Globalisierung – und was nun? - Manfred Lange - E-Book

Globalisierung – und was nun? E-Book

Manfred Lange

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Beschreibung

Zehn Vorschläge für eine bessere Zukunft Über die Chancen und Risiken der Globalisierung. Was bringen Ceta und Ttip? Was ist ökonomische Nachhaltigkeit? Welche Dimensionen der Globalisierung gibt es? Manfred Lange erläutert in Globalisierung – und was nun?? die Vor- und Nachteile der Globalisierung. Die Globalisierung ist längst da und es wird viel über diese diskutiert, aber die Diskussionen sind zu einseitig, zu politisch. Globalisierung fördert auch die internationale Vernetzung und auch eine Rückbesinnung auf nationale und regionale Stärken. Die Nachfrage nach Produkten "aus der Region" wird wieder sehr wichtig. Ist die Globalisierung nun gut oder schlecht? Dieser Diskussion stellt sich Manfred Lange, Mitglied des Vorstands des Markenverbands, und erklärt anschaulich, die Zweifel der Globalisierung, und was zu tun ist. Für alle Interessierten an der Globalisierung!

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Manfred Lange

Globalisierung – und was nun?

Zehn Vorschläge für eine bessere Zukunft Mit einem Vorwort von Carsten Knop

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Manfred Lange

Globalisierung – und was nun?

Zehn Vorschläge für eine bessere Zukunft

Mit einem Vorwort von Carsten Knop

Frankfurter Societäts-Medien GmbH

Frankenallee 71–81

60327 Frankfurt am Main

Geschäftsführung: Oliver Rohloff

Erste Auflage

Frankfurt am Main 2017

ISBN 978-3-95601-243-3

Copyright

Frankfurter Societäts-Medien GmbH

Frankenallee 71–81

60327 Frankfurt am Main

Umschlag

Satz

Titelbild

Druck

Julia Desch, Frankfurt am Main

Wolfgang Barus, Frankfurt am Main

© eyetronic – Fotolia.com

CPI books GmbH, Leck

E-Book-Herstellung

Zeilenwert GmbH 2017

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Carsten Knop

Einleitung

I. Die Motoren der Globalisierung

1. Staaten

2. Wirtschaft

3. Verbraucher

4. Technik

II. Die Zweifel an der Globalisierung

1. Ist die Globalisierung an den Übeln dieser Welt schuld?

2. Ist die Globalisierung bald am Ende?

3. Verlieren die Nationen ihre Autonomie?

4. Schadet die Globalisierung den Entwicklungsländern?

5. Vernichtet die Globalisierung Arbeitsplätze?

6. Profitieren von der Globalisierung nur die großen Konzerne?

7. Brauchen wir wirklich Wachstum?

8. Macht die Globalisierung nur wenige reich und viele arm?

9. Schadet die Globalisierung dem Klima?

10. Ist die Migration eine Folge der Globalisierung?

11. Woran soll die Globalisierung sonst noch schuld sein?

III. Was ist zu tun?

1. Globalisierung leben

2. Globalisierung transparenter machen

3. Mehr und besser regulieren

4. Strategische Zölle einführen

5. Die Organe der Weltgemeinschaft stärken

6. In der Entwicklungshilfe neue Wege gehen

7. Die Wirtschaft verstärkt in die Pflicht nehmen

8. Die Transportkosten verteuern

9. Englisch offiziell zur „Zweit-Weltsprache“ ernennen

10. Mehr teilen

IV. Zusammenfassung

Literatur

Der Autor

Vorwort

Carsten Knop (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Die Globalisierung treibt Hunderttausende Menschen auf die Straße, wenn es darum geht, gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder Ceta zu demonstrieren. Sie bringt politische Entscheidungsprozesse in der EU an den Rand des Zusammenbruchs. Und sie ist zum Teil für den Wahlsieg von Donald Trump in den Vereinigten Staaten mitverantwortlich. Die Globalisierung ist so umstritten wie unaufhaltsam.

Vor allem das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP hat in der Öffentlichkeit keine Lobby. Globalisierungsängste mischen sich mit plumpem Anti-Amerikanismus. Auch der Besuch des in Europa eigentlich so beliebten amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Hannover im Frühjahr 2016 konnte daran nichts ändern. Im Gegenteil fiel auf, dass Obama im Laufe seines Besuchs europa- und weltpolitischen Themen mehr Raum gegeben hat, als ursprünglich vorgesehen war. Die Ausführungen zur Zukunft des Handels hingegen gingen nicht über das hinaus, was man dazu schon vor der deutschen „Obama-Show“ gehört hatte.

Das ist schade – und konnte durch den bienenfleißigen Einsatz der damaligen amerikanischen Wirtschaftsministerin Penny Pritzker und des EU-Handelsbeauftragten Michael Froman auf der folgenden Hannover Messe nicht aufgewogen werden. Die Wahrheit ist: In den Streitthemen des Zugangs zum Beschaffungsmarkt der öffentlichen Hand, den Zöllen und Herkunftsbezeichnungen für Agrarprodukte sowie den Schiedsgerichten war man auch schon vor der Wahl von Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten weit auseinander.

Drei bis vier Jahre Arbeit, die in das Abkommen gesteckt wurden, sind so obsolet geworden. Falls es irgendwann einmal wiederbelebt wird, sollte man vielleicht darüber nachdenken, Freihandelsabkommen mit einem festen Verfallsdatum und vorherigen, transparenten Überprüfungen zu versehen. Das könnte Emotionen aus der Debatte nehmen, bis hin zu denen von Pfarrern, Lehrern und Schwiegermüttern. Und einen guten Vertrag würde gewiss niemand mehr beenden wollen.

Bis dahin könnte vielleicht noch mit einem weiteren Vorurteil aufgeräumt werden: Denn die Globalisierung ist zwar ein unaufhaltsames Phänomen, aber sie ist längst nicht so stark ausgeprägt, wie die Menschen glauben.

Und die internationale Vernetzung der Handelsströme hat erst im Laufe des Jahres 2014 wieder das Niveau erreicht, das sie vor dem Ausbruch der weltumspannenden Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2007/08 hatte.

