Gladdy Gold und die verführerische Französin: Band 6 - Rita Lakin - E-Book
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Gladdy Gold und die verführerische Französin: Band 6 E-Book

Rita Lakin

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Beschreibung

Eine attraktive Rivalin und ein eiskalter Killer: Der Krimi »Gladdy Gold und die verführerische Französin« von Rita Lakin als eBook bei dotbooks. Gerade als die Hochzeitspläne für Gladdy Gold und ihren Liebsten Gestalt annehmen, taucht ein verführerischer Rotschopf aus Frankreich auf: Gladdy schäumt vor Eifersucht auf die viel jüngere Michelle duBois, die Jack vor Jahren schon einmal den Kopf verdreht hat und als erfolgreiche Enthüllungsjournalistin sogar die Bewunderung ihrer Freundinnen erntet. Doch Michelle ist nicht nach Florida gekommen, um Gladdy den Freund auszuspannen, ganz im Gegenteil. Sie braucht dringend Hilfe, denn sie ist auf der Flucht vor einem skrupellosen Profikiller, der nicht ruhen wird, bis er sie zum Schweigen gebracht hat … Können Gladdy und Jack ihm das Handwerk legen, bevor er sein Ziel erreicht? »Welch ein Lesespaß! Gladdy Gold und ihre exzentrischen, jung gebliebenen Seniorinnen sind so wunderbar wie die verrückten und überraschenden Fälle, die sie lösen. Leichte Krimikost, aber mit einer großen Prise Humor!« Suspense Magazine Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Gladdy Gold und die verführerische Französin« von Rita Lakin ist der sechste Band dieser Reihe von humorvollen Kriminalromanen, die auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 394

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Über dieses Buch:

Gerade als die Hochzeitspläne für Gladdy Gold und ihren Liebsten Gestalt annehmen, taucht ein verführerischer Rotschopf aus Frankreich auf: Gladdy schäumt vor Eifersucht auf die viel jüngere Michelle duBois, die Jack vor Jahren schon einmal den Kopf verdreht hat und als erfolgreiche Enthüllungsjournalistin sogar die Bewunderung ihrer Freundinnen erntet. Doch Michelle ist nicht nach Florida gekommen, um Gladdy den Freund auszuspannen, ganz im Gegenteil. Sie braucht dringend Hilfe, denn sie ist auf der Flucht vor einem skrupellosen Profikiller, der nicht ruhen wird, bis er sie zum Schweigen gebracht hat … Können Gladdy und Jack ihm das Handwerk legen, bevor er sein Ziel erreicht?

»Welch ein Lesespaß! Gladdy Gold und ihre exzentrischen, jung gebliebenen Seniorinnen sind so wunderbar wie die verrückten und überraschenden Fälle, die sie lösen. Leichte Krimikost, aber mit einer großen Prise Humor!« Suspense Magazine

Über die Autorin:

Rita Lakin ist seit über zwanzig Jahren als Schriftstellerin, Drehbuchautorin und im Fernsehgeschäft tätig. In diesen Bereichen wurde sie immer wieder für prestigeträchtige Preise nominiert, etwa für den Edgar-Allan-Poe-Preis und den Writers-Guild-of-America-Preis. 2015 veröffentlichte sie ihre Autobiographie »The Only Woman in the Room«, die erstaunliche Einblicke in das Hollywood der 60er Jahre gibt. Heute lebt sie im kalifornischen Marin County.

Bei dotbooks erscheinen in der Gladdy-Gold-Reihe von Rita Lakin »Gladdy Gold und der Geburtstagsmörder«, »Gladdy Gold und der Killer auf dem Kreuzfahrtschiff«, »Gladdy Gold und der charmante Bösewicht«, »Gladdy Gold und der tote Ehemann« und »Gladdy Gold und das mysteriöse Skelett«.

***

eBook-Neuausgabe Dezember 2019

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2010 by Rita Lakin

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Getting Old Is Très Dangereux« bei The Bantam Dell, A Division of Random House, Inc., New York, New York.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2011 by RM Buch und Medien Vertrieb GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Published by Arrangement with Rita Lakin

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / lunamarina / Lesia_A / surasaki

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96148-720-2

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Gladdy Gold und die verführerische Französin« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

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Rita Lakin

Gladdy Gold und die verführerische Französin

Krimi

Aus dem Amerikanischen von Monika Köpfer

dotbooks.

PrologParis Noir

»Mon Dieu«, sagt Pierre missmutig zu seinem Geschäftspartner, und sein runder Bauch hebt und senkt sich vor Aufregung. »Aus welchem Grund hast du uns zu so später Stunde nach Paris kommen lassen?«

»Noch dazu in dieses unsägliche Café«, fügt Oswald hinzu und deutet mit seinem dünnen Arm auf das Schild, auf dem »Café du Canard Mort« steht und das dringend einen neuen Anstrich benötigt. »Wo dieser widerliche Tafelwein ausgeschenkt wird, der wie Essig schmeckt?«

»Also, es ist wirklich grotesk! Wie kommst du dazu, uns ausgerechnet ins neunte Arrondissement zu bestellen? Hier gibt es mehr Häuser zweifelhaften Rufs als Patisserien!«, meldet sich Hortense schnaubend zu Wort, die reichlich Rouge aufgelegt hat, ein viel zu enges Korsett trägt und eine Gauloise raucht.

»Und warum, um Himmels willen, mussten wir uns dunkel anziehen?«, fügt Pierre hinzu, indem er sein graues Barett aus der Stirn schiebt. »Was soll dieser erbärmliche Abklatsch eines Georges-Simenon-Krimis? Einfach lächerlich.«

Gaston hört sich geduldig die Vorwürfe seiner beiden Partner und der Ehefrau des einen der beiden an, während sie unbequem auf kunterbunt zusammengewürfelten Stühlen um einen winzigen, mit Glutnarben von Zigaretten übersäten Tisch herum sitzen.

Sollen sie ruhig ein wenig Dampf ablassen, denkt er. Gleich werden sie etwas erfahren, was ihnen erst recht Grund zum Jammern geben wird.

Er langt in den großen Korb neben seinen Füßen und bringt eine Flasche Wein, einen Korkenzieher, vier Gläser und eine zugedeckte Platte zum Vorschein. Während er die Flasche entkorkt, sagt er: »Ich habe aus unserem Weinkeller unseren legendären Sauternes mitgebracht. Voilà.« Er füllt die edlen Gläser damit. Schließlich deckt er die Platte mit Gänseleberpastete und knusprigem Brot auf »Mit Erlaubnis des hochgeschätzten Patrons.« Er deutet auf den Lokalbesitzer in seiner fleckigen Schürze, der mit versteinertem Gesicht vom Eingang her zu ihnen herüberstarrt.

Dann schnippt er mit den Fingern, und schon kommt der schweigsame Mann herbei, um den Stein des Anstoßes, die Karaffe mit dem Hauswein, vom Tisch zu entfernen.

Gaston sieht zu, wie sich die drei gierig über das Mitgebrachte hermachen. Eine Weile sind sie besänftigt, schnuppern an den Köstlichkeiten, ehe sie mit zufriedenem Seufzen an ihrem berühmten, preisgekrönten Wein eines besonderen Jahrgangs nippen.

Für einen Außenstehenden muss die kleine Gesellschaft aussehen, als wären drei recht farblose Männer mittleren Alters mit einer Frau unterwegs, die lieber sterben würde, als ihr Alter preiszugeben.

