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Auch im neuen Fall bleibt unsere Augschburger Kommissarin auf Trab
Der lustige Cosy Krimi mit a scheene Portion bayerischem Charme
Kriminalkommissarin Franzi unterstützt ihre Kollegin Helena beim Hausbau und das liegt nicht (nur) an dem süßen Dachdecker Mo, als Augsburg schon wieder von Aufregung heimgesucht wird: Bei der archäologischen Ausgrabungsstelle gab es einen sensationellen Fund, der aber erst einmal von der Polizei freigegeben werden muss. Dem Ärger mit dem Leiter der Ausgrabung geht Franzi gern aus dem Weg und stürzt sich stattdessen in ihren neuen Fall: Die ambitionierte Journalistin Sarah wird von ihrem besorgten Freund als vermisst gemeldet. Eigentlich kann Franzi erst 72 Stunden nach Verschwinden anfangen zu ermitteln, aber ein vorbestrafter Ex-Freund und ein korrupter Architekt, der in Sarahs Enthüllungsartikel sein Fett weg bekommen hat, machen ihr Verschwinden mehr als verdächtig. Hatte einer von ihnen noch eine Rechnung mit Sarah offen? Allerdings gilt: ohne Leiche kein Verbrechen … Aber vielleicht ist Franzi der Lösung auch schon näher, als sie denkt.
Erste Leser:innenstimmen
„Spannende Ermittlungen werden in diesem Kriminalroman abgerundet von einer Prise Romantik“
„Ein angenehm zu lesender Regiokrimi mit Kommissarin Franzi als sympathischer Hauptfigur.“
„Bei so viel Humor und Spannung macht das Lesen einfach Spaß!“
„Dieser Cosy Krimi mit Augsburger Lokalkolorit hinterlässt ein Wohlgefühl.“
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Seitenzahl: 354
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kriminalkommissarin Franzi unterstützt ihre Kollegin Helena beim Hausbau und das liegt nicht (nur) an dem süßen Dachdecker Mo, als Augsburg schon wieder von Aufregung heimgesucht wird: Bei der archäologischen Ausgrabungsstelle gab es einen sensationellen Fund, der aber erst einmal von der Polizei freigegeben werden muss. Dem Ärger mit dem Leiter der Ausgrabung geht Franzi gern aus dem Weg und stürzt sich stattdessen in ihren neuen Fall: Die ambitionierte Journalistin Sarah wird von ihrem besorgten Freund als vermisst gemeldet. Eigentlich kann Franzi erst 72 Stunden nach Verschwinden anfangen zu ermitteln, aber ein vorbestrafter Ex-Freund und ein korrupter Architekt, der in Sarahs Enthüllungsartikel sein Fett weg bekommen hat, machen ihr Verschwinden mehr als verdächtig. Hatte einer von ihnen noch eine Rechnung mit Sarah offen? Allerdings gilt: ohne Leiche kein Verbrechen … Aber vielleicht ist Franzi der Lösung auch schon näher, als sie denkt.
Erstausgabe Februar 2025
Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98998-387-8 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-867-5
Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Alexey V Smirnov, © oxinoxi, © everythingpx, © Csanad Kiss, © Rob Byron adobe.stock.com: © jljusseau elements.envato.com: © PixelSquid360 Lektorat: Katrin Gönnewig
E-Book-Version 20.02.2025, 13:03:12.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Für meinen lieben Cousin Philipp mit den besten Wünschen für seine Gesundheit und natürlich auch für sein Runchen.
„Herrgott noch mal, isch des vielleicht ’ne schwere Drecksarbeit!“ Mit hochrotem Kopf stieß Meisner ächzend seine Schaufel in die harte Erde. Der Schweiß lief ihm dabei in Strömen über den Körper und kitzelte unangenehm am Rücken, während er sich zielstrebig zu seinem Bauarbeiterdekolleté vorarbeitete. Heftig schnaufend zog Meisner seine verdreckte Arbeitshose wieder hoch und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er streckte den schmerzenden Rücken durch und kreiste die verspannten Schultern, um sich etwas Erleichterung zu verschaffen. Als er sich für die ausgeschriebene Stelle bei der Augsburger Stadtarchäologie beworben hatte, hätte er es nie für möglich gehalten, dass die Arbeit dermaßen kräftezehrend sein würde. Vorher hatte er auf dem Bau gearbeitet und sich nach einer anderen Art von Arbeit gesehnt, irgendetwas Bedeutungsvollerem. Aber das hier war in keiner Weise das, was er erwartet hatte. Im Endeffekt bekam er auch nur gesagt, welche Flächen er freilegen sollte, und sobald er auf irgendetwas stieß, was interessant sein könnte, wurde er vom Archäologen und den Uni-Fuzzis verscheucht und woanders weiterschaufeln geschickt. Überhaupt, diese Uni-Fuzzis! Sauwichtig hatten es die Herren und Damen Studenten! Aber wenn es darum ging, eine Schaufel in die Hand zu nehmen, stellten die sich an wie die reinsten Neandertaler! Nein, dafür brauchte man wieder ihn, den Mann fürs Grobe … Meisner seufzte und trank heimlich einen Schluck aus seiner Bierflasche. Er wusste, dass der Professor es nicht leiden konnte, wenn auf seiner Ausgrabungsstätte Alkohol getrunken wurde. Aber wie bitte sollte er sonst bei Kräften bleiben? Irgendwo hatte er mal gelesen, dass Bier viele Elektrolyte enthielt, also war es ja wohl das ideale Getränk für so eine Drecksarbeit. Oder war das Weizen gewesen? Egal!
Meisner seufzte erneut, bevor er seine Schaufel wieder in die Hand nahm. Es half ja alles nichts, er musste hier vorankommen, wenn er nicht riskieren wollte, erneut eine Abmahnung zu erhalten. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als er sich daran erinnerte, wie er vor ein paar Monaten freudestrahlend zu Professor Gutmann gelaufen war, um ihm von einem wichtigen Fund zu berichten. Stolz hatte er den Archäologen zu seiner Ausgrabungsstelle geführt und aufgeregt das vermeintlich antike Hühnerskelett gezeigt, auf das er gestoßen war. Wie er es genossen hatte, dass die Uni-Fuzzis ihrem Professor wie Entenküken ihrer Mama gefolgt waren. So konnte er seinen Fund gleich angemessen allen präsentieren.
Wütend stieß er seine Schaufel wieder in die trockene Erde. Der Staub setzte sich auf seiner klebrigen Haut fest und drang ihm in Mund und Nase. Meisner musste husten und schaufelte genervt weiter, während sich die Ereignisse von damals wie ein Film vor seinem inneren Auge abspulten.