Hinzu kommt: Schon 2015 hat sich die Expansion wieder verlangsamt, allerdings nur, wenn man ausschließlich den Handel betrachtet. Kapital, Personen und Informationen hingegen bewegen sich immer freier rund um die Welt. Das sind die wichtigsten Ergebnisse des umfassenden „DHL Global Connectedness“-Index, den die Deutsche Post DHL am Ende des Jahres 2016 vorgestellt hat. Die Lektüre fördert Erstaunliches zutage. So mögen zwar viele Dienstleistungen zum Beispiel in der Informationstechnologie inzwischen nach Indien verlagert worden sein. Die Geschäfte dort werden aber nach wie vor zum allergrößten Teil in Englisch abgewickelt, was zeigt, dass die Welt noch lange nicht so sehr das „globale Dorf“ ist, wie es der Begriff als solcher suggeriert. Denn die Sprache ist noch immer ein großer limitierender Faktor für die weitere Globalisierung.

Das, was unter dem Begriff Globalisierung von Befürwortern und Gegnern gleichermaßen vereinfachend verstanden wird, ist in der Wirklichkeit des Alltags also ein sehr vielschichtiges Phänomen. Das tatsächliche Ausmaß der globalen Vernetzung ist immer noch viel kleiner, als man denkt, was zumindest eine Chance zur Korrektur von Missverständnissen und Ängsten geben könnte. Das Bedrohungspotential sei also viel geringer, als es die lautstarken und gut organisierten Globalisierungsgegner suggerieren. Der größte Austausch von Waren, Kapital, Personen und Informationen findet noch immer zwischen einzelnen, benachbarten Regionen statt: In die weite Ferne schweift die Globalisierung längst nicht so häufig wie gedacht.

Das ist auch der Grund dafür, dass Europa nach wie vor die am stärksten vernetzte Region auf der Welt ist: Acht der zehn am stärksten vernetzten Länder der Erde finden sich hier – was nach Ansicht der Studienautoren daran erinnert, was auf dem Spiel steht, wenn der politische Zusammenhalt in Europa zerfällt. Europas Vorsprung spiegele sowohl seine strukturellen Merkmale (viele wohlhabende Länder in nächster Nähe) als auch die Strategien zur Förderung der Integration durch die Europäische Union (EU) und ihre Vorgänger wider. Mehr als 70 Prozent der internationalen Handels-, Kapital-, Informations- und Personenflüsse des durchschnittlichen europäischen Landes finden innerhalb Europas statt. Europa hat viel erreicht – und sehr viel zu verlieren.

Der Global Connectedness-Index verfolgt die Entwicklung von Handels-, Kapital- und Informationsströmen sowie die Bewegungen von Menschen in den Jahren zwischen 2005 und 2015 oder dem jeweils letzten verfügbaren Jahr in 140 Ländern, die 99 Prozent der Wirtschaftsleistung der Welt und 95 Prozent der Bevölkerung umfassen. Er basiert nach den Angaben der Autoren vollständig auf „harten Daten“, also echten Zahlen, nicht auf Einschätzungen, was die Objektivität der Debatte verbessern soll, in der nach Ansicht der Deutschen Post DHL sowohl die Befürworter als auch die Gegner das Phänomen als solches und seine Auswirkungen überzeichnen.

Der Index sei der einzige seiner Art, der sowohl die Tiefe als auch die Breite der internationalen Aktivitäten der Länder erfasse. Die „Tiefe“ vergleiche die internationalen Handelsströme der Länder mit den Größen ihrer heimischen Volkswirtschaften. Und die tief verbundenen Volkswirtschaften sind in der Reihenfolge Singapur, Hongkong, Luxemburg, Irland und Belgien. In der „Breite“ wiederum wird untersucht, inwieweit die jeweiligen internationalen Waren-, Kapital-, Informations- und Menschenströme aus einem Land auf der ganzen Welt verteilt sind. Die führenden Länder in der Breite sind: Großbritannien, die Vereinigten Staaten, die Niederlande, Südkorea und Japan. Insgesamt aber sind die Niederlande das führende Land der internationalen Verbindungen; Singapur übertrifft die Niederlande nur in der Tiefe der Globalisierung und das Vereinigte Königreich in Bezug auf die Breite. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse der Länderebene wurden die zehn am stärksten vernetzten Länder 2015 (in absteigender Reihenfolge) ermittelt: Niederlande, Singapur, Irland, Schweiz, Luxemburg, Belgien, Vereinigtes Königreich, Deutschland, Dänemark und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Schwellenländer wiederum betreiben Handel inzwischen zwar genauso intensiv wie weit entwickelte Volkswirtschaften. Diese aber sind um ein Vielfaches tiefer in die Weltwirtschaft integriert, wenn man auf internationale Kapital-, Menschen- und Informationsflüsse schaut. Die parallelen Entwicklungen von Globalisierung und Verstädterung haben zudem zu einem steigenden Interesse an „globalen“ Städten geführt. Dabei führt Singapur nach den Messungen der Deutschen Post DHL die Globalisierungsindizes auf der ganzen Welt an. Die Stadt ist ein Globalisierungs-Hotspot – weil hier am intensivsten Kapital, Arbeit, Informationen und Güter bewegt werden.

„In einer solchen Welt behalten die Entscheidungsträger einen erheblichen Einfluss darauf, ob die Globalisierung Fortschritte macht oder umgekehrt“, stellen die Autoren fest. Dabei gehe es allein um die Macht der Fakten, nicht um die der Gefühle und Stimmungen, die nicht zuletzt auch die Brexit-Debatte in Großbritannien befeuert hätten. Wie wahr.

Mit der Globalisierung und ihren Auswirkungen sind die Menschen in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion schon einmal gelassener umgegangen. Aber seitdem über Freihandelsabkommen mit unhandlichen Kürzeln wie TTIP und Ceta verhandelt wird und die Sorgen vor den Auswirkungen der Digitalisierung der Mittelschicht Angst machen, haben sich die Dinge verändert. Einem Trump hat dieses Phänomen in den amerikanischen Präsidentschaftswahlen kräftig geholfen. Und selbst in einer Nation wie Deutschland, die vor allem vom Export lebt, hat der freie Welthandel nicht mehr viele Freunde. Dabei kann vom viel bemühten „globalen Dorf“ nach wie vor in der Realität allzu häufig keine Rede sein, und vom Globalisierungsrückschlag nach der Finanzkrise im Jahr 2007 hat sich die Welt gerade erst erholt. Eigentlich wäre es an der Zeit für mehr und nicht weniger Integration in der Weltwirtschaft.

