe ihm so gut hier gefallen, nachdem die Bauarbeiten abgeschlossen waren, dass er selbst in eines der Apartments einzog.

Die beiden Männer trennen sich, jeder geht in eine andere Richtung. Stanley überquert den Hof zum Gebäude Y, und Abe begibt sich in seine Wohnung im Erdgeschoss von Z, wo auch Jack wohnt.

Jack hat gerade seine Post aus dem Briefkasten genommen und will die Treppe hochgehen, als er eine weitere Stimme hinter sich hört. Dora Dooley erscheint in der Tür ihres Apartments im ersten Stock. Die kleine Einundachtzigjährige ist süchtig nach Seifenopern, außerdem friert sie ständig und trägt zu jeder Jahreszeit einen unförmigen Pullover und Wollschal. »Wird auch Zeit, dass du zurückkommst. Mein Müll türmt sich schon auf.«

»Ich kümmere mich morgen darum, Dora, versprochen«, sagt er geduldig wie immer.

Willkommen zu Hause, denkt er ironisch. Frauen rechts von mir, Frauen links von mir. Es wird nicht leicht sein, bei dieser Umklammerung ein halbwegs normales Leben mit Gladdy zu führen.

Das Telefon hat schon dreimal geläutet. Jedes der Mädels hat mich angerufen, um zu tun, was sie immer tun: Gute Nacht zu sagen und Pläne für den nächsten Tag zu schmieden und zu erzählen, was ihnen noch so durch den Kopf geht. Bella ist die Letzte. Endlich ist es still. Wunderbar!

Das Telefon klingelt wieder. Diesmal ist es Jack. »Ich habe versucht, dich anzurufen, aber dein Telefon ist dauernd besetzt.«

Ich seufze. »Das hat leider Tradition.«

»Ich halte es nicht aus ohne dich. Ich wünschte, es wäre schon morgen. Vielleicht sollte ich warten, bis es dunkel ist, und mich dann rüberschleichen. Niemand wird mich sehen.«

»Das glaubst du wohl. Aber die Buschtrommel würde deine Ankunft verkünden, ehe du bei mir ankommst. Ich habe eine bessere Idee. Treffen wir uns morgen früh um halb sieben an der Bushaltestelle am Haupttor.«

Diesmal seufzt er. »Halb sieben, okay. Bis morgen, mein Schatz. Ich liebe dich.«

In dieser Nacht habe ich einen Traum. Ich sehe, wie Jack am Strand sitzt und mir mit einem Mai Tai zuprostet. Er trägt eine Badehose, einen großen Sonnenhut und eine Fliegersonnenbrille und grinst übers ganze Gesicht. Er winkt mir, ich solle zu ihm kommen. Die Mädels und ich tanzen um einen Maibaum. Alle haben breite, farbige Bänder in der Hand, die an meinem Kleid angenäht sind. Während wir tanzen, versuche ich, die Bänder loszumachen. Ich möchte mich befreien, aber die Mädels lassen mich nicht los. Die Musik wird schneller und schneller, und schließlich purzeln wir alle übereinander drüber.

Schweißgebadet wache ich auf. Ich brauche keinen Sigmund Freud, um mir zu erklären, was dieser Albtraum bedeutet.

Kapitel 2Mata Hari erklärt alles

Ich sitze an der Bushaltestelle vor dem Haupteingang von Lanai Gardens am Oakland Park Boulevard. Es ist sechs Uhr dreißig, und ich warte auf Jack. Letzte Nacht hat es geregnet, und zum Glück habe ich ein Handtuch mitgebracht, um die Bank abzutrocknen. Aber es ist ein herrlicher Morgen. Es ist lange her, seit ich zum letzten Mal so früh aufgestanden bin. Wie wunderbar still es ist, ehe für die meisten Menschen der Tag anfängt.

Jemand hat einen neuen Kamelienbusch vor das große Schild am Eingang von Lanai Gardens gepflanzt und mit einem Maschendraht umgeben, und ich genieße ihren Anblick. Schon zwei Busse wollten für mich halten, aber ich habe sie vorbeigewinkt.

Wenn man zügig geht, sind es etwa sechs Minuten von meinem Apartment hierher, von Jacks sind es etwa zehn Minuten. Ich sehe auf die Uhr. Ich weiß, er wird pünktlich sein. Und da kommt er auch schon aus der Richtung von Block sechs angejoggt.

Bei meinem Anblick zögert er kurz. Ich strahle ihn an. Leicht außer Atem lässt er sich neben mir auf die Bank fallen. »Guten Morgen«, sage ich.