Der Professor hatte das Skelett mit spitzen Fingern aus der Grube gehoben und von allen Seiten betrachtet, dann hatte er streng seine Studenten angeblickt und sie gefragt, wer von ihnen sich da einen Scherz erlaubt habe. Die Studenten hatten sich angesehen und losgeprustet, während Meisner ahnungslos dastand wie ein Idiot und die Welt nicht mehr verstand. Der lange Schlaksige mit der bescheuerten Alpakafrisur hatte schließlich zugegeben, dass er vor ein paar Tagen Hähnchen gegessen habe … Kichernd war die Meute wieder abgezogen und hatte den zutiefst beschämten Meisner zurückgelassen. Der Professor hatte ihm anschließend deutlich zu verstehen gegeben, dass er doch bitte nicht auf solche Kindereien hereinzufallen hatte und schon in der Lage sein sollte, ein wenige Tage altes Skelett eines Hühnchens von einem richtig alten zu unterscheiden, zumal an diesem noch Fleischrestchen hingen. Er solle sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren und alles andere dem Team überlassen.
Erneut brodelte die Wut in ihm hoch, als er an den peinlichen Vorfall dachte. Dass diese Uni-Leute sich immer für etwas Besseres hielten! Dabei waren sie zu dämlich, mit normalem Werkzeug umzugehen. Die konnten noch nicht mal eine Kelle von einem Meißel unterscheiden, weil sie beides noch nie in der Hand gehalten hatten. Kein Wunder, dass sie hauptsächlich mit ihren Pinselchen an irgendwelchen alten Sachen herumwedelten. Zu was anderem waren sie sowieso nicht zu gebrauchen!
Vorsichtig sah Meisner sich nach allen Seiten um. Niemand zu sehen. Schnell angelte er die halb volle Bierflasche aus seinem Jutebeutel und trank erneut einen tiefen Schluck. Hmmm, tat das gut! Hastig stellte er sie zurück in seine Tasche, darauf achtend, dass sie nicht umfiel. Es wäre doch jammerschade, wenn das köstliche Getränk verschwendet würde.
Immer wieder stieß er die Schaufel in die Erde. Der Erdhaufen neben der kleinen Grube, die er schon ausgehoben hatte, wuchs ständig weiter. Noch ein, zwei Meter, dann hätte er die Tiefe erreicht, die der Herr Professor wollte. Wenn man doch nur einen Bagger benutzen könnte, wäre diese Plackerei nicht nötig! Aber nein, man könnte ja „wertvolle“ Spuren endgültig zerstören …
Was an dem alten Geraffel wertvoll sein sollte, hatte ihm auch noch niemand erklären können. Als er hier angeheuert hatte, hatte er an Goldmünzen und andere wertvolle Funde geglaubt, aber alles, was man hier rauszog, waren Steine, Steine und nochmals Steine. Manche davon versetzten den Professor regelrecht in Entzücken, warum auch immer. Meisner verdrehte die Augen. Die hatten doch eh nicht alle Tassen im Schrank, die großkopferten Studierten! Egal, wenigstens konnte er über die Bezahlung seiner Arbeit nicht klagen und Schichtarbeit gab es hier auch nicht.
Weitere Zentimeter Erdreich fielen seiner Schaufel zum Opfer. Schnaufend kippte er seine Last in die Schubkarre, die neben ihm bereitstand. Noch ein, zwei Schaufeln und sie würde wieder voll sein. Mit voller Kraft stieß er seine Schaufel erneut nach unten, als ein seltsames Knirschen ertönte. Irritiert zog er die Augenbrauen hoch. Was war das denn? Vorsichtig zog er an seiner Schaufel, doch die steckte fest. Er bewegte sie hin und her, um sie zu lockern, und konnte sie so endlich herausziehen. Wahrscheinlich war er auf einen weiteren großen Stein gestoßen, die hier überall zu finden waren, oder auf eine extra harte Lehmschicht. Erneut stieß er seine Schaufel in die Erde, darauf achtend, dass er nicht in die gleiche Stelle wie zuvor stach, um den Stein zu umgehen. Wieder vernahm er deutlich ein seltsames Knirschen. Verwundert kratzte er sich am Kopf. Dann entschloss er sich, weiterzumachen, und ging diesmal behutsamer vor. Er benutzte seinen Fuß als Hebel und beförderte kleinere Erdmengen hervor. Ein kurzer Blick in die Schubkarre sagte ihm, dass diese dringend auf Entleerung wartete. Er ließ die Schaufel fallen und langte beherzt nach den Griffen der Schubkarre. Viel Schwung war nötig, um das schwere Gerät über das wacklige Holzbrett eine Etage höher zu befördern, aber er war routiniert und wusste genau, was er tat. Zu gerne hätte er einem der Uni-Fuzzis diese Arbeit überlassen und dreckig gelacht, wenn er mitsamt der Schubkarre vom Brett gekippt wäre! Aber nein, für solche Arbeiten waren sich die Herrschaften doch zu fein.
Zurück an der Grube bückte er sich nach seiner Schaufel und setzte sie erneut an. Kaum hatte er sie in die Erde gestoßen, erklang ein schabendes Geräusch. Meisner nahm die kleine Handschaufel, die er für solche Fälle immer in der Nähe hatte, und kniete sich ächzend auf den Boden. Unweigerlich entblößte er dabei wieder sein Bauarbeiterdekolleté, aber das war ihm egal. Er konnte arbeiten oder auf sein Outfit achten. Beides war nicht möglich.
Meisner entfernte vorsichtig Zentimeter für Zentimeter der Erde, bis er auf einen Widerstand stieß. Dann entfernte er die Erde um den Gegenstand mit den Händen. Er schien tatsächlich auf einen größeren Stein gestoßen zu sein. Nachdem er die Erde ausreichend gelockert hatte, fuhr er mit beiden Händen hinein, um ihn herauszuheben. Der Stein fühlte sich glatt an und Meisner hatte Mühe, ihn zu fassen. Mit einem Ruck gelang es ihm schließlich doch, das Objekt hochzuheben. Er drehte ihn in seinen Händen, um ihn genauer zu betrachten. Als er ihn um einhundertachtzig Grad gedreht hatte, ließ er seinen Fund vor Schreck fallen und keuchte laut auf. Irritiert besah er sich den runden Gegenstand, der zurück in die Grube vor ihm gekullert war, und schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht sein! Hatte er da wirklich einen menschlichen Schädel in Händen gehalten? Er streckte die Hände aus, um seinen Fund erneut zu betrachten, als ihm ein Verdacht kam. Er stand auf und sah sich auf der Ausgrabungsstelle um. Wo waren die ganzen Uni-Fuzzis? Niemand zu sehen … Wahrscheinlich hielten sie mal wieder eins ihrer vielen Treffen in ihrem Zelt ab, während sie ihn hier schuften ließen!