Darum geht es − ganz sachlich − in diesem Buch: Die Globalisierung ist da, sie ist aber kein Dämon und hat auch noch nicht die Größe eines Monsters. Die Diskussion über das Phänomen der Globalisierung wird zu einseitig geführt, was zu populistischen politischen Entscheidungen führt. Die auch künftig wichtige Quelle unseres Wohlstands darf aber nicht versiegen, Re-Nationalisierung wird kein einziges der anstehenden Probleme der Weltwirtschaft lösen. Wer dieses Buch liest, muss die entsprechenden Diskussionen nicht mehr den Gegnern überlassen, sondern kann im wahrsten Sinne des Wortes mitreden.

Einleitung

Die Debatte über die Globalisierung hat an Schärfe zugenommen. Jahrzehntelang wurde sie entweder hoch gelobt, allenfalls partiell kritisiert oder nur am Rande wahrgenommen. Inzwischen ist sie raue Wirklichkeit und tägliche Praxis. Die Welt ist ein einziger, großer Markt, manche sagen gar, ein „Dorf“ geworden, in dem sich die meisten Menschen und Unternehmen nahezu frei bewegen können. Hersteller können ihre Produkte oder Dienstleistungen – mit nur noch wenigen Ausnahmen – dort erzeugen, wo die Kosten am niedrigsten sind. Verkaufen können sie diese in Ländern, in denen die Verkaufspreise am höchsten sind. Banken können ihre Gelder dort anlegen, wo die Zinsen am günstigsten sind. Händler dehnen ihre Filialnetze international immer weiter aus. Menschen können, wenn dem nationale Gesetze nicht entgegenstehen, nahezu überall auf der Welt arbeiten. Bis auf wenige Ausnahmejahre wie 2008/2009 stieg der Welthandel stärker als die globale Wirtschaft, was bedeutet, dass immer mehr Güter und Dienste grenzüberschreitend eingekauft, produziert und verkauft werden.

Wir Verbraucher sind inzwischen daran gewöhnt, unsere Urlaube in entlegenen Winkeln der Welt zu verbringen. Wir kaufen ein, was billig ist, weil es irgendwo auf dem Globus hergestellt wurde. Spätestens seit der Verbreitung des WWW („World Wide Web“) gibt es kaum noch einen Bereich unseres täglichen Lebens, der nicht von der Globalisierung beeinflusst wird. Sogar in der Tierwelt finden, begünstigt durch die weltweiten Transporte, vermehrt Migrationen über alle Kontinente hinweg statt.

Obwohl viele Länder, besonders Deutschland, zu den eindeutigen wirtschaftlichen Gewinnern der Globalisierung gehören, nimmt der Widerstand dagegen sogar in unseren Breiten laufend zu. Wie viele Befragte sich tatsächlich gegen die Globalisierung aussprechen, ist nicht eindeutig auszumachen, hängt das Ergebnis nahezu jeder Befragung doch auch von der Art der Fragestellung und den Intentionen der Befragung selbst ab. Unbestreitbar ist, dass die Globalisierung von vielen Menschen in Frage gestellt wird und zu einem Schimpfwort für all das geworden ist, was ihnen in ihrem Land oder in der Welt nicht gefällt. Wenn sie unzufrieden sind mit der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes, wenn sie unter anhaltender Arbeitslosigkeit leiden, wenn sie sich mehr Lohn oder Gehalt wünschen, wenn sie sich über exorbitante Gehälter von Top-Managern und Bankern wundern, wenn sie die Ungleichheit zwischen Arm und Reich beklagen, wenn sie Angst haben vor steigenden Flüchtlingszahlen oder dem Terrorismus, ist daran ihrer Meinung nach in erster Linie die Globalisierung schuld.

Sie sehen im Fernsehen Berichte aus Entwicklungsländern, die von der Ausbeutung von Beschäftigten, oft von Kindern, berichten, und fühlen sich schlecht, weil es ihnen selbst so viel besser geht. Sie werden Zeugen zunehmender Klimaveränderungen und fühlen sich von weit entfernten Institutionen wie der EU fremdbestimmt, die ihnen weder demokratisch legitimiert noch genügend kompetent erscheinen. Immer mehr Bürger – in Deutschland angeblich mehr als 40 Prozent – sehnen sich nach der vermeintlich „guten alten Zeit“ zurück. Viele glauben offenbar, dass es eine Welt ohne Globalisierung geben könnte, die menschlicher, gerechter und umweltfreundlicher wäre.

Immer häufiger stimmen die sogenannten „Abgehängten“ bei politischen Entscheidungen gegen die „Eliten“ und somit auch gegen ihre bisherigen politischen Führer. Dies ist nicht nur bei Parlaments- oder Präsidentenwahlen zu beobachten, sondern auch bei anderen Volksabstimmungen, die für eine „Quittung“ für die herrschende Politik – auch gegen die Globalisierung – instrumentalisiert werden. Diese „Abgehängten“ leben mehrheitlich auf dem Land oder sind sozial benachteiligt und gehören damit nicht unbedingt zu den Gewinnern der hochmodernen, international vernetzten Zeit.

Aus welchen berechtigten und unberechtigten Gründen auch immer: Es gibt ein zunehmendes Unbehagen angesichts der anhaltenden Veränderungen und Bedrohungen unseres täglichen Lebens und die immer undurchsichtigeren Zusammenhänge in der Welt. Würden unvermeidliche Veränderungen langsamer oder Schritt für Schritt eintreten, könnte man sich eher an sie gewöhnen oder sich gar mit ihnen anfreunden. So sind viele Menschen von der zunehmenden Hektik unserer Zeit – die sie oft genug selbst verursachen –, vom permanenten Informationsstrom digitaler Medien, von der Vielzahl neu auftauchender Probleme und von den nicht enden wollenden Konflikten schlichtweg überfordert.