»Einen Moment habe ich gedacht, wir haben Halloween. Was hat es denn mit dieser Mata-Hari-Kostümierung auf sich?«

»Wie findest du diesen schwarzen Hut mit Schleier? Und die große Sonnenbrille? Die Sachen habe ich vor Jahren mal auf dem Flohmarkt gekauft, für eine Kostümparty.«

»Also kann ich davon ausgehen, dass du dich verkleiden wolltest?«

»Worauf du dich verlassen kannst. Ich habe mich an der Hinterseite der Gebäude hinausgeschlichen. Dort sieht niemand aus dem Fenster, denn da stehen nur die Müllcontainer. Du solltest dir überlegen, ob du für den Rückweg auch diese Route nimmst. Das heißt, wenn du unbemerkt bleiben willst.«

»Willst du damit andeuten, dass unser Leben von jetzt an so aussehen wird? Dass wir zwischen Müllcontainern herumschleichen? Beim ersten Morgengrauen aufstehen und uns an Bushaltestellen treffen?« Er grinst. »Ein bisschen abartig, aber wenn dich das anmacht ...«

Er nimmt mir den Hut ab, legt ihn neben mir auf die Bank und sieht mich anzüglich an. »Damit ich dich besser sehen kann, mein Schatz.« Er küsst mich, und ich erwidere seinen Kuss. Ich fühle mich wieder wie ein Teenager, der sich zu einem Rendezvous fortgestohlen hat.

Erneut kommt ein Bus, wird langsamer und will halten. Diesmal winkt Jack ihn vorbei. Ich wusste gar nicht, wie effizient unser öffentlicher Nahverkehr ist.

Jack dreht mich an den Schultern herum, sodass ich ihn ansehe. »Ich habe eine einfache Lösung. Lass uns heiraten. Wenn die Mädels den ersten Schock überwunden haben, wird alles herrlich langweilig werden. Sie werden sich schon daran gewöhnen, dass wir zusammen sind.«

»Klingt gut, würde aber nicht funktionieren.«

»Warum nicht?«

»Vielleicht habe ich genau davor Angst – dass sie sich daran gewöhnen. Hast du gemerkt, wie schnell die Mädels bereit waren, dich das Taxi bezahlen zu lassen? Und sich von dir die Koffer hinauftragen zu lassen? Es wird nicht lange dauern, und du wirst befördert werden zum Faktotum mit Aufgaben wie: ›Jackie, würdest du bitte zu Publix fahren und mir ein Glas Hellmans-Mayonnaise kaufen?‹ Oder: ›Jackie, ich kriege den Stecker von meinem Bügeleisen nicht rein‹, oder: ›Jackie, könntest du mir wohl eine neue Glühbirne einschrauben?‹ Wobei man wissen muss, dass sie das alles jahrelang selbst erledigt haben, ehe du als gutmütiger Helfer hier auftauchtest.«

Jack lacht. Er zieht mich an sich und küsst mich wieder. »Du hast wohl vergessen, was mir gestern Abend gelungen ist. Ich habe nur mit den Fingern geschnippt, und sie gehorchten aufs Wort.«

Ich schüttle den Kopf. »Typisch Mann. Du denkst nur, dass sie dir gehorchen.«

»Nein, ich weiß, dass es so ist.«

»Du glaubst mir nicht? Ich werde es dir beweisen. Wir hatten doch versprochen, unser New-York-Erlebnis gebührend mit einem Dinner zu feiern, wenn wir wieder zu Hause sind. Okay. Heute Abend im Deli. Dann wirst du wissen, was dir bevorsteht.«

Eine Weile sitzen wir noch da, kuscheln uns aneinander und winken Busse vorbei. Der Berufsverkehr auf der sechsspurigen Straße wird dichter. Vielleicht bringen uns die Abgase all dieser Fahrzeuge um, aber im Moment ist mir das gleich. Ich bin selig.

»Huhu, Gladdy, Jackie!«

Wir drehen uns um und – jawohl, da kommen sie. Meine lieben, zuverlässigen Mädels. Sie steigen aus einem Auto und bedanken sich bei dem Nachbarn, der sie bis zum Haupteingang mitgenommen hat. Sie schleppen einen riesigen Picknickkorb mit sich und strahlen.

»Du bist so früh gegangen und hattest gar keine Zeit zum Frühstücken«, sagt Bella und stellt den Korb neben uns auf die Bank. »Also haben wir unsere vier fast leeren Kühlschränke geräumt und euch ein Frühstück zusammengestellt.«

Sophie sagt: »Nur ein kleiner Imbiss, etwas Käse, ein paar Äpfel« – und nimmt die Sachen heraus. »Ein oder zwei Rugallah. Ein paar hart gekochte Eier ...«

»Und natürlich ein paar Bagels mit Frischkäse«, fügt Ida hinzu. »Alles schon fertig.« Sie nimmt sie heraus, außerdem Besteck und Servietten.