Meisner kniete sich erneut hin und angelte den Schädel aus der Grube. Kritisch betrachtete er ihn von allen Seiten, um festzustellen, ob sich wieder einmal jemand einen Scherz mit ihm erlaubte. War der Schädel echt oder bloß so ein dämliches Halloween-Spielzeug? Er klopfte mit dem Finger dagegen, woraufhin ein hohles Geräusch erklang. Fühlte sich jedenfalls nicht nach Plastik an. Unentschlossen drehte er den Schädel in seinen Händen. Sollte er den Professor verständigen und sich am Ende wieder zum Deppen machen? Oder hatte er am Ende vielleicht etwas wirklich Bedeutsames entdeckt? Er beschloss, auf Nummer sicher zu gehen. Zunächst würde er mal nachsehen, ob sich noch weitere Skelettteile finden ließen. Wenn es sich nur um einen Schädel handelte, würde das die Wahrscheinlichkeit eines weiteren doofen Studentenscherzes vergrößern. Aus welchem Grund sollte nur ein Schädel begraben sein?
Meisner machte sich ans Werk und entfernte verbissen Erde aus dem umliegenden Areal. Nach kurzer Zeit stieß er tatsächlich auf mehr Knochen, und nach einer halben Stunde hatte er den Oberkörper eines Skeletts halbwegs freigelegt. Zufrieden schnaufte Meisner durch und betrachtete seinen Fund.
„Um Himmels willen, Meisner, was machen Sie denn da?“
Erschrocken fuhr er herum und sah direkt auf die ausgelatschten Lederschuhe des Professors, der hinter ihm am Rand der Grube stand. Professor Gutmann starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Grube.
„Hm, ja …“ Meisner räusperte sich ausgiebig, weil sein Hals auf einmal sehr trocken war. Er wünschte sich sehnlichst einen Schluck aus seiner Flasche, aber das war natürlich unmöglich, solange der Prof bei ihm war. „Ich hab da möglicherweise was Interessantes gefunden“, erklärte er nicht ohne Stolz.
„Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, Mann?“, schrie der Professor erbost.
Erstaunt sah Meisner ihn an. „Aber wieso? Ich hab doch bloß …“
„Sie haben bloß …“, erwiderte der Professor mit unheilschwangerer Stimme. „Sie haben mit herkömmlichen Werkzeugen an einem wertvollen Artefakt herumgefuhrwerkt und womöglich wichtige Bestandteile des Fundes unwiederbringlich zerstört!“
Er balancierte über das Brett nach unten und stieß Meisner grob zur Seite. „Am besten gehen Sie sofort, bevor ich mich vergesse!“
„Das ist ja wohl die Höhe!“, schrie nun auch Meisner. „Wissen Sie was, ich kündige! Ich hab keinen Bock mehr auf euren Scheiß! Die Drecksarbeit machen, kann ich, aber für alles andere bin ich ja zu blöd!“
Meisner schnappte sich seinen Rucksack, lief an dem Professor vorbei, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, erklomm das wacklige Brett und verschwand von der Ausgrabungsstelle.
Professor Gutmann starrte ihm noch kurz sprachlos hinterher, bevor er sich ganz auf den Fund konzentrierte. Vorsichtig strich er über die seltsam dunkel verfärbten Knochen und spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. War das endlich der ersehnte Durchbruch? Er hatte doch gewusst, dass sich in dieser Gegend bedeutsame Funde machen lassen würden! Ein Skelett war so viel besser als alles andere. Ihm wurde schwindlig, wenn er nur daran dachte, dass der oder die Tote möglicherweise nicht allein hier begraben war. Mit ein wenig Glück würden sie auch noch Gegenstände finden, die diese Menschen hinterlassen hatten. Seine Handflächen schwitzten. Das geschah immer, wenn er aufgeregt war. Endlich hatte er mal wieder einen richtigen Treffer!
Er richtete sich auf und pfiff durch die Zähne. In kürzester Zeit waren seine Studenten um ihn versammelt und sahen mit großen Augen in die Grube.
„Ja, meine lieben Studierenden, da staunen Sie!“ Der Professor strahlte über beide Backen. „Worauf warten Sie? Holen Sie Ihr Werkzeug und ran an das Skelett!“ Er klatschte in seine Hände. „Hopp, hopp! Ein wenig zügig, wenn ich bitten darf!“
„Des isch jetzt aber net Ihr Ernscht!“ Erbost stemmte Franzi ihre Hände in die Hüften und funkelte den vor ihr stehenden Mann wütend an.
„Was wollen Sie denn?“, antwortete der und zuckte mit den Schultern. „Immerhin hab ich Sie doch verständigt.“
Franzi atmete tief durch und zählte bis zehn. Das tat sie immer, wenn sie wütend war, und das war sie. Stinksauer! „Wann ham Sie die Leiche noch mal gefunden?“, fragte sie nun deutlich ruhiger.
„Das hab ich Ihnen doch bereits gesagt! Das war gestern.“ Verständnislose Blicke trafen Franzi.
„Sie ham geschtern ein Skelett g’funden und ham uns heute erscht verständigt? Versteh i Sie da wirklich richtig, Herr Professor?“
Gutmann kratzte sich verwirrt an seiner Halbglatze. „Äh, ja. Aber ich versteh Ihre ganze Aufregung nicht. Es handelt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen Skelettfund aus der Römerzeit. Die Beschaffenheit der Knochen verrät, dass die Leiche verbrannt wurde, was für die damalige Zeit üblich war, verstehen Sie?“
„Was heutzutage üblich isch, Herr Professor, isch, dass man sofort die Polizei verständigt, wenn man eine Leiche findet!“ Franzi schüttelte erneut den Kopf über so viel Ignoranz und Dummheit.
„Aber …“
„Nix aber!“, sagte Franzi energisch. „Sie können von Glück sagen, wenn die Staatsanwaltschaft Ihnen da keinen Strick draus dreht! Die werden gar net erfreut sein, wenn die hören, dass Sie uns den Fund der Leiche net sofort g’meldet ham!“ Sie fuhr sich durch die Locken.
Professor Gutmann trug inzwischen eine ungesunde Gesichtsfarbe zur Schau. „Frau Kommissarin, ich bitte Sie, warum so kleinlich? Ich hab Ihnen den Fund doch gleich heute gemeldet, und jetzt machen Sie so ein Drama draus. Außerdem sehen Sie doch, dass die Überreste eine deutliche dunkle Verfärbung aufweisen, was auf eine Brandbestattung hinweist. Das lässt eindeutig auf eine römische Bestattungszeremonie schließen.“
Er zog ein weißes Stofftaschentuch aus seiner Tasche und fuhr sich hastig über die schwitzende Halbglatze.
Franzi zog die Augenbrauen hoch. Der Professor schien wirklich auf dem Schlauch zu stehen.
„Jetzt nomml für Sie zum Mitschreiben …“, sagte sie langsam und in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie mit ihrer Geduld am Ende war. „Wenn Sie in Zukunft eine Leiche finden, melden Sie die uns g’fälligscht sofort! Klar so weit?“
„Aber wenn die Leiche doch gar nicht in ihren Aufgabenbereich fällt, Frau Kommissarin!“, sagte er, während er nervös seine Hände knetete.
„Und wer bitte entscheidet des?“, fragte Franzi genervt. „Etwa Sie? Sicher net!“
„Was gedenken Sie nun zu tun?“, fragte der Professor.
„Na, was wohl? Die Leiche muss in die Gerichtsmedizin, damit die Kollegen dort feststellen können, wie lange das Skelett schon in der Erde lag.“
„Sind Sie wahnsinnig?“, rief Gutmann entsetzt. „Womöglich befinden sich im direkten Umfeld des Skeletts weitere Funde von unschätzbarem Wert! Die Bergung darf auf keinen Fall überhastet erfolgen, um die Stelle nicht zu kompromittieren!“
Franzi lachte auf. „Ach, Sie meinen, wir könnten die Stelle kompromittieren?“ Sie malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. „Und Sie? Ham Sie etwa net so gut wie alle Spuren unweigerlich zerstört, als Sie mit unzähligen Leuten an dem oder der Toten rumgekrabbelt haben?“
„Rumgekrabbelt?“ Professor Gutmann schob erbost seine Brille hoch. „Das verbitte ich mir. Wir krabbeln nicht an Sachen herum, wir untersuchen Gegenstände höchst wissenschaftlich!“
„Wobei Sie sämtliche für uns relevante Spuren höchstwahrscheinlich vernichtet haben“, erwiderte Franzi trocken.
„Das ist ein Skelett aus der Römerzeit, verstehen Sie das doch endlich! Es hat für Sie keinerlei Relevanz!“
„Wir werden sehen“, knurrte Franzi. „I ruf jetzt jedenfalls die Spurensicherung an, und Sie entfernen sich bitte sofort vom Ort des Geschehens.“
Franzi ließ den nach Luft schnappenden Professor am Rand der Grube zurück und kletterte kopfschüttelnd nach oben. Dort zog sie ihr Handy aus der Tasche und verständigte die Spurensicherung, die zusagte, baldmöglichst vor Ort zu sein.
Eine Dreiviertelstunde später rollten die weißen Lieferwagen der SpuSi endlich an. Franzi begrüßte die Kollegen und gab ihnen eine kurze Einweisung.
„Es gibt eine kleine Planänderung“, sagte Paul Winkler, der Leiter der Abteilung. Erstaunt zog Franzi die linke Braue hoch. „Der Chef hat grad angerufen und uns angewiesen, uns erst mal im Hintergrund zu halten. Die Archäologen bekommen noch Zeit, im Umfeld des Skeletts zu graben, bevor wir es entfernen. Wir sollen lediglich dabei sein und aufpassen, dass keine für uns relevanten Spuren zerstört werden.“
Entsetzt starrte Franzi ihn an. „Aber … Wieso …?“ Vor Aufregung brachte sie kaum ein vernünftiges Wort heraus.
„Der Gutmann hat anscheinend beste Kontakte zum Chef. Die kennen sich schon ewig, verstehsch?“
Franzi schüttelte erbost den Kopf. „Des isch doch net richtig! Was soll denn dieser ganze Mischt?“
Winkler legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Kein Stress, Franzi, so wie du mir das vorhin geschildert hast, haben die eh schon so gut wie alles angefasst. Da macht’s wirklich keinen Unterschied mehr, ob wir etwas früher oder später ran können. Außerdem sind wir ja jetzt da und können aufpassen, dass die nix mehr antatschen, was sie nix angeht.“
Franzi seufzte. Sie hasste Vetternwirtschaft, bei der man nur kurz den Hörer in die Hand nehmen musste, um einen Gefallen einzufordern.
„Wann dürft ihr ran?“, fragte sie resignierend.
„In ein, zwei Tagen, hat er gesagt. Dann sehen wir weiter. Wir geben dir Bescheid, wenn wir was haben.“
Franzi nickte, verabschiedete sich und trat den Rückzug an. Im Weggehen nahm sie noch Professor Gutmanns zufriedenen Gesichtsausdruck wahr, der sein Team wieder um sich versammelte.
Sie gab dem Streifenwagen, der sie hergebracht hatte, kurz Bescheid, dass er abziehen konnte. Jetzt benötigte sie dringend etwas frische Luft. Die Ausgrabungsstelle lag in der Nähe des Augsburger Doms, war also sehr zentral gelegen, was ihr gerade recht kam. So konnte sie ihre Mittagspause gleich in der Stadt verbringen und erst ins Präsidium zurückkehren, wenn der gröbste Ärger verraucht war.
Nachdem sie um die Ecke gebogen war, kam sie in die Frauentorstraße, die zwischen dem Dom und dem Fischertor verlief. Franzi liebte diese Gegend, auch wenn sie nicht besonders häufig hier war. Hier war immer was los. Zwei große Schulen standen in direkter Nachbarschaft, weswegen auch Horden von Kindern und Jugendlichen unterwegs waren, und es fanden sich außerdem noch alteingesessene Geschäfte, wie zum Beispiel ein Hutladen, bei dem früher ihre Oma immer eingekauft hatte. Außerdem konnte man hier richtig gut essen. Für jeden Geschmack war etwas dabei.
Nach einigem Überlegen entschied sich Franzi für ein Dürüm, weil es einfach gar zu köstlich aus dem türkischen Schnellimbiss duftete. Mit ihrer Beute in der Hand lief sie die wenigen Meter bis zum Platz vor dem Dom, wo sie sich auf einer Bank in der Sonne niederließ, um ihre Mahlzeit zu genießen. Beim ersten Bissen schloss sie genießerisch die Augen. Das war jetzt genau das Richtige nach dem ganzen Ärger eben! Dieser Professor Gutmann war aber auch ein Vollpfosten! Franzi schüttelte den Kopf. Sie hatte wirklich keine Lust, sich über diesen Trottel aufzuregen. Dazu war ihr ihre Mittagspause viel zu schade.
Während sie genüsslich weiteraß, ließ sie den Blick über das imposante Bauwerk direkt vor ihren Augen schweifen. Der Augsburger Dom war eine der größten und meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Kein Wunder, immerhin war er auch schon richtig alt, da er aus dem Mittelalter stammte. Der ehemalige Papst Johannes Paul II. hatte hier sogar vor vielen Jahren mal Halt gemacht und einen Gottesdienst gefeiert. Franzi war damals zwar noch ein Kind gewesen, konnte sich aber gut daran erinnern, wie unzählige Augsburgerinnen und Augsburger dem Pontifex auf den Straßen zugejubelt hatten und dass der gut gelaunte Papst lächelnd aus seinem Papamobil zurückgewinkt hatte.