Nahezu die Hälfte der Einwohner Europas äußert sogar „Angst vor der Globalisierung“, die sich vermutlich weniger an den wirtschaftlichen Konsequenzen der Globalisierung festmacht, von der viele Bürger ja profitieren, sondern in erster Linie an der zunehmenden Anzahl von Ausländern in ihren Ländern. Sie fühlen sich angesichts des Anblicks von immer mehr fremdländisch aussehenden, sprechenden und z. T. anders gekleideten Menschen in ihrem eigenen Land nicht mehr wohl. Sie befürchten eine „Überfremdung“ und den Verlust ihrer ursprünglichen Heimat. Und sie fragen sich, ob diese für alle unerwartete und für viele nicht erwünschte Entwicklung nicht auch auf die Globalisierung zurückzuführen sei. Bislang sei die Globalisierung eine „Einbahnstraße von Nord nach Süd“ gewesen, jetzt würde sich sozusagen „der Spieß rumdrehen“. Statt der „Ware von Nord nach Süd“ würden nun „Menschen von Süd nach Nord“ ziehen. Aber hat das eine (Flüchtlinge) mit dem anderen (Globalisierung) überhaupt etwas zu tun? Und gilt die Formel tatsächlich, die da lautet: „Keine Globalisierung – keine Flüchtlinge!“?

So kann es nicht überraschen, dass sich immer mehr politische Parteien diese Gefühle zunutze machen, um die Globalisierung anzuprangern und eine Rückkehr zu nationalstaatlicher Autonomie und eigener Stärke zu propagieren. „Make America Great Again“ lautete demzufolge der eingängige und sehr erfolgreiche Wahlslogan von Donald Trump. Gefordert wird eine verstärkte Förderung der regionalen Wirtschaft, um (wieder) mehr Jobs anbieten zu können. Hinzu kommt nicht selten eine kritische Bewertung einer einseitig an Wachstum orientierten Wirtschaft, ja sogar eine immer offener geäußerte Ablehnung eines einseitig auf Wachstum und Gewinn ausgerichteten Wirtschaftssystems („Degrowth“-Debatte).

Da viele Kritiker die Globalisierung als eine rein „kapitalistische Veranstaltung“ ansehen, wird auch die Kritik am Kapitalismus immer lauter. Dieser sei zwar sehr effektiv bei der Schaffung von Werten, bei deren Verteilung hingegen versage er. Die Schere zwischen armen und reichen Menschen gehe immer weiter auseinander. Die Globalisierung würde einseitig von Großkonzernen wie Nestlé und von Großmächten wie den USA dominiert. Letzterer Vorwurf ist neben der unverständlichen Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen und der Forderung nach unabhängigen Schiedsgerichten einer der Gründe, warum viele das Ceta-Abkommen („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) zwischen der EU und Kanada sowie TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) zwischen der EU und Amerika ablehnen. Zumal den meisten Bürgern nicht wirklich klar ist, welche Vorteile sie selbst von derartigen Freihandelsvereinbarungen haben sollen. Die Demokratie würde dadurch geschwächt und die Rechte der Verbraucher ausgehebelt, heißt es immer wieder.

Nun kommt auch noch der Welthandel ins Stocken. Die jahrzehntelang gewohnten hohen Zuwachsraten des weltweiten Wirtschaftswachstums haben sich zuletzt deutlich verlangsamt. Gleich wird die Frage diskutiert, ob damit das Ende der Globalisierung eingeläutet wird oder ob sich zumindest deren grundlegende Veränderung anbahnt. Hat die Globalisierung also ihren Höhepunkt überschritten und wird sie womöglich sogar rückabgewickelt? Erleben wir bald eine umfassende „Re-Nationalisierung“ und eine Kündigungswelle internationaler Freihandelsvereinbarungen? Werden die Nationalstaaten zu Lasten internationaler Abkommen in Zukunft wieder gestärkt, die Grenzzäune um sie herum wieder hochgezogen? Wird man sich im Sinne einer „Regionalisierung“ vermehrt auf solche Produkte beschränken (müssen), die in unmittelbarer Umgebung hergestellt wurden? Oder liegt die Lösung umgekehrt in noch mehr statt weniger Globalisierung? Kennen viele Kritiker eigentlich die tatsächlichen Hintergründe und wirklichen Auswirkungen der Globalisierung? Machen sie sich überhaupt eine Vorstellung davon, wie es den Menschen auf der Welt – also auch ihnen selbst – ginge, gäbe es die Globalisierung nicht?

Ist die Globalisierung nun gut oder schlecht? Ist sie eher ein Fluch oder ein Segen für die Menschen wie für die Natur? Oder ist sie beides: ein Segen (für die einen) und ein Fluch (für die anderen)? Hat sie überhaupt eine Zukunft, und wenn ja, wie könnte diese aussehen? Was konkret wird denn der Globalisierung vorgeworfen, woran machen sich die Zweifel an ihr fest? Könnte man die kritisierten Folgen der Globalisierung eventuell beseitigen? Was ist zum Beispiel dran am Vorwurf, nur der ohnehin schon reiche Westen profitiere von der Globalisierung, er vermehre seinen Wohlstand sozusagen „auf dem Rücken der Entwicklungsländer“? Was ist dran an der zunehmenden Kritik der dominanten Ausrichtung der Weltwirtschaft an Kapital, Wachstum und Gewinn? Wurde in den letzten Jahrzehnten mit der Globalisierung vielleicht „das Kind mit dem Bad ausgeschüttet“, also auch das globalisiert, was besser im eigenen Lande verblieben wäre? Wäre weniger Globalisierung nicht sogar sinnvoller? Oder gibt es unter Umständen eine bessere Globalisierung, ein System also, das die erzielten Vorteile stabilisiert, die immer offensichtlicheren Nachteile aber vermeidet?