Evvie wirft mir ein schadenfrohes Grinsen zu. Sie genießt Jacks entsetztes Gesicht. »Wir haben euch sogar eine Thermoskanne Kaffee mitgebracht, und niedliche kleine Plastikbecher. Genau wie beim Familienpicknick im Park.«

»Nein, bitte bleib doch sitzen, Jackie«, stichelt Ida. »Wir stehen wirklich gut hier.«

Ich kann mir das Grinsen ebenfalls nicht verkneifen, als ich Jack frage: »Soll ich einschenken, Liebster, oder willst du das übernehmen?«

Sein Gesichtsausdruck wirkt leicht gequält. »Wie habt ihr uns gefunden?«

»Ganz einfach«, sagt Ida. »Tessie war gerade dabei, mit dem Staubsauger ihre Jalousien im Wintergarten zu reinigen, als sie sah, wie sich Gladdy davonschlich. Du weißt sicher, wie früh Tessie immer aufsteht.«

Auch Evvie muss ihren Teil beisteuern: »Denny kam gerade vom Blumenmarkt zurück, wo er Pflanzen für den Garten geholt hatte, da sah er Gladdy hier auf der Bank sitzen.«

Bella kichert. »Lola klopfte gerade ihre Läufer an der Balkonbrüstung aus, da sah sie Jack vorbeiflitzen.«

Meine Schwester schenkt mir ihr strahlendstes Lächeln. »Also haben wir eins und eins zusammengezählt und sind zu dem Schluss gekommen, dass zwei Menschen, die wir kennen und lieben, sehr früh aufgestanden sein müssen, und dass es doch nett wäre, ihnen ein Frühstück zu bringen.«

»Wie überaus freundlich«, erwidere ich mit einer ähnlichen Dosis Saccharin in der Stimme.

Wieder bleibt ein Bus stehen, und wir hören das pneumatische Zischen, mit dem die Tür aufgeht. Mir entgeht nicht der Gesichtsausdruck meines Geliebten, der mit sehnsüchtigem Blick die Stufen anpeilt.

Ich sage: »Denke nicht einmal daran ... Jackie.«

Kapitel 3Am Pool

Noch ist es ziemlich früh. Wir haben unser improvisiertes Frühstück an der Bushaltestelle beendet, und Jack ist wieder nach Hause gegangen. Die Mädels und ich haben unseren Frühsport absolviert, soweit man es so nennen kann – ein wenig walken, etwas Stretching und dabei viel kwetschen – jammern, das gehört dazu. Jetzt sind wir bereit, ins Wasser zu gehen. Wir warten auf die Poolrunde, mit der wir uns gewöhnlich um neun Uhr treffen. Unter Schwimmen verstehen wir: ganz langsames Eintauchen ins Wasser, Zentimeter um Zentimeter, um sich an die Temperatur zu gewöhnen, die die Mädels als Eiseskälte bezeichnen. Der Pool wird konstant auf 27 Grad gehalten, also fragen Sie mich nicht, warum. Dann am flachen Ende von einer Seite zur anderen Wassertreten und Quasseln und dazu Paddeln mit den Armen.

Jetzt sitzen wir an einem der Tische auf der Terrasse unter dem Sonnenschirm und nutzen die Zeit, um unsere Geschäftspost durchzusehen, die sich angesammelt hat, während wir in New York Verbrechen aufgeklärt haben. Wir haben ein ganz effizientes System entwickelt. Sophie öffnet die Briefumschläge. Bella nimmt die Briefe heraus und glättet sie, damit man sie besser lesen kann. Die Rechnungen gibt sie gleich an Evvie weiter, unsere Buchhalterin. Wir alle lesen, diskutieren und entscheiden dann, auf welchen Stapel die anderen Briefe kommen. Unsere Stapel sind unterteilt in: »Langweiler«, »Verrückte«, »Nörgler«, »Vollidioten«, »Müll« und »Möglicherweise interessant«.

Sophie hält einen Brief hoch. »Hier ist einer von einem Typ, der anfragt, ob unsere Agentur ihm eine Freundin beschaffen kann. Er sagt, er ist achtzig, aber noch ein richtiger Deckhengst.«

»Du liebe Zeit!«, sagt Evvie. »Der hat uns ja völlig falsch verstanden. Wir sind doch kein Partnervermittlungsbüro.«

Sophie legt den Brief auf den Stapel »Vollidioten«. »Schade, dass Jackie uns gleich nach unserem netten Frühstück verlassen musste. Wovon kann er nur solche Kopfschmerzen bekommen haben, dass er sich hinlegen musste?«

Evvie lacht. »Ja, das frage ich mich auch.«

Armer Jack. Es war schon schlimm genug, wie die Mädels ihn da auf der Bank umschwärmten. Der Frischkäse auf seinem Hemd war auch irgendwie irritierend, aber was das Fass zum überlaufen brachte, war Bellas Ungeschicklichkeit, die in ihrem Eifer, ihn zu bedienen, ihm den Orangensaft über die Hose goss. Ich hatte ihn ja gewarnt.

»Was ist mit der hier?«, sagt Bella und hält wieder einen Brief hoch. »Sie schreibt, ihr Mann geht jeden Tag in den Park, wo er sich immer verläuft und nicht wieder nach Hause findet. Sie sagt, es sei kein Alzheimer, aber sein Kurzzeitgedächtnis ist total im Eimer.«

»Ich komme mir vor wie eine Briefkastentante«, schimpft Evvie. »Was erwartet die Frau denn von uns? Sollen wir ihn jeden Tag im Park auflesen und nach Hause bringen?«

Überrascht sieht Bella auf. »Wie hast du das gewusst?«

»Schreib ihr, sie soll ihm einen Hund kaufen«, schlägt Sophie vor. »Möglichst einen mit gutem Orientierungssinn.«

»Oder sie soll ihm ein Glöckchen umhängen, dann muss sie nur dem Bimmeln hinterher«, sagt Bella kichernd.

Ida sagt: »Hört euch das mal an. Hier schreibt eine Frau aus Margate, dass sie von Männern verfolgt wird, aber die Polizei glaubt ihr nicht.«

»Männer?«, fragt Evvie. »Gleich mehreren?«

»Verrät sie auch, wie alt sie ist?«, frage ich.

Evvie sagt: »Die Frau schreibt, sie ist fünfundfünfzig und wird noch immer sehr umschwärmt.« Sie wirft einen Blick auf das beigefügte Foto und reicht es herum.

»Vielleicht sollten wir ihren Brief an den Verfasser des ersten Briefs schicken, den Sophie vorhin vorgelesen hat«, sagt Ida. »Klingt ganz nach großer Romanze. Herzensbrecherin trifft auf Deckhengst.«

Allgemeines Gekicher.

Evvie liest einen Zeitungsausschnitt, den jemand in einem gefalteten Briefbogen geschickt hat. »Hmmm«, sagt sie. »Hört mal. Das ist aus dem Broward Journal von letzter Woche, als wir weg waren.« Sie lacht. »Das wird euch gefallen. ›Räuberopa entkommt abermals. Bislang wurden sechs Banken in Fort Lauderdale von einem älteren grauhaarigen Mann ausgeraubt. Bankangestellte und Polizei, die immer schnellstens zur Stelle waren, haben keine Erklärung dafür, wie der Räuber ein ums andere Mal entkommen konnte.‹ Wow. Und was haltet ihr davon?« Sie hält den Zeitungsartikel hoch. Über den Ausschnitt hat jemand mit schwarzem Filzstift etwas geschrieben. »Hier steht: ›Fangt mich doch, wenn ihr es schafft, Mädels!‹«

Jetzt sind alle aufmerksam geworden. »Mädels?«, sagt Ida. »Der meint uns! Woher weiß er denn, wer wir sind? Will er uns damit den Auftrag geben, ihn zu finden?«

Bella macht ein ratloses Gesicht. »Aber wie kann er uns denn bezahlen, wir wissen ja gar nicht, wer er ist?«

»Na ja, mit dem geraubten Geld könnte er es sich vermutlich leisten«, schlägt die pragmatische Sophie vor.

»Aber warum sollte er denn wollen, dass wir ihn fangen?«, sagt Ida. »Das verstehe ich nicht.«

Evvie fischt noch etwas aus dem Briefumschlag. »Seht mal, hier!« Sie hält eine kleine grüne Feder hoch.

»Was die wohl zu bedeuten hat«, rätselt Sophie.

Eine grüne Feder? Eine Aufforderung an uns, ihn zu finden? Und warum? Meine Neugierde ist geweckt. »Leg den Brief auf den Stapel mit den möglicherweise interessanten Anfragen«, sage ich.

»Schaut mal, wer da kommt«, sagt Bella. »Ich glaube, die Poolrunde trifft allmählich ein.«

Evvie sieht hoch und verzieht das Gesicht. »O nein. Nicht schon wieder. Ich hatte gehofft, er ist inzwischen wieder weggezogen.«

Es ist Joe Markowitz, Evvies Exmann, der da auf uns zugeschlurft kommt. Mit hängendem Kopf. Ein trauriger Anblick, so ein gebrochener Mann; nichts mehr erinnert an den kraftstrotzenden, gut aussehenden Soldaten, den Evvie nach dem Krieg heiratete. Evvie hat ihm immer noch nicht verziehen, dass er sie während ihrer Ehe so schäbig behandelt hat, und sie bleibt unerbittlich. Sie hatte ihn mehr als fünfzehn Jahre nicht mehr gesehen, als er zu Evvies Überraschung und Ärger kürzlich hier auftauchte und ein Apartment in Block drei mietete.

Joe tritt an unseren Tisch. »Hi, Evvie. Ich habe gehört, dass ihr zurück seid. Ich wollte nur mal kurz Hallo sagen.«

Auf seinem Hemd hat er einen Fleck, außerdem ist es verkehrt zugeknöpft. Seine Shorts sind schrecklich zerknautscht. Seine Kleidung sieht verlottert aus, er wirkt, als ob er sich aufgegeben hat. Keine Spur mehr von dem adretten Mann, der er früher war.

Evvie sitzt steif da. Ihr Ton ist brüsk. »In Ordnung. Hallo. Und tschüs. Wir haben zu tun.«

Ich werfe ihr einen Blick zu, der ihr bedeuten soll, sie solle doch etwas lockerer sein. Sie zuckt die Schultern, eine Geste, die mir sagt, dass sie nicht will. Unser ganzes Leben lang haben meine Schwester und ich uns mit einer Art körperlicher Kurzschrift verständigt.

»Setz dich doch«, sagt Sophie und zieht einen Stuhl vom Nachbartisch für Joe heran. Evvie passt das gar nicht.

»Darf ich?« Es klingt mitleiderregend.

Evvie dreht ihm die Schulter zu. Eine sehr kalte Schulter. Fast wie Eis.

Er zögert, dann setzt er sich. Niemand spricht. Die Mädels tun so, als seien sie ganz vom Öffnen der Briefe in Anspruch genommen, während Joe Evvie ratlos anstarrt.

Schließlich reicht es Evvie. »Und? Was ist los? Spuck's endlich aus.«

»Ich dachte, ich könnte dich zum Frühstück einladen. Ich möchte Verschiedenes mit dir besprechen.«

»Ich habe schon gefrühstückt«, sagt sie hochmütig. Sie kommt ihm wirklich keinen Zentimeter entgegen. »Was du zu sagen hast, kannst du ruhig auch hier vor meiner lieben Schwester und meinen Freundinnen sagen.«

Auwei ... wenn die Diva entschlossen ist, gemein zu sein, kann keiner ihr das Wasser reichen.

Joe starrt sie an wie ein geprügelter Hund. Sie dreht sich weg. Joe steht auf. »Vielleicht passt es ja ein andermal.«

Als er gegangen ist, sind wir alle still. Keiner sieht Evvie an.

»Ist was?«, fragt sie gereizt.

»Steh auf«, sage ich. Mein Ton soll sie daran erinnern, dass ich die ältere Schwester bin. »Deine Eltern haben dir gute Manieren beigebracht, also geh zu ihm und sag dem armen Kerl ein paar nette Worte.«

Evvie steht auf, die Hände in die Hüften gestemmt. »Und wenn nicht? Legst du mich dann übers Knie? Schließlich sind wir jetzt erwachsene Menschen.«

»Dann benimm dich auch wie einer.«

Böse funkeln wir uns an. Dann stapft sie wie ein bockiges Kind davon.

Die Mädels applaudieren mir. »Zurück zu unserer Post«, sage ich. Aber zuerst werfe ich noch einen Blick über die Schulter zurück und sehe, dass Evvie Joe eingeholt hat. Offenbar ist er überrascht und freut sich, bemüht sich jedoch, es nicht zu zeigen.

Sie sind gerade so weit entfernt, dass ich noch ihre Stimmen hören kann, wenn ich mich konzentriere. »Tut mir leid, dass ich so unhöflich war«, sagt sie, doch es klingt nicht besonders aufrichtig.

Joe zuckt die Schultern. »Ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein. Ich nehme deine Entschuldigung an. Aber ich wette, Glad hat dich dazu aufgefordert.«

Evvie hat den Anstand, rot zu werden.

»Sie war immer netter zu mir«, sagt Joe.

Stimmt das nicht tatsächlich? In schwesterlicher Loyalität widerspricht Evvie auch nicht. »Sieh mal, Joe, ich wollte dir nur sagen: Auch wenn du hierhergezogen bist, gibt es keinen Grund, warum wir etwas miteinander zu tun haben sollten. Ich lebe mein Leben, und dazu brauche ich dich nicht.«

»Es tut mir leid, wenn das deine Einstellung ist. Aber ich werde mich bemühen, dir aus dem Weg zu gehen«, sagt er traurig.

»Das wär's dann wohl. Man sieht sich.«

Schnell drehe ich mich um, damit Evvie nicht merkt, dass ich gelauscht habe.

Evvie lässt ihn stehen und steuert auf ihren Stammplatz am Pool zu, die Schultern immer noch gestrafft. Aber vermutlich behandelt sie ihn genau so, wie er es verdient.

»Ach herrje, da kommt die Truppe«, verkündet Bella. Sie fegt den Stapel Post in einen Korb und macht sich auf in Richtung der Liegestühle, die ungefähr auf Höhe der Ein-Meter-Marke des Pools stehen. Diese Sitzordnung ist seit Jahren in Stein gemeißelt.

Und richtig, wie auf Kommando treffen aus allen Richtungen die übrigen Bewohner ein. Die Kanadier schlagen ihr Camp am tiefen Ende in der Nähe des Sprungbretts auf. Hy und Lola lassen sich auf ihre Stühle am flachen Ende fallen. Tessie und Sol, ihr frisch Angetrauter, der früher immer im Pool von Block sechs schwamm, nehmen ihre Plätze neben ihnen ein.

Barbi Stevens und ihre »Cousine« Casey Wright sitzen ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Beckens, wo sie sofort anfangen, sich gegenseitig mit Sonnenschutzcreme einzureiben. Meine Mädels sehen fasziniert zu, denn sie wissen um die sexuelle Orientierung der angeblichen Cousinen.

Oh, aber jetzt gibt es was zu sehen, eine Neuerung, die während unserer Reise Premiere gehabt haben muss. Irving Weiss kreuzt mit Mary Mueller auf. Sie haben Knabbersachen, Handtücher und Bücher dabei. Irvings Liegestuhl steht jetzt direkt neben ihrem. Seit er seine Millie in ein Pflegeheim für Alzheimer-Patienten geben musste, hat sich sein Leben radikal verändert: Ist Irving, der bisher die Sonne mied wie die Pest, etwa zum Sonnenanbeter geworden?

Man hört die üblichen Begrüßungen.

Als ich auf dem Weg zu unserem Stammplatz, wo Evvie bereits sitzt, an den beiden vorbeikomme, muss ich einfach fragen: »Wie geht's Millie?«

Ich kann die Antwort schon von Marys Augen ablesen. Aber Irving will es immer noch nicht wahrhaben. »Mary fährt mich jeden Tag zu ihr rüber, und ich bleibe den ganzen Nachmittag bei ihr. Und jedes Mal, wenn sie mich sieht, geht es ihr ein bisschen besser. Manchmal denke ich, dass meine Millie mich erkennt.«

Ich blicke um mich und stelle fest, dass die Reaktion auf dieses neue Paar gemischt ist. Ich weiß, dass Irving allen leidtut, aber es wird auch kritisch aufgenommen, dass er neuerdings so viel Zeit mit Mary verbringt. Seit ihr Mann sie verlassen hat, muss sie ziemlich einsam sein. Ob man wohl darüber spekuliert, wie nahe sich die beiden schon gekommen sind? Ich schüttle den Kopf. Was erwarten sie von ihm? Dass er in seiner Wohnung sitzt und den ganzen Tag heult?

Alles hat sich häuslich niedergelassen. Tessie zerrt den sich sträubenden Sol ins Wasser. Sie bespritzt ihn übermütig mit Wasser, und er zuckt zusammen, dann schwimmt sie los und zieht ihre Bahnen. Trotz ihres kräftigen Körperbaus bewegt sie sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit im Wasser.

Die Kanadier, die »Schneeflüchtlinge«, die jedes Jahr im Winter kommen, lesen die neuesten Ausgaben ihrer Heimatzeitungen und unterhalten sich leise.

Lola vertieft sich in einen ihrer Groschenromane, von denen sie eine riesige Sammlung hat. Hy begnügt sich damit, lüstern die grellbunten, kitschig-erotischen Buchumschläge anzustarren. Ich wette, sie machen ihn insgeheim ganz schön scharf.

Casey und Barbi haben ihre Laptops aufgeklappt, und ihre Hände fliegen über die Tasten.

Mary liest medizinische Zeitschriften. Sie war Krankenschwester, und obwohl sie jetzt im Ruhestand ist, hält sie sich gern auf dem Laufenden. Irving starrt vor sich hin. Seinem traurigen Gesicht nach zu urteilen denkt er an Millie.

Die Mädels sind schon im Pool. Ida und Evvie stehen am Beckenrand und machen Kick-Übungen mit den Beinen. Bella und Sophie summen Melodien aus alten Musicals und andere Lieder, an die sie sich erinnern, schlagen mit den Händen den Takt dazu und laufen in einer Wassertiefe von einem halben Meter hin und her – ihre Auffassung von Körperertüchtigung. Ich erkenne die Melodie als Tiptoe Through the Tulips. Ach natürlich, das hat Tiny Tim gesungen.

Hy mustert die Gruppe wie ein Raubvogel, immer auf der Lauer nach einer Gelegenheit, jemanden zu ärgern. Sein feistes, boshaftes Gesicht dreht sich mir zu und bleibt stehen. Die perfekte Zielscheibe. Anders hatte ich es auch nicht erwartet. Ich verstecke mich hinter dem neuen Krimi von Janet Evanovich. Ihre Bücher bringen mich immer zum Lachen. Aber ich wappne mich innerlich, denn wenn Hy angreifen sollte, werde ich heute Morgen nicht viel zu lachen haben. Sondern mich ärgern müssen.

»Also, Gladdy«, ruft er so laut, dass alle es hören können, »was ist denn deine große Neuigkeit? Bella hat neulich so eine interessante Andeutung gemacht. Du und Jack Langford, habt ihr womöglich schon vor, das Band der Ehe zu knüpfen?«

Ich warte ab, wohl wissend, dass ich nicht zu antworten brauche. Meine Mädels werden das übernehmen.

Und richtig, schon kommen sie aus dem Pool, tropfend und strahlend und bereit, alle in das große Geheimnis einzuweihen. Bis auf Evvie, die versuchen wird, loyal zu bleiben ... bis auch sie ihrer großen Leidenschaft erliegt, nämlich dem Klatsch.

Sophie fängt an. »Also, ihr wisst ja, sie hatten Schluss gemacht.«

Bella: »Aber dann haben sie sich wieder versöhnt.«

Sophie: »Und dann war es wieder aus.«

Ida: »Ach, kommt endlich zur Sache. Ja, sie sind wirklich ein Paar, und es kann sein, dass bald etwas geplant ist.«

Ich tue so, als läse ich in meinem Buch, doch ich kann mich unmöglich konzentrieren. Außerdem muss ich auf der Hut sein, falls ich zur Schadensbegrenzung einschreiten muss.

Barbi und Casey hören amüsiert zu. Auch die Kanadier verfolgen unseren Schlagabtausch wie immer sehr aufmerksam; ich stelle mir vor, dass sie sich ein bisschen wie auf einer Safari vorkommen, wo man den Affen beim Spielen zuschaut. Sehr witzig, nicht wahr?

Bella quasselt weiter. »Einen Ring hat Gladdy ja noch nicht, aber vielleicht ...«

Mich schüttelt es. Ich kann es nicht ertragen, dass mein Privatleben hier derart breitgetreten wird. Ich ziehe meinen Sonnenhut noch tiefer ins Gesicht.

Auch Sophie gibt ihren Senf dazu: »Wir hoffen, dass wir in Kürze den Termin erfahren werden.«

»Die offizielle Verlobung wird wahrscheinlich demnächst bekanntgegeben werden«, sagt Ida selbstgefällig.

Sophie setzt noch eins drauf: »Und vermutlich gefolgt von einer großen Party. Glauben wir jedenfalls.«

Hy platzt fast vor Ungeduld. Er springt auf, und man merkt, wie sehr er sich ärgert. »Na und? Das nennt ihr Neuigkeiten? Wahrscheinlich dies. Vielleicht das. Vermutlich in Kürze. Der Versuch, aus euch etwas herauszukriegen, ist wie Zähneziehen. Gladdy, gib's endlich zu.«

Alles dreht sich abwartend zu mir um. Ich komme mir vor wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Zweitonners. In der Hoffnung, dass es gleich vorbei sein wird und sie sich ein anderes Opfer aussuchen, verharre ich in diesem hypnotischen Zustand.

Evvie grinst, sie weiß, wie sehr Hy mein Schweigen frustriert. »Glaub mir, du wirst der Erste sein, oder vielleicht auch der Letzte, der es erfährt.«

Lola, seine Marionette, hüpft vor Begeisterung auf ihrem Liegestuhl auf und ab. »Du kannst es uns ruhig sagen. Wann ist die Hochzeit?«

Das reicht. Mit einem falschen Lächeln wende ich mich an Hy. »Na, Hy, hast du heute gar keinen Witz für uns? Wie mir deine Witze gefehlt haben, als ich weg war!«

Was soll ich machen? Ich habe die Wahl zwischen Pest und Cholera, und da ich nicht länger der Mittelpunkt sein will, entscheide ich mich für die Cholera.

Hy verbeugt sich wie ein eitler Gockel, der er ja auch ist, und breitet die Arme aus, als wollte er mit seiner Großzügigkeit alle umfangen. »Komisch, dass du gerade jetzt danach fragst. Gerade musste ich nämlich an einen Witz denken. Wenn ich mich so umblicke, sehe ich Paare. Neuvermählte Paare.« Er zeigt auf Sol und Tessie, die sein Grinsen erwidern. »Neue Arten von Paaren.« Er sieht Irving und Mary an. Irving sieht verlegen aus. Mary wirft ihm einen verächtlichen Blick zu. »Und jetzt ist erneut Liebe aufgeblüht. Zwischen Block sechs und Block zwei.«

Das ist auf mich gemünzt. Ich versuche zu lächeln, bekomme aber nur eine mühsame Grimasse zustande.

Hy zieht Lola vom Liegestuhl hoch. Aha, er braucht offensichtlich eine Gehilfin für diese Geschichte.

»Da ist also dieses Liebespaar, müsst ihr wissen. Nennen wir sie Hy und Lola.« Wieder ein breites Grinsen.

Ist er nicht großartig? So wie die beiden stelle ich mir Romeo und Julia aus Transsylvanien vor.

»Sie sitzen vor dem Fernseher auf der Couch, und plötzlich legt Hy den Arm um sie.«

Hy macht es vor. Er zwickt Lola, damit sie ihren Einsatz nicht verpasst, und tatsächlich flötet sie: »O Liebling, wie schön.«

»Sein Arm wandert über ihre Schulter nach unten bis zu ihrer Taille.«

Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass diese Vorstellung jugendfrei bleibt.

Wieder zwickt er Lola, damit sie ihr Sprüchlein aufsagt. Vermutlich haben sie es tatsächlich geübt.

Sie sieht ihn mit schmachtendem Blick an und sagt: »Das ist wunderschön, Schatz, mach weiter.«

Hy, Ehemann und Schauspieler, lässt seine Hand weiter nach unten wandern, bis zu Lolas knochigen Hüften. Ich halte die Luft an. Jetzt gleiten seine Finger suchend an ihren Oberschenkeln entlang.

»Ooooh, aaaah«, gurrt sie, »mach weiter bitte!«

Seine Hand ist bereits gefährlich nahe am Niemandsland. Ich muss grinsen über das, was jetzt wohl kommt.

Hy, der Erzähler, verkündet dramatisch: »Doch Hy hört auf.«

Lola stöhnt, als hätte sie Bauchweh. Aber vermutlich ist es der Versuch, Ekstase zu spielen. »Oooh, mein Liebster, warum hast du denn aufgehört?«

Hy hebt die Hand mit einer Tube Sonnencreme als Requisit. »Weil ich endlich die Fernbedienung gefunden habe.«

Eine lange Pause, bis alle es begriffen haben, gefolgt von plätscherndem Applaus.

Ich kann nur hoffen, dass Aufführungen von diesem unsäglichen Duo jetzt nicht zu einer ständigen Einrichtung werden.

Plötzlich öffnen sich die Schleusen des Himmels, und es fängt heftig an zu regnen. Hurra, das Wetter rettet uns. Alle ergreifen ihre Sachen und rennen heim, ehe es noch schlimmer wird und wir vollkommen durchnässt sind.

Doch als ich in meinem Apartment ankomme, fällt mir plötzlich ein, warum es heute am Pool anders war als sonst. Es fehlte jemand. Enya, eine Überlebende der Konzentrationslager. Sie ist sonst immer da, liest in einem Buch und redet mit niemandem. Aber heute war sie nicht da, und das ist bislang noch nie vorgekommen. Ich hoffe, ihr ist nichts passiert, während wir weg waren.

Ein unvorstellbares Durcheinander. Peitschender Regen und undurchdringlicher Nebel. Ein Gewühl aus Leibern, die von Bajonetts vorwärtsgestoßen werden, es ist zwecklos, sich dagegen zu wehren, nirgendwo eine Zuflucht, überall zuckende Scheinwerfer, die ihr unerbittliches Licht auf sie werfen, ihre mitleiderregenden Schreie gehen in Wimmern über. Alle klammern sich an ihre Lieben, die nassen Leiber vorangetrieben, zusammengepfercht, bis sie nur noch eine Masse aus zuckenden menschlichen Körpern sind. Ohne Hoffnung.

Enya wacht auf. Eigentlich müsste sie aufstehen, aber sie kann nicht. Sie fühlt sich wie gelähmt.

Ihre Albträume sind wieder da.

Kapitel 4Tanz um die Müllcontainer

Jack hält sich die Ohren zu vor dem Lärm der Müllautos, die hinter unserem Gebäude die Container leeren. Es ist früher Nachmittag, und wieder einmal habe ich mich davongestohlen, um mit Jack zusammen zu sein. Noch immer fehlt uns die Zeit, um allein zu sein und gemeinsam Pläne zu schmieden.

»Ich dachte, du machst Spaß, als du sagtest, wir wollen uns hier treffen!«, ruft er.

Beim Dröhnen der Müllautos und dem dichten Verkehr, der auf dieser Nebenstraße herrscht – samt dem Jaulen der Krankenwagen, für die dieser Weg die direkteste Route zum Krankenhaus ist –, können wir unser eigenes Wort kaum verstehen.

»Ich hatte mir gedacht, hier vermutet uns niemand. Aber was heißt das schon: Gestern dachte ich ja auch, wir würden außerhalb des Haupttores sicher sein«, brülle ich zurück. »Wie du selbst gemerkt hast, gibt es kaum einen Ort, an dem man vor den Mädels sicher ist und ein privates Gespräch führen kann.«

»Wir sind ja schließlich nicht im Gefängnis, weißt du. Wir hätten uns auch irgendwo außerhalb der Anlage treffen können.« Er zuckt zusammen, als ein Müllmann den Deckel eines der schweren Container laut zuknallen lässt.

»Stimmt, aber wir bekommen in Kürze Besuch, also wäre es nicht sehr praktisch gewesen. Rate mal, wer kommt.«

»Jemand, den ich kenne?«

»Sehr gut sogar.«

»Wirklich? Ist es Morrie?«

Ich nicke. Überrascht sieht er mich an. »Mein Sohn, der Polizist, macht Hausbesuche? Ich bin sprachlos.«

»Na ja, nicht ganz. Er hält im Clubhaus einen Vortrag über Trickbetrüger, die es besonders auf ältere Menschen abgesehen haben, und ich habe ihn gebeten, hinterher bei uns vorbeizuschauen. Ich will ihm einen merkwürdigen Brief zeigen, den wir von dem Typ bekommen haben, der sich Räuberopa nennt.

Ich habe ihm am Telefon schon von dem Bankräuber und seinem seltsamen Ansinnen an uns erzählt. Und Morrie interessiert sich natürlich für den Zeitungsausschnitt, den der Räuber uns geschickt hat, weil dessen Handschrift darauf ist. Er kommt vorbei, um ihn abzuholen. Magst du gern dabei sein?«

»Klar, warum nicht.«

Ich drücke ihn. »Also, schnell, lass uns über uns sprechen. Wir müssen einen Plan machen.«

»Ich habe einen Plan. Wir gehen zusammen essen. Danach kehren wir gemeinsam in mein Apartment zurück. Ganz einfach.«

»Du meinst, ich soll mich fortschleichen und zu dir kommen? Gut, ich könnte hier hinten herumgehen.« Ich unterbreche mich. »Warte mal, da gibt's aber ein Problem. Ich muss jemandem Bescheid sagen, wo ich bin. Wenn sie anrufen und ich nicht antworte, vermuten sie gleich wieder das Schlimmste.«

»So hatte ich das nicht gemeint. Ich will mich nicht mehr verstecken. Sag ihnen, dass du heute Nacht bei mir bist. Und zwar die ganze Nacht.«

Ich bin angenehm überrascht, aber auch ein wenig schockiert. »Willst du es wirklich so öffentlich machen? Du könntest es bedauern ...«