H. C. Hollister 23 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 23 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Der Treibherdenboss Kirk Spencer ist ein harter Bursche, dessen Interesse von Dave Corrick, dem jüngsten Treiber seiner Mannschaft, geweckt wird. Ist es der Vergleich mit seiner eigenen rauen Jugend oder die Befürchtung, dass Dave eines Tages zu den Raubwölfen gehören könnte, die als Satteltramps den Westen bevölkern? Als Kirk die Wahrheit über ihn erfährt, trifft es ihn wie der Huftritt eines Broncos. Er kann es nicht fassen, dass man einen sechzehnjährigen Jungen durch brutales Auspeitschen zu zerbrechen sucht, wie Duke Talbot es getan hat.
Kirk zögert keine Minute, den Kampf um Dave Corricks Ehre und seine ganze Entwicklung zum wirklichen Mann aufzunehmen. Doch es tauchen Widerstände vor Kirk und seinem jungen Partner auf, und sie zu brechen, kostet Blut! Es scheint so, als ob Kirk sich diesmal zu viel vorgenommen hätte, denn Duke Talbot ist mit allen Wassern gewaschen und auch sein raues Rudel von Revolverhelden kennt kein Erbarmen ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Nachtfalken

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ertugrul Edirne / Becker-Illustrators

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0666-7

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Nachtfalken

Der Treibherdenboss Kirk Spencer ist ein harter Bursche, dessen Interesse von Dave Corrick, dem jüngsten Treiber seiner Mannschaft, geweckt wird. Ist es der Vergleich mit seiner eigenen rauen Jugend oder die Befürchtung, dass Dave eines Tages zu den Raubwölfen gehören könnte, die als Satteltramps den Westen bevölkern? Als Kirk die Wahrheit über ihn erfährt, trifft es ihn wie der Huftritt eines Broncos. Er kann es nicht fassen, dass man einen sechzehnjährigen Jungen durch brutales Auspeitschen zu zerbrechen sucht, wie Duke Talbot es getan hat.

Kirk zögert keine Minute, den Kampf um Dave Corricks Ehre und seine ganze Entwicklung zum wirklichen Mann aufzunehmen. Doch es tauchen Widerstände vor Kirk und seinem jungen Partner auf, und sie zu brechen, kostet Blut! Es scheint so, als ob Kirk sich diesmal zu viel vorgenommen hätte, denn Duke Talbot ist mit allen Wassern gewaschen und auch sein raues Rudel von Revolverhelden kennt kein Erbarmen ...

Es ist so wie immer, wenn ein langes Treiben zu Ende gegangen ist. Die Löhne sind ausgezahlt, der Erlös der Herde wurde dem Beauftragten der Eigentümer ausgehändigt, und jetzt schnüren die Männer am Küchenwagen ihre Proviantpacken.

Die bunt zusammengewürfelte Mannschaft von Treibherdencowboys wird in den kommenden zwei Wochen alles aufzuholen versuchen, was sie während des langen Treibens an billigen Vergnügungen hat entbehren müssen. Dann werden die raubeinigen Kerle in Gruppen von zwei oder drei Mann wieder losreiten – Satteltramps auf der Suche nach einem neuen Job.

Kirk Spencer hat dieses Bild zur Genüge genossen; und immer wieder erfüllt es ihn mit neuer Unrast und einer gewissen Wehmut, obgleich hinter seinem lederhäutigen, scharfgeschnittenen Gesicht solche Gedanken eigentlich nicht zu vermuten sind. Er lehnt rauchend an einem der Räder des Küchenwagens, erwidert nickend das Winken der Reiter, die ihre Proviantpacken verschnüren und sich für den Abritt fertigmachen.

»So long, Kirk!«, ruft eine Stimme. »Vielleicht sehen wir uns im Süden nochmal wieder. Es würde mich freuen, ein weiteres Mal mit dem besten Herdenboss von Texas auf den Trail zu gehen.«

Kirk Spencers sehnige Hand hebt sich zu einem leichten Winken.

»Viel Glück, Lefty«, lächelt er. »Treibt es nicht zu toll in Abilene!«

Aus dem Lachen einiger Männer ist deutlich zu entnehmen, dass diese Mahnung in den Wind geschrieben ist.

Immer mehr Reiter verlassen das Camp, das nur zwei Meilen von der Treibherdenstadt entfernt in der Nähe der Verladestation liegt.

Nun ist Kirk mit Dave Corrick allein. Seine Blicke ruhen auf der schmalen und doch irgendwie kraftvollen Gestalt des jungen Reiters, der auf seinem am Boden liegenden Sattel hockt und in die Glut des verglimmenden Campfeuers starrt.

»Was ist mit dir, Dave? Willst du ganz allein das Camp besetzt halten?«

Als werde er sich erst jetzt der plötzlichen Stille bewusst, hebt Dave Corrick den Kopf. Wie einen Fremden blickt er den Vormann an.

»Ich – ich weiß es noch nicht«, murmelt der Angeredete zögernd. »Ich glaube nicht, dass ich zur Stadt reiten werde – und wenn, dann höchstens, um mir ein billiges Quartier zu suchen und mich einmal richtig auszuschlafen.«

Ungehalten poltert Kirk Spencer los:

»Zum Teufel, ich möchte bloß wissen, warum ich mich von dir zum Narren halten lasse, Corrick! Seit acht Wochen versuche ich dahinterzukommen, worin der Grund für deine verdammte Zurückhaltung liegt. – Mann, etwas bedrückt dich, und ich will dir helfen, damit fertigzuwerden. Doch du bist so redselig wie eine Auster!«

Dave zuckt erschreckt zusammen, als der Vormann so jäh herausplatzt. Ein Schatten fliegt über sein Gesicht, und seine Augen verdunkeln sich in plötzlicher Bitterkeit.

Kirk weiß sich sein Interesse an diesem jungen Mann selbst nicht zu erklären. Es hat eine ganze Reihe von Sonderlingen in den verschiedenen Treibherdenmannschaften gegeben, die er geführt hat, ohne dass er deshalb jemals den Wunsch verspürt hätte, den Ursachen für ein solches Verhalten auf den Grund zu gehen. Bei Dave Corrick ist es anders. Man könnte es Anteilnahme nennen, die der Vormann empfindet. Wird sie nur durch Daves Jugend hervorgerufen? Sind es gerade die Verschlossenheit und unnatürliche Schweigsamkeit des Jungen, die ihn reizen? Kirk kann sich diese Frage nicht beantworten. Am ehesten könnten es noch die Erinnerungen an seine eigene Jugend sein, die ihm beim Anblick von Dave hochkommen. Schließlich hat er selbst schon mit fünfzehn Jahren auf eigenen Füßen stehen müssen und die Grenze zwischen Gut und Böse oftmals nur um Haaresbreite verfehlt, ehe er sich zu einem harten Mann mit festgefügten Ansichten entwickelt hat.

Achtzehn, höchstens neunzehn Jahre alt schätzt er Dave ein. Das ist ein kritisches Alter. Körperlich ist er ein Mann, und in der Mannschaft hat er die Arbeit eines vollwertigen Treibers verrichtet. Auf den Kopf gefallen ist Dave Corrick ebenfalls nicht. Aber es gibt da noch etwas anderes, was nur zu oft übersehen wird: die Gefühlswelt, die nicht mit der Vernunft zu regieren ist.

Als sich Kirk dieser Dinge bewusstwird, wendet er sich erneut an den Jungen, der noch immer auf das verglimmende Campfeuer starrt, aus dessen Asche kleine, dunkle Staubfontänen emporwirbeln.

»Ich habe dich beobachtet, Dave. So manches Mal hättest du lieber an den Späßen der anderen teilgenommen, als zurückgezogen in einer Ecke zu hocken. Aber du hattest Angst, Junge! – Wovor?«

Fiebriger Glanz tritt in Dave Corricks Augen, und seine Hände verkrampfen sich ineinander. Stärker denn je tritt seine Jugend und Unsicherheit hervor, als er hastig hervorstößt:

»Das ist nicht wahr! Nein, Kirk, das ist nicht wahr! Ich mache mir nichts aus alledem, das ist es!«

»Sicher, Dave, sicher!«, spöttelt der Vormann. »Deshalb hast du dir auch selbst von dem Giftzwerg Belmont alle Hänseleien gefallen lassen, obgleich du es locker mit ihm hättest aufnehmen können. – Du meinst, dass du alle täuschen kannst. Aber wer sich in diesen Dingen auch nur etwas auskennt, muss schon nach kurzer Zeit merken, dass du dich irgendwann an einem Köder verschluckt hast. Du hast dich von der Angel losgerissen, aber der Haken ist steckengeblieben. Das ist eine verteufelte Sache. Ein solcher Widerhaken kann einen Mann verrückt machen.«

»Und wenn es so wäre ...«, erwidert Dave zögernd, ohne den Vormann anzublicken. »... was ginge es dich an, Kirk Spencer? Du bist mein Boss – und kein Seelenscout!«

Straff richtet sich die sehnige Gestalt Kirks auf. Sein Mund ist schmal geworden, und in seinen Augen beginnt es zu irrlichtern. Aber dann ist da plötzlich ein amüsiertes Lächeln in seinen Mundwinkeln. Seine Haltung lockert sich wieder, und er schiebt mit dem Daumen seinen Hut ins Genick.

»Schon möglich«, grinst er heiter. »Das wird mich aber nicht daran hindern, dich jetzt mit zur Stadt zu schleifen, mein Junge, und dort werde ich deine Zähne schon auseinanderbiegen, verlass dich darauf!«

Ohne eine Entgegnung abzuwarten, wendet er sich ab und beginnt sein angepflocktes Pferd zu satteln. Als ob von Kirks Ruhe und Selbstsicherheit eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausginge, folgt Dave nach kurzem Zögern seinem Beispiel. Wenig später sitzen sie auf und reiten schweigend davon.

✰✰✰

Abilene ist zu dieser Zeit eine »offene Stadt«. Neben Dodge und Kansas City bildet sie den nördlichen Endpunkt des großen Trails, auf dem von Texas her jedes Jahr Hunderttausende von Rindern heraufgetrieben und hier verladen werden, um mit der Bahn in die Fleischfabriken des Ostens gebracht zu werden. Hier fließt der Strom des Geldes, und es ist nur natürlich, dass an seinem Weg eine Menge kleiner »Zapfstellen« errichtet werden, um einen Teil des Segens auch in andere Taschen fließen zu lassen. Ganz Abilene ist ein einziger großer Vergnügungsrummel, wo die Dollars – leider aber auch die Revolver – locker in den Taschen sitzen.

Während Dave Corrick teilnahmslos im Sattel sitzt, sucht der Vormann in Gedanken nach der besten Möglichkeit, den Jungen aus seiner Lethargie aufzurütteln. Was liegt für ihn näher, als in einem turbulenten Lokal eine solche Chance zu sehen? Er lenkt sein Pferd an eine Haltestange und fordert Dave mit einem Wink auf, es ihm gleichzutun. Kurz darauf haben sie einen freien Tisch in einer Ecke neben der Bar entdeckt, und Kirk bestellt für sie beide ein ausgiebiges Essen. Sie widmen sich ihm mit der Hingabe zweier ausgehungerter Wölfe.

Nach einiger Zeit muss sich der Vormann jedoch eingestehen, dass Daves Gesicht in dieser ausgelassen feiernden Umgebung eher noch verschlossener wird, anstatt sich aufzulockern. Sein Whisky steht unangerührt vor ihm auf dem Tisch.

Nach beendeter Mahlzeit lehnt sich Kirk zurück und fixiert den Jungen mit scharfen Blicken.

»Ich habe es also gründlich falsch angestellt, nicht wahr, Freund?«, fragt er mit bitterer Selbstironie.

Dave stützt die Unterarme auf und zerknickt einen Zahnstocher in viele kleine Stückchen. Als er endlich aufblickt, tasten seine Augen das Gesicht des Vormanns ab, und er murmelt verkniffen:

»Ich weiß nicht, was du vorhast, Kirk Spencer, aber wenn es darauf hinauslaufen sollte, mich weichzumachen, dann ist es schiefgegangen. Sollte ich mich an deiner Brust ausweinen? Ich brauche keinen Tröster. Vielen Dank für das Essen! Ich denke, jetzt bin ich entlassen!«

Noch bevor Kirk die Möglichkeit zu einer Erwiderung findet, stößt Dave Corrick seinen Stuhl zurück und springt heftig auf. Er hat das Pech, dabei einen hinter ihm vorbeigehenden Mann anzurempeln, der sich daraufhin den Inhalt des Glases, welches er in der Hand hält, über die Jacke kippt. Mit einem wütenden Grunzlaut wendet er sich dem Jungen zu.

Dave zieht vor dem zornigen Blick des Mannes den Kopf ein und stammelt:

»Es tut mir leid, Mister! Wirklich, es tut mir schrecklich leid. Ich habe Sie nicht gesehen.«

Mit Erstaunen beobachtet Kirk, wie sich Dave das Halstuch herabzerrt und damit die Vorderseite des erbosten Mannes abzutupfen beginnt. Dabei geht Dave so ungeschickt zu Werke, dass er dem stoppelbärtigen Mann unversehens noch seinen Ellenbogen in den Magen rammt.

»Jetzt ist es aber genug!«, brüllt der Stoppelbart los. »Du willst dich über mich lustig machen, Bürschchen! Nicht bei mir! Nicht bei Slim Bowden!«

Er holt aus und knallt Dave Corrick hart seinen Handrücken ins Gesicht, dass dieser mit kalkweißem Gesicht bis an die Tischkante zurücktaumelt. Ein Teller zerklirrt auf dem Boden.

Plötzlich verstummt der Lärm ringsherum. Einige Männer springen auf und drängen sich zur Seite. Stühle werden gerückt, und es entsteht ein freier Raum. Mit gezwungen ruhiger Bewegung erhebt sich auch Kirk. Er blickt in die wutglitzernden Augen des stoppelbärtigen Mannes und murmelt sanft:

»Das war verdammt voreilig von Ihnen, Mister! Mein Freund hier hat sich entschuldigt. Genügt Ihnen das nicht?«

»Yeah, und dann hat er mir seinen Ellenbogen in den Magen gerammt!«, keucht der andere. »Glaubt nicht, dass ich nicht wüsste, worauf das hinauslaufen soll, ihr lausigen Kuhjungen! Wir kennen uns in Abilene mit euren verdammten Rebellenstreichen aus!«

An dem zustimmenden Gemurmel, das sich ringsherum erhebt, kann Kirk unschwer feststellen, dass der Bursche die richtige Tonart gefunden hat, um die Volksseele zu erwärmen. Es ist schließlich ein offenes Geheimnis, dass man in Kansas zwar die Dollars der Südstaatler zu schätzen weiß, aber doch noch immer jeden Texaner als einen Rebellen betrachtet.

Kirk wendet sich Dave zu, der sein Halstuch auf den Mundwinkel gepresst hält und seinen Gegner aus aufgerissenen Augen anstarrt.

»Vielleicht solltest du es unter diesen Umständen mit ihm austragen, Dave«, murmelt er freundlich. »Manche Leute verstehen eine Entschuldigung erst dann, wenn man sie ihnen in den sturen Schädel hämmert. Schnall deinen Gurt ab und zeig es diesem unrasierten Slim Bowden!«

Ein wuterfüllter Blick aus den Augenwinkeln des Stoppelbarts trifft Kirk, bevor Bowden auf Dave zu stampft und grunzt:

»Yeah, fangen wir an! Es wird dir guttun, wenn ich dich einmal richtig auswringe, Bürschchen!«

Diese selbstsichere Drohung erscheint Kirk stark übertrieben. Immerhin hat er im Lauf des langen Treibens feststellen können, dass Dave über erhebliche Körperkräfte verfügt. Diese Partie müsste also zumindest ausgeglichen sein. Im gleichen Augenblick aber trifft ihn die Enttäuschung wie ein Tritt in den Magen. Daves Gesicht nimmt plötzlich eine grüne Färbung an. Nackte Angst steht in seinen Augen. Er reißt die Arme hoch, hält sie als Deckung vor den Kopf und geht mit einem Ächzen rückwärts, bis er vor die Mauer der Männer stößt, die. inzwischen einen Kreis gebildet haben.

Kirk ist erstarrt. Jetzt sieht er, wie Dave von irgendwoher einen Stoß ins Kreuz bekommt, der ihn vorwärtstaumeln lässt. Slim Bowden quittiert diese Hilfestellung mit einem krächzenden Lachen, holt aus und fegt den Jungen mit einem einzigen Schlag von den Beinen. Die Runde grölt Zustimmung.

Dave liegt bäuchlings verkrümmt auf dem Boden und verbirgt sein Gesicht in den Armen.

Höhnisch lachend beugt sich Slim Bowden zu dem Jungen hinab, packt ihn am Hemd und zerrt ihn hoch. Knirschend reißt der Stoff in Fetzen, und Dave fällt wieder auf den Boden. Plötzlich weiten sich die Augen des Vormanns. Er erkennt die vernarbten, roten Striemen auf dem Rücken des Jungen. Blutrot ziehen sie sich von der Schulter zum Rückgrat hinüber und werden dort von dem zerfetzten Hemd bedeckt.

»Seht euch das an!«, brüllt Bowden erneut und klatscht sich auf die feisten Schenkel. »Solche Narben bekommt man, wenn man auf den Bock gespannt wird! Und so ein Früchtchen versucht seine Scherze bei einem ehrenwerten Bürger! Aah, ich werde es ihm ein für alle Mal austreiben!«

Wieder beugt er sich hinab. Dicht vor sich sieht Kirk die breite, wohlgerundete Sitzfläche dieses »ehrenwerten Bürgers«, und da kann er der Versuchung nicht länger widerstehen. Sein krachender Fußtritt verleiht Slim Bowden einen solchen Schwung, dass dieser in flachem Bogen über Dave hinweghechtet, noch ein Stück über den Boden schrammt und vor den Füßen der Zuschauer mit einem erstaunten Ächzen liegenbleibt.

»Ja, was ich euch sagen wollte«, grinst Kirk unbewegt, »ich habe keine Ahnung, weshalb der Junge mit dem Bock Bekanntschaft gemacht hat. Auf jeden Fall aber geht es uns nichts mehr an, und deshalb würde ich gern an seine Seite treten.«

Slim Bowden hat sich wieder aufgerappelt. Seine Augen sind jetzt blutunterlaufen und glitzern boshaft. Er keift:

»Habt ihr diesen heimtückischen Angriff gesehen, Leute? Wahrscheinlich gehört dieser hartbeinige Hecht zu der gleichen Sorte wie der Bengel! Gleich werden sie zu zweit über mich herfallen – man kennt das ja von diesen Rowdys. Ich hoffe, dass hier genügend anständige Männer anwesend sind, um mir beizustehen!«

Der Erfolg dieser Brandrede zeigt sich augenblicklich. Schnell finden sich ein paar Kerle, denen es offensichtlich weniger um ihre Anständigkeit als vielmehr um ihren niederen und vom Alkohol aufgeputschten Instinkt geht, gegen einen Südstaatler freien Lauf zu haben. Nur zwanzig Sekunden dauert es, dann sieht sich Kirk allein einem ganzen Rudel übler Schläger gegenüber.

»He, Dave!«, tippt er den Jungen vorsichtig mit der Fußspitze an. »Es wird ernst! Noch kannst du es dir überlegen.« Dave Corricks Gesicht taucht wieder auf. Seine Züge sind verkrampft und kantig, mit zwischen die Schultern gezogenem Kopf blickt er zu den Kerlen hinüber, die jetzt gegen ihn und den Vormann vorrücken. Mit einem schrillen Schrei springt er auf die Beine, jagt von Angst getrieben zwischen zwei Tischreihen hindurch und verschwindet durch die Pendeltür.

Mit einem bitteren Grinsen wendet sich Kirk wieder seinen Gegnern zu. Mit schmalen Lippen nickt er vor sich hin, als ob er sich selbst eine bedrückende Erkenntnis bestätigen wolle, um dann Slim Bowden in scheinbarer Freundlichkeit zuzuzwinkern:

»Das hast du prächtig gemacht, Dicker! Meine Anerkennung!«

Noch ist sich der Stoppelbart über die wirkliche Bedeutung dieser Worte nicht im Klaren, als die Faust des Vormanns auch schon alle Zweifel beseitigt. Bowden wird von dem krachenden Uppercut zurückgeworfen, reißt zwei seiner neuen Kumpane mit sich zu Boden und schlägt und tritt in seiner Benommenheit wild um sich. Das dadurch entstehende Tohuwabohu verschafft Kirk die Gelegenheit, sich einen zweiten Gegner vorzuknöpfen. Er rammt dem Kerl die Faust in den Magen, dass er zusammenknickt wie ein Taschenmesser, packt ihn am Hosenbund und schleudert ihn den anderen Angreifern entgegen.

Ächzen und wuterfülltes Gebrüll vermischen sich mit dem Klirren von Porzellan und Gläsern. Es ist ein Gewühl, in dem kein Mensch mehr den Überblick behalten kann.

Plötzlich tritt Kirk auf etwas