In der Tat entwickelt sich bereits heute parallel zu dieser eher verbal geäußerten Skepsis gegenüber der Globalisierung eine Rückbesinnung auf nationale oder örtliche Stärken, beispielsweise bei der Nachfrage nach Produkten „aus der Region“, bei der Forderung nach „schonender Tierhaltung“, beim immer beliebter werdenden Einkauf von „biologisch“ oder „fair“ erzeugten Agrarprodukten, beim „Urlaub im eigenen Land“ etc. Auch wenn all dies noch auf einem sehr niedrigen Niveau geschieht: Liegt darin vielleicht unsere (bessere) Zukunft? Jedenfalls wollen immer mehr Verbraucher bewusster konsumieren und möglichst genau erfahren, woher die von ihnen gekauften Produkte stammen, was genau sie enthalten und unter welchen Bedingungen sie erzeugt wurden. Immer mehr Menschen wollen sich möglichst auf diejenigen Angebote konzentrieren, die sozusagen den Stempel der „Unbedenklichkeit“ und der „Gerechtigkeit“ tragen. Aber geht das auch?

Abbildung 1: Gegen Globalisierung … und Schwerkraft

Quelle: unbekannt, aus: Kaminski, Eggert, Koch, Globalisierung verstehen, 3. Aufl., Düsseldorf, o. J., S.7

Die Diskussion über die Vor- und Nachteile der Globalisierung wird dadurch erschwert, dass bei ihrer Kritik manches in Verbindung gebracht wird, was ursächlich gar nicht zusammengehört. Die Globalisierung wird für Effekte verantwortlich gemacht, die es auch ohne sie gäbe. Nichts kann diese oft sehr undifferenzierte Diskussion deutlicher machen als die oben abgebildete Karikatur.

Besteht eigentlich eine Vorstellung davon, ob die heutige Wirtschaft ohne Globalisierung überhaupt noch funktionieren könnte? Oder wieviel Arbeitsplätze wegfallen würden, gäbe es keinen Freihandel mehr? Schneidet man sich mit ihrer kategorischen Ablehnung nicht etwa ins eigene Fleisch? Ignoriert man damit nicht Maßnahmen, mit denen man die Vorteile erhalten und gleichzeitig offensichtliche Mängel beseitigen kann?

Um all diese Fragen erschöpfend beantworten zu können, ist es sinnvoll, zunächst einmal präzise nachzufragen, warum sich die Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten derart dynamisch entwickelt hat. Dafür bedarf es der genauen Analyse, wer denn eigentlich die Motoren oder Treiber der Globalisierung sind und was sich diese bei deren Forcierung gedacht haben. Dann müssen die Fragen beantwortet werden, was denn der Globalisierung eigentlich vorgeworfen wird, und ob die immer heftiger kritisierten Missstände in einem Teil der Welt sozusagen billigend in Kauf genommen werden müssen, wenn in anderen Teilen so viele Menschen von der Globalisierung profitieren. Oder wenn es auch in den entwickelten Ländern Gewinner und Verlierer der Globalisierung gibt? Schließlich ist zu überlegen, was man konkret tun könnte, um die Globalisierung zu verbessern, indem ihre Nachteile vermieden und gleichzeitig ihre Vorteile stabilisiert werden.

Wenn über Globalisierung gesprochen wird, meint man normalerweise die grenzüberschreitende, also internationale Organisation und Zusammenarbeit der Waren, Dienste und Informationen produzierenden und handelnden Wirtschaft einschließlich des Finanzwesens, einfacher formuliert: den freien Welthandel. Auch die Arbeitsmigration gehört dazu, die es vielen Menschen auf der Welt erlaubt, sich dort niederzulassen, wo es (interessante) Arbeit gibt. Diese Bereiche werden – mit Ausnahme des Finanzwesens – in diesem Buch schwerpunktmäßig betrachtet. Präziser definiert ist diese (wirtschaftliche) Globalisierung ein fortlaufender, multidimensionaler und multikausaler Prozess internationalen Tausches von Gütern und Diensten, der sich auf immer mehr Produkte und Länder der Welt erstreckt („widening“) sowie eine permanente Vertiefung („deepening“) der internationalen Zusammenarbeit beinhaltet. Man spricht in der Wirtschaft von „horizontaler“ Globalisierung, wenn man die (räumliche) Ausdehnung der Aktivitäten auf den gesamten Globus meint, und von „vertikaler“ Globalisierung, wenn man eine Wertschöpfungskette – von den Rohstoffen über Zulieferbetriebe bis hin zum Fertigprodukt – auf viele Standorte in der Welt verteilt.

Unter Globalisierung – im weiteren Sinne – wird aber noch mehr verstanden. Inzwischen wird nahezu alles, was irgendwie mit Entwicklungen außerhalb des eigenen Landes zusammenhängt, in die Schublade „Globalisierung“ geschoben. Die international bekannten und beliebten Musik- und Filmstars sind – sozusagen lebende – Beweise dafür, dass die Welt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell immer mehr zusammenwächst. Die Kultur und die Wissenschaft sind schon längst ebenso globalisiert wie der Sport, denkt man nur an die Weltmeisterschaften in fast allen Disziplinen, insbesondere an den Fußball und an die alle vier Jahre stattfindenden Olympischen Spiele. Hier ist das Messen der Stärken der von überall auf der Welt stammenden Athleten allseits akzeptiert und nur allzu verständlich, denn wenn man die wirklich Besten in einer Disziplin ermitteln will, kann man nicht an den eigenen Landesgrenzen Halt machen. Auch ist kein Internet denkbar, das sich ausschließlich innerhalb nationaler Grenzen bewegt und dann wohl „Natnet“ heißen müsste. Gegen diese Arten von Globalisierung gibt es bisher kaum Widerstände, im Gegenteil. Sollte jemand auf die Idee kommen, weltweite sportliche oder kulturelle Veranstaltungen in Frage zu stellen oder gar zu verbieten, würde sich dagegen voraussichtlich ein noch größerer Protest erheben als gegen die wirtschaftliche Globalisierung.

Beschäftigt man sich mit der Globalisierung der Wirtschaft, kommt man natürlich auch an der Politik nicht vorbei, ist sie es doch, die durch die Errichtung von Freihandelszonen, durch supranationale Abkommen und die (über-)regionale Zusammenarbeit in internationalen Organisationen die Voraussetzungen für einen möglichst ungehinderten Handel auf der ganzen Welt schafft. Das tun die Politiker doch nicht, um den Menschen in ihren eigenen Ländern zu schaden. Deshalb ist es ebenfalls sinnvoll zu hinterfragen, was die Politiker im Grunde für die Globalisierung begeistert, welche Ziele sie damit verfolgen, und welches Maß an Mitverantwortung sie bei deren Gestaltung haben.