Franzi wischte sich mit der Serviette über den Mund. Das Dürüm war richtig lecker gewesen! Mit den Augen folgte sie einer Schulklasse, die auf die Rückseite des Doms zusteuerte. Eine junge, energische Lehrerin lief voran, gefolgt von einer Meute Jugendlicher, die es nicht besonders eilig hatten, ihrer motivierten Lehrkraft zu folgen. Immer wieder musste sie stehen bleiben und die Kids antreiben. Sicher wollten sie zu den römischen Artefakten, die hinter dem Dom unter einer Bedachung ausgestellt waren. Eigentlich handelte es sich dabei nur um Nachbildungen, doch sie wirkten überaus realistisch und durften darüber hinaus angefasst werden. Franzi musste unwillkürlich grinsen, als sie sich vorstellte, wie unzählige Kinderhände, vor Professor Gutmanns Augen, original römische Artefakte betatschten. Der Gute würde dabei sicher einen Herzkasper erleiden.
Seufzend erhob sie sich und warf ihren Abfall in den Mülleimer, der neben der Bank bereitstand. Gerne würde sie jetzt noch ein Weilchen in der Sonne sitzen bleiben, aber die Arbeit rief. Entschlossen machte sie sich auf den Weg. Unweit des Doms war eine Straßenbahnhaltestelle, zu der sie sich nun aufmachte.
Als sie eine Viertelstunde später vor dem Polizeipräsidium Schwaben Nord ausstieg, waren Wolken am Himmel aufgezogen.
Als wüssten die, dass ich jetzt wieder an die Arbeit muss, dachte Franzi amüsiert, während sie die Eingangstür aufdrückte.
„Na, hören Sie mal, die Sarah ist jetzt schon seit gestern verschwunden!“, hörte sie eine aufgebrachte Männerstimme rufen, kaum dass sie das Innere des Gebäudes betreten hatte.
Vor dem Glaskasten, in dem immer ein Beamter für die Anmeldung von Besuchern saß, stand ein aufgeregter, mittelschlanker Mann, der mit dem Fingerknöchel immer wieder gegen die Scheibe klopfte.
„Das ist doch nicht normal, dass jemand einfach so verschwindet“, sagte er zu der genervt aussehenden Polizistin hinter dem Glas.
„Ich hab Ihnen doch grad schon gesagt, dass es noch viel zu früh ist, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben!“, antwortete diese augenrollend. „Und hören Sie endlich auf, gegen die Scheibe zu klopfen! Da wird man ja wahnsinnig!“
„Aber die Sarah …“ Der Mann legte seine Hand auf die Scheibe.
„Wird höchstwahrscheinlich längst zu Hause auf Sie warten.“ Die Beamtin zwinkerte Franzi zu, die neugierig stehen geblieben war und den Schlagabtausch verfolgte.
„Das … Das glaube ich aber nicht.“ Der Mann fuhr sich mit der Hand über die Augen. Franzi bekam Mitleid mit ihm, weil er gar so verzweifelt wirkte.
„Wissen’S was?“, sagte sie schließlich zu ihm. „Kommen’S doch einfach mit mir nei und erzählen mir, was eigentlich passiert isch, okay?“
Der nickte ihr dankbar zu. Hoffnung breitete sich in seinen Zügen aus.
„Franziska Danner, Kripo“, sagte Franzi und reichte ihm die Hand, die er kräftig schüttelte.
„Anton Wiebert“, antwortete er.
Franzi nickte der Beamtin am Eingang zu, die ihr ein „Danke“ zuraunte.
„Folgen’S mir doch bittschön“, sagte sie über ihre Schulter und lief zum Aufzug voraus. In ihrem Büro im zweiten Stock angekommen, deutete sie auf die Besucherecke, in der sich ein kleiner runder Tisch mit vier Stühlen befand. Kurz streifte ihr Blick den leeren Schreibtisch, an dem normalerweise ihre Kollegin und beste Freundin Helena saß. Lena hatte sich drei Wochen freigenommen, da sie mit ihrem Verlobten Nick ein Haus baute. Nach der Arbeit würde Franzi auf der Baustelle vorbeifahren, um nach dem Rechten zu sehen. Darauf freute sie sich jetzt schon.
„So“, sagte Franzi und setzte sich Anton Wiebert gegenüber. „Nun erzähln Se mal von Anfang an.“
„Die Sarah ist net heimgekommen, Frau Kommissarin, und jetzt hab ich richtig Angst, dass ihr was passiert ist!“
Nervös nestelte Wiebert an seinem Hemdkragen herum und strich sich über das bereits schütter werdende Haar.
„Fang mer mal ganz von vorne an“, sagte Franzi geduldig. „Wer isch jetzt nomml diese Sarah?“
„Sarah Liebinger, meine Verlobte.“
„Und seit wann isch se weg?“
„Seit gestern … Bitte, Sie müssen was machen!“ Flehend sah Anton Wiebert Franzi an.
„Jetzt beruhigen’S sich doch mal. I bin ja scho dabei, was zu machen, ge?“ Franzi deutete auf ihren Notizblock.
„Ja, klar. Entschuldigen Sie bitte, ich mach mir halt solche Sorgen.“ Er zwirbelte einen kleinen, goldenen Anhänger in seinen Fingern hin und her, der an einer dünnen Kette um seinen Hals hing. Franzi erkannte interessiert, dass es sich dabei um eine winzige Zirbelnuss handelte, das Stadtwappen Augsburgs. So ein Anhänger könnte ihr auch gefallen.
„Verschteh i scho, Herr Wiebert, drum sitz mer ja da. Also, die Sarah isch geschtern net heimgekommen, richtig?“
„Ja, genau!“
„Wann hätten Sie se denn zurückerwartet und von wo?“, fragte Franzi.
„Sarah ist meistens gegen fünf von der Arbeit gekommen, aber obwohl ich’s mehrfach probiert hab, hab ich sie nicht erreichen können.“
Irritiert zog Franzi die Augenbraue hoch. „Erreichen können? Ja, wohnen Sie net mit Ihrer Verlobten zusammen?“
„Nein, leider noch nicht. Ihre Wohnung ist zu klein, meine auch und darum sehen wir uns momentan nach was Geeignetem um, verstehen Sie? Damit wir uns gemeinsam was aufbauen können.“ Wiebert nestelte weiter an seiner Kette herum.
Franzi hoffte, dass diese dem Geruckel standhielt. „Also, wo genau arbeitet jetzt die Frau Liebinger?“
„Ach so, ja … Entschuldigung, das hatten Sie ja vorhin schon gefragt. Ich bin nur so durcheinander!“
Franzi nickte verständnisvoll und lächelte ihn freundlich an. Sie hatte schon oft erlebt, dass Menschen in Ausnahmesituationen kaum einen klaren Gedanken fassen konnten. „Basst scho, Herr Wiebert. Also nomml, wo arbeitet Ihre Sarah?“
„Beim Augsburger Kurier“, antwortete Herr Wiebert. „Sie ist Journalistin.“
„Haben Sie dort schon nachgefragt, ob Ihre Verlobte heute erschienen ist?“
„Natürlich!“, antwortete Herr Wiebert aufgebracht. „Ich hab gleich heute früh dort angerufen, aber die wollten mir einfach keine Auskunft geben!“ Empört schnaubte er durch die Nase.
„Sie müssen scho verschtehn, Herr Wiebert, dass man heutzutag net jede Auskunft übers Telefon kriegen kann. Der Datenschutz, Sie verschtehn?“
Kraftlos ließ Anton Wiebert die Schultern fallen. „Aber wie soll ich denn sonst rauskriegen, ob die Sarah vielleicht doch in der Arbeit ist?“
„Herr Wiebert“, sagte Franzi freundlich, „für eine Vermisstenanzeige isch es sowieso no zu früh. Was halten’S denn davon, wenn mer einfach no den heutigen Tag abwarten und Sie kommen morgen nomml her, falls Ihre Verlobte wirklich net auftaucht.“
Anton Wiebert wischte sich über die Augen. „Aber dann ist es sicher schon zu spät“, flüsterte er heiser.
„Aber woher denn?“ Franzi suchte seinen Blick und lächelte ihn aufmunternd an. „Wahrscheinlich isch Ihrer Sarah bloß was dazwischengekommen und sie isch zurzeit putzmunter in der Arbeit.“
„Warum konnte ich sie dann gestern die ganze Zeit nicht auf dem Handy erreichen?“
„Akku leer?“
Anton Wiebert schwieg eine Weile bedrückt. Dann sah er auf. „Frau Kommissarin, ich hab da ein ganz mieses Gefühl.“
„Es isch ja au völlig normal, dass Sie beunruhigt sind, Herr Wiebert“, sagte Franzi beschwichtigend. „Aber in den allermeisten Fällen steckt ’ne völlig harmlose Erklärung dahinter, wenn man ’ne Person net erreichen kann. Mal spinnt der Akku, mal ein spontanes Treffen mit jemandem, den man schon lange net mehr g’sehen hat … Es gibt unzählige Gründe, warum ma jemanden a mal ’ne Zeitlang net erreichen kann.“
„Meinen Sie?“
Franzi nickte bestimmt. „Ja, mein i. Jetzt gehn’S nach Hause und versuchen’S weiterhin, Ihre Verlobte zu erreichen, ja?“
Sie erhob sich und wartete, bis Anton Wiebert ebenfalls aufstand, bevor sie ihm die Hand reichte.
„Ach, eins wollt i Sie no fragen. Wo ham sie eigentlich diese schöne Kette her?“, fragte Franzi und deutete auf die winzige Zirbelnuss.
„Ach, das alte Ding! Die hat mir damals mein Mentor an der Uni geschenkt.“
„Ach so … Also, i find die richtig schön! Passt gut zu unserer Stadt. Auf Wiederschaun und Kopf hoch!“
Wiebert verabschiedete sich zögerlich und verließ das Büro.
Franzi seufzte. Ihr tat der Mann ja leid, aber was sie ihm gesagt hatte, entsprach absolut der Wahrheit. In den allermeisten Fällen steckten harmlose Erklärungen dahinter, wenn jemand vermeintlich verschwand. Man blickte ja nicht hinter die Kulissen. Vielleicht hatten sich die beiden gestritten und Sarah Liebinger benötigte eine Auszeit? Da wäre sie nicht die Erste und würde auch nicht die Letzte sein, die ihren Lebensgefährten dann kurzzeitig auf Abstand hielt oder ghostete, wie man auf Neudeutsch sagte.
In Deutschland verschwanden durchschnittlich gut einhunderttausend Personen pro Jahr. Das entsprach immerhin zwischen zweihundert und dreihundert Vermisstenmeldungen pro Tag! Über fünfzig Prozent der Fälle klärten sich innerhalb der ersten Woche auf. Weitere dreißig Prozent lösten sich binnen eines Monats. Nur eine sehr geringe Anzahl an Fällen blieb tatsächlich über längere Zeit ungelöst. Herr Wiebert hatte also sehr gute Chancen, seine Verlobte gesund und munter wiederzusehen. Franzi wünschte es ihm von ganzem Herzen. Doch sie würde diesbezüglich heute nichts unternehmen können, da die vorgeschriebene Frist eingehalten werden musste. Alle würden ihr den Vogel zeigen, wenn sie bereits nach knapp vierundzwanzig Stunden eine Fahndung nach der Frau herausgeben würde. Die Wahrscheinlichkeit war viel zu groß, dass Sarah Liebinger einfach nur eine Zeitlang nicht erreichbar war oder nicht erreicht werden wollte.
Sie sah auf die Uhr. In zwei Stunden war Feierabend. Sie beschloss, den Bericht über den Vorfall auf der Ausgrabungsstelle anzufertigen. Den würde sie heute noch weiterleiten.
Während sie schrieb, kochte ihre Wut wieder hoch. Sie atmete tief durch und gönnte sich ein paar Tropfen Lavendelöl auf ihren Handgelenken. Das roch nicht nur herrlich, sondern wirkte auch wunderbar beruhigend.
Als sie endlich fertig war, war beinahe Feierabend. Franzi beschloss, heute eine Viertelstunde früher zu gehen, da sie es sowieso kaum erwarten konnte, Lena endlich wiederzusehen. Die gemeinsame Arbeit fehlte ihr und sie konnte und wollte sich überhaupt nicht mehr vorstellen, ohne ihre Partnerin zu sein. Als Lena vor ein paar Jahren von Hamburg nach Augsburg gezogen war, hatten sich die beiden schnell angefreundet, auch wenn Lena am Anfang ziemliche Probleme mit dem Augsburger Dialekt hatte. Aber inzwischen hatte sie sich in der wunderschönen Fuggerstadt voll eingewöhnt und baute mit ihrem Verlobten sogar ein Haus ganz in Franzis Nähe, um sich permanent hier niederzulassen.
Franzi schnappte sich ihren Fahrradhelm vom Garderobenständer und warf sich ihre leichte Jacke über. Die letzten Tage waren ungewöhnlich warm gewesen, aber manchmal wurde es jetzt Ende Mai noch etwas ungemütlich.
Nach einer gemächlichen Fahrt erreichte sie schließlich den Stadtteil Göggingen, im Augsburger Süden. Sie beschloss, zunächst ihr Fahrrad heimzubringen und es dort abzustellen und gleichzeitig ihre geliebten Hunde zu holen, die sicher schon sehnsüchtig auf sie warteten. Tatsächlich wartete ihr Waschtl bereits an der Gartentür auf sie und wedelte freudig mit dem Schwanz. Kaum dass Franzi die Tür geöffnet hatte, stürzte sich der riesige Hund auch schon auf sie und schlabberte ihr über das ganze Gesicht.
„Ihhh, du Bär“, rief Franzi kichernd. Sie wuschelte über seinen verfilzten Kopf und drückte ihn fest an sich. „Ja, du hasch mir au gefehlt!“, raunte sie ihm zu. „Wer isch mein Beschter? Du bisch mein Beschter!“ Sie drückte ihm einen dicken Schmatzer auf den Kopf, bevor sie sich suchend umsah. „Aber wo isch denn mein Guschtl?“
Es raschelte im Gebüsch, aus dem plötzlich ein Langhaardackel herausschoss. Franzi bückte sich lächelnd und nahm den kleinen Hund auf den Arm.
„Ja, Herr Guschtav, da bisch du ja! Wo warsch denn du scho wieder, du Baraber? Ah ge, du Saubär, dei ganzes Fell isch voller Kletten!“ Liebevoll entfernte sie die lästigen Anhängsel.
„Kommt’s, ihr zwei, lasst’s uns zur Lena gehn. Da könnt’s ihr rumtoben, soviel ihr wollt’s!“
Sie setzte Herrn Guschtav wieder auf dem Boden ab, wo der kleine Hund sofort mit Waschtl um sie herumhüpfte. Franzi ging bei diesem Anblick das Herz auf. Herr Guschtav wohnte erst seit einem halben Jahr bei ihr. Als ihre liebe Freundin Marie bei einem tragischen Brand ums Leben gekommen war, hatte sie den Kleinen adoptiert und seitdem waren ihr Waschtl und Herr Guschtav ein Herz und eine Seele. Obwohl der Dackel nach einem Unfall nur noch drei Beine hatte, stand er dem viel größeren Waschtl in nichts nach und tobte mit ihm durch den ganzen Garten.
Franzi holte die Leinen der Hunde und machte sich auf den Weg zu Lena. Dies dauerte nur zwei Minuten, worüber Franzi sich wahnsinnig freute. Nach Maries Tod hatte sie das Grundstück ihrer Freundin geerbt, und sie hatte nicht lang überlegen müssen, was sie damit anstellen wollte. Früher hatte sie unzählige Stunden in Maries gemütlichem Garten zugebracht und mit ihr über Gott und die Welt geredet. Was lag da näher, als Lena das Grundstück zu schenken, und somit ihre beste Freundin ganz in ihrer Nähe zu wissen?
Lautes Hämmern und Sägen unterbrach Franzis Gedanken. Sie staunte, als sie um die Ecke bog und sah, wie weit Lenas Haus schon gediehen war. Lena hatte sich unbedingt ein Holzhaus gewünscht, wovon der Holzrahmen bereits stand. Sogar das Dachgerüst war aufgerichtet worden. Seit Franzi vor drei Tagen das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich richtig was getan.
„Ja, die Franzi!“, erklang eine fröhliche Stimme. „Wie schön!“
Franzi sah Helena freudestrahlend auf sich zulaufen. Die provisorische Gartentür war nur angelehnt, und so dauerte es nicht lang und Franzi fand sich in einer innigen Umarmung mit ihrer Freundin wieder. Waschtl und Herr Guschtav bellten um die Wette und sprangen an den Frauen hoch, wodurch die sich in den Leinen verhedderten.
Helena lachte. „Ja, ihr zwei dürft natürlich auch nicht fehlen!“ Sie streichelte die Hunde ausgiebig, während Franzi schmunzelnd die Leinen entwirrte.
„Kommt doch rein“, sagte Helena und hielt das Gartentürchen einladend auf.
Das ließ sich Franzi nicht zweimal sagen. Sie betrat mit den Hunden das Grundstück und wickelte eine Leine sorgfältig um das Gartentürchen, um es zu verschließen, damit Waschtl und Herr Guschtav nicht ausbüxten.
„Sieh mal, Nick“, hörte sie Helena rufen. „Wir haben Besuch!“
Das Sägen verstummte und eine staubige Gestalt kam aus dem Inneren des Rohbaus.
„Ach, die Franzi!“, rief Nick erfreut. „Bist du heute etwa schon fertig damit, böse Buben zu fangen?“ Er zog sich die Handschuhe aus und stopfte sie in den Hosenbund, bevor er sich vorbeugte und Franzi ein Küsschen auf die Wange gab.
„Hallo, Nick“, antwortete Franzi grinsend. „Böse Buben fang i lieber mit deiner Lena, also hab i mer gedacht, dass i lieber zu euch komm, als im Präsidium rumzuhängen.“
Nick lachte. „Bald hast du sie ja wieder!“
„Obacht!“, rief jemand vom Dach. „Glei schebberts!“
Gerade noch rechtzeitig sprangen die drei zur Seite, bevor eine lange Latte neben ihnen auf den Boden knallte.
„Sorry! Die ist mir ausgekommen!“
Franzi sah nach oben. Von dort blickte ein besorgtes Gesicht auf sie herunter. Mo! Sie wurde rot. Wenn sie ehrlich war, hatte sie gehofft, den schmucken Zimmermann hier anzutreffen.
„Ist nix passiert, oder?“
Alle schüttelten den Kopf.
„Da bin ich aber froh“, rief Mo erleichtert. „Was ist eigentlich mit mir?“, rief er an Franzi gewandt.
„Was soll mit dir sein?“, fragte sie irritiert.
„Krieg i etwa keinen Begrüßungskuss?“, erwiderte er prompt.
Franzi riss die Augen auf. Offenbar hatte er von oben gesehen, wie sie sich mit Lena und Nick begrüßt hatte.
„Einen Kuss? Ja, sag mal, spinnsch du?“
„Der Nick hat doch au einen bekommen!“, rief Mo über beide Backen grinsend.
„Des war höchschtens ein Küsschen und des au nur auf die Wange“, sagte Franzi. Aus dem Augenwinkel sah sie Helena breit grinsen.
„Macht ja nix! Du kannsch mich natürlich au woandersch hin küssen“, antwortete Mo frech.
Franzi drohte ihm spielerisch mit der Faust, bevor sie sich schnell wegdrehte, damit er das verräterische Leuchten in ihren Augen nicht zu sehen bekam.
Als sie Moritz vor einem halben Jahr zum ersten Mal begegnet war, hätte sie nie gedacht, dass sie ihm von da an so oft über den Weg laufen würde. Als Lena angefangen hatte, ein Holzhaus zu planen, war Zimmermann Mo gleich mit Feuereifer bei der Sache gewesen und seitdem sahen sie sich regelmäßig, wenn auch nur auf der Baustelle. Die Luft knisterte jedes Mal gewaltig, wenn Franzi und Mo sich sahen, zumindest fühlte es sich für sie so an. Ob irgendwann einmal mehr daraus werden würde, stand in den Sternen.
Lächelnd sah sie, wie Nick seine Lena in eine enge Umarmung zog, ihr Dinge ins Ohr flüsterte, die sie zum Erröten brachten, und ihr einen Kuss auf die Nasenspitze gab, bevor er sich wieder an die Arbeit machte. Liebe musste so schön sein!
Kurze Zeit später hatten es sich Franzi und Helena unter einem Sonnenschirm im hinteren Teil des Gartens auf zwei klapprigen Gartenstühlen gemütlich gemacht. Wobei der Begriff Garten echt übertrieben war, da die ganze Fläche durchgängig von einer Walze planiert worden war und kaum ein Hälmchen darauf wuchs. Durch den Brand und die schweren Maschinen, die das Haus danach abgerissen hatten, war der Garten so schlimm beschädigt worden, dass sie ihn vor dem Neubau erst einmal komplett planieren mussten.
Franzi ließ den Blick schweifen und seufzte. „Troschtlos!“
Helena nickte. „Ja, da hast du völlig recht, aber lange hält dieser Zustand ja nicht mehr an, nicht wahr?“ Sie zwinkerte ihrer Freundin zu und grinste.
Helena hatte Franzi das Versprechen abgerungen, ihr bei der Neugestaltung des Gartens zur Hand zu gehen, und die war gleich Feuer und Flamme gewesen. Franzi liebte Gartenarbeit und hatte schon zahllose Ideen im Kopf, die nur auf ihre Umsetzung warteten.
„I würd am liebschten heut scho anfangen!“, sagte Franzi sehnsüchtig.
Helena lachte. „Ich weiß! Mir geht es ja nicht viel anders, aber du weißt doch …“
„Ja, ja … Erscht, wenn der Rohbau von außen komplett fertig isch!“
„Eben.“ Helena legte Franzi die Hand auf die Schulter und suchte ihren Blick. „Sonst würden die Bauleute alles wieder zusammentrampeln, was du mühevoll angelegt hast. Das wäre doch jammerschade!“
„Du hasch ja recht. Aber mir isch es halt so schwer ums Herz, wenn i an Marie und ihren wunderschönen Garten denk!“
Helena legte ihre Hand auf Franzis Arm und sah sie ernst an. „Das weiß ich doch, meine Liebe. Aber glaub mir, der Garten wird wieder genauso schön, wie er einmal war!“
„Des wird die Marie freuen, wenn sie uns von da oben zuguckt“, sagte Franzi leise.
„Aber klar tut sie das“, antwortete Helena ernsthaft. „Und sie ist mit Sicherheit unheimlich stolz auf dich, weil du dich so gut um ihren Herrn Gustav kümmerst.“ Sie beugte sich vor und sah Franzi in die Augen. „Und weil du mir und Nick das Grundstück so großzügig überlassen hast! Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar wir dir sind! Wir hätten uns doch niemals ein Haus, noch dazu in dieser Gegend, leisten können!“
Franzi wurde rot und winkte ab. „Jetzt hörsch aber auf, Lena! Du weißsch doch, dass des alles andere als uneigennützig von mir war. I wollt di halt in meiner Nähe ham! Und i werd euch no oft g’nug auf’n Keks gehen. Wirsch scho sehen!“
Helena lachte. „Du bist hier immer willkommen, liebste Franzi! Für mich ist es doch auch das Größte, dich in meiner Nähe zu wissen!“ Sie stand auf und umarmte Franzi fest.
„So, und jetzt hole ich uns mal was zu trinken. Bei dem ganzen Staub hier bekommt man ja eine trockene Kehle!“
Franzi grinste. Tatsächlich schwirrten überall winzige Holzpartikel durch die Luft, was auch der einzige Grund für den aufgespannten Sonnenschirm war, da es jetzt im Frühling noch nicht so heiß war, dass man ihn gebraucht hätte.
Helena lief zu einer großen Kühlbox und holte eine Flasche Saft und zwei Gläser heraus. Sie drehte sich zu Franzi um und schwenkte die Flasche in der Luft.
„Schau mal, Nicks Kollege vom Stadtmarkt war zu Besuch und hat frisch gepressten Rhabarbersaft mitgebracht.“
„Hmmm … Des isch ja toll“, sagte Franzi erfreut. „Da hat sich mei Besuch ja scho gelohnt.“
Helena drohte ihr spielerisch mit dem Finger. „Und ich hab gedacht, dass du wegen mir gekommen bist …“
Franzi grinste und nahm Helena die Gläser ab, die von ihr umgehend gefüllt wurden.
„Wieso sollt i denn wegs dir kommen? I kann di doch au im Büro sehen, wenn du wieder da bisch.“
Helena lachte. „Du bist vielleicht eine! Aber mir ist eh klar, dass ich nicht der einzige Grund für deinen Besuch bin.“ Sie prostete Franzi zu und deutete mit dem Kopf in Richtung Haus.
Franzi folgte ihrem Blick und sah Mo auf dem Dachgerüst herumkraxeln. Prompt spürte sie Wärme in den Wangen aufsteigen. „I weiß gar net, was du meinsch“, sagte sie mit Unschuldsmiene, obwohl ihr klar war, dass ihre roten Wangen ihre Worte Lügen straften.
Sie tranken den erfrischenden Saft und anschließend berichtete Franzi von ihrem Arbeitstag. Als sie ihre Begegnung mit dem Archäologen beschrieb, musste Helena mehrmals laut lachen. „Der tut mir ja schon beinahe leid, der gute Herr Professor“, sagte sie und kicherte.
„Ach was!“, rief Franzi aufgebracht, „Der hat doch net alle Tassen im Schrank! Findet ’ne Leiche und ruft erscht am nächschten Tag die Polizei! Wo gibt’s denn so was?“
„Na ja“, erwiderte Helena, „es war ja eher ein Skelett, wenn ich dich richtig verstanden habe, und keine frische Leiche mehr. Aber ich gebe dir schon recht, der hätte uns gleich verständigen müssen.“
„Ja, genau! Und dann ruft der au no sein Spezl an und verhindert, dass wir ordentlich unsre Arbeit machen können!“ Franzi schnaubte empört durch die Nase.
„Das ist allerdings ein starkes Stück!“, sagte Helena kopfschüttelnd. „Das hätte ich dem Mayer gar nicht zugetraut!“
Kriminalhauptkommissar Mayer war Franzis und Helenas Chef, der sich bisher eigentlich immer korrekt verhalten hatte. Ein typischer Beamtentyp, etwas bieder, aber normalerweise absolut zuverlässig.
„Ach, wo findsch des heutzutag net, diese Spezlwirtschaft“, meinte Franzi resignierend. Sie zuckte mit den Schultern und winkte ab. „Aber weißsch was, von dene beide lass mer uns fei net den Feierabend versauen, gell?“
Helena lachte. „Da hast du aber so was von recht! Prost, Franzi!“ Sie stieß mit ihrem Glas gegen Franzis.
„Fascht hätt i’s vergessen“, sagte Franzi. „Da war no so ’n Mann im Präsidium …“ Sie berichtete von ihrer Begegnung mit Anton Wiebert.