Gossip Girl 2 - Cecily Ziegesar - E-Book

Gossip Girl 2 E-Book

Cecily Ziegesar

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit Genuss berichtet das anonyme Gossip Girl von jedem noch so pikanten Detail aus dem Leben von Serena, Blair und ihren Freunden. Und mal ehrlich: Wer will nicht dabei sein, wenn es hinter den Fassaden der luxuriösen Appartements auf der Upper East Side so richtig zur Sache geht?

Blairs Feldzug ist gescheitert: Serena ist längst wieder Mittelpunkt der Upper East Side. Dan vergöttert ihre Schönheit, die Jungs liegen ihr zu Füßen, neue Freundinnen scharen sich um sie. Und Blairs Freund Nate küsst in aller Öffentlichkeit eine Achtklässlerin. Was dank Gossip Girl alle wissen – alle außer Blair. Bitter, bitter!

Frecher Blick hinter die Kulissen der Reichen und Schönen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 296

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
 
DIE AUTORIN
Lob
gossipgirl.net
 
schubidu, happy birthday to you
die treppen zum glück?
auf ein neues!
s vertraut auf ihr glück
einsam & zweisam – westside storys
mit speck fängt man mäuse – und womit fängt man jungs?
gepflegte und sehr, sehr lange finger
in brooklyn wird vergeblich gewartet
j spielt mit den großen jungs
obsession, die; -, -en <lat.>
n segelt in fremden gewässern
b und v haben etwas gemeinsam
amor omnia vincit
eine bedenkliche entwicklung
b bekommt ein brüderchen
b haut die flucht rein
treffpunkt grand central station
»best western« kontra »motel 6«
der morgen danach
j beschließt, nett zu sein
wie man einen bleibenden eindruck hinterlässt
und jetzt ratet mal, wer nägel mit köpfen macht?
krieg und frieden
b dämmert etwas
and the winner is …
ein gequältes herz sagt »ja«
geschmackstest bestanden
füße in saurer milch
heiße jungs und scharfe bräut… brautjungfern
henkersmahlzeit
girls just wanna have fun
amor omnia vincit
alles fast wie gehabt: b auf dem klo. s aber auch
die einen kommen, die anderen gehen
 
gossipgirl.net
Copyright
DIE AUTORIN
Cecily von Ziegesar weiß genau, wovon sie schreibt. Wie ihre Figuren besuchte sie eine Eliteschule der New Yorker Oberschicht und gehörte zum Kreise der Erlauchten. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Brooklyn.
 
Weitere Informationen zu Gossip Girl unter
www.gossipgirl.de
 
 
Von Cecily von Ziegesar ist bei cbt und cbj erschienen:
Gossip Girl – Ist es nicht schön, gemein zu sein? (Band 1)
Gossip Girl – Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt! (Band 2)
Gossip Girl – Alles ist mir nicht genug (Band 3)
Gossip Girl – Lasst uns über Liebe reden! (Band 4)
Gossip Girl – Wie es mir gefällt (Band 5)
Gossip Girl – Ich lebe lieber hier und jetzt (Band 6)
Gossip Girl – Sag niemals nie (Band 7)
Gossip Girl – Lass uns einfach Feinde bleiben (Band 8)
It-Girl – Jung, sexy und beliebt
»I’m your Venus, I’m your fire. At your desire.«
BANANARAMA, Venus
gossipgirl.net
themen ◄ zurück weiter ► eure fragen antworten
erklärung: sämtliche namen und bezeichnungen von personen, orten und veranstaltungen wurden geändert bzw. abgekürzt, um unschuldige zu schützen. mit anderen worten: mich.
 
 
ihr lieben!
 
 
und wieder einmal darf ich euch in new york willkommen heißen, genauer gesagt auf manhattans upper east side, wo meine freunde und ich in riesigen, noblen apartments wohnen und die exklusivsten privatschulen besuchen. wir sind nicht immer die nettesten, doch mangelnde nettigkeit machen wir mit stil und gutem aussehen wett.
 
es wird winter. die schönste und meine liebste jahreszeit in dieser stadt. die jungs hängen im central park ab, kicken bälle oder toben rum – was jungs im herbst halt so tun. fetzen von herbstlaub kleben an ihren pullis und in ihren verwuschelten haaren. ihre wangen sind rosig überhaucht … hmmm, wer kann da schon widerstehen?
 
höchste zeit, das plastikgeld auszupacken und sich bei bendel’s und barneys mit coolen neuen stiefeln, sexy netzstrümpfen, knappen wollröckchen und kuschelweichen kaschmirpullis einzudecken. in diesen wochen erstrahlt new york immer in einem ganz besonderen glanz und, hey, das wollen wir auch!
dummerweise wird es allmählich auch zeit, die bewerbungsunterlagen für die uni auszufüllen, und wer aus unseren kreisen stammt und auf unsere schulen geht, für den gibt es zur sogenannten »ivy league« – den efeuumrankten, ehrwürdigen eliteunis – keine alternative. abgelehnt zu werden, wäre peinlich. megapeinlich. der druck ist enorm, aber ich sehe nicht ein, wieso ich mich stressen lassen soll. das ist unser letztes schuljahr und wisst ihr was? wir feiern gründlich und nachhaltig ab und kommen trotzdem auf die unis, auf die wir wollen. was höre ich? wir können nicht alles haben? also bitte, in unseren adern pulsiert blauestes ostküstenblut. wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen würden. bisher haben wir immer noch bekommen, was wir wollten.
 
und ich kenne da ein paar mädels, die das genauso sehen …

gesichtet

B mit ihrem vater beim sonnenbrillenkauf in der gucci-boutique auf der fifth avenue. er konnte sich partout nicht zwischen den pink und den himmelblau getönten gläsern entscheiden, also hat er beide genommen. herrje, der mann ist ja wirklich schwul! N und seine kumpels bei barnes & noble, ecke 86. und lexington, wo sie im »reiseführer durch das unidickicht« blätterten, um sich die unis rauszusuchen, an denen weniger gefordert als gefeiert wird. außerdem: S, die sich bei aveda kosmetisch rundum erneuern ließ, während D an der eisbahn am rockefeller center saß, versonnen den schlittschuhläufern zusah und immer wieder etwas in ein büchlein kritzelte. zweifellos durch S inspirierte lyrische ergüsse – wie romantisch. ach ja, und B hat sich im kosmetikstudio der j. sisters wieder mal die bikinizone enthaaren lassen. masochistisches vorspiel für …

… den hauptakt. aber ist B wirklich bereit für den nächsten schritt?

eigentlich hätte es zwischen B und N ja schon gleich nach den sommerferien passieren sollen. doch dann tauchte S plötzlich wieder in der stadt auf, und N reagierte etwas zu empfänglich auf ihre reize, woraufhin B beschloss, ihn zur strafe noch etwas zappeln zu lassen. jetzt sieht es aber so aus, als würde sich etwas zwischen S und D anbahnen, und außerdem hat N B hoch und heilig seine treue geschworen. die uhr tickt. mal ehrlich, wer will schon als jungfrau auf die uni?
 
ich halte euch auf dem laufenden.
 
ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
 
 
gossip girl
schubidu, happy birthday to you
»Auf dich, mein Blair-Bär!« Mr Harold Waldorf hob das Champagnerglas und prostete seiner Tochter zu. »Für mich bist du immer noch mein kleines Mädchen, auch wenn du jetzt in Lederhosen herumläufst und einen äußerst attraktiven Freund hast.« Er sah Nate Archibald an, der neben Blair am Tisch saß, und bleckte die perlweißen Zähne im gebräunten Gesicht zu einem Lächeln. Mr Waldorf hatte die beiden ins »Le Giraffe« eingeladen. Ein kleines, charmantes Restaurant mit ausgezeichneter Küche, das derzeit en vogue war. Außerdem hatten die Kellner alle einen sehr französischen, sehr sexy Akzent.
Blair Waldorf ließ eine Hand unter der Tischdecke verschwinden und umklammerte Nates Knie. Das romantische Kerzenlicht törnte sie an. Wenn Daddy wüsste, was wir heute noch vorhaben, dachte sie, und ein wohlig erregter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie stieß mit ihrem Vater an und leerte das halbe Glas auf einen Schluck.
»Danke, Daddy. Echt nett, dass du extra meinetwegen aus Frankreich gekommen bist.«
Mr Waldorf setzte sein Glas ab und betupfte sich mit der Leinenserviette die Lippen. Seine polierten Fingernägel glänzten seidig. »Aber ich bin nicht nur deinetwegen gekommen, mein Mäuschen. Ich wollte mich mal wieder bewundern lassen.« Er neigte kokett den Kopf und spitzte die Lippen zum Schmollmund. »Sehe ich nicht blendend aus?«
Blair verkrallte die Nägel in Nates Oberschenkel. Es war nicht abzustreiten. Ihr Vater sah in der Tat blendend aus. Er hatte bestimmt zehn Kilo abgenommen, war braun gebrannt, trug elegante französische Designermode und wirkte rundum glücklich und gelöst. Blair war trotzdem froh darüber, dass er seinen Liebhaber in ihrem gemeinsamen Château in Frankreich gelassen hatte. Der Anblick ihres Vaters beim öffentlichen Austausch von Zärtlichkeiten mit einem Mann – egal wie gut er aussah – hätte sie derzeit noch überfordert.
Sie griff nach der Speisekarte. »Wisst ihr schon, was ihr wollt?«
»Ich nehme das Steak«, sagte Nate, der kein großes Aufheben um das Essen machen, sondern es schnellstmöglich hinter sich bringen wollte. Nicht dass er was gegen Blairs schwulen Vater gehabt hätte – im Gegenteil, er fand es sogar ziemlich faszinierend zu beobachten, wie offen er sein Schwulsein jetzt auslebte -, sondern weil er so bald wie möglich mit Blair nach Hause wollte. Blair und er würden nachher zum ersten Mal miteinander schlafen. Es wurde aber auch langsam mal Zeit.
»Ja, nehm ich auch.« Blair klappte die Karte zu, in die sie nur einen flüchtigen Blick geworfen hatte. »Steak.« Sie würde sowieso nicht viel essen. Nicht heute Abend. Nate hatte ihr geschworen, die Geschichte mit Serena van der Woodsen, Blairs Schul- und ehemals auch bester Freundin, sei definitiv vorbei. Von jetzt an würde seine ungeteilte Aufmerksamkeit Blair gehören. Ob sie Steak, Miesmuscheln oder Hirn zu Abend aß, war ihr egal – sie würde sich nachher von Nate entjungfern lassen. Endlich!
»Dann lasst uns einen flotten Dreier machen«, witzelte Mr Waldorf, wandte sich an den Ober und sagte in akzentfreiem Französisch: »Trois steak au poivre – und die Adresse Ihres Frisörs. Ihr Haarschnitt ist umwerfend.«
Blair lief knallrot an. Sie nahm ein Grissino aus dem Brotkörbchen auf dem Tisch und biss hinein. In den neun Monaten, die sie ihren Vater nicht gesehen hatte, hatte er sich vollkommen verändert. Er redete und bewegte sich jetzt ganz anders. Mr Waldorf war ein angesehener Anwalt gewesen und hatte auch genauso ausgesehen: konservativ, immer im gediegenen Dreiteiler. Absolut korrekt. Jetzt zupfte er sich die Augenbrauen und trug fliederfarbene Hemden mit farblich passenden Strümpfen. Total schwuchtelig. Richtig peinlich. Immerhin war dieser Mann ihr Vater.
Sein überraschendes Coming-out und die nachfolgende Scheidung ihrer Eltern waren letztes Jahr das New Yorker Stadtgespräch gewesen. Mittlerweile hatten sich die Wogen etwas geglättet und Mr Waldorf konnte sein hübsches Gesicht wieder in der Öffentlichkeit zeigen. Was allerdings nicht bedeutete, dass die übrigen Gäste im »Le Giraffe« keine Notiz von ihm nahmen. Das taten sie durchaus.
»Sind dir seine Strümpfe aufgefallen?«, raunte eine welke Millionenerbin ihrem angeödeten Ehemann zu. »Argyle-Karo in Grau und Rosa.«
»Guck dir nur diese affige Gelfrisur an. Für wen hält er sich – Brad Pitt?«, fragte ein erfolgreicher Strafverteidiger seine Gattin.
»Eins muss man ihm lassen, verglichen mit seiner Ex hat er den knackigeren Arsch«, bemerkte einer der Kellner zu einem Kollegen.
Alle amüsierten sich königlich – nur Blair nicht. Natürlich gönnte sie ihrem Vater sein Glück, und wenn es ihm Spaß machte, konnte er schwul sein, so lange er wollte. Aber musste man es ihm gleich derart ansehen?
Sie guckte zum Fenster hinaus. Es war ein frostiger Novemberabend. In der Dunkelheit funkelten die Straßenlaternen und Rauch quoll aus den Kaminen der eleganten Stadtvillen auf der 65. Straße.
Endlich wurde der Salat serviert.
»Und nächstes Jahr geht es nach Yale, was?« Mr Waldorf spießte ein Endivienblatt auf. »Du wolltest doch immer auf meiner alten Alma Mater studieren – ist das noch aktuell?«
Blair legte ihre Salatgabel auf den Teller, lehnte sich im Stuhl zurück und richtete die hübschen blauen Augen auf ihren Vater. »Na klar. Wo denn sonst?«, sagte sie, als wäre Yale die einzige Universität des Planeten.
Blair verstand nicht, wie man sich gleichzeitig an sechs oder sieben Unis bewerben konnte, zur Sicherheit vielleicht auch noch an irgendeiner staatlichen Klitsche, die sowieso jeden aufnahm. Sie war eine der besten Schülerinnen ihres Jahrgangs an der Constance-Billard-Schule für Mädchen, einer kleinen, sehr elitären Schule in bester Lage auf der 93. Straße, an der selbstverständlich Schuluniform getragen wurde. Alle Constance-Absolventinnen studierten an guten Universitäten. Aber »gut« war Blair nicht gut genug. Sie wollte von allem immer das Beste, da machte sie keine Kompromisse. Und Yale war ihrer Meinung nach nun mal die beste aller Universitäten.
Ihr Vater lachte. »Das hört sich so an, als müssten sich Harvard oder Cornell nachgerade dafür entschuldigen, dass es sie überhaupt gibt.«
Blair betrachtete gleichgültig ihre makellos lackierten Fingernägel. »Ich will eben nach Yale, na und?«
Mr Waldorf wandte sich an Nate, der gerade überlegte, sich etwas anderes zu trinken zu bestellen. Er hasste Champagner. Am liebsten wäre ihm ein Bier gewesen, aber nicht in einem Gourmettempel wie dem »Le Giraffe«. Die veranstalteten immer einen Riesenzirkus, brachten ein vereistes Glas an und gossen das Heineken ein, als wäre es was ganz Exklusives und nicht dieselbe Plörre, die man bei jedem Basketballspiel bekam.
»Wie steht’s mir dir, Nate?«, fragte Mr Waldorf. »Wo bewirbst du dich?«
Blair machte die Aussicht, in Kürze ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, schon nervös genug. Dass ihr Vater jetzt auch noch das Stressthema Uni anschnitt, verstärkte das flaue Gefühl in ihrer Magengrube. Sie schob den Stuhl zurück und stand auf, um zur Toilette zu gehen. Sie wusste, dass es abstoßend war und dass sie damit aufhören sollte, aber sie tat es trotzdem: Jedes Mal wenn sie aufgeregt war, steckte sie sich den Finger in den Hals. Es war ihre einzige schlechte Angewohnheit.
Wobei … da gab es noch etwas. Aber dazu später mehr.
»Nate kommt mit mir nach Yale«, informierte sie ihren Vater, drehte sich um und durchquerte das Restaurant mit selbstsicherem Schritt.
Nate sah ihr hinterher. In ihrem schwarzen, rückenfreien Seidentop, den hautengen, auf Hüfte sitzenden Lederhosen und mit den glatten dunkelbraunen Haaren, die zwischen ihren nackten Schulterblättern herabhingen, sah sie extrem scharf aus. Sie sah aus wie ein Mädchen, das es schon getan hatte. Oft.
Das sind die Lederhosen. Die haben diese Wirkung.
»Also auch Yale, ja?«, sagte Mr Waldorf, als Blair verschwunden war.
Nate stierte nachdenklich in sein Champagnerglas. Er hatte wirklich sehr, sehr große Lust auf ein Bier. Und er hielt es für sehr, sehr unwahrscheinlich, jemals in Yale angenommen zu werden. Man kann sich vor einer Klausur nicht die Nacht um die Ohren schlagen und die Birne zuquarzen und dann erwarten, in Yale angenommen zu werden – das ist einfach nicht drin. Und genau das hatte er in letzter Zeit getan. Und zwar dauernd.
»Na ja, ich würde schon gern«, sagte er. »Aber ich glaub, da macht sich Blair zu große Hoffnungen. Meine Noten sind einfach nicht gut genug.«
Mr Waldorf zwinkerte ihm zu. »Jetzt mal unter uns. Ich finde, Blair ist ein bisschen streng mit den anderen Unis. Wer sagt denn, dass es Yale sein muss? Es gibt genug andere gute Universitäten.«
Nate nickte. »Ja. Die Brown University scheint ganz cool zu sein. Ich hab dort nächsten Samstag einen Termin zum Auswahlgespräch«, erzählte er. »Aber leicht wird das mit der Brown auch nicht. In der letzten Matheklausur hab ich mit Hängen und Würgen noch die Drei geschafft, dabei ist es nur ein normaler Grundkurs«, gab er zu. »Blair nimmt die Brown sowieso nicht ernst. Weil die Anforderungen dort nicht so hoch sind oder was weiß ich.«
»Blair stellt unmögliche Ansprüche.« Mr Waldorf trank mit abgespreiztem kleinen Finger einen Schluck Champagner. »Da kommt sie ganz auf ihren Vater.«
Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete Nate die anderen Gäste. Ob sie ihn wohl für Mr Waldorfs Liebhaber hielten? Um etwaige Spekulationen im Keim zu ersticken, schob er die Ärmel seines grünen Kaschmirpullis hoch und räusperte sich betont maskulin. Den Pullover hatte Blair ihm geschenkt, und in letzter Zeit zog er ihn besonders häufig an, um ihr zu demonstrieren, dass er nicht plante, mit ihr Schluss zu machen oder sie zu betrügen oder wovor auch immer sie Angst hatte. »Ach, ich weiß auch nicht.« Er nahm sich ein Brötchen aus dem Brotkorb und riss es in zwei Hälften. »Am liebsten würde ich mir ja ein Jahr Auszeit nehmen und mit meinem Dad ein bisschen um die Welt segeln.«
Nate sah nicht ein, mit siebzehn schon sein gesamtes Leben vorauszuplanen. Konnte man sich nicht ein oder zwei Jahre frei nehmen, in der Karibik rumschippern oder in Chile Ski fahren und danach studieren? Das war immer noch früh genug. Aber seine Klassenkameraden an der St.-Jude-Schule waren alle fest entschlossen, nach der Schule ruck, zuck auf die Uni zu gehen und dann so schnell wie möglich ihren Abschluss zu machen. Nate verstand nicht, wie sie sich lebenslänglich zu etwas verpflichten konnten, ohne vorher je überlegt zu haben, was ihnen wirklich Spaß machte. Er zum Beispiel liebte die eiskalten Atlantikwellen, die sich schäumend am Bug seines Segelbootes brachen. Die Sonne, die ihm beim Segelsetzen auf den Rücken brannte. Und das grüne Aufblitzen des Sonnenballs, kurz bevor er im Meer versank. Das Leben hielt garantiert noch viele solcher Augenblicke bereit. Die wollte er erleben. Und zwar alle.
Vorausgesetzt es wurde nicht zu anstrengend. Sich anzustrengen, war nämlich nicht so sehr sein Ding.
»Das mit der Auszeit wird Blair aber gar nicht gerne hören.« Mr Waldorf grinste. »Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass ihr beide in Yale studiert, danach heiratet und glücklich und zufrieden bis an euer Ende zusammenlebt.«
Nate sah zu, wie Blair erhobenen Hauptes wieder zum Tisch zurückkehrte. Auch die anderen Gäste beobachteten sie. Nicht dass sie besser angezogen, schlanker oder größer als andere Mädchen hier gewesen wäre, aber sie strahlte heute dieses ganz besondere gewisse Etwas aus. Und sie wusste es.
Ihre Steaks wurden serviert. Blair zerschnitt ihres in große Stücke, die sie mit viel Champagner und bergeweise gebuttertem Kartoffelpüree hinunterspülte. Sie betrachtete Nates Schläfen, die sehr erotisch pulsierten, wenn er kaute, und konnte es kaum erwarten, aufzustehen und zu gehen. Sie brannte darauf, endlich mit dem Jungen zu schlafen, mit dem sie den Rest ihres Leben zu verbringen gedachte. Wenn es überhaupt so etwas wie den richtigen Moment gab, dann war er jetzt gekommen.
Nate staunte über die Gier, mit der sich Blair über ihr Steak hermachte. Sie säbelte riesige Brocken ab und kaute hingebungsvoll mit mahlenden Kiefern. Ob sie im Bett nachher wohl auch so ranging? Okay, sie hatten schon oft heftig rumgemacht, aber da war immer er der Aktive gewesen. Blair hatte meistens eher reglos dagelegen und zart geseufzt, wie es Mädchen in Film-Liebesszenen tun, während er herumturnte und sich an ihr zu schaffen machte. Heute wirkte sie ungeduldig, wie ausgehungert.
Klar war sie ausgehungert. Sie war doch gerade erst abkotzen gewesen.
»So was Gutes kriegst du in Yale natürlich nicht zu essen, Bärchen«, sagte Mr Waldorf. »Da hockst du dann wie die anderen in deinem Zimmer im Studentenwohnheim und ernährst dich von Pizza und Dosenravioli.«
Blair rümpfte die Nase. Sie hatte noch nie im Leben Ravioli aus der Dose gegessen. »Quatsch«, sagte sie. »Nate und ich ziehen doch nicht ins Studentenwohnheim. Wir suchen uns eine Wohnung.« Sie streckte das rechte Bein vor und rieb mit der Stiefelspitze über Nates Fußgelenk. »Und ich lerne kochen.«
Mr Waldorf sah Nate mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Na, dann bon appetit.«
Nate leckte grinsend den Kartoffelbrei von seiner Gabel. Er hatte nicht vor, Blair zu sagen, dass ihr kleiner Traum von einer gemeinsamen Wohnung in New Haven noch absurder war als die Vorstellung, Dosenfutter zu essen. Er wollte keinen Ärger.
Blair verzog den Mund. »Haha, Daddy.«
Die Teller wurden abgeräumt. Blair drehte ungeduldig an dem schmalen Rubinring an ihrem Mittelfinger und schüttelte den Kopf, als der Kellner Kaffee oder Dessert anbot. Dann stand sie abrupt auf und stürzte zur Toilette – zweimal hintereinander, das war sogar für ihre Verhältnisse extrem, aber sie war eben auch sehr aufgeregt.
Glücklicherweise ist die Toilette im »Le Giraffe« mit sehr diskreten Kabinen ausgestattet.
Als Blair wieder auftauchte, kam das gesamte Personal des Restaurants im Gänsemarsch aus der Küche. Der Restaurantchef, der den Trupp anführte, trug eine mit brennenden Kerzen dekorierte Torte. Es waren insgesamt achtzehn. Siebzehn für jedes Lebensjahr und eine Glückskerze.
O Gott, nein!
Blair marschierte auf ihren Stilettoabsätzen zum Tisch zurück, ließ sich auf den Stuhl fallen und funkelte ihren Vater wütend an. Wieso musste er so eine Scheißshow abziehen? Verdammt, sie hatte doch erst in drei Wochen Geburtstag. Sie griff nach ihrem Champagnerglas und stürzte es in einem Zug herunter.
Die Kellner und Köche umringten den Tisch. Und dann begannen sie auch noch zu singen.
»Happy birthday to you …«
Blair umklammerte Nates Hand. »Tu was. Die sollen aufhören«, flehte sie.
Doch Nate grinste bloß ungerührt. Insgeheim genoss er es immer, wenn Blair verlegen war. Was nicht oft vorkam.
Ihr Vater zeigte mehr Herz. Als er Blairs unglückliches Gesicht sah, beeilte er sich mit dem Lied und beendete es mit einem unsäglichen »… you smell like a monkey and you look like one, too!«.
Das Restaurantpersonal applaudierte höflich und kehrte wieder an die Arbeit zurück.
»Etwas verfrüht, ich weiß«, entschuldigte sich Mr Waldorf. »Aber ich fliege doch morgen wieder zurück und der siebzehnte Geburtstag ist so ein besonderer Tag. Ich dachte, du freust dich.«
Äh, hallo? Niemand freut sich darüber, öffentlich angesungen zu werden. Niemand.
Blair pustete wortlos die Kerzen aus und begutachtete die Torte. Sie war aufwändig dekoriert. Hochhackige Pumps aus Marzipan standen auf einer aus Zucker gesponnenen Fifth Avenue vor einer Zuckergussminiatur von Henri Bendel – ihrem absoluten Lieblingsladen. Ziemlich genial.
»Für meine kleine Schuhfetischistin!« Ihr Vater überreichte ihr eine als Geschenk verpackte Schachtel, die er unter dem Tisch versteckt gehabt hatte.
Als Blair das Paket schüttelte, erkannte ihr Expertinnenohr sofort das hohle Poltern, das ein neues Paar Schuhe erzeugt, wenn es im Karton herumrutscht. Sie riss das Geschenkpapier auf. MANOLO BLAHNIK prangte in fetten Lettern auf dem Deckel des Kartons. Mit angehaltenem Atem nahm Blair ihn ab und blickte auf ein Paar exzellent verarbeiteter Pantoletten mit allerliebsten halbhohen Pfennigabsätzen.
Très fabulös.
»Direkt aus Paris«, sagte Mr Waldorf. »Ein limitiertes Modell. Du bist mit Sicherheit die Einzige in New York, die damit herumläuft.«
»Gott, sind die irre!«, stöhnte Blair.
Sie stand auf und ging um den Tisch herum, um ihren Vater zu umarmen. Für dieses Paar Schuhe war sie gern bereit, ihm die öffentliche Demütigung zu verzeihen. Die Schuhe waren nicht nur unglaublich geil, sondern auch das Einzige, was sie am Körper tragen würde, wenn sie gleich mit Nate schlief. Diese Schuhe und sonst nichts.
Danke, Daddy!
die treppen zum glück?
»Komm, wir setzen uns nach hinten«, schlug Serena van der Woodsen vor, als sie mit Daniel Humphrey das »Serendipity 3« auf der 60. Straße betrat. Die kleine, altmodische Eisdiele aus den Fünfzigerjahren platzte aus allen Nähten. Überall saßen dicht gedrängt Väter und Mütter, die ihre Sprösslinge am freien Abend des Kindermädchens zum Eisessen ausführten. Spitze Schreie überzuckerter Kinder gellten durch den Raum, während abgehetzte Bedienungen zwischen den Tischen hin und her hasteten und gigantische Eisbecher, extralange Hotdogs und die »frozen hot chocolates« anschleppten, für die das Serendipity so berühmt war.
Dan wäre mit Serena eigentlich lieber woanders hingegangen. In ein romantisches, ruhiges Café mit gedämpfter Beleuchtung. Wo sie sich an den Händen halten, leise reden und sich näherkommen konnten, ohne dabei von entnervten Eltern gestört zu werden, die ihre in Brooks-Brothers-Anzügen trügerisch engelhaft aussehenden kleinen Söhne zusammenbrüllten. Es war Serenas Vorschlag gewesen, hierherzukommen.
Vielleicht wollte sie ja wirklich unbedingt Eis essen, vielleicht waren ihre Erwartungen an den Abend aber auch nicht ganz so romantisch und hochgesteckt wie seine.
»Ist doch genial hier, oder?«, sagte sie begeistert. »Ich war mit meinem Bruder Erik als Kind fast jede Woche hier und hab immer Pfefferminzeis gegessen.« Sie nahm die Karte in die Hand. »Alles noch genau wie früher. Toll.«
Dan schüttelte sich lächelnd die braunen Haarsträhnen aus den Augen. Im Grunde war es ihm total egal, wo er sich befand, solange er nur mit ihr zusammen war.
Serena stammte von der Upper East Side. Dan von der Upper West Side. Sein Vater, ein selbst ernannter Intellektueller, war Verleger nicht wirklich bekannter Beat-Poeten. Dan hatte noch eine jüngere Schwester namens Jenny, die wie Serena auf die Constance-Billard-Schule ging, allerdings erst in die neunte Klasse. Die drei wohnten in einer heruntergekommenen, seit 1940 nicht mehr sanierten Wohnung auf der Upper West Side. Für Ordnung sorgte dort höchstens der beleibte Familienkater Marx, eine Fachkraft im Erlegen und Verzehren von Küchenschaben. Serena, deren gut situierte Eltern im Vorstand so ungefähr jeder bedeutenden Institution New Yorks saßen, residierte in einem weitläufigen, von einer namhaften Innenarchitektin ausgestatteten Penthouse mit Blick auf das Metropolitan Museum of Art und den Central Park. Die van der Woodsens hatten eine Haushälterin und eine Köchin, die Serena jederzeit bitten konnte, ihr einen Kuchen zu backen oder einen Cappuccino zu machen.
Äh, und was will so eine von Dan?
Sie hatten sich vor einigen Wochen bei einem Casting für einen Kurzfilm kennen gelernt, den eine Freundin von Dan gedreht hatte, die auch auf die Constance Billard ging – Vanessa Abrams. Vanessa hatte Serena die Rolle aber nicht gegeben, weshalb Dan davon ausgegangen war, sie nie mehr wiederzusehen. Doch dann waren sie sich durch Zufall in einer Kneipe in Brooklyn über den Weg gelaufen. Seitdem hatten sie sich ein paarmal gesehen und miteinander telefoniert, sich aber heute zum ersten Mal richtig verabredet.
Serena war erst vor Kurzem nach New York zurückgekehrt, nachdem sie vom Internat geflogen war. Anfangs hatte sie sich noch darüber gefreut, wieder zu Hause zu sein, bis sich dann herausstellte, dass ihre Freundin Blair Waldorf und die anderen aus ihrer alten Clique aus unerfindlichen Gründen nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten. Serena wusste nach wie vor nicht so genau, was sie Schlimmes verbrochen haben könnte. Okay, während der Zeit auf dem Internat hatte sie sich eher selten bei ihren alten Freunden gemeldet, und vielleicht hatte sie ja auch ein bisschen zu penetrant raushängen lassen, wie toll ihre Sommerferien in Europa gewesen waren. So toll, dass sie sie sogar eigenmächtig verlängert hatte und am ersten Schultag nach den Ferien nicht zum Unterricht an der Hanover Academy in New Hampshire angetreten war. Das Internat hatte daraufhin erklärt, sie bräuchte gar nicht mehr wiederzukommen.
Ihre alte New Yorker Schule, die Constance-Billard-Schule für Mädchen, war da gnädiger gewesen. Wohlgemerkt: die Schule, nicht die Schülerinnen. Serena hatte in New York keine Freunde mehr – gar keine. Deshalb war sie auch so froh gewesen, als sie Dan kennen lernte. Der interessanterweise auch noch so ganz anders war als sie.
Dan hatte jedes Mal das Bedürfnis, sich zu kneifen, wenn er in Serenas meerblaue Augen schaute. Er liebte sie seit der neunten Klasse, als er sie auf einer Party zum allerersten Mal gesehen hatte, und hoffte, sie würde sich jetzt, zweieinhalb Jahre später, auch in ihn verlieben.
»Ich hab eine Idee. Wir bestellen uns die größten Eisbecher, die sie haben«, schlug Serena vor. »Und nach der Hälfte tauschen wir, damit es nicht langweilig wird.«
Serena nahm den Triple-Peppermint-Becher mit extraviel heißer Karamellsoße, Dan einen Mokka-Banana-Split. Er aß alles, wenn es Koffein enthielt. Oder Tabak.
»Was liest du da?« Serena zeigte auf das Taschenbuch, das aus Dans Manteltasche ragte. »Ist das gut?«
Es war Jean-Paul Sartres »Geschlossene Gesellschaft«, ein existenzialistisches Theaterstück über drei Tote, die sich gegenseitig die Hölle heißmachen, obwohl sie schon in der Hölle schmoren.
»Ja. Ziemlich witzig und gleichzeitig ziemlich deprimierend«, sagte Dan. »Und ziemlich wahr, würde ich mal sagen.«
»Worum geht’s denn?«
»Um die Hölle.«
Serena lachte. »Krass«, sagte sie. »Liest du immer solche Bücher?«
Dan fischte einen Eiswürfel aus seinem Wasserglas und steckte ihn sich in den Mund. »Was für welche?«
»Na, über die Hölle und so.«
»Nö, nicht immer.« Er hatte gerade »Die Leiden des jungen Werther« fertig gelesen. Und da ging es um Liebe. Und die Hölle.
Dan war jemand, der gern am Leben litt. Er las am liebsten Romane, Theaterstücke oder Gedichte, in denen die tragische Absurdität des menschlichen Daseins entlarvt wurde. Die idealen Begleiter zu Kaffee und Zigaretten.
»Ich hab mit dem Lesen ja Probleme«, gestand Serena.
Ihre Eisbecher kamen. Sie konnten einander hinter den Eisgebirgen kaum noch sehen. Serena versenkte ihren Löffel in den Berg und förderte einen gigantischen Brocken zutage. Dan bestaunte hingerissen den anmutigen Bogen ihres Handgelenks und ihren sehnigen Arm mit den goldglänzenden hellblonden Härchen. Serena machte sich heißhungrig über die riesige Portion her, für Dan sah sie dabei aus wie eine Göttin.
»Lesen kann ich natürlich«, nahm Serena den Faden wieder auf. »Aber irgendwie schaffe ich es nicht, mich lange zu konzentrieren. Meine Gedanken schweifen ab und ich denke an alles Mögliche. Ob ich nachher noch weggehen soll, oder was ich noch kaufen muss, oder mir fällt plötzlich was Lustiges ein, was letztes Jahr passiert ist.« Sie schluckte ihr Eis und sah in Dans verständnisvolle braune Augen. »Ich glaub, ich hab eine sehr begrenzte Aufnahmekapazität«, sagte sie betrübt.
Und das war es, was Dan an Serena am meisten liebte. Sie besaß die Gabe, gleichzeitig glücklich und traurig zu sein. Sie kam ihm vor wie ein Engel, der über die Welt fliegt und vor Freude darüber, fliegen zu können, jubiliert und doch weint, weil er so allein ist. Serena verwandelte das Banale in das Besondere.
Dan schwieg. Er hackte mit zitternder Hand ein Stück von seiner mit Schokolade glasierten Banane ab und schob es sich in den Mund. Er hätte Serena gern angeboten, für sie zu lesen. Er würde alles für sie tun. Schmelzendes Mokkaeis tröpfelte über den Rand der Schale. Dan musste aufpassen, dass ihm das Herz nicht aus der Brust sprang.
»Wir hatten letztes Jahr einen genialen Englischlehrer«, erzählte er, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. »Von dem hab ich gelernt, dass man einen Text am besten behält, wenn man immer nur ganz kurze Abschnitte liest. Man muss die Wörter auskosten.«
Serena fand es toll, wie Dan sich ausdrücken konnte. Er benutzte Formulierungen, die sie sich am liebsten für immer gemerkt hätte. Sie lächelte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Die Wörter auskosten«, wiederholte sie, und ihr Lächeln vertiefte sich.
Dan schluckte ein Stück Banane unzerkaut herunter und griff nach seinem Wasserglas. Gott, war sie schön.
»Du bist wahrscheinlich Klassenbester und hast schon eine feste Zusage für einen Studienplatz in Harvard, was?«, sagte Serena. Sie fischte mit den Fingern ein abgebrochenes Stück Zuckerstange mit Pfefferminzgeschmack aus ihrem Eisbecher und lutschte daran.
»Überhaupt nicht«, wehrte Dan ab. »Ich hab noch keine Ahnung, wo ich studieren soll. Ich interessiere mich vor allem für literarisches Schreiben und die Kurse sind nicht überall gleich gut. Der Studienberater an unserer Schule hat mir zwar eine riesenlange Liste mit Unis ausgedruckt, und ich hab tonnenweise Infomaterial, aber ich bin noch keinen Schritt weiter.«
»Geht mir genauso. Ich wollte demnächst mal übers Wochenende zur Brown University fahren, um sie mir anzuschauen«, erzählte Serena. »Mein Bruder studiert da auch. Hast du Lust mitzukommen?«
Dan forschte in den unergründlichen Brunnen ihrer Augen nach einem Hinweis darauf, dass sie genauso für ihn empfand wie er für sie. Hieß Hast du Lust mitzukommen? »Lass uns ein gemeinsames Wochenende verbringen, uns an den Händen halten, einander tief in die Augen sehen und stundenlang küssen«, oder hieß es »Komm doch mit, zu zweit ist es praktischer und macht auch mehr Spaß«? Egal. Er hätte sowieso niemals Nein gesagt. Ob Brown University oder Landei-College in Idiotentown – Serena hatte gefragt, ob er mitkommen wolle, und die Antwort lautete: Ja. Ja! Ja! Er würde überall mit ihr hingehen.
»Brown«, murmelte Dan dennoch, als müsse er darüber nachdenken. »Ich glaub, die haben da ganz ordentliche literaturpraktische Seminare.«
Serena nickte und kämmte sich mit den Fingern durch die langen blonden Haare. »Dann kommst du also mit?«
Klar kam er mit. Überhaupt gar keine Frage. Dan zuckte mit den Achseln. »Ich red mal mit meinem Vater darüber«, sagte er bemüht lässig. Innerlich schlug er Purzelbäume, aber er wagte es nicht, seine Begeisterung offen zu zeigen. Aus Angst, Serena zu vergraulen.
»Also dann. Wollen wir tauschen?« Serena schob ihm ihren Becher hin.
Sie beugten sich über das Eis und probierten, aber beide verzogen sofort das Gesicht und streckten angewidert die Zunge heraus. Pfefferminz und Mokka – das war eine Horrormischung.
Oje, hoffentlich nicht auch ein schlechtes Omen.
Serena nahm sich wieder ihren eigenen Becher vor, doch Dan ließ den Löffel bald fallen.
»Boah!«, stöhnte er, lehnte sich zurück und hielt sich den Bauch. »Du hast gewonnen.«
Obwohl Serenas Becher noch halb voll war, gab sie sich auch geschlagen und machte den obersten Knopf ihrer Jeans auf. »Gleichstand.« Sie kicherte.
»Wie wär’s mit einem Spaziergang?«, schlug Dan mutig vor und drückte so fest die zitternden Daumen, dass sie sich in seiner Faust blau verfärbten.
»Superidee«, sagte Serena.
 
Für einen Freitagabend war auf der 60. Straße erstaunlich wenig los. Die beiden schlenderten auf den Central Park zu. An der Ecke der Madison Avenue blieben sie einen Moment vor Barneys stehen und guckten ins Schaufenster. In der Parfümerie im Erdgeschoss huschten noch ein paar Angestellte umher und stellten alles für das hektische Samstagsgeschäft bereit.
»Ohne Barneys wäre ich echt verloren«, seufzte Serena, als wäre der Laden ihr permanenter Lebensretter.
Dan war bloß ein einziges Mal in dem berühmten Kaufhaus gewesen. In einem Anfall überbordenden Wunschdenkens hatte er sich mit der Kreditkarte seines Vaters einen schweineteuren Armani-Smoking gekauft und sich vorgestellt, darin auf einer schicken Bonzenparty mit Serena zu tanzen. Doch der Anfall war vorübergegangen und dafür sein Realitätssinn zurückgekehrt. Er hasste Bonzenpartys und hätte es bis vor Kurzem für unvorstellbar gehalten, dass Serena jemals mehr als zwei Worte mit ihm wechseln geschweige denn mit ihm tanzen würde. Deshalb hatte er den Smoking damals wieder zurückgebracht.
Die Erinnerung daran ließ ihn lächeln. Serena hatte weit mehr als zwei Worte mit ihm gewechselt, sie hatte ihm angeboten, übers Wochenende mit ihr wegzufahren. Sie waren im Begriff, sich ineinander zu verlieben. Vielleicht würden sie sogar an derselben Uni studieren und den Rest ihres Lebens miteinander verbringen.
Hey, Dan. Bleib auf dem Teppich. Dein Wunschdenken geht wieder mit dir durch.
Auf Höhe der Ecke Central Park bogen sie in der Fifth Avenue rechts ab und schlenderten Richtung Uptown. Sie gingen am Pierre Hotel vorbei, wo in der zehnten Klasse mal ein Tanzschulenball stattgefunden hatte, auf dem sie beide gewesen waren. Dan erinnerte sich deutlich daran, Serena beobachtet und sich sehnsüchtig gewünscht zu haben, sie zu kennen. Sie hatte in einem trägerlosen grünen Kleid, das ihr Haar noch mehr leuchten ließ, mit ihrer Clique an einem Tisch gesessen und viel gelacht. Schon damals war er in sie verliebt gewesen.
Sie kamen an der Praxis von Serenas Kieferorthopäden vorbei und an der prächtigen alten Villa, in der die Frick Collection untergebracht war. Dan wäre gern in das Museum eingebrochen, um sich mit Serena in eines der schönen antiken Betten zu legen und sie zu küssen. Er wollte dort mit ihr leben wie Flüchtlinge im Paradies.
Sie gingen auf der Fifth Avenue weiter. An der Ecke zur 72. Straße blieb Serena stehen und blickte zu dem Penthouse hoch, in dem Blair wohnte. Sie kannte Blair seit der ersten Klasse und war hunderte von Malen bei den Waldorfs zu Hause gewesen, doch jetzt war sie dort nicht mehr erwünscht.
Wenn Serena ganz ehrlich mit sich war, wusste sie, dass sie daran nicht ganz unschuldig war. Sie wusste genau, warum Blair sauer auf sie war. Es lag nicht bloß daran, dass sie sich so selten bei ihren New Yorker Freunden gemeldet oder sich in Europa vergnügt hatte, während sich Blairs Eltern scheiden ließen. Nein, den entscheidenden Dolchstoß hatte Serena ihrer Freundschaft versetzt, als sie im Sommer vor ihrem Wechsel ins Internat mit Nate geschlafen hatte.
Das war jetzt beinahe zwei Jahre her, und Serena kam es vor, als wäre es einem anderen Mädchen in einem anderen Leben passiert. Serena, Blair und Nate waren immer ein verschworenes Trio gewesen. Sie hatte gehofft, Blair würde verstehen, dass so ein spontaner One-Night-Stand unter guten Freunden schon mal vorkommen konnte, und ihr verzeihen. Außerdem war Blair jetzt fest mit Nate zusammen. Aber sie hatte erst kürzlich davon erfahren und war weit davon entfernt, Serena zu verzeihen.
Im Weitergehen kramte Serena in ihrer Handtasche nach ihren Zigaretten und steckte sich eine in den Mund. Sie blieb stehen, zückte ihr Feuerzeug und zündete sie an. Dan wartete, während sie den ersten Zug machte und eine graue Qualmwolke in die kühle Novemberluft hauchte. Sie schlug ihren abgetragenen, braunkarierten Burberry-Mantel vor der Brust zusammen.
»Ich weiß was. Wir setzen uns auf die Treppe vom Met«, sagte sie. »Komm!« Sie griff nach Dans Hand und die beiden legten die zehn Straßenblöcke bis zum Metropolitan Museum of Art im Laufschritt zurück. Serena zog Dan bis zur Mitte der Treppe hinauf und setzte sich auf eine Stufe. Sie wohnte in dem Gebäude direkt gegenüber. Ihre Eltern waren wahrscheinlich wie üblich auf einer Benefizveranstaltung oder Ausstellungseröffnung, jedenfalls lagen die Fenster der Penthousewohnung dunkel und verlassen da.
Als Serena seine Hand losließ, fragte sich Dan, ob er irgendwas falsch gemacht hatte. Er verstand sie nicht und das machte ihn wahnsinnig.