Die Literatur über die Globalisierung füllt inzwischen ganze Bücherregale. Die meisten Autoren befassen sich entweder mit den wissenschaftlichen, theoretischen Grundlagen des Freihandels, oder aber sie äußern sich ausschließlich kritisch bis polemisch zur Globalisierung. Titel wie „Die Globalisierungsfalle“, „No Logo! Der Kampf der Global Players um Marktmacht. Ein Spiel mit vielen Gewinnern und wenigen Verlieren“, „Global brutal. Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg“, „Die Schatten der Globalisierung“, „Die Machenschaften der Weltkonzerne“, „Schwarzbuch Globalisierung – Eine fatale Entwicklung mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern“, „Fehldiagnose Globalisierung“, „Wie viele Sklaven halten Sie? Über Globalisierung und Moral“, „Anti-Globalisierung. Zurück zur Vernunft“ oder „Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet“ locken in erster Linie Leser an, die es schon immer gewusst oder befürchtet haben, dass die Globalisierung mehr Schaden anrichtet als Nutzen stiftet. Kritische oder auch polemisierende Bücher lassen sich ohnehin generell besser verkaufen als solche, die versuchen, das „Für und Wider“ gründlich zu analysieren und konkrete Vorschläge zu machen, was man wie verbessern könnte.

In diesem Buch wird versucht, einerseits die wissenschaftlichen Diskussionen zu diesem Thema zu berücksichtigen, andererseits aber auch praktische Erfahrungen wie die des Autors selbst einfließen zu lassen, der – sozusagen „qua Amt“ – nahezu dreißig Jahre lang aktiv an der Globalisierung der Wirtschaft mitgewirkt und ausreichend Wissen angesammelt hat, wie globale Märkte funktionieren, wie internationale Hersteller, Händler und lokale Verbraucher „ticken“ und wie diese im Sinne einer besseren Globalisierung beeinflusst werden könnten.

So richtet sich dieses Buch vor allem an Leser, die ganz allgemein Interesse an Wirtschaft und Politik haben und sich einen umfassenden Eindruck von den Ursachen und Wirkungen der Globalisierung verschaffen wollen. Immer mehr Menschen stellen sich die Fragen, wie es weitergehen soll mit der Globalisierung und was man tun könnte oder müsste, um Fehlentwicklungen zu verhindern. Spezielles Fachwissen ist für die Lektüre dieses Buchs nicht erforderlich, so dass auch darauf verzichtet wird, die verschiedenen Theorien und Studien über die Globalisierung ausgiebig zu zitieren und die vielen Statistiken abzubilden, die zu diesem Thema bereits veröffentlicht wurden. Diese verwirren oft mehr, als sie aufklären, abgesehen davon, dass sie – je nach Interessenlage des Autors – oft genug ganz unterschiedlich interpretiert werden. Es geht hier eher um eine normative, wenn man so will: subjektive (Be-)Wertung vielfältiger Fakten, Erfahrungen und Meinungen zu diesem Thema, die dazu beitragen soll, dass sich die Leser ein eigenes Bild über die Fragen machen können, wie die Globalisierung verbessert werden kann und welche Zukunft sie hat.

I. Die Motoren der Globalisierung

1. Staaten

Am Anfang der Benennung der „Motoren“ oder „Treibern“ der Globalisierung stehen die Nationen, deren Regierungen sich verstärkt nach dem Ende desI. und desII. Weltkriegs Gedanken darüber gemacht haben, wie sie ihre eigene Wirtschaft wieder beleben und in Zukunft derart zerstörerische Konflikte vermeiden könnten. Nationen, die miteinander reden, sich in supranationalen Organisationen wie der UN organisieren und gemeinsam agieren, Menschen, die miteinander Handel treiben und in intensivem – nicht nur in wirtschaftlichem – Kontakt miteinander stehen, werden sich, so der gewiss zutreffende Grundgedanke, wohl kaum mehr bekriegen.

Wer miteinander spricht und handelt, führt gegeneinander keinen Krieg

In der Geschichte der Weltwirtschaft gab es aber auch ohne Zutun der Politik schon viele Beispiele für grenzüberschreitenden Handel. Bereits im frühen Mittelalter wurden mit dem Austausch von Gewürzen, Stoffen, Agrarprodukten, Edelmetallen etc. gute Geschäfte gemacht, später fallen einem dazu Namen ein wie Marco Polo, die Fugger oder die Hanse. Friedlich ging es dabei nicht immer zu: Die Ausplünderung neu entdeckter Länder in Mittel- und Südamerika oder die Drangsalierung der Kolonien sind dafür nur einige von vielen Beispielen. Grundsätzlich ging es in dieser Zeit um den bloßen Export oder Import von Gütern, die lokal nicht verfügbar und daher umso begehrter waren. Sie wurden mangels internationaler Zahlungsmittel im Wege des Tausches bezogen – wenn sie überhaupt bezahlt wurden – und konnten örtliche Bedürfnisse besser – oder überhaupt erst – befriedigen. Bei der heutigen Globalisierung geht es aber um mehr.

Schon 1947 wurde das erste weltweite Freihandelsabkommen abgeschlossen

Die Schaffung von Freihandelszonen begann unmittelbar nach demII. Weltkrieg. Die WTO („World Trade Organisation“), die damals noch GATT („General Agreement on Tariffs and Trade“) hieß, organisierte bereits 1947 in Genf mit 23 Ländern das erste „Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen“, in der Stadt, in der sich diese Organisation dauerhaft niederlassen sollte. Später folgten weitere „Runden“ (Abkommen) mit zusätzlichen Ländern, die nach den Namen der Orte oder der Länder benannt wurden, in denen verhandelt wurde, wie z.B. 1949 in Annecy, 1973 in Tokio und 1986 in Uruguay.

Bis zum Fall der Mauer steckte auch eine (macht-)politische Strategie hinter den Bemühungen der Staaten, den internationalen Warenverkehr zu intensivieren, nämlich das Motiv, sich den Einfluss auf möglichst viele Länder und dabei besonders auf den Zugang zu deren Rohstoffen zu sichern. Die Westmächte auf der einen und der sogenannte Ostblock auf der anderen Seite versuchten, durch militärischen Beistand, durch Investitionen, Subventionen, Austausch von Personal und präferentielle Handelsbeziehungen die Gunst noch nicht gebundener Länder für sich zu gewinnen.

Aus einer zweigeteilten Welt wurde ab dem 9.11.1989 „ein Dorf“

Es gab damals quasi einen globalen Wettbewerb zwischen den demokratischen, marktwirtschaftlich organisierten auf der einen und den kommunistischen, staatswirtschaftlich ausgerichteten Staaten auf der anderen Seite. „Sieger“ in diesem „Kalten Krieg“ war, wer sich als erster ein noch neutrales Land als Partner sichern konnte. Diese konkurrierende und sich gegenseitig mit Zusagen, Verlockungen und Drohungen übertrumpfende Strategie hat mit dem Fall der Mauer am 9.11.1989 ihr natürliches Ende gefunden. Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama traute sich daraufhin, 1992 ein Buch herauszubringen mit dem Titel „The End of History“ (dt.: „Das Ende der Geschichte“). Erst seit dieser Zeit kann man im Grunde von „einer Welt“ und von „der Globalisierung“ sprechen.

Zunächst ging es bei den internationalen Freihandelsvereinbarungen darum, internationalen Handel überhaupt erst zu ermöglichen oder zu vereinfachen, also um die Einführung von „Meistbegünstigungsklauseln“, um den Abbau von Einfuhrschranken und von Einfuhrquoten sowie um die (schrittweise) Reduzierung von Zöllen. Später, als Einfuhrzölle weitgehend Geschichte waren, verhandelte man verstärkt die Beseitigung verbliebener, nicht-tarifärer Handelsbarrieren, die gegenseitige Anerkennung nationaler Produktstandards, die Lösung problematischer Haftungsfragen etc. Diese Themen stehen auch bei den transatlantischen Freihandelsabkommen Ceta sowie TTIP im Vordergrund.

Bei Ceta und TTIP geht es auch um einen politischen Konflikt

In diesen Verhandlungen geht es weniger um Einfuhrzölle, die ohnehin schon niedrig sind und keine wirklichen Handelsbarrieren mehr darstellen. Auch besteht zwischen diesen Partnern schon lange ein intensiver Waren- und Dienstleistungsaustausch. Die noch verbliebenen Restzölle und unterschiedlichen Produkt- und Haftungsnormen sind allenfalls ein Kalkulationselement und beeinflussen – wie viele weitere Faktoren – die örtliche Preisgestaltung und Investitionsentscheidungen. Problematischer sind die sehr unterschiedlich gewachsenen und in Normen zementierten Produktions- und Verkaufsvorschriften, so dass der Export oft nur mit Veränderungen der angebotenen Produkte (wie unterschiedliche Rückspiegel bei den PKWs), mit der Anerkennung unterschiedlicher Haftungsvorschriften und mit bürokratischen Schikanen verbunden ist. Das alles kostet Zeit und Geld.

Genau dies soll nun vereinfacht, beschleunigt und verbilligt werden. Eine große Rolle bei den Verhandlungen spielt die Zulassung zu öffentlichen Ausschreibungen, bei denen bislang ausländische Anbieter massiv benachteiligt sind. Heftig kritisiert wird auch der sogenannte Investitionsschutz, der es Firmen erlauben würde, vom Staat Schadenersatz zu fordern, wenn dieser – aus welchen guten Gründen auch immer – die gesetzlichen Voraussetzungen für die Produktion oder den Verkauf bestimmter Produkte verändert. Gibt es darüber Streit, sollen die sich benachteiligt fühlenden Firmen Schadenersatz fordern können, über den letztlich (außergerichtlich organisierte) Schiedsgerichte zu entscheiden haben. Von diesen weiß man allerdings nicht, auf welcher Seite sie stehen: auf der Seite der Bürger oder der Unternehmen.

Letztlich handelt es sich bei der Diskussion über diese Abkommen um einen politischen Konflikt, nämlich um die mögliche Ausbreitung oder Vermischung als unterschiedlich empfundener Wirtschaftsmodelle, nämlich des „kapitalistischen Systems“ in den USA versus der „sozialen Marktwirtschaft“ in Europa. Dabei spielt auch ein weit verbreiteter Anti-Amerikanismus eine Rolle, der genährt wird durch mancherlei Entscheidungen der amerikanischen Regierung, die hierzulande auf deutliche Ablehnung stoßen. Hinzu kommen wachsende Zweifel an der Globalisierung an sich. Fragen des „Groß gegen Klein“ (Konzerne versus Mittelstand), „Arm gegen Reich“ (Billiglöhne versus Top-Verdienste) oder „Gewinner gegen Verlierer“ der Globalisierung treten beim Widerstand gegen diese Freihandelsabkommen mehr und mehr in den Vordergrund.

Neue Streitpunkte kommen auf die Tagesordnung internationaler Verhandlungen

Die letzte und bislang längste Verhandlungsrunde der WTO mit dem Ziel der weltweiten Liberalisierung des Handels begann schon 2001 in Doha mit insgesamt 146 Teilnehmern, konnte aber bis heute wegen offenbar unüberwindbarer Gegensätze zwischen den entwickelten Industriestaaten und den weniger entwickelten Schwellen- und Entwicklungsländern nicht vollständig zum Abschluss gebracht werden. Zu den bisher verhandelten Fragen des klassischen Freihandels kamen plötzlich die wirtschaftliche Ungleichheit und der Klimawandel auf die Tagesordnung. Da für beide Komplexe die Industriestaaten verantwortlich gemacht werden, fordern die beteiligten Entwicklungsländer bessere Bedingungen und finanzielle Ausgleichszahlungen. Die Industrieländer wiederum wollen nur ungern für „Sünden der Vergangenheit“ in Haftung genommen werden.

Jedes Land strebt zwar Vorteile für sich an, muss aber auch „Kröten schlucken“

Unvermeidbar bei solchen Verhandlungen ist, dass zugunsten zufriedenstellender Gesamtlösungen Kompromisse geschlossen werden müssen. Fast jedes Land muss sozusagen einige „Kröten schlucken“. Der Nutzen kann für jedes teilnehmende Land nämlich durchaus unterschiedlich sein. Wenn zum Beispiel die Industrieländer als Ergebnis derartiger Abkommen für sich – absolut gerechnet – größere Vorteile verbuchen können als die Entwicklungsländer, liegt dies in erster Linie daran, dass sie in die Verhandlungen höherwertige Produkte wie Maschinen und Automobile einbringen, während die Gegenseite für den Weltmarkt im Wesentlichen nur Rohstoffe, Agrarprodukte oder Textilien anbieten kann.

Auch die ärmeren Länder werden jedoch solchen Abkommen zustimmen, wenn sie mit den erzielten Ergebnissen für ihr Land einigermaßen zufrieden sind und davon ausgehen können, dass sie ohne derartige Kompromisse insgesamt schlechter dastehen würden. Trotzdem werden diese Länder gern als „Verlierer“ der Globalisierung dargestellt. Dass sie nur unter massivem Druck der reichen Länder zustimmen, gleichsam „erpresst“ werden, ist eine zwar oft wiederholte, aber kaum zu beweisende Behauptung. Spätestens seit den unterbrochenen Verhandlungen der Doha-Runde sind derartige Unterstellungen mit großen Fragezeichen zu versehen.

Der Grund für das Stocken weltweiter Freihandelsvereinbarungen ist also weniger eine grundsätzliche Ablehnung oder gar Abwendung von der Globalisierung, sondern im Gegenteil dem Versuch aller Beteiligten geschuldet, für sich bessere Ergebnisse erzielen zu wollen. Naturgemäß versuchen alle Unterhändler, immer mehr und größere Vorteile für ihr Land herauszuholen und dazu immer mehr Probleme auf den Tisch zu legen. Die Verhandlungen werden dadurch derart überfrachtet, dass sie dank immer größer werdender Komplexität und vielfältiger Zusammenhänge schier unlösbar werden und immer länger dauern.

Als Folge dieses Stillstands weltweiter Verhandlungen werden vermehrt regionale Freihandelsabkommen abgeschlossen. Bereits 1967 wurde ASEAN („Association of Southeast Asian Nations“ mit Malaysia, Singapur, Indonesien, Thailand, Brunei, den Philippinen u.a.) gegründet, 1991 MER-COSUR („Mercado Común del Sur“ mit Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela) und 1994 NAFTA („North American Free Trade Agreement“ zwischen den USA, Kanada und Mexiko). Auch Ceta, TPP („Trans Pacific Partnership“) und TTIP gehören in diese Reihe geplanter regionaler Abkommen.

Alle Länder versprechen sich vom Freihandel dasselbe

Was sich jedes Land von einem Freihandelsabkommen verspricht, ist im Grunde immer dasselbe: mehr Exporte, mehr Investitionen im eigenen Land, mehr Einkommen für die eigenen Bürger, mehr Steuereinnahmen für den Staat, insgesamt also mehr Wohlstand für das ganze Land. Natürlich gehören auch billigere Importe zu den Ergebnissen derartiger Vereinbarungen, denn die anderen Beteiligten wollen ja ebenfalls davon profitieren und möglichst viel exportieren. Dies kommt auch der eigenen Bevölkerung zugute, da importierte Produkte (oder Produkte, die zur Weiterverarbeitung vorgesehen sind) regelmäßig besser und/oder billiger sind als lokal produzierte, wenn sie hier überhaupt erzeugt werden können. Wenn man Freihandel akzeptiert, dann darf man sich nicht nur über mehr Exporte freuen, sondern muss auch mehr Importe hinnehmen. Globalisierung ist – was nicht überraschen darf – keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiges „Geben und Nehmen“.

„The name of the game“ für die Akzeptanz von Freihandelsabkommen ist somit das induzierte Wirtschaftswachstum, das sich letztlich in einer größeren Anzahl von Arbeitsplätzen niederschlagen soll. Fehlende Arbeitsplätze und hohe Arbeitslosigkeit sind inzwischen für nahezu alle Staaten der Welt Ursachen für mannigfaltige finanzielle Probleme und immer größere soziale Spannungen geworden. Nicht nur aus historischen Erfahrungen weiß man, dass nur eine florierende Wirtschaft für volle Staatssäckel und zufriedene Bürger sorgt. Viele Studien bestätigen, dass die meisten Menschen gern arbeiten, um zu ihrer Existenzsicherung – und darüber hinaus – Geld zu verdienen, und dass sie sich umso glücklicher fühlen, wenn sie einen vernünftigen Arbeitsplatz haben und es in ihrem Staat insgesamt wenig(er) Arbeitslose gibt.

Das Problem sind die Prognosen

Ob die erhofften positiven Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt letztlich eintreten werden oder eingetreten sind, lässt sich allerdings im Nachhinein kaum nachweisen, geschweige denn im Voraus genau prognostizieren. Zu groß ist die Vielzahl von Einflussfaktoren auf die Wirtschaft, zumal über einen längeren Zeitraum. Zu unterschiedlich und zu wenig vorhersehbar ist die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung der daran beteiligten Länder, die ja nicht nur vom Freihandel, sondern von vielen weiteren Faktoren abhängt. Nehmen beispielsweise internationale Unternehmen trotz eines aussichtsreichen Freihandelsabkommens, aus welchen Gründen auch immer, keine Investitionen vor Ort vor – sind es doch in erster Linie die Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen –, oder scheitern lokale Betriebe wegen schwerer Managementfehler, steigt im betroffenen Land trotz günstiger Freihandelsverträge die Arbeitslosigkeit. Zuvor abgegebene Prognosen sind dann nur Schall und Rauch.

Was die Befürworter des internationalen Freihandels allerdings nicht davon abhält, oftmals mit einer oder gar zwei Stellen nach dem Komma die voraussichtlichen Wachstumsraten und in Tausenden, ja Millionen die dadurch neu geschaffenen Arbeitsplätze an die Wand zu malen. Auch im Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen