H. C. Hollister 20 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 20 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Lee Hunter, der nach langen Kriegsjahren an den Brazos River zurückkehrt, kommt in ein Land ohne Hoffnung und Zukunft. Es gibt hier nur einen Reichtum: Tausende Rinder auf offener Weide, die sich in blanke Dollars ummünzen lassen. Das Zählgesetz hat die Möglichkeit geschaffen, ohne große Umstände eine Treibherde auf den Trail nach Norden zu bringen, aber es gibt nur einen Mann, der über die Mittel verfügt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen: Morton Hayes.
Dank seiner kalten Berechnung und Skrupellosigkeit gelingt es Hayes, Lee für seine finsteren Pläne einzuspannen. Als Lee seinen großen Irrtum erkennt, ist es schon zu spät. Er ist ein Gehetzter und vom Gesetz Verfolgter. Doch Lee Hunter ist ein Kämpfer, der niemals aufgibt, selbst wenn der Kampf nur zu einem bitteren Ende führen kann ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Gesetz der Hölle

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne/Becker Illustrators

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7517-0558-5

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

»Es gibt heute eigentlich zu viele Autoren, die angeblich so schreiben, wie der Wilde Westen wirklich war. Wenn man dann näher hinschaut, entdeckt man doch nur zu oft ein verfälschtes Bild, Klischee und Schablone. In jedem meiner Romane versuche ich bis auf den Grund einer historisch echten Darstellung vorzudringen. Der grandiose Stoff zwingt mich einfach dazu.«

H.C. Hollister, Mitte der 1960-er Jahre

Gesetz der Hölle

Lee Hunter, der nach langen Kriegsjahren an den Brazos River zurückkehrt, kommt in ein Land ohne Hoffnung und Zukunft. Es gibt hier nur einen Reichtum: Tausende Rinder auf offener Weide, die sich in blanke Dollars ummünzen lassen. Das Zählgesetz hat die Möglichkeit geschaffen, ohne große Umstände eine Treibherde auf den Trail nach Norden zu bringen, aber es gibt nur einen Mann, der über die Mittel verfügt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen: Morton Hayes.

Dank seiner kalten Berechnung und Skrupellosigkeit gelingt es Hayes, Lee für seine finsteren Pläne einzuspannen. Als Lee seinen großen Irrtum erkennt, ist es schon zu spät. Er ist ein Gehetzter und vom Gesetz Verfolgter. Doch Lee Hunter ist ein Kämpfer, der niemals aufgibt, selbst wenn der Kampf nur zu einem bitteren Ende führen kann …

Es ist am 28. August des Jahres 1869, als ein hagerer, sonnenverbrannter Reiter nach Hills Boro hineintrabt. Er hat seinen verbeulten grauen Armeehut weit in die Stirn gedrückt. Der schweißdurchtränkte Rand schließt fast mit den Augenbrauen ab, während am Hinterkopf seine borstigen Blondhaare zu Berge stehen.

Plötzlich schwenkt der rostbraue Wallach des Mannes ein und bleibt vor einem ausgehölten Baumstamm stehen, der als Tränktrog dient.

»Du hast es ziemlich genau getroffen, Alter«, tätschelt er dem narbigen Wallach den Hals, als er nur wenige Schritte entfernt die Tür eines Saloons erkennt.

»Du hast nämlich nicht allein Durst. – Komme nicht auf die Idee, einen Spaziergang zu unternehmen. Hier bleibst du stehen, verstanden?«

Als der Mann in die dämmernde Kühle des Schankraums tritt, streifen seine Blicke zwei Soldaten an der Bar, die sich gelangweilt mit Würfeln beschäftigen, und den stiernackigen Burschen hinter der Theke, der gerade ein paar Gläser abtrocknet.

»Heilige Klapperschlange – sehe ich recht?«, heult der Barkeeper. »Ich will zur Strafe meinen ganzen Whiskyvorrat allein saufen, wenn das nicht Sergeant Lee Hunter ist. Komm her, Kamerad, und nimm dir einen Schluck auf Kosten des Hauses!«

Lee Hunter scheint von diesem lärmenden Empfang nicht besonders begeistert zu sein. Er legt die Unterarme gekreuzt auf die Thekenkante und nickt dem Barkeeper kühl zu.

»Später vielleicht, Luke. Ich bin halb verdurstet. Gib mir ein Bier.«

Verdutzt entnimmt der bullige Barkeeper einer Kiste eine Bierflasche und schenkt ein Glas ein.

Lee nimmt ein paar durstige Züge. Dann wischt er sich geruhsam mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.

»Haben sie dich jetzt erst rausgelassen?«, fragt der Barkeeper.

»Ich bin schon drei Monate unterwegs«, entgegnet Lee. »Ich habe erst einige Wochen gearbeitet, damit ich Geld hatte, um meinen Rusty aus der Kriegsbeute der Nordstaaten freizukaufen. Und ich musste immer wieder arbeiten, um ein paar Yankee-Dollar zu verdienen. Es ist ein verteufelt weiter Weg von Pennsylvanien bis zum Brazos River in Texas.«

Luke pfeift anerkennend durch die Zähne.

»Donnerwetter! Dann hast du einen höllischen Trail hinter dir, Mister.«

»So, wenn du mir jetzt einen Schluck Feuerwasser spendieren willst, habe ich nichts dagegen einzuwenden.«

»Sicher, Lee, sicher«, murmelt Luke eilfertig. »Für dich habe ich ein ganz besonderes Wässerchen. Schließlich muss die Heimat ihre Helden gebührend empfangen.«

Er hebt eine Bodenklappe hinter der Bar und steigt in den Keller hinab. Lee atmet erleichtert auf, als er die eintretende Stille genießt. Dann rollt er sich eine Zigarette und lockert seinen Gurt.

Da der Barmann noch ausbleibt, wendet er sich leicht zur Seite, um die beiden Soldaten näher in Augenschein zu nehmen. Obgleich sämtliche Tische leer sind, haben sich die beiden ausgerechnet an den Tisch gesetzt, auf den er seinen Hut gelegt hatte. Und der Hut? Nun, der liegt zerknüllt auf dem Boden vor der Pendeltür, so dass jeder darauf treten muss, der den Saloon betritt.

Lee stößt sich mit den Schultern von der Bar ab und geht in drohender Langsamkeit auf den Tisch zu. Dicht neben seinem Hut bleibt er stehen. Er blickt die beiden Soldaten hart an und erkennt auf dem Ärmel des einen den Streifen eines Corporals.

»Der höchste Dienstgrad hat immer den Vortritt, mein Junge«, murmelt er sanft. »Deshalb wirst du mir jetzt verdammt rasch meinen Hut aufheben.«

Der Corporal zuckt zusammen und wechselt einen unsicheren Blick mit seinem Kameraden. In dieser Sekunde erkennt Lee Hunter, dass die jungen Burschen Angst vor ihrer eigenen Courage haben. Wahrscheinlich würden sie schon jetzt klein beigeben, wenn ihr Stolz sie nicht daran hinderte. Jeder Yankee fühlt sich neuerdings über einen »lausigen« Texaner erhaben, erst recht also ein Soldat der Besatzungstruppe.

Aber jetzt, da Lee diese Dinge in den Gesichtern der beiden erkannt hat, ist sein Zorn schon verraucht. Er lächelt amüsiert und überlegt einen Augenblick, wie er den beiden einen harmlosen Denkzettel verpassen kann. Da kommt ihm auch schon der passende Einfall.

In der stark übertriebenen Art eines Revolvermanns spreizt er seine linke Hand über dem Revolverkolben und verlagert sein Gewicht auf die Zehenspitzen.

»Ich zähle jetzt bis drei«, knurrt er. »Wenn dann nicht einer von euch meinen Hut aufgehoben hat, dann – na, ihr werdet es schon sehen, Jungs. Also, eins …«

Im Gesicht des Corporals beginnt es zu arbeiten. Lee glaubt förmlich zu sehen, wie sich die Haare des anderen sträuben.

»… zwei.« Die Hände des Corporals, die auf der Tischplatte liegen, beginnen zu zittern. Angstvoll stemmt er sich hoch, doch im gleichen Moment kommt schneidend Lees Stimme: »Drei!«

Seine linke Hand zuckt zum Schenkel hinab, ja, er scheint in seiner ganzen linken Körperhälfte einzuknicken.

Mit einem Laut des Entsetzens wirft sich der Soldat nach hinten, um in die Deckung des Tisches zu gelangen. Da ihm hierbei der Stuhl im Weg ist, stolpert er und kracht schwer zu Boden.

Lees Hand hat keineswegs beim Revolverkolben haltgemacht, sondern ist weiter am Bein hinabgefahren. Mit einer spielerisch leichten Bewegung fischt er sich seinen Hut und beult ihn grinsend wieder zurecht. Als sein Blick auf die beiden eingeschüchterten Figuren fällt, murmelt er sarkastisch:

»Yeah, das wollte ich sagen – wenn ihr den Hut bis drei nicht aufgehoben habt, dann hebe ich ihn eben selbst auf, Jungs.«

Er sagt es, macht auf dem Absatz kehrt und geht grinsend zur Bar zurück. Hinter ihm rappelt sich der Soldat vom Boden auf, während der Corporal einen vergeblichen Versuch unternimmt, sich von seinem Stuhl zu erheben. Der Schreck ist ihm zu sehr in die Knochen gefahren.

Luke, der wieder hinter dem Tresen erschienen ist, wischt sich aufatmend den Schweiß von der Stirn.

Immer noch grinsend kippt Lee Hunter den Whisky hinab. Vor Aufregung verleibt sich Luke bereits den dritten ein.

»Der Schrecken wird ihnen eine heilsame Lehre sein«, meint Lee fröhlich. »Es sind junge Grashüpfer, sonst hätte ich sie vielleicht zurechtgestutzt.«

Lukes Augen ruhen achtungsvoll auf seinem Gegenüber. Doch dann starrt er über Lees Schulter hinweg und knurrt: »Da, ich glaube, der Kummer ist noch nicht zu Ende.«

»Was ist los?«, fragt Lee, ohne sich umzuwenden.

»Einer von den Grünschnäbeln ist weggerannt«, flüstert Luke. »Es wäre besser, wenn du dich auf die Socken machen würdest, bevor er mit Verstärkung zurückkommt.«

Lees Haltung ist unverändert, als er sanft entgegnet:

»Ich habe keinen Grund, das Feld zu räumen. Die beiden haben schließlich mit meinem Deckel den Anfang gemacht.«

»Yeah, aber dafür hast du sie lächerlich gemacht, und das können sie nicht schlucken«, erwidert der Barmann warnend. »Verdammt, jetzt weiß ich endlich, weshalb immer von deinem Dickschädel die Rede war. Du bist wohl noch nie irgendwelchem Kummer aus dem Weg gegangen?«

»Selten«, grinst Lee. »Zumindest bin ich niemals davor weggelaufen. Dein Whisky ist wirklich ausgezeichnet, Mister. Gib mir noch einen, das fördert die Verdauung.«

Und dann bestätigen sich Lukes schlimmste Befürchtungen. Die Pendeltür wird heftig aufgestoßen, und ein bulliger Sergeant der Nordstaaten stürmt herein. In seinem Gefolge befinden sich ein weiter Corporal, dessen Muskeln die Nähte der Uniform zu sprengen drohen, und der fortgeschickte Milchbart.

Eine aufgebrachte Stimme schnauft:

»He, du, dreh dich gefälligst um, wenn ein Sergeant mit dir reden will!«

»So? Willst du das?«, spottet Lee und wendet nur leicht den Kopf über die Schulter. »Was würdest du sagen, wenn ich keine Lust hätte, mich mit einem zweibeinigen Büffel zu unterhalten?«

Das Gesicht des Sergeanten läuft vor Wut blaurot an. Ein zornig-erstaunter Grunzlaut dringt aus seiner Kehle, und er senkt den Schädel. Der Corporal, den Lee in Gedanken als Kleiderschrank eingestuft hat, schiebt sich neben seinen Vorgesetzten, während die beiden Grünschnäbel die beiderseitige Flankensicherung übernehmen.

Langsam dreht sich Lee vollends um, stützt die Ellbogen nach hinten auf die Thekenkante und sagt in gemütlichem Tonfall:

»Hallo, Jungs, da seid ihr ja wieder. Habt ihr euch erst Großpapa zu Hilfe geholt?«

Da ist es mit der Beherrschung des Sergeanten vorbei. Er geht förmlich in die Luft. Mit einem wilden Sprung saust er auf Lee zu, doch zwischen ihm und seinem Gegner befindet sich plötzlich dessen hochgespreiztes Bein. Lees Stiefelsohle liegt vor dem Bauch des Bullen. Zugleich mit dessen Ansturm zieht er das Bein an, jedoch nur so weit, dass sein Schwinger unschädlich vor seiner Nase vorbeisaust. Dann streckt er das Bein mit einem Ruck, und wie mit einem Katapult abgefeuert fliegt der Sergeant durch die Luft, schleift mit den Absätzen über die Dielen und prallt schließlich mit einer Wucht auf den Boden, dass sich ganze Staubwolken erheben.

Einen Moment lang stehen die drei anderen Soldaten starr. Was sich hier in Sekundenschnelle vor ihren Augen abgespielt hat, geht nicht in ihren Schädel. Aber dann springt der »Kleiderschrank« mit einem Wutgeheul vor. Seinem Beispiel folgend, stürzen sich auch die beiden Milchbärte auf den Texaner.

Lee behält seine Taktik vorerst bei. Da er sich mit dem Rücken gegen die Bar lehnen kann, arbeitet er weiterhin mit den Beinen.

Den Corporal erwischt er mit einem knallharten Tritt gegen das Schienbein, der diesen stolpern lässt. Noch bevor jener sein Gleichgewicht wiedergefunden hat, trifft Lees Faust seine Kinnlade und schickt ihn für einige Zeit auf die Bretter.

Dann sind die beiden anderen, durch ihre Übermacht plötzlich sehr mutig geworden, über ihm. Gedankenschnell weicht Lee zur Seite. Zwar muss er einen Schwinger des Soldaten einstecken, dafür erwischt er den zweiten Corporal im Genick und rammt ihn gegen die Thekenkante.

Damit sieht sich der letzte Grünschnabel mit einem Mal wieder allein dem Gegner gegenüber. Er sucht so rasch den Rückzug, dass Lees Schwinger ihn nicht mehr erreicht.

Doch dann kommt es viel dicker, als Lee Hunter es ahnen konnte. Zum zweiten Mal wird die Pendeltür aufgestoßen. Wieder ist es ein Sergeant, der hereingestürmt kommt. Er trägt eine dicke gelbe Dienstschnur an den Achseln, die ihn als Wachhabenden ausweist. Hinter ihm drängen sich vier Soldaten herein, die Gewehre in den Händen halten und sie drohend auf den Texaner richten.

»Festnehmen!«, sagt der Sergeant nur kurz und lakonisch. Nach einem Blick auf seine bleichen, blutverschmierten Kollegen fährt er beißend fort: »Also wieder einmal einer von diesen verdammten Texanern, die nicht kapieren wollen, dass sie den Krieg verloren haben. Tätlicher Angriff auf einen Angehörigen der Armee. Mindestens vier Wochen zur Abkühlung eines erhitzten Dickschädels, schätze ich.«

Angesichts der drohenden Gewehrläufe bleibt Lee keine andere Möglichkeit, als sich entwaffnen zu lassen. Die vier Soldaten der Wache nehmen ihn in die Mitte.

»Vorwärts, marsch!«, kommandiert der Sergeant, und Lee wird von den Soldaten unsanft vorwärtsgeschoben.

☆☆☆

Sie marschieren genau in der Straßenmitte. Grinsend geht der Sergeant hinter der Eskorte.

Lee wirft einen kurzen Blick zurück und sieht Rusty, den Wallach, im Schatten eines Vordachs stehen. Er stößt einen schrillen Pfiff aus, und das Pferd kommt folgsam mit hängenden Zügeln herangetrabt.

Schon haben sie die halbe Strecke bis zur Kommandantur zurückgelegt, als ein leichter, gut gefederter Wagen sie einholt. Neben dem Trupp lässt der Mann auf dem Bock die Pferde in Schritt fallen und starrt verwundert auf das Bild herab.

»Fahren sie weiter, Mis …« Der Sergeant bricht seine grimmigen Worte ab, als er den Mann erkennt, und legt salutierend die Hand an die Hutkrempe.

»Wieder einmal einer von den unverbesserlichen Burschen, Sir«, erklärt er dann mit einer Handbewegung zu Lee Hunter hinüber.

Der Mann auf dem Wagen scheint die Worte nicht gehört zu haben. Mit zusammengekniffenen Augen starrt er auf Lee, beginnt breit zu grinsen und ruft erstaunt:

»Ah, wenn das nicht Lee Hunter ist! Zum Teufel, wohin wollen Sie mit ihm, Sergeant? Was soll dieser Aufzug?«

Lees Augen ruhen auf dem Neuankömmling. Er sieht einen dunkelhaarigen, etwa dreißigjährigen Mann in der Gestalt eines Athleten. Seine Weidekleidung ist von auserlesener Qualität, und selbst seine Cordoba-Stiefel sind peinlich sauber. Ausgeprägte Brauenwülste überschatten ein Paar dunkler und trotzdem feuriger Augen. Eine starke Nase springt weit aus dem Gesicht hervor.

»Hallo, Morton Hayes«, sagt Lee schleppend: »Merkst du nicht, dass du diese prächtige Parade störst? Du wirst sie noch aus dem Tritt bringen, wenn du sie weiter ablenkst.«

»Halten Sie den Mund, Mann!« Obgleich der Sergeant diese Worte wütend faucht, vermerkt Lee erstaunt, dass er plötzlich zum »Sie« übergewechselt ist. Im gleichen Atemzug fährt der Sergeant, zu dem Mann auf dem Wagen gewandt, erklärend fort. »Angriff auf einen Angehörigen der Unionsarmee, Sir. Wir bringen den Mann zu Major Powell in die Kommandantur.«

»Danke, Sergeant.« Hayes winkt gönnerhaft. »Ich will Ihren Aufzug hier nicht stören, aber richten Sie dem Major bitte aus, dass ich ihn später aufsuchen werde. So long, Hunter, wir sehen uns.«

Der leichte Wagen rollt davon, und die Soldaten marschieren verbissen weiter.

»Du scheinst dich prächtig herausgemacht zu haben, Hayes«, murmelt Irving vor sich hin, während er dem Wagen nachblickt. »Als ich dich zum letzten Mal sah, waren deine Hosen noch ausgefranst und deine Absätze schiefgetreten.«

Kurz darauf erreichen sie die Kommandantur. Zwei Soldaten bleiben zurück, während die anderen beiden Lee in die Mitte nehmen.

Sie betreten einen Vorraum, in dem ein jüngerer Offizier an einem Schreibtisch sitzt. Die Soldaten dirigieren Lee zu einer Wand hinüber und stellen sich wachsam neben ihm auf. Der Sergeant salutiert und macht Meldung.

»Wir haben diesen Mann festgenommen, Sir. Er hat einige unserer Leute angegriffen.«

Der Lieutenant blickt auf und schaut zu Lee hinüber, der sich lässig gegen die Wand lehnt und eine Zigarette dreht. Erstaunt mustern die Augen des Offiziers die drahtige Gestalt des Texaners von Kopf bis Fuß.

»Einige Leute, sagen Sie, Sergeant?«, fragt er dann erstaunt. »Eine Schießerei?«

»Nein, Sir. Er hat es mit den Fäusten gemacht, und wie ich mich selbst überzeugen konnte, machte er es verdammt gut. Sergeant Haymaker und Corporal Bates waren beide ziemlich erledigt.«

Die Brauen des Offiziers ziehen sich zusammen.

»Wenn Sie mir einen Bären aufbinden, lasse ich Sie wegen Irreführung eines Vorgesetzten in Arrest stecken, Sergeant«, sagt er drohend. »Dieser Mann könnte niemals mit Haymaker allein fertigwerden, viel weniger also, wenn auch noch Bates dabei war.«

»Es ist die Wahrheit, Sir«, wendet der Sergeant ein. »Es waren sogar noch zwei weitere Leute dabei – von unserem jungen Ersatz. Einer von ihnen hat die Wache alarmiert, als dieser Bursche die anderen drei zusammengeschlagen hatte.«

Aus ungläubigen Augen fixiert der Lieutenant den Texaner, der genussvoll Rauchwolken vor sich hin pafft.

Kurz darauf öffnet sich die gegenüberliegende Tür. Lee ist überrascht, als er ein »Mädchen« aus dem Arbeitszimmer des Majors kommen sieht, das die erste Jugend sicherlich schon vor einigen Jahren vollendet hat. Allerdings muss er eingestehen, dass sie sehr geschickt renoviert ist. Sie verbreitet eine Wolke von Parfüm um sich, das auf gewisse Männer betörend wirken mag.

»Also, mein Lieber«, wendet sie sich affektiert noch einmal in der Tür um, »ich danke Ihnen für Ihre Einladung. Wir sehen uns dann heute Abend, nicht wahr?«

»Auf Wiedersehen, Madam«, erwidert eine Stimme aus dem Zimmer. »Meine Frau wird sich sicher freuen, Sie bei unserer kleinen Party begrüßen zu können.«

Ein Winken noch, dann rauscht die holde Schöne hinaus und hinterlässt bei Lee einen faden Geschmack im Mund.

Nachdem der Lieutenant diensteifrig die Tür hinter der vollbusigen Lady geschlossen hat, eilt er in das Arbeitszimmer des Majors. In der darauffolgenden Zeitspanne findet Lee Gelegenheit, sich darüber klar zu werden, was ihm bei dem kurzen Wortwechsel zwischen dem Major und der Schönen aufgefallen ist. Diese Lady hat etwas zu betont »Sie« gesagt, als sie ihren Gesprächspartner anredete. Dieser Gedanke entlockt Lee Hunter erneut ein Grinsen.

Fast gleichzeitig kommt von der einen Seite der Lieutenant ins Zimmer zurück, während von draußen der Sergeant der Wache zusammen mit zwei der Helden aus dem Saloon den Raum betritt.

»Rein mit ihm!«, gibt der Offizier, der anscheinend die Rolle eines Adjutanten spielt, den beiden Posten einen Wink. Bevor sie jedoch Lee an den Oberarmen packen können, marschiert dieser schon voraus. Etwas verdutzt schließen sich alle übrigen an.

Stramm macht der Wachsergeant Meldung über den Festgenommenen, den Vorfall im Saloon und die herbeigeholten Zeugen. Lee mustert unterdessen den schnauzbärtigen Mann hinter dem Schreibtisch. Er schätzt Major Powell auf mindestens sechzig Jahre. Der Haarwuchs Powells ist schon stark gelichtet. Wenige dünne Strähnen sind sorgfältig über seinen Schädel verteilt. Was aber auf dem Kopf an Haaren fehlt, prangt unterhalb der Nase in verblüffender Fülle als martialischer, aufgezwirbelter Schnauzbart.

Noch einmal klappt hinter Lee die Tür. Ein weiterer Offizier, ein Captain, kommt herein, salutiert kurz und nimmt neben dem Schreibtisch Aufstellung, während der Lieutenant die andere Seite einnimmt.

Lee hat zunächst nur auf die Uniform und die Rangabzeichen des neu Hinzugekommenen geachtet. Als er ihm jetzt ins Gesicht blickt, kann er ein Zusammenzucken nicht vermeiden. Aber der Offizier scheint ihn noch nicht bemerkt zu haben. Mit trockener, knarrender Stimme gibt der Major ihm in kurzen Worten einen Bericht des Vergehens, das man dem Texaner zur Last legt, und scheint dann die Verhandlung aufnehmen zu wollen.

»Also, wie heißen Sie?«, quäkt er.

Lee greift in seine Brusttasche, zieht seinen zerknitterten Entlassungsschein hervor und legt ihn dem Major wortlos auf den Tisch. Während sich dieser mit einem nörgelnden Räuspern dem Papier widmet, tauchen die Blicke Lees und des Captains ineinander.

Der Anflug eines freudigen Grinsens zeigt sich im Gesicht des Offiziers. Seine Augenlider senken sich für einen kurzen Moment. Da weiß Lee Hunter, dass auch Captain Jeremy Woodword ihn erkannt hat.

»Sie waren also Soldat, Sergeant sogar«, nimmt der Major seine Aufmerksamkeit wieder in Anspruch. »Da wissen Sie über die Militärgesetze Bescheid. Trotzdem unterstehen Sie sich, Angehörige der Armee anzupöbeln und anzugreifen?«

»Ich habe keinen Menschen herausgefordert oder angegriffen, sondern habe mich nur verteidigt, als diese Burschen mir ans Leder wollten.«

»Das werden wir gleich sehen«, entgegnet der Major spitz. »Die Zeugen sollen vortreten!«

Unsicher und zögernd tappt Sergeant Haymaker nach vorn und nimmt den grünschnäbligen Corporal in Schlepp.

»Also, wie war es, Sergeant?«, fragt Powell.