Goldene Käfige - Elizabeth Smal - E-Book

Goldene Käfige E-Book

Elizabeth Smal

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Beschreibung

Die Handlung findet in naher Zukunft statt, wo die Gegenwart mit der Vergangenheit verwischt. Alles, was wir heute kennen, beginnt langsam in Vergessenheit zu geraten. Werden wir so leben? Was wird uns die Zukunft bringen? Was werden wir ausgesetzt sein? Würdest du dich in einer solchen Welt zurechtfinden? Genau so wie die Helden dieses Buches? Vielleicht können sie sich dort auch nicht gut zurechtfinden?

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Seitenzahl: 348

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Elizabeth Smal

Goldene Käfige

Die Unterdrückung

© 2019 Elizabeth Smal

Umschlag: Lukas Romankiewicz

Korrektorat: Jörg Querner

Übersetzung: Justyna Sarna

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7469-9142-9

Hardcover

978-3-7469-9143-6

e-Book

978-3-7469-9144-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Colin Moore war sehr nervös. Sehr schnell, fast rennend, steuerte er auf den Eingang von Hosmed zu. Das Gebäude ähnelte einem riesigen Würfelblock, der durch dicht verglaste Ebenen abgetrennt und von ovalen Überbauten in Form von zwei Türmen gekrönt wurde. Hohe und breite Säulen mit stromlinienförmigen Formen beherbergten auch die Krankenhausinnenräume. Sie erhoben sich in den Himmel, bedeckt mit perforierten Platten mit runden Fenstern. Sie standen auf einem Glassockel, dank dem sehr viel Licht von unten in das Innere drang.

Er ging hinein und schlüpfte durch die große Lobby des Krankenhauses direkt zur Informationsstelle. Seine zweiteilige Ledermotorradbekleidung und hohen Stiefel mit Metallbeschlägen begannen mit jedem Schritt ein regelmäßiges Geräusch zu erzeugen. Hinter der Theke saßen die Fembots1, die entwickelt wurden, um Menschen in verschiedenen Berufen mit einer bewundernswerten Geduld, die den Menschen in solchen Situationen fehlte, zu vertreten. Sie bedienten die Kunden und antworteten höflich auf alle gestellten Fragen. Colin rannte zu einem von ihnen.

»Ich habe die Nachricht bekommen, dass mein Großvater William Moore hier zu finden ist.«

»Natürlich, ich sehe schon nach, aber zuerst muss ich Ihren Fingerabdruck überprüfen; ich muss sicher sein, dass Sie das Recht haben, sich Informationen über den Patienten zu holen«, sagte eine nette Fembot und zeigte aufs Lesegerät, das auf dem Empfangsschalter installiert war.

»Okay.« Colin folgte dieser Anweisung und legte seine Hand auf eins der Geräte. Es scannte den Fingerabdruck, die Netzhaut des Auges oder den Chip.

»Danke, Herr Moore. Ich bestätige, dass Sie berechtigt sind, Informationen über Herrn William Moore zu erhalten.«

»Ah, na los! Schneller! Sprich. Erspare mir diese Formalitäten«, drängte er die Maschine aufgeregt.

»Natürlich, jetzt sage ich Ihnen alles. Ihr Verwandter wurde heute um elf Uhr zweiunddreißig, also vor ungefähr einer Stunde, hierher gebracht. Er befindet sich jetzt auf der Notaufnahme.«

»Aber was ist mit ihm?«

»Leider habe ich die Anweisung erhalten, Sie zum behandelnden Arzt zu schicken und Ihnen keine weiteren Informationen zu geben.«

»Scheiße!«, fluchte er laut und schlug mit der Faust auf die Theke, aber die Leute, die sich in der Nähe befanden, beachteten ihn kaum.

»Gehen Sie bitte dorthin, wie in den Richtlinien vorgesehen. Die nötigen Hinweise finden Sie in Kürze auf Ihrem Handy. Folgen Sie bitte den Anweisungen. Unsere Mitarbeiter sind für Sie da. Danke, ich wünsche Ihnen alles Gute. Auf Wiedersehen.« Der Fembot rezitierte die Regeln und nickte leicht am Ende der Unterhaltung, um sich zu verabschieden.

Colin ging schnell zu den Aufzügen für die Gäste. Von Zeit zu Zeit überprüfte er sein linkes Handgelenk, wo er ein flexibles armbandähnliches Smartphone trug. Auf dem Bildschirm zeigte der rote Punkt, dem er folgte, die korrekte Richtung an. Die auf dem Bildschirm gezeigte Karte führte ihn zu seinem Ziel.

Was könnte passieren sein? Ist er zu Hause in Ohnmacht gefallen? Vielleicht passierte etwas auf einem Spaziergang zum Gedenkpark?, dachte er.

»Ah, da ist ein Aufzug«, sagte er zu sich.

Er ging hinein. Er legte den Daumen auf das Lesegerät und suchte mit dem Finger nach der Information, auf welche Etage er fahren sollte. Colin sah sich um. Er hatte diese Möglichkeit, weil der Aufzug, aus kühlem Stahl und Glas konstruiert, transparent war. Überall waren runde Fenster. Sie befanden sich über den Köpfen der Menschen sowie in den Räumen für behandelte Patienten. Das verglaste Dach ließ das Licht herein. Die Krankenzimmer befanden sich in den Galerien, welche die verglasten Atrien umgaben. Mit einem solchen System konnten traditionelle Korridore vermieden werden.

Es bot auch viel mehr Zugang zum Tageslicht, das von den Glasdächern hierher reichte und seinen Weg durch die Glaswände unter anderem zu Patientenzimmern, Behandlungsräumen und medizinischen Räumen fand. Der ovale Raum, den er von oben betrachtete, war sehr gemütlich gestaltet. Die Warteräume mit großen, einfachen Sofas zum Sitzen und mit Tischen, auf denen sich gepflegte Pflanzen befanden, sahen sehr ästhetisch aus. Die Leute, die hier ihre Zeit verbringen mussten, hatten eine Vielzahl von Getränke- und Snackautomaten zur Verfügung und konnten ihre Zeit in einem speziellen Bereich mit Bars und Cafés verbringen.

Er schaute seitwärts. Die Aufzüge mit Menschen bewegten sich auf und ab. Überall herrschte Chaos.

Weiß gekleidete Ärzte waren oftmals in Eile und schlugen manchmal etwas auf ihren Telefonen nach. Alle Patienten, die gewöhnlich von Verwandten begleitet waren, trugen blaue Kleidung. Spezielle thermoaktive Sport-Sweatshirts mit einer kompletten Kapuze analysierten die Herz- und Atemfrequenz, den Herzschlag und das Lungenvolumen. Das Material haftete dicht am Körper an, um die Blutzirkulation zu erhöhen. Es ermöglichte eine bessere Sauerstoffversorgung des ganzen Körpers und der Muskeln. Dank dieser Lösung konnten die Mediziner den Patienten auf dem Display ihrer Telefone überwachen.

Colin konnte sehen, dass einige der Patienten an ruhigeren Plätzen auf Liegestühlen still lagen und von allen isoliert waren. Sie trugen Kapuzen auf ihren Köpfen, die ihre Gesichter vollständig bedeckten. Sie sahen aus, als wären sie in einen Kokon gehüllt. Dies zwang die Nase, durch spezielle Öffnungen um den Mund zu atmen, was natürlich den Atem verlangsamte und den Puls senkte. Asymmetrisch genähte Taschen sollten Bewegungen einschränken. An der Stelle der Augen befand sich ein dünnes Netz, das diese Person für die Umgebung unsichtbar machte, aber dank dessen sie alles perfekt sehen konnte. Die Kleidung wurde auch mit dem eigenen Soundtrack ausgestattet, so dass man beim Tragen Musik hören konnte. So konnte man den Stress abbauen und sich unter allen Bedingungen entspannen.

»Herr Moore«, sagte der Android affirmativ zu Colin, der aus dem Aufzug ausstieg. »Hallo. Ich habe Sie erwartet. Bitte folgen Sie mir. Ich bringe Sie zu einem unserer Ärzte, er heißt Smith.«

Er war unruhig, also atmete er tief durch. Die Luft fühlte sich an wie die von draußen. Sie füllte seine Lungen. Die speziell dazu entworfenen Klimaanlagen, die einen leichten Nebel erzeugten, befeuchteten die Luft in den Räumen. Er ging schweigend hinter einer Maschine her, die einem Mann ungewöhnlich ähnlich war. Das einzige Element, das den Roboter vom Menschen unterschied, war der sichtbare Strichcode, den die Humanoiden auf der Innenseite des Handgelenks hatten. Nach dem Scannen des Codes war bekannt, wer der Besitzer war – auf diese Weise konnte man die Serie, den Typ, die Anzahl und die Art der Arbeit, für die der Roboter programmiert war, kennen lernen.

Colin warf einen Blick durch die niedrige Glaswand, die den gesamten ovalen Boden umgab. Der Raum war großartig. Die Anordnung der Innenräume mit einer solchen Raumaufteilung bewirkte, dass der Lärm radikal reduziert wurde. Die Patienten hörten nicht, was sich hinter den Türen ihrer Zimmer abspielte.

Aus der Ferne konnte er schon den Arzt sehen, der auf ihn wartete. Es war ein breitschultriger, kleiner Mann mit einem faltigen Gesicht.

»Herr Detektiv Colin Moore«, begrüßte ihn der Arzt. Er trug einen ordentlichen weißen Anzug mit dem aufgedruckten Arzttitel und seinem Namen auf der rechten Seite des medizinischen Sweatshirts.

»Ja«, antwortete er. »Hallo, Dr. Smith. Was ist mit meinem Großvater?«

»Leider habe ich schlechte Nachrichten.« Smith schwieg eine Weile und fügte dann hinzu: »Ihr Großvater ist tot.«

»Wieso?«, fragte der Detektiv verzweifelt.

»Können Sie die Leiche jetzt identifizieren oder sollten wir auf den richtigen Moment warten?«

»Wie ist es passiert?«

»Er wurde verprügelt. Wir konnten nichts tun. Es tut mir leid.«

»Ja, ich will ihn sehen«, sagte Colin fest.

»Lassen Sie uns zum Inkubatorraum gehen, wo sich Ihr Verwandter befindet.«

Er deutete auf den sich in der Nähe befindenden verglasten Raum, der so abgeschirmt war, dass von außen nichts zu sehen war. Er legte die Hand auf das Lesegerät, das die Fingerabdrücke las. Die Tür glitt auf. Im selben Moment erklang die Stimme des Hauptcomputers.

»Hallo, Dr. Smith.«

Sie überquerten die Schwelle und die Tür glitt hinter ihnen zu. Das Zimmer war ruhig. Im Krankenbett lag die Leiche eines alten Mannes mit sichtbaren Malen von Schlägen. Der Detektiv blieb einen Moment stehen. Er konnte kaum glauben, dass dies wirklich geschehen ist. In seiner Arbeit sah er oft menschliche Leichen, aber einen Verwandten in einem solchen Zustand zu sehen, ist etwas völlig anderes.

»Ja, dies stimmt, das ist William Moore«, sagte Colin.

»Vielen Dank für die Feststellung seiner Identität. Ich weiß, dass das Verlieren von geliebten Menschen für jeden von uns ein Schlag ist. Lassen Sie mich Ihnen mein aufrichtiges Mitgefühl aussprechen.«

»Wie ist es passiert?«, fragte er und setzte sich niedergeschlagen aufs Bett neben die Leiche seines Großvaters.

»Biomed, der Sensor, den Ihr Großvater trug, schickte eine Nachricht über die Lebensbedrohung. Das war in der Nähe des Gedenkparks.«

Während der Arzt das sagte, berührte der Detektiv das Gerät am Handgelenk seines Großvaters. Es war eine Art Armband mit ein paar kleinen ovalen Behältern, die Olivenhälften glichen. Sie umrankten seine Hand wie ein Kranz. Dies war eine Art erste Hilfe. Die Behälter enthielten verschiedene Arzneimittel.

Biomed sollte die Lebensfunktionen des Menschen überwachen, über den aktuellen Gesundheitszustand informieren und zum Zeitpunkt der Lebensgefahr das entsprechende Medikament injizieren. Im Notfall sollte Biomed Rettungsdienste und später die Polizei informieren. Dies sollte den Tod aufgrund einer zu späten Verabreichung des Medikaments verhindern. Colin erinnerte sich, dass sein Großvater diese Art von Kleidung oder von den so genannten Wearables2 nur ungern trug, aber er trug sie, um seinen Enkel zufriedenzustellen. Neben dem Biomed trug er ein rotes Band. Jeder Patient, der in Hosmed ankam, wurde in der Notaufnahme mit einer entsprechenden Farbe gekennzeichnet.

Die grüne Farbe informierte über den niedrigsten Grad der lebensbedrohlichen Wirkung, gelb war für Patienten gedacht, die sekundär aufgenommen wurden, während die Farbe auf der Hand seines Verwandten über den Zustand der Lebens- und Gesundheitsbedrohung berichtete.

»Ein Rettungsfahrzeug mit einem medizinischen Team wurde sofort geschickt«, sagte der Arzt. »Wie Sie wissen, bewegen sich privilegierte Fahrzeuge über den Boden, so dass wir schnell am Tatort ankommen konnten. Wir fanden den Patienten fast tot infolge der Körperverletzung. Medikamente und Nanoroboter, die das Biomed Ihres Großvaters in den Körper injiziert haben, erwiesen sich in diesem Fall als unzureichend. Wir haben die Rettung sofort begonnen. Wir ergänzten das Blut mit Infusionsflüssigkeit und übernahmen alle möglichen Rettungsmaßnahmen an Ort und Stelle. Dann brachten wir Herrn Moore ins Hosmed. Die Ausstattung unserer Zimmer ist auf höchstem Niveau. Spezielle Klimabedingungen, lebenserhaltende Geräte, ständige Patientenüberwachung, Verabreichung geeigneter Medikamente über Bettspender, sofortige Information über den Zustand des Patienten und Behandlungsempfehlungen sowie die Nanoroboter, die für schnelle Operationen oder bei Verletzungen innerer Organe injiziert werden. Leider gab es in diesem Fall keine positiven Ergebnisse. Es tut mir leid.« Mit den letzten Worten legte Smith seine Hand auf Colins Schulter.

Der Detektiv stand schnell auf. Er dankte dem Arzt für alles und ging raus.

Er verließ das Krankenhaus in Eile. Mit einem flexiblen, formwandelnden elektronischen Gerät am Handgelenk rief er aus der Tiefgarage des Krankenhauses seinen Dreiradwagen J-Concept herbei, der an ein Motorrad erinnerte. Er hatte eine Felge und zwei Reifen hinten und zwei unabhängige Räder vorne. Die Maschine, die selbstständig die vertikale Position aufrechterhielt, blieb still vor dem Besitzer stehen. Colin stieg ein, zog Handschuhe und den Helm mit dem HUD3-Display an, der am Lenker hing. Er fuhr zu dem Ort, an dem sein Großvater angegriffen wurde. Er hatte den ganzen Weg direkt vor seinen Augen und von daher konnte er schnell an den autonomen Elektrofahrzeugen vorbeifahren. Wenn er die Straße hinter sich sehen wollte, musste er sich nicht umdrehen, weil die Straße hinter ihm ebenfalls auf dem Display gezeigt wurde. Er dachte an das Leid, das seinem geliebten Menschen angetan wurde. In seinem zweiteiligen Motorradanzug steuerte er das Fahrzeug mit zwei unabhängigen Lenkrädern sanft an. Das Abbiegen funktionierte so, dass er den Knüppel an der Innenseite der Biegung ziehen und den Knüppel an der Außenseite der Biegung drücken musste. Er fuhr so schnell wie mit einem Motorrad.

Er erreichte das Ziel und änderte die Konfiguration in der Maschine. Die vorderen unabhängigen Räder trennten sich und näherten sich ihm an; auf diese Weise konnte er aufrecht auf seinem Dreiradwagen sitzen. Er sah aus, als ob er jetzt ein Quad fahren würde. Er parkte in der Nähe des Unglücksortes. Den Helm und die Handschuhe legte er auf den Sitz. Er steuerte auf die Kameras zu, die das Gebiet in der Nähe überwachten. Er stand genau dort, wo noch Spuren der Geschehnisse zu sehen waren.

Während er noch in Hosmed war, taten seine Kollegen, was sie tun mussten. Es war ja zu einem Verbrechen gekommen und alle möglichen Beweise mussten gesammelt und gesichert werden, während der Reinigungsdienst das Gebiet reinigte. Die Blutflecken auf dem Pflaster waren für einen unwissenden Passanten kaum bemerkbar. Doch für Colin waren diese kleinen, fast unsichtbaren Flecken von großem Wert. Er starrte eine Weile auf das Pflaster. Es fühlte sich an, als wäre die Zeit stehen geblieben. Er versuchte seine Gedanken zu sammeln, denn was geschehen war, konnte er noch nicht begreifen.

Er drehte den Kopf um und schaute auf die Kamera, die genau über ihm hing. Dann startete er sein Handy am Handgelenk und verband sich mit dieser Kamera. Als Detektiv war er berechtigt, die Stadt zu inspizieren. Er kopierte das ganze aufgezeichnete Material von diesem Tag. Er fand die Stunde, in der sein Verwandter mit den Angreifern kämpfte.

Auf seinem Display sah er den Kampf des alten Mannes um sein Leben. Drei maskierte Angreifer begannen ihn zuerst zu belästigen. Sie rannten um ihn herum und erlaubten ihm nicht weiterzugehen. Dann rissen sie ihm die Blumen aus der Hand, die sie nach und nach mit großer Freude auf ihn warfen. Der Mann versuchte, sie nicht zu beachten; er stand einfach bewegungslos da, aber diese Tatsache löste noch mehr Aggression in den Angreifern aus. Sie begannen, den alten Mann an seinen Kleidern zu reißen und warfen ihn zu Boden. Er fiel unbeholfen auf das Pflaster und sie traten auf ihn ein. Das Opfer versuchte, den Kopf mit seinen Händen zu bedecken, aber es gelang ihm nicht. Die Schläge, die von jeder Seite fielen, machten es schwierig. Der Mann war hilflos gegen die überwältigende Macht der Aggressoren. Sie hörten nicht auf, selbst als der Mann sich nicht mehr bewegte. Erst als sie das Geräusch von Polizeisirenen hörten, rannten sie weg. Ein Hubschrauber–Notdienst kam mit der Patrouille. Colin konnte sehen, wie die Mediziner versuchten, das Leben des Mannes zu retten. Sie nahmen den Mann mit an Bord und flogen weg. Colins Kollegen umzäunten den Tatort mit Vorhängen, inspizierten ihn und sammelten Beweise.

Colin bat seinen Großvater oft, alleine nicht so weit weg zu gehen. Dieser Ort lag abseits der Stadt, in einer abgelegenen Gegend. Er wusste, dass Kriminelle in der Gegend waren, sie griffen Leute aus Spaß an. Sie wollten nichts stehlen, sondern das Opfer gnadenlos misshandeln.

Der Detektiv drehte die Projektion ab und bewegte sich in die Richtung, in die die Angreifer entkommen waren. Er sah sich diesmal die Wiedergabe der Drohne an, die den Tätern gefolgt war, bis sie entkamen.

Er folgte ihnen, sah sich vorsichtig um und beobachtete ihren Fluchtweg am Handgelenk. Er stoppte hin und wieder und suchte nach etwas, das vielleicht seinen Kollegen entgangen ist, die zuvor den gleichen Fluchtweg der Täter verfolgt hatten. Der Weg führte zu einem nahe gelegenen kleinen Wald, wo die Spur bald endete. Colin überlegte, wie das möglich war. Die Drohnen hatten Wärmebildkameras installiert. Daher konnten sie die gesuchten Täter auch in der Dunkelheit im dichtesten Dickicht nicht verlieren. Es gab viele Fragen, die unbeantwortet blieben.

Wie konnten sie entkommen? Wie ist es möglich, dass sie entkommen sind?

Der Detektiv wollte nicht aufgeben. Er wuselte unter ein Dutzend Bäumen hin und her. Er blickte umher, obwohl er nicht wusste, wonach er suchte. Er schaute durch alle Büsche im Wald. Er ging um jeden Baum herum, der darin wuchs. Er hat nichts gefunden.

Das Gebiet wurde von mehreren Pfaden durchquert, die von lokalen Einwohnern als Abkürzung zu verschiedenen Orten genutzt wurden. Der breiteste von ihnen führte zum Gedenkpark, die anderen strahlten in mehrere Richtungen aus. Colin beschloss, alle zu überprüfen.

Er ging vorwärts. Nur ein paar Schritte später war er am Rande der Büsche. Weiter führte der Weg zu den weiten Wiesen. Er schaute sich um, aber fand nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte, also kehrte er um. Er überprüfte ein paar weitere Wege und fand auch nichts Interessantes. Nur der letzte, der breiteste erweckte seine Neugier. Dieser führte zur nahe gelegenen Siedlung. Der hohe Zaun war aus der Ferne zu sehen.

Ein bürgerlicher Wohnort, schoss ihm durch den Kopf.

Sie wurden aus Angst vor Banditen von der Gesellschaft isoliert. Überwachte Orte wie dieser gaben ihnen ein Gefühl von Sicherheit. Sie trauten der staatlichen Überwachung nicht, sie zogen ihre eigene Sicherheit in Form eines hohen Zauns, ihrer eigenen Kameras und der Wachdienste vor.

Colin kam näher, so wie der Weg führte, und näherte sich dem Zaun an. Die Gitter, aus denen er errichtet wurde, die nebeneinander befestigt waren, bewachten den Zugang zur Siedlung. Der hohe Zaun ließ sich nicht überqueren, es gab nicht einmal die Möglichkeit, ihn zu besteigen. Er schaute sich vorsichtig um und bemerkte, dass der Pfad in der Nähe der Büsche neben dem Zaun endete. Er ging den ganzen Weg bis zum Ende, dann teilte er die Büsche, in denen der Pfad verschwand. Er sah, dass er jedoch weiterführte. Mehrere Stäbe waren gebogen und bildeten einen freien Durchgang zur anderen Seite. Colin ging ohne irgendwelche Probleme hindurch. Als Nächstes führte der Weg zwischen den Gebäuden zur Straße.

Er trat auf das in der Nähe gelegene Pflaster und schaute sich um. Es gab nur wenig Verkehr. Die Kameras, die an verschiedenen Orten befestigt waren, sollten die Bewohner schützen, aber die Leichtigkeit, mit der er hierher kam, zeigte, dass die Sicherheitsanforderungen nicht eingehalten wurden. Sicherlich benutzten die Bewohner diese geheime Passage oft, wenn sie unbemerkt ein- und ausgehen wollten. Er sah sich wieder um und ging zurück. Er wusste, dass er hier nichts tun konnte, weil er keinen Zugang zu den Kameraaufnahmen in diesem Bereich hatte. Er müsste eine Genehmigung zur Überprüfung der Überwachung bei seinem Vorgesetzten beantragen. Dann bekäme er den Zugang zum gesicherten Netzwerk. Er wollte die Genehmigung so schnell wie möglich erhalten, also entschied er sich, zur Polizeiwache zu gehen.

Er ging schnell den Weg zurück. Er hatte bereits ein Signal an sein Fahrzeug gesendet, das nun im Wald auf ihn wartete. Hastig sprang er auf die Maschine und fuhr davon. Die Fahrt nahm ihm nicht viel Zeit, denn als Angestellter der Ermittlungsdienste konnte er die Geschwindigkeitsbegrenzung bei der Lösung von Fällen überschreiten. Auch dieses Mal nutzte er dieses Privileg.

Er parkte auf dem Polizeiparkplatz und eilte zum Büro seines Kommandanten. Er lief an seinen Kollegen vorbei und achtete nicht auf deren Beileidsbekundungen.

»Boss!« Er ging in den Raum hinein ohne zu klopfen. »Bitte gewähren Sie mir den Zugriff auf die Überwachung auf dem Gut in der Nähe des Gedenkparks…«

»Ruhig«, sagte der Vorgesetzte, der an seinem Schreibtisch saß. »Beruhige dich.« Er stand auf und ging auf Colin zu. »Setz dich.« Er deutete auf den Ledersessel.

»Ich möchte nicht sitzen«, entgegnete er empört und begann nervös hin und her zu gehen. »Erlaube es mir«, wiederholte er fest.

»Es tut mir leid, dass dies alles passierte«, sagte der Chef in einem sanften Ton, stand still und beobachtete den Arbeitskollegen. »Es tut mir wirklich leid. Wir sind alle bei dir.«

Colin ging weiter hin und her. »Aber ich brauche die Genehmigung«, wiederholte er.

»Die Genehmigung wurde bereits vergeben.«

»Wieso?« Er stoppte für eine Weile.

»Glaubst du, dass du der einzige gute Detektiv bist?«, erklärte der Vorgesetzte sanft. »Deine Kollegen haben auch die gleiche Spur wie du gefunden. Sie haben mir alles erzählt. Sie haben ein Loch im Zaun gefunden.«

»Vielleicht kann ich behilflich sein?«, sagte Colin bittend.

»Nein. Du kennst unsere Regeln«, antwortete der Chef fest. »Wir werden uns um alles kümmern. Nimm dir frei und kümmere dich um die Beerdigung.«

»Aber vielleicht kann ich behilflich sein?«

»Nein. Du weißt genau, dass du voreingenommen sein kannst.«

»Bitte, Boss, lass mich mitmachen!«

»Ich darf nicht. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Geh nach Hause und lass uns arbeiten.«

Widerwillig verließ Colin das Büro des Kommandanten. Er kannte jedoch die Regeln. Er wusste, dass der Chef sich nicht beugen würde und dass er ihn nicht zulässt. Er sagte Colin, er solle sich so viel frei nehmen wie nötig. Er musste die Trauer abschütteln und sich mit der Beerdigung seines geliebten Menschen befassen. Er kehrte in das leere Haus zurück. Er war begleitet von Ärger, Wut und Hilflosigkeit.

1 Fembot – eine Variante eines humanoiden Roboters, der an eine reife Frau erinnert.

2 Wearables, Computer-Kleidung – Kleidung und Zubehör mit einem Computer und fortschrittlichen elektronischen Technologien.

3 HUD – auf English: Head–up display – ein durchsichtiges Display, das Informationen auf einer speziellen Scheibe darstellt, ohne die Sicht zu verdecken.

* * *

Der Beerdigungstag war gekommen. Das Wetter dieses Nachmittags war gut, es war nicht zu warm und es regnete nicht. Der Gedenkpark sah aus wie ein riesiger Garten mit verschiedenen Pflanzen und Bäumen. Die riesige Grünfläche mit gleichgerichtetem Gras und eingefügten Pfaden war sehr beeindruckend. Eine breite Straße führte zur Kapelle, die genau im Zentrum lag, wo der Leichnam auf die Beerdigung vorbereitet wurde. Dieser wurde entweder in eine organische Kapsel mit dem entsprechenden Samen gelegt oder eingeäschert. Alles nach den Wünschen der Familie oder dem Willen des Verstorbenen.

William Moore hatte nicht mehr so viele Freunde, deshalb kamen nur wenige zur Beerdigung. Sein einziger Familienangehörige war Colin. Eine Delegation der Polizeiwache war ebenfalls bei der Beerdigung anwesend.

Die Gäste waren schwarz gekleidet. Zuerst näherten sie sich Colin an und sprachen ihm ihr Beileid aus, dann begrüßten sie die anderen und sprachen nur wenige Worte miteinander. Sie schauten auf die Kirche und warteten auf den Beginn der Zeremonie. Als alle versammelt waren, öffnete sich die Kapellentür.

Eine große schwarze Plattform, geschmückt mit Blumen, rollte aus dem Kapelleninneren. Darauf war ein Glaskäfig montiert, in dem sich eine Kapsel mit der Form und Farbe eines riesigen weißen Eis befand. Plötzlich hörte jegliches Geflüster auf.