Gaston lässt ihnen einen Moment Zeit, um ihre Mahlzeit zu genießen, bevor er die Guillotine herabsausen lässt. »Bald wird uns eine Katastrophe ereilen.«

Sie schauen ihn entgeistert an. Pierre wischt sich die Gänseleberspuren von den Lippen. Hortense drückt den Arm ihres Mannes. Dieser blinzelt hektisch.

Gaston langt abermals in den Korb zu seinen Füßen und bringt ein Buch zum Vorschein. Er schleudert es auf den Tisch. »Regardez le visage de la diablesse! – Schaut euch das Gesicht dieser Teufelin an!«

Alle drei starren auf das Bild einer auffallend schönen, rothaarigen Frau in einem Abendkleid aus glitzerndem Goldlamé. Unter ihrem Dekolleté steht der Name der Autorin: Michelle duBois. Und über ihrer diamantenbesetzten Tiara ist der Buchtitel zu lesen: »Bonbon, Non Non!«. Und darunter, kleiner, der Untertitel: »Ein Schokoladenkrimi«. Alle wirken verwirrt.

»Und?« Oswald senkt den Kopf über das Buch, um sich das Cover aus der Nähe zu besehen.

Auch Pierre fragt lediglich: »Und?«, ehe er sich wieder den Delikatessen auf dem Tisch zuwendet.

Hortense hebt eine Augenbraue. »Sie kommt mir irgendwie bekannt vor.«

Gaston grinst höhnisch. »Das sollte sie auch. Schließlich hat sie drei Monate lang unsere Großzügigkeit ausgenutzt.«

Pierre knurrt ungehalten: »Und wo soll ich in dieser Zeit gewesen sein? Ich habe diese Frau nie gesehen.«

Immer wieder klopft Gaston mit den Fingern auf das Cover. »Denkt euch diese prächtigen roten Locken weg. Tauscht das rote Haar durch schlammfarbenes aus.«

Oswald wird allmählich ärgerlich. »Jetzt komm endlich zur Sache.«

Gaston lässt ein maliziöses Lächeln sehen. »Denkt euch diese umwerfend grünen Augen weg und ersetzt sie durch langweilige braune Linsen hinter den großen Gläsern einer Hornbrille. Ignoriert ferner die Juwelen, denn die bekamen wir nie zu Gesicht. Stellt euch stattdessen billige, schlecht sitzende Kleidung von der Stange vor.«

Hortense dämmert es allmählich. »Das kann nicht sein!«

Schließlich begreifen auch die anderen. »Mademoiselle Angelique – deren Großvater ihr einen Weinberg in der Provence hinterlassen hat«, murmelt Pierre. »Die uns gebeten hat, ihr das nötige Handwerkszeug beizubringen.«

Ahnungsvoll sagt Hortense: »Aber ihr Name steht nicht auf dem Umschlag, und warum soll sie ein Buch geschrieben haben ... Worum geht es darin überhaupt?«

Gaston sieht seine Partner der Reihe nach an. »Michelle duBois ist eine berühmte Schriftstellerin, die ihren geistigen Unrat in der ganzen Welt verbreitet. Sie ist eine Enthüllungsjournalistin, manche nennen sie auch Nestbeschmutzerin! Sie schleicht sich unter falscher Identität in Produktionsbetriebe ein, um deren kleine schmutzige Geheimnisse aufzudecken und sie zu veröffentlichen. Mit anderen Worten: Indem sie die Existenz der Eigentümer ruiniert, häuft sie ein Vermögen an.« Er dreht das anstößige Buch herum und deutet mit seinen langen Fingern auf die Liste der bereits von ihr veröffentlichten Werke auf der Rückseite. »Das hier, das neueste, handelt von einer bekannten Schokoladenfabrik in Belgien. Der Titel davor war ihr gefeierter Bestseller ›La Vache Qui Pleurait‹ – › Die Kuh, die weinte ‹ .«

Bei der Erinnerung an den gewaltigen Skandal, bei dem es um Käse aus der Bretagne ging, ziehen seine drei Zuhörer schockiert die Luft ein.

Gaston gibt ihnen den Gnadenstoß. »Und davor ritt sie eine verhängnisvolle Attacke gegen einen Olivenproduzenten in der Toskana mit dem abscheulichen Titel › Der letzte Dreck ‹ .«

»Wie widerwärtig«, sagt Oswald.

Pierre schüttelt so heftig den Kopf als könnte er die schlechten Nachrichten auf diese Weise wieder loswerden.

Hortense zündet sich eine weitere Gauloise an und stößt paffend den Rauch aus.

Oswald greift nach dem Buch und schlägt es aufs Geratewohl auf Nach wenigen Augenblicken sagt er: »In Belgien tut man Sägemehl in die Schokolade? Wer hätte das gedacht!«

Hortense beugt sich zu ihm und liest ebenfalls ein paar Zeilen. »Die Bretonen haben ihren Brie in China herstellen lassen? Anscheinend war er von so miserabler Qualität, dass die Leute Magenschmerzen bekamen.«

Gaston zieht ihnen das Buch weg und hämmert mit der Faust auf den Tisch, um endlich seiner Wut Luft zu machen. »Kümmert euch nicht um eure Vorgänger! Macht euch lieber Sorgen um das, was sie über uns herausgefunden hat. Wir sind erledigt, und schuld daran seid ihr!« Gaston pikst Pierre in den dicken Bauch. »Du Dickwanst, du hast sie mitgebracht. Du hast ihren schlüpfrigen Lügen geglaubt.«

»Nein, du bist schuld«, gibt Pierre im gleichen bissigen Ton zurück, während er mit den Fingern nervös gegen die Außenseite seiner Knie trommelt. »Du hast zugestimmt, sie in den Betrieb aufzunehmen und in unsere Produktionsmethoden einzuweihen. Sie brauchte nur mit ihren langen Wimpern zu klimpern, und schon bist du dahingeschmolzen wie zerlassene Butter.«

»Nein, es war ihre Schuld«, zischt Oswald, der nur Haut und Knochen ist, und zwickt seine Frau in den schlaffen Hals. »Hortense hat gesagt, dass man ihr vertrauen kann.«

Hortense bläst ihrem Mann, dem Verräter, Zigarettenrauch ins Gesicht. »Du warst es, der sie überprüfen sollte, aber stattdessen hast du nur auf ihre Locken und ihren üppigen Busen gestiert, du Lustmolch.«

Es ist schon weit nach Mitternacht, und außer ihnen sind keine Gäste mehr im Café. Die Kellner in ihren ungestärkten und zerschlissenen Schürzen räumen geschäftig die letzten Tische ab und machen keinen Hehl daraus, dass sie endlich nach Hause wollen.

»Assez!«, ruft Gaston und steht halb auf wobei seine mit Pastetenkrümel behaftete Serviette zu Boden gleitet. Eine der zahlreichen Katzen aus der Nachbarschaft huscht herbei, um sich die schmackhaften Reste zu sichern. »Schluss mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen. Nun, da wir wissen, wer sie wirklich ist, müssen wir uns überlegen, was wir tun.«

Alle vier starren gleichzeitig auf das glamouröse Bild der Autorin auf dem Buchcover, als könnte man sie mit Blicken auslöschen.

»Und wir sind die Nächsten«, sagt Gaston, »die an den Pranger gestellt werden. Auf der Rückseite deutete sie bereits an, dass sie auf einer Pressekonferenz in Florida ihre neue Enthüllungsstory präsentieren wird. Und dass es diesmal um Wein geht.«

Oswald fasst sich ängstlich in den lockigen Haarschopf »Sie hat sich bei uns eingeschmeichelt und uns redselig gemacht.«

Pierre schluckt nervös einen großen Bissen Leberpastete herunter und sieht dabei selbst aus wie eine Mastgans. »Die ganze Welt wird die Wahrheit darüber erfahren, wie wir unsere Weine produzieren.«

»Es sei denn, wir halten sie davon ab«, sagt Gaston mit hinterhältigem Blick. Die anderen schauen ihn an.

Hortense schüttelt traurig den Kopf »Diese gemeine Hündin, sie wird gnadenlos sein. Unerbittlich. Und, schlimmer noch ...« – sie seufzt , »unbestechlich.«

Gaston beugt sich verschwörerisch über den Tisch und senkt seine Stimme um einige Dezibel. »Und genau deswegen habe ich dieses Treffen einberufen. Ich habe nämlich eine Idee. Wie wir sie ein für alle Mal zum Schweigen bringen werden. Eine endgültige Lösung, sozusagen.«

Hortense lehnt sich so abrupt zurück, dass ihr Stuhl nach hinten zu kippen droht. »Du hast doch nicht etwa vor ...«

Gaston hält ihren Stuhl fest und drückt ihn wieder nach vorn. »Ich habe vor ...«

»Wie?«, keucht Oswald und will die Hand seiner Frau ergreifen.

Doch die stößt ihn weg. »Verräter!«

»Wie, weiß ich noch nicht, aber ich weiß, wer es tun wird«, sagt Gaston.

»Wer denn?«, fragt Pierre gespannt.

»Niemand anderes als mein Onkel zweiten Grades aus der Familie meines Vaters.«

»Nein!«, platzt Hortense heraus.

»Doch«, erwidert Gaston stolz. »Berufskiller seines Zeichens, den man › Die Schlange ‹ nannte!«

Die drei anderen weichen entsetzt zurück, während sich in ihren Köpfen die Gedanken überschlagen. Dürfen sie tatsächlich zu hoffen wagen?

Schließlich fragt Oswald: »Und würde er es tun? Ich habe gehört, dass › Die Schlange ‹ sich zur Ruhe gesetzt hat.«

Pierre ist verwirrt. »Schon vor dreißig Jahren hieß es das.«

»Er wurde nie gefasst. Nicht einmal. So etwas hat es noch nie gegeben«, verkündet Gaston stolz. »Er lebt jetzt auf seiner Jacht irgendwo vor der Küste von Monaco.«

»Aber er muss schon über neunzig sein«, wendet Oswald ein.

»Von meiner Tante Evangeline habe ich gehört, dass er noch immer vor Gesundheit strotzt«, sagt Gaston und wirft sich in die Brust.

»Aber warum sollte er uns helfen?«

»Das ist eine Frage der Familienehre. Er kann gar nicht ablehnen.«

Ein paar Augenblicke lang herrscht Schweigen. Dann blickt Gaston jeden der Reihe nach an. »Sind wir uns einig?«

Während sie sich mit der Serviette Luft zufächelt, packt Hortense mit der anderen Hand Gastons Handgelenk. »Ruf ihn an.«

Gaston lächelt. »Das habe ich bereits. Alles schon geregelt. In diesem Moment ist er auf dem Weg nach Fort Lauderdale, und bald wird die Welt diese belle dame sans merci, diese gnadenlose Schöne, los sein.«

1Oh, lá, lá!

Jack tut äußerst geheimnisvoll. Er hat mich gebeten, mich für einen besonderen Abend schick zu machen. Er müsse mir etwas Wichtiges sagen.

Nun, was man halt unter schick versteht an einem Ort, wo alle Welt fast immer nur in Shorts und T-Shirt herumläuft – für den Fall, dass es jemand noch nicht weiß, dieser Ort heißt Lanai Gardens und ist eine Seniorensiedlung in Fort Lauderdale, Florida. Und für alle, die nicht mehr ganz auf dem Laufenden sind, sei gesagt, dass Jack seit zwei Monaten bei mir lebt, seit ein schrecklicher Wirbelsturm seine Wohnung in Block sechs zerstörte.

Also grabe ich mein pfirsichfarbenes Organzakleid aus den Tiefen meines Kleiderschranks aus, das ich einmal in meinem Leben getragen habe, nämlich zur Hochzeit meiner Tochter Emily, und dazu passende High Heels. Zur Feier des Tages lege ich sogar Make-up und Parfüm auf.

Jack trägt einen dunkelgrauen Nadelstreifenanzug mit kirschrotem Schlips und eine kesse weiße Nelke im Knopfloch. Ich muss zugeben, mein Verlobter ist ein schöner Mann. Oder wie wir in meiner Jugend zu sagen pflegten – er ist groß, dunkel und gut aussehend. Trotz seiner fünfundsiebzig Jahre passt diese Beschreibung noch immer auf ihn, auch wenn sein Haar, ebenso wie meines, fast vollständig ergraut ist. Bei ihm ist das Grau einfach umwerfend. Bei mir sieht es aus wie verwaschener Beton. Jack braucht mich nur anzulächeln, und schon werden meine arthritischen Knie weich. Und wenn seine blauen Augen sich mit neckischen Lachfältchen umgeben, schmelze ich dahin.

Während wir uns für den Abend zurechtmachen, was mit reichlich Hin und Her zwischen Bade- und Schlafzimmer verbunden ist, rückt er nicht mit der Sprache heraus. Trotz meiner offensichtlichen Neugier. Mir wird klar, wie ernst es ihm ist mit seinen Plänen für diesen Abend.

Was meinen Argwohn noch steigert, ist die Tatsache, dass weder Evvie, meine Schwester, noch die anderen »Girls« eingeladen sind. Ja, obwohl wir alle in den Siebzigern oder Achtzigern sind, werden sie für immer meine Girls bleiben: Evvie, meine treue und liebevolle Schwester, auch wenn sie ein bisschen eifersüchtig ist, seit Jack in unser Leben getreten ist und es gehörig durcheinanderwirbelt. Die unerschütterliche Ida mit dem grauen Haarknoten, unsere bekennende Männerhasserin und ewiger Griesgram. Sophie und Bella, meine kindlichen Freundinnen, die stets im Zweierpack auftreten: Die rundliche Sophie muss nur eine ihrer halb fertigen Ideen äußern und schon wird diese von der zierlichen Bella aufgegriffen, weitergesponnen und in die Tat umgesetzt. Man könnte meinen, der Begriff zweite Kindheit sei von den beiden erfunden worden.

Da Jack und ich von allen vier als ihre persönlichen Fahrer betrachtet werden und Sophie und Bella ein Abendessen in gemeinsamer Runde vorschwebte, waren sie der Meinung, wir würden sie zu Nona's chauffieren, dem Restaurant, wo es ein vorabendliches Menü zum Spezialpreis gibt. Natürlich hatten sie vergessen, was ich ihnen zweimal gesagt hatte, nämlich dass Jack und ich eigene Pläne hätten. Also sitzen jetzt beide allein in ihrem Apartment und sind gezwungen, irgendetwas zu improvisieren. Als wir meine Wohnung verlassen, sehe ich, wie sie am Fenster stehen und uns finster nachblicken.

Sie sind nicht unsere einzigen Zuschauer. Als Jack und ich aus dem Fahrstuhl treten und über den Parkplatz in Richtung von Jacks Wagen gehen, spüre ich weitere Augenpaare auf meinem Rücken. Baumwollvorhänge werden zurück- und Jalousien hochgezogen. Der Spähtrupp der Neugierigen und Wichtigtuer ist bei der Arbeit. Vor allem, wenn es um uns beide geht. Vor allem in letzter Zeit. Seit bekannt wurde, dass bald die Hochzeitsglocken läuten werden, ist Block zwei eine Brutstätte überschäumender Pläne. Sobald der Termin feststeht, werden wir uns nicht mehr retten können vor unbrauchbaren Ratschlägen. Ich kann es kaum erwarten.

Wie könnte ich da widerstehen? Ich winke unserem Publikum aus dem Autofenster einen herzlichen Abschiedsgruß zu.

Bald darauf sitzen Jack und ich an einem Tisch vor einem reizenden kleinen französischen Bistro in Margate und nippen an unseren Champagnergläsern. Es ist ein wundervoller lauer Abend, und am klaren Nachthimmel glitzern die Sterne. Ich fühle mich, als wäre ich in van Goghs Gemälde »Sternennacht« versetzt worden.

Die High Heels habe ich unter dem Tisch von den Füßen gestreift. Sie sind so unbequem, dass ich kaum darin gehen kann. Ich sehne mich nach meinen geliebten Turnschuhen. Von unserem winzigen, wackligen, zerschrammten Tisch kann ich ins Innere des Restaurants blicken, dessen Wände von Aquarellen mit bekannten französischen Sehenswürdigkeiten übersät sind. Der Eiffelturm darf selbstverständlich nicht fehlen. Ebenso wenig die Champs-Élysées, der Louvre, Notre-Dame und der Arc de Triomphe. Ach, wären wir doch nur im richtigen Paris! Leider ist das nur ein frommer Wunsch, sodass wir heute Abend eben mit dieser Kulisse vorliebnehmen müssen.

In Paris war ich einmal vor gefühlten hundert Jahren, zusammen mit meinem verstorbenen Mann, der ebenfalls Jack hieß. Es war unsere Hochzeitsreise. Ich erinnere mich noch an das winzige Zimmer, das wir in der Nähe eines Bahnhofs gemietet hatten. Wir beide konnten nicht gleichzeitig darin stehen, sondern einer musste sich immer auf das Bett zurückziehen, damit der andere sich bewegen konnte. Es war himmlisch.

Vielleicht werde ich eines Tages zusammen mit Jack wieder dorthin reisen – womöglich ebenfalls in den Flitterwochen?

Ich warte immer noch darauf, dass er mir erklärt, was er heute Abend vorhat. Jetzt beugt er sich zu mir und blickt mir in die Augen. Aha, denke ich, der Zeitpunkt ist gekommen.

»Zieh bitte deinen Ring aus«, sagt er und fasst nach meiner Hand.

Erschrocken falte ich die Hände zusammen. »Warum denn?«

»Tu mir bitte den Gefallen.«

Er lächelt nicht. Den Bruchteil einer Sekunde lang fallen mir Situationen aus einigen der unzähligen Bücher ein, die ich gelesen habe, in denen der Mann seine Liebste in ein sehr teures Restaurant ausführt, um ihr nach dem Essen zu sagen, dass er sich in eine andere verliebt hat. Normalerweise in eine, die viel jünger und hübscher ist. Normalerweise lässt er die Bombe vor dem Dessert platzen, um nicht noch mehr Geld in ein Verlustgeschäft zu stecken. Ich kann nicht glauben, dass ich derlei lächerliche Gedanken hege, dabei hätte ich doch allen Grund, mir meiner Sache sicher zu sein.

Jack wedelt noch immer auffordernd mit der Hand. »Ich versuche es ja«, sage ich, während ich an meinem Verlobungsring ziehe und hoffe, dass er nicht abgeht.

Er nimmt meine Hand und dreht den Ring sanft hin und her, bis der sich endlich löst und in seine Handfläche fällt. Ich reibe mir die Stelle, an der wenige Sekunden zuvor noch das geliebte Stück saß. Während er den Ring betrachtet, halte ich den Atem an. »Und nun?« Dann versuche ich mich an einem Witz und scheitere kläglich. »Braucht er eine neue Politur?«

»Heute Abend«, verkündet er und beugt sich vor, um mich auf die Nasenspitze zu küssen, »ist der offizielle Beginn unserer Verlobungszeit.«

Ich atme erleichtert aus. Indem ich versuche, so zu tun, als wäre ich nicht im leisesten nervös gewesen, sage ich: »Hm, und ich dachte, wir hätten uns schon vor einem Monat verlobt.«

»Das war doch alles andere als eine romantische Verlobung. Zuerst gerieten wir in diesen schrecklichen Hurrikan, der beinahe ganz Lanai Gardens zerstört hätte. Dann hatten wir es mit dem katastrophalen Schaden an meinem Wohnblock zu tun. Und mit den vielen Menschen, die plötzlich obdachlos geworden sind. Vor allem ich. Was für ein Glück, dass ich bei dir einziehen durfte.« Er grinst bei der Erinnerung daran, wie viel Überzeugungskraft es ihn gekostet hatte, bis ich schließlich einwilligte.

Ich lächele ebenfalls bei der Erinnerung, wie sehr ich mich anfangs dagegen sträubte. Ohne Trauschein zusammenleben! Eine Schande, hätte meine Mutter gesagt. Doch sie kannte Jack nicht. Und heute möchte ich unser Zusammenleben nicht mehr missen!

»Und dann der Albtraum, den Enya durchlebt hat und an dem sie beinahe zerbrochen wäre. Wir konnten doch alle kaum glauben, dass etwas so Furchtbares in unserer kleinen Wohnanlage möglich war. Eine Weile dachte ich, dass wir alle für immer traumatisiert sein würden.«

Beim Gedanken an die schrecklichen Ereignisse schaudere ich: Nur in letzter Sekunde gelang es uns, Enyas Leben zu retten. Gewiss war dies der größte und grauenhafteste Fall, mit dem es die Detektei Gladdy Gold & Partner seit ihrem noch jungen Bestehen zu tun hatte. Doch immerhin führte er dazu, dass sich Enya schließlich aus ihrem Schneckenhaus befreien konnte. Zurzeit weilt sie übrigens in Israel, wo sie eine lange vermisste Verwandte besucht.

»Wir hatten also noch keine wirklich friedliche Minute, um den Beginn unseres gemeinsamen Lebens zu feiern.«

»Ich stimme dir zu, doch die gute Nachricht ist, dass unsere Agentur zurzeit keine Fälle lösen muss. Die Leute sind anscheinend zu sehr damit beschäftigt, die Stadt wiederaufzubauen. Ich freue mich auf jede Menge Zeit, die wir beide zusammen verbringen werden. Nur wir beide ganz allein. Zeit, um endlich die Dinge zu tun, die wir immer wieder aufgeschoben haben. Vielleicht unternehmen wir kleine Ausflüge. Vielleicht fliegen wir wieder nach New York, um unsere Familien zu besuchen. Oder wir faulenzen einfach.«

»Ganz genau. Um keinen Preis der Welt werde ich von deiner Seite weichen.«

»Gut. Heißt das, du gehst noch mal auf die Knie und machst mir erneut einen Antrag?«

Er verstaut meinen Ring in seiner Jackentasche. »Nur wenn du einen Kran dabeihast, um mich wieder auf die Füße zu ziehen. Nein, ich habe etwas Unterhaltsameres im Sinn.«

»Aber zuerst muss ich dich etwas fragen«, sage ich und blicke mich um. »Warum hast du dir ausgerechnet ein französisches Lokal ausgesucht?«

»Chérie«, erwidert er und scheitert kläglich im Versuch, einen französischen Akzent nachzuahmen, »weil die Franzosen bekanntermaßen Sinn für Romantik haben. Und ich will dir den romantischsten Abend deines Lebens bereiten.«

Wir schaffen es, rechtzeitig unsere köstliche Bouillabaisse zu essen, um anschließend in ein Kino zu gehen, wo eine Retrospektive der berühmtesten französischen Liebesfilme gezeigt wird.

Auf dem Weg dorthin erteilt mir Jack rasch eine Anweisung: »Wenn sich das Paar auf der Leinwand zum ersten Mal küsst, tun wir es ihm gleich und ich stecke dir erneut den Ring an den Finger, und dort soll er für immer bleiben.«

Ich lasse mich von seiner Stimmung anstecken. Das hört sich gut an. Schade, dass Evvie nicht bei uns ist. Meine Schwester verzichtet lieber auf ein gutes Essen als auf einen Film. Jede Art von Film. »Was schauen wir uns an?«

»Ein Mann und eine Frau von Claude Lelouch.«

Ich lächele. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme.

Wir nehmen auf dem nahezu leeren Balkon Platz, um nach Herzenslust herumalbern und schmusen zu können. Der rotweiß gestreifte Becher mit Popcorn – kleine Größe nach dem üppigen Abendessen – wandert ständig zwischen uns hin und her.

Anouk Aimée und Jean-Louis Trintignant sind so sexy wie eh und je. Und die berühmte Filmmusik von Francis Lai ist ebenso mitreißend und melodiös, wie ich sie in Erinnerung habe. Unser Held fährt seine Autorennen, die Heldin kümmert sich um ihr hinreißendes Kind, und schließlich nähern wir uns der ersten großen Kussszene.

»Mach dich bereit«, raunt Jack mir zu. »Hol schon mal den Ring heraus.«

Ich bin verwirrt. »Wieso ich? Er ist doch in deiner Jackentasche. Ich habe gesehen, wie du ihn hineingetan hast.«

»Da ist er nicht mehr. Ich habe ihn ins Popcorn fallen lassen, damit wir noch ein bisschen mehr Spaß haben. Du erinnerst dich doch an die Spiele, die wir früher gespielt haben, Cracker Jack und solche Sachen.«

»Das hast du nicht getan!«, sage ich keuchend.

»Doch.« Er sieht mich besorgt an. »Du hast ihn doch nicht verschluckt?«

Sofort fange ich an, im Popcorn zu wühlen, und verstreue die Körner über Sitz und Boden, jedoch vergeblich. Oh, nein!

Jack wirkt verärgert, bis er schließlich laut loslacht und ein Schächtelchen mit Schokomint-Bonbons zum Vorschein bringt. »War nur ein Scherz. Ich habe ihn in die Junior Mints gesteckt.«

Ich nehme den letzten Rest Popcorn aus dem Becher und bewerfe Jack damit.

Er duckt sich, um meinen Angriff abzuwehren, dann stellt er die Bonbonpackung auf den Kopf, leert den Inhalt auf die flache Hand und fischt meinen Ring heraus.

Während ich den Kopf schüttele, bemühe ich mich, nicht zu grinsen. »Und wann hast du vor, endlich erwachsen zu werden?«

»Nie. Wir haben unser Verantwortungssoll in all den Jahren unseres Berufslebens und als wir unsere Kinder großzogen mehr als erfüllt. Jetzt brauchen wir das nicht mehr. Erinnere dich immer an dieses Zitat: ›Alt zu werden heißt nicht, dass man zu lachen aufhören muss. Aber wenn man zu lachen aufhört, ist man alt.‹ Was mich betrifft, ziehe ich die Albernheit dem Ernst vor.«

Oh, da bin ich ganz und gar seiner Meinung.

Plötzlich packt er meinen Arm. »Jean-Louis beugt sich zu ihr für den großen Kuss. Anouk ist bereit. Ich bin bereit. Und du?« Er zieht mich zu sich heran, und die beiden jeweiligen Paare küssen einander mit süßer Leidenschaft. Gleichzeitig spüre ich, wie Jack mir meinen Verlobungsring an den Finger steckt.

Dann zieht er den Oberkörper ein wenig zurück und blickt mir tief in die Augen. »Jetzt sind wir wirklich verlobt.«

»Oh, là, là«, sage ich. Was für ein Mann.

Ich kann mein Glück kaum fassen.

2Croissants

Jack und ich sitzen, noch in unseren Bademänteln, am Frühstückstisch und genießen die Croissants, die wir gestern Abend von dem zum Restaurant gehörenden Bäckereiladen mitgebracht haben, als es an der Tür läutet. Es sind die Girls, wie nicht anders zu erwarten. Punkt acht Uhr, und sie sind bereit für unsere Morgenübungen. Da ich nicht zur üblichen Zeit vor der Tür erschienen bin, wollen sie mich abholen. Faul wie ich heute Morgen bin, habe ich noch nicht meinen Jogginganzug angezogen. Nachdem wir von unserem romantischen Abend nach Hause kamen, sind Jack und ich noch lange aufgeblieben. Muss ich noch mehr erzählen?

»Die Tür ist offen!«, rufe ich. Und schon strömt der Trupp herein.

Aber was ist da los? Während Evvie und Ida Jogginghosen anhaben, sind Sophie und Bella ausgehfertig. Heute tragen sie identische hellblaue Hosenanzüge, hellblaue Blusen mit Rüschen und blumenbesetzte Hüte! Hüte? Seit wann tragen wir hier elegante Hüte? Findet etwa eine Gartenparty statt, von der ich nichts mitbekommen habe?

Jack streckt träge die Beine unter dem Esstisch aus. Er und die Girls wünschen sich einen guten Morgen. Noch immer sind die Girls Jack gegenüber ein wenig skeptisch. Nicht dass sie ihn nicht mögen; vielmehr, darauf würde ich wetten, machen sie sich insgeheim Sorgen, wie sich unsere Beziehung auf sie auswirken wird.

Evvie langt zum Brotkorb, hält jedoch inne. »Wieso gibt es Croissants und keine Bagels?«

»Die Croissants haben wir gestern Abend mitgebracht. Sei doch nicht so pingelig.« Ich drehe mich zu Bella und Sophie um. »Wo geht ihr zwei denn hin?«

Ida antwortet für sie. »Sie wollen eine Buchmesse besuchen.«

Sie lässt sich auf den Stuhl neben Evvie plumpsen und beginnt mit Lockerungsübungen für Hände und Handgelenke.

Evvie träufelt Erdbeermarmelade auf ein Croissant und sagt wie nebenbei: »Sie wollen, dass du mitkommst, weil sie einen Fahrer brauchen.«

Ida erklärt: »Ich komme nicht mit. Mit meiner Zeit kann ich was Besseres anfangen.«

Evvie stimmt ihr zu. »Ich bleibe auch hier. Joe und ich sind heute beschäftigt.«

Mir fällt auf, dass Evvie wieder einmal nicht sagt, was genau sie vorhat. In letzter Zeit unternehmen sie und ihr Exmann Joe, der nach vielen Jahren der Trennung und wütender Gefühle wieder ein Fixpunkt in ihrem Leben geworden ist, öfter einen Ausflug. Aber das ist ein Geheimnis, das außer mir niemand kennt, und ich habe geschworen, es niemandem zu verraten.

Sophie stemmt die Hände in ihre üppigen Hüften. »Dürfen wir auch mal was sagen?«

Ida hebt die Arme und lässt sie wieder sinken, während sie vom Stuhl aus Hüftbeugen macht. »Aber fass dich bitte kurz. Wir haben von dieser Buchmesse bereits bis zum Erbrechen gehört.«

»Sie findet nur alle fünf Jahre statt, und es werden viele Liebesromanautorinnen dort sein«, sagt Sophie in wichtigem Ton. »Das habe ich in der Zeitung gelesen.«

»Es ist fantastisch! Danielle Steel und Kresley Cole und Heather Graham, sie alle werden dort sein!«, fügt Bella aufgeregt hinzu.

Jack wirft mir über den Tisch hinweg einen Blick zu und zuckt die Achseln. Gewiss sagt ihm keiner der Namen etwas, schließlich liest er keine Liebesromane. Ich im Übrigen auch nur selten, da meine Leidenschaft den Krimis gilt.

Bella, die die Rüschen an ihrer Bluse zurechtzupft, fährt fort. »Wir können unsere Lieblingsautorinnen aus nächster Nähe sehen. Vielleicht erhalten wir sogar Autogramme und Gratisexemplare.«

Sophie nimmt den Faden auf. »Jeder Autor von Rang und Namen wird dort sein.«

»Aber ist der Eintritt nicht ziemlich teuer?«, frage ich.

Bella schüttelt den Kopf. »Wenn man eine Tageskarte kauft, dann nicht.«

Sophie nimmt die Puderdose heraus und pudert sich die Nase. »Außerdem wird es jeden Penny wert sein. Es ist eine großartige Gelegenheit.«

Bella sagt mit flehender Stimme: »Bitte. Ach, bitte, bitte, du brauchst uns ja nur hinzufahren. Es ist nicht weit. Es findet im Mariner Club Hotel am Strand statt. Und später rufen wir dich an, damit du uns wieder abholen kommst.«

Das hat man davon, wenn man die Einzige ist, die noch Auto fährt: Somit bin ich ihr fester Fahrer, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Was für ein Privileg. Und da auch Jack Auto fährt, steht er ebenfalls auf der Liste derer, die sich jederzeit verfügbar halten müssen.

Erneut sagt Bella flehend: »Ach, komm schon, du hast doch sowieso nichts Besseres zu tun.«

Jack muss lachen, und ich stimme ein. Er steht auf. »In einer Viertelstunde sind wir fertig.«

Ehe er es sich anders überlegt, flitzen die beiden zur Tür hinaus.

Ida stellt ihre Übungen ein und nimmt sich auch ein Croissant. »Ich verstehe nicht, warum du immer nach ihrer Pfeife tanzt.«

Das Mariner Club Hotel wimmelt vor Besuchern. Hunderte von Menschen, die meisten davon auffallend gut gekleidete Damen (einige sogar mit Rüschenhüten), schreiten durch die Eingangshalle, die dem viktorianischen Stil nachempfunden ist. Mit ihren venezianischen Kronleuchtern und den vornehmen dunkelroten Sofas und Clubsesseln wirkt sie äußerst elegant. Ein Teil der Messebesucher geht die geschwungene Treppe hinauf oder hinunter, andere benutzen die Rolltreppe, und wieder andere warten vor dem Aufzug.

Immer wieder begegnen sich in der Menge Bekannte, die sich überschwänglich begrüßen. Jede Sitzgelegenheit in der Lobby ist besetzt. Drinks mit Cocktailschirmchen werden serviert. Handys sind in vollem Einsatz. Überall wird gelacht, man unterhält sich angeregt. Sophie und Bella fallen fast die Augen aus dem Kopf, und sie sind sichtlich bemüht, sich keine Einzelheit entgehen zu lassen. Aufgeregt umklammern sie ihre Tageskarten, obwohl diese mit einem Band um ihre Hälse befestigt sind. In der anderen Hand hält Sophie das aufgeschlagene Programmheft, um zu ergründen, welche Veranstaltung als Nächstes auf der Agenda steht.

»Wir rufen dich dann an, wenn wir fertig sind«, sagt Sophie noch hektisch zu mir, und schon drehen die beiden mir den Rücken zu und stürzen sich ins Gewühl.

Jack und ich schauen ihnen nach, verfolgen, wie ihre Gestalten noch eine Weile in dem Strom der Besucherinnen auf und ab wogen, bis sie endgültig von der Menge verschluckt werden.

»Schön, das wäre unsere gute Tat für heute.« Jack nimmt mich beim Arm, und wir schieben uns gegen den Strom in Richtung Eingang. »Wie wär's mit einem Strandspaziergang, wo wir schon mal da sind? Barfuß durch den Sand, was sagst du?«

Doch seine Worte stoßen bei mir auf taube Ohren, denn ich starre gebannt auf die Tafel mit dem Veranstaltungsprogramm.

Endlich stupse ich Jack sanft mit dem Ellbogen an und erkläre: »Auf der Galerie im dritten Stock findet man Literatur, Übersinnliches und Okkultismus. Da wir nun schon mal hier sind, würde ich doch gern einen kleinen Rundgang machen und schauen, welche neuen Krimis im Frühling herauskommen.«

Er sieht mich neugierig an. »Statt eines romantischen Strandspaziergangs?«

»Na ja, wenn ich schon mal die Chance habe, mich in puncto Neuerscheinungen schlauzumachen.«

Er sieht mich immer noch an, dann wandert sein Blick zu der stetig wachsenden Besuchermenge. »Meinst du das wirklich ernst?«

»Ach komm, es macht bestimmt Spaß.«

Jack lächelt. »Ich habe versprochen, meinem Liebling jeden Wunsch von den Augen abzulesen.«

Und damit führt er mich zum Schalter, wo die Eintrittskarten verkauft werden.

Ich muss zugeben, dass auch mich die Aufregung packt. Eine Menge großer und kleiner Verlage stellen ihre neuen Programme vor. Poster, Anzeigen, Fernsehpräsentationen. Stände, an denen Autoren Bücher signieren. Die Besucher schleppen randvolle Umhängetaschen mit sich herum. Ich komme mir wie ein Kind in einem Süßigkeitenladen vor. Hier ist die neue Janet Evanovich mit den turbulenten Abenteuern einer Kopfgeldjägerin aus New Jersey. Dort ist der neueste Lee Child. Mir gefällt, wie sein Held, Jack Reacher, nur mit Zahnbürste und einer Debit Card durch die Welt reist. Das Autorenduo aus Mutter und Sohn mit dem Pseudonym Charles Todd hat einen neuen Roman geschrieben, der in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg spielt. Ich sehe nach, ob der Romanheld wieder jener Detective ist, der unter einer Kriegsneurose leidet. Elizabeth George hat einen neuen Thriller um Inspector Lynley verfasst. Da ist der neue Roman von Robert Parker um einen hartgesottenen Bostoner Detective und dessen Freundin, einer Psychologin. Außerdem Kuschelkrimis, Thriller, paranormale Liebesromane, Polizeikrimis; jedes erdenkliche Krimigenre ist vertreten. In der Tat ein verlockendes Angebot für eine Vielleserin wie mich.

»Erde an Gladdy. Erde an Gladdy.« Jack beugt sich über meine Schulter.

»Was gibt's?«, sage ich, während meine Augen weiter über die unglaublich vielen bunten Buchcover wandern.

»Kann ich dich hier allein lassen? Diese Kuschelkrimis machen mich ganz kribbelig und als echter Macho würde ich gerne einen Satz zu den Spionagethrillern und zur Science-Fiction rüber machen. In einer Stunde komme ich zurück und hole dich ab.«

»Okay«, sage ich zerstreut, ohne meinen Blick von den Buchtiteln losreißen zu können.

Er küsst mich auf den Nacken und geht.

Jack macht einen Bogen um die Abteilung Liebesromane, wo er Sophie und Bella in einer langen Schlange vor einem Signierstand erspäht hat. Aber sie entdecken ihn doch und winken ihm mit einem kindlichen Ausdruck der Glückseligkeit auf den Gesichtern zu. Er winkt zurück und setzt dann unbeirrt seinen Spaziergang fort. Wenige Schritte weiter bemerkt er ein Schild, das zur Science-Fiction-Abteilung weist, und folgt ihm. Unterwegs wirft er hie und da einen Blick auf ein farbenprächtiges Hochglanzposter mit lebensgroßen Fotos von Bestsellerautoren. Er muss zugeben, dass es äußerst interessant ist, einmal zu sehen, wie Verlage ihre Neuerscheinungen präsentieren. Plötzlich bleibt er stehen und weicht ein paar Schritte zurück. Etwas hat seine Aufmerksamkeit gefangen genommen.

Ein Poster. Mit einer auffallend schönen Frau darauf. Einer Frau, die er gut kennt.

Jack traut seinen Augen nicht. Michelle duBois winkt ihm vom Poster herunter zu!

Wieder und wieder liest er die Bildunterschrift, bis seine Verwirrung nachlässt und er endlich begreift. Das Poster kündigt die Buchvorstellung ihrer neuen Enthüllungsstory an, »Bonbon, Non Non!«. Er spürt sein Herz in der Brust hämmern. Das kann doch nicht wahr sein! Aber es ist wahr. Die atemberaubende Frau mit den kupferfarbenen Haaren, die er acht Jahre zuvor in Paris kennenlernte, ist hier. Sie sieht noch genauso aus wie damals. Diese durchdringenden smaragdgrünen Augen. Dieses geheimnisvolle Lächeln. Die üppigen Lippen.

Mit einem Mal schwappen die Erinnerungen hoch, an jenen magischen Frühlingsmonat, den er damals in Paris verbrachte. Wie sie sich begegneten und sich Hals über Kopf ineinander verliebten. Er, ein unbeholfener Tourist, der neben einem Taxi stand und versuchte, dem Fahrer mit Händen und Füßen sein Fahrziel begreiflich zu machen. Plötzlich tauchte eine junge, umwerfend schöne Frau neben ihm auf. In schnellem, trällerndem Französisch dolmetschte sie für ihn, war seine Retterin in der Not und verblüffte ihn mit ihrem fließenden Englisch. Schließlich stieg sie mit ihm zusammen ins Taxi und dirigierte den Fahrer zu dem abgelegenen Museum. Und als sie dort ankamen, bot sie ihm an, ihn durch die Ausstellung zu führen. In dem Moment, da sie ihn zum ersten Mal anlächelte, wusste Jack, dass es um ihn geschehen war.

Wie hypnotisiert von dem Poster und seinen Erinnerungen, steht Jack in dem Gang zwischen zwei Ständen. Während Michelle ihm die Stadt zeigte, die sie so liebte und so gut kannte, flogen die Tage in Paris nur so dahin. Die Gedanken an die stürmische Affäre überschlagen sich in seinem Kopf. Wie sie lachend und sich küssend durch den Regen liefen. Die unvergesslichen Nächte, die sie in ihrer prächtigen Wohnung in Vichy verbrachten. Wie er sich durch sie jünger und begehrt fühlte. Die Kinofilme, die sie sich zusammen ansahen, und wie er sich für die Dauer dieser wenigen Wochen selbst als Darsteller in einem romantischen Film von Claude Lelouch wähnte.

Oh Gott! Gestern Abend hat er Gladdy ins Kino ausgeführt und mit ihr zusammen einen Film angeschaut, den er mit Michelle in Paris gesehen hat! Wie hatte er das nur vergessen können?

Michelle war Reporterin bei einer französischen Zeitung gewesen. Als er Paris verließ, hatte sie gerade ihr erstes Buch veröffentlicht, eine Enthüllungsstory über das Privatleben eines berühmten französischen Schauspielers. Später, als Jack längst wieder zu Hause in den Staaten war, hatte er gelesen, dass ihr Buch die Bestsellerlisten stürmte und sie über Nacht zu einer erfolgreichen Autorin machte.

Er erinnert sich auch, wie und warum er schließlich vor ihr floh.

Panik überkommt ihn. Er muss hier raus. Sofort. Michelle darf ihn auf keinen Fall sehen! Nein, niemals. Als er zu der Abteilung zurückhastet, wo er sich von Gladdy getrennt hat, läuft ihm der Schweiß übers Gesicht, während er gleichzeitig in der klimatisierten Luft fröstelt.

Er kann nicht glauben, wie er so plötzlich die Kontrolle über sich verlieren konnte. Er bemüht sich, nicht zu rennen, aber seine Beine gehorchen ihm nicht. Die Menschen starren ihn an. Er ist der Einzige inmitten dieser heiter gelassenen Besucherschar, der panisch durch die Gänge hastet.

Mit einem Mal hört er Schritte hinter sich. Entsetzt dreht er sich um. Aber es sind nur Sophie und Bella, die ihm schwer bepackt mit überquellenden Umhängetaschen folgen.

»Wo ist das Feuer?«, ruft Sophie keuchend, die mit rudernden Armen versucht, ihn einzuholen.

»Es gibt kein Feuer.« Jack verlangsamt den Schritt. Um ihn herum verschwimmt alles. Hat er vielleicht eine Herzattacke? Nein, denkt er grimmig. Es ist eine Angstattacke.

»Warte doch auf uns«, sagt Bella, nach Luft schnappend.

Schließlich holen die beiden ihn ein, und sie gehen gemeinsam weiter.

»Du siehst aus, als wäre dir ein Geist über den Weg gelaufen«, sagt Sophie, die die Schulterriemen ihrer beiden randvollen Taschen nach oben schiebt.

Jack stöhnt innerlich auf. Wenn sie wüsste.

Sie kämpfen sich durch den Besucherstrom. Jack sucht verzweifelt nach einem Vorwand, um sich von den beiden zu trennen. Dort vorn ist Gladdy, sie schaut sich ein Video an – ein Interview mit einem bekannten Krimiautor. Sein Name fällt ihm nicht ein.

»Gladdy!«, ruft Sophie.

Als ich meinen Namen höre, drehe ich mich um, und augenblicklich beschleicht mich eine seltsame Unruhe. Warum kommen die drei so eilig auf mich zu? Stimmt etwas nicht? Sophie und Bella wirken besorgt. Jack sieht blass aus. Ich löse mich von dem Bildschirm und gehe ihnen entgegen. Sophie drückt Jack auf einen Drehstuhl neben einem Stand. Doch als er mich sieht, springt er gleich wieder auf.

Ich lege die Hand auf seine Stirn. Sie fühlt sich heiß an. Er schwitzt.

»Was ist mit dir?«, frage ich und nehme ein Papiertaschentuch aus der Handtasche, um ihm die Stirn abzuwischen.

»Nichts. Aber ich sollte jetzt besser nach Hause gehen und mich ausruhen.«

»Gut«, sage ich. »Wir fahren alle zusammen nach Hause.«

»In Ordnung«, meint Bella. »Ich kann ohnehin keine Bücher mehr tragen. Außerdem haben wir einen Stempel auf die Hand erhalten, und damit können wir jederzeit wieder herkommen.«

»Nein«, schaltet sich Jack ein. »Bleibt ihr noch. Ich will euch euren Tag nicht verderben.«

Alle vier gehen wir zu den Rolltreppen. Jack blickt zu Boden. Er zieht eine Baseballkappe mit dem Logo der Florida Marlins aus seiner Gesäßtasche, setzt sie auf und schiebt sie sich tief in die Stirn. »Beeilt euch!«, sagt er.

Vor den Rolltreppen staut sich eine Besucherschar. Ich nehme an, dass die Leute alle zum Mittagessen wollen. Wir reihen uns in die Warteschlange ein.

Gerade kommt neben uns mit der Rolltreppe von unten eine Gruppe von Leuten an, und augenblicklich wird eine der Frauen von Fans umringt. Die Menschen winken mit ihren signierten Büchern und schnattern aufgeregt.

»Wer ist das?«, flüstert Bella mir zu.

»Keine Ahnung. Aber anscheinend ist sie eine berühmte Autorin.«

»Sie sieht umwerfend aus mit ihrem feuerroten Haar«, sagt Sophie bewundernd. »Spricht sie Französisch?«

Mit einem Mal wird mir bewusst, dass sich Jacks Gesicht panisch verzerrt hat und er stöhnt. Er versucht sich vorwärts zu drängeln, aber die Schlange vor der Rolltreppe bewegt sich keinen Zentimeter.

Im selben Moment sehe ich, wie die rothaarige Frau Jack anstarrt.

Sofort bahnt sie sich einen Weg durch ihre Fans und kommt zu meinem Erstaunen schnurstracks zu uns herüber. Gerade als es in unserer Schlange vorangeht, zieht sie Jack förmlich heraus. Instinktiv mache ich ebenfalls einen Schritt zur Seite. Sophie und Bella werden von den Nachkommenden weitergeschoben, und ehe sie es sich versehen, stehen sie auf der Rolltreppe und fahren abwärts in Richtung Lobby. Ich bemerke, wie sich die Girls verblüfft nach uns umdrehen und mit aufgerissenen Augen verfolgen, wie die umwerfend aussehende Frau die Arme um meinen Kerl schlingt und ihn küsst. Ziemlich lange, sollte ich hinzufügen.

»Jacques!«, flötet sie mit melodiösem französischem Akzent. »Mon cher, ich kann es nicht glauben. Bist du es wirklich?«

Mon cher? Auch wenn ich mein Highschool-Französisch fast restlos vergessen habe, so reichen die paar Brocken, die mir im Gedächtnis haften blieben, aus, um mein Misstrauen zu wecken. Ihr Liebling?

Oi.

3Die Vergangenheit ist gegenwärtig

Binnen einer Nanosekunde wird mir eine Reihe von Dingen bewusst. Sein Gesicht hat die Farbe von zu lange gekochten roten Rüben angenommen. Die Arme hängen schlaff an seinem Körper herunter. Der Rotschopf schenkt ihm ein strahlendes Lächeln und misst ihn von Kopf bis Fuß mit Blicken, als wäre er ein Happen köstlichen Bries, der nur darauf wartet, verspeist zu werden. Wow! Ich erröte ebenfalls. Jacks Rotschopf trägt eine ziemlich tief ausgeschnittene cremefarbene Seidenbluse und einen Rock mit einer so schmalen Taille, die jede Frau mit Größe 38 und darüber grün vor Neid werden lässt. Und dazu farblich abgestimmte Stilettos! Ich schätze sie auf ungefähr vierzig, sie sieht aber wie dreißig aus und ist wahrscheinlich fünfzig. Außerdem nehme ich an, dass Jacks Unwohlsein vor wenigen Minuten darauf zurückzuführen ist, dass er Kenntnis von der Anwesenheit dieser Dame bekommen hatte und daraufhin versuchte, so schnell wie möglich von hier wegzukommen. Um zu vermeiden, was soeben geschehen ist.

Die Menschentraube um uns herum wird immer größer, es wird gegrinst und geflüstert. Kameras und Handys klicken fröhlich vor sich hin. Später werden die Schnappschüsse bei YouTube zu betrachten sein, ich habe oft genug davon gehört, es aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Unser kleines Happening droht zu einem veritablen Medienereignis zu werden.

In der Gruppe steht ein weiterer Rotschopf, der dem anderen sehr ähnlich sieht, lediglich etwas jünger wirkt und wahrscheinlich eine Verwandte ist. Sie flüstert der umschwärmten Autorin, die soeben meinen Verlobten geküsst hat, etwas ins Ohr. Diese antwortet ebenfalls flüsternd, woraufhin die Jüngere wissend lächelt.

Auch wenn ich nicht wage, über den Inhalt des geflüsterten Wortwechsels zu rätseln, bin ich mir sicher, meine Vorstellungskraft würde ausreichen.

Ich sehe, wie Sophie und Bella mit der Rolltreppe unten ankommen, um postwendend wieder hinaufzufahren. Ihre Blicke kleben förmlich an Jack und der Frau. So wie meiner.

Währenddessen steht Jack wie versteinert da, unfähig zu sprechen, noch mich anzuschauen. Ich trete näher zu ihm. Ich hebe seinen scheinbar gelähmten Arm und schiebe ihn in meine Armbeuge. Wir gehören zusammen, will diese Geste sagen. Der Rotschopf versteht augenblicklich.

Sie lächelt mich an, ihr Blick wandert zu meinem Ringfinger. »Deine fiancée?«, fragt sie mit Samtstimme

Ja, tatsächlich, seit gestern Abend sogar formell besiegelt. »Ja«, wispere ich. Wann sagt Jack endlich etwas?

»Jack und ich haben uns vor acht Jahren in Paris kennengelernt«, informiert sie mich sowie geschätzte fünfzig weitere Zuhörer, die mit gespitzten Ohren um uns herumstehen. Ein Raunen geht durch die Menge. Unwillkürlich frage ich mich, wie viele der Möchtegern-Liebesromanautorinnen sich Notizen machen.

Der Rotschopf gestikuliert mit den Händen. »Wie sagt man auf Englisch? Eine Sommeraffäre?« Wieder geht ein Raunen durch die Reihen der Zaungäste.

Mir reicht's. Ich stupse Jack an, damit er endlich den Mund aufmacht.

Er sieht zwar in meine Richtung, aber ich habe das Gefühl, er starrt auf einen unbestimmten Punkt über meinem Kopf. »Gladdy, das ist Michelle, ich meine Michelle duBois.« Seine Stimme krächzt heiser, wie die eines pubertierenden Jungen, wenn die Hormone beginnen, verrückt zu spielen.

»Michelle, Gladdy Gold ...«

Ich bringe ein höfliches Nicken zustande.

Die Girls sind jetzt auch wieder da. Sophie knufft Jack in die Seite und sagt: »Und wir sind ihre besten Freundinnen, Sophie und Bella.« Die Girls platzen schier vor Stolz. Sie sind ganz in ihrem Element. Und mir schnürt es die Kehle zu.

Michelle neigt den Kopf in Richtung der jungen Frau neben ihr. »Und das ist meine Nichte, Colette Marie.«

Colette fügt hinzu: »Ich bin nach der berühmten Schriftstellerin benannt.«

Michelle lächelt. »Außerdem ist sie meine Assistentin und PR-Frau und, wie sagt man« – sie sucht nach dem richtigen Ausdruck auf Englisch –, »meine rechte Hand.« Die Jüngere beugt höflich den Kopf. »Lassen Sie uns doch an einen etwas privateren Ort gehen«, schlägt Michelle vor, indem sie uns mit einer Geste auffordert, mitzukommen.

Ohne auf unsere Zustimmung zu warten, entfernt sie sich von der Menge und steuert den nächsten Raum an, offensichtlich erwartet sie, dass wir ihr folgen. Und das tun wir auch. Diese Frau scheint es gewohnt zu sein, ihren Willen durchzusetzen.

Wieder ist ein kollektiver Seufzer zu hören, die französische Farce ist vorbei, und die Zaungäste zerstreuen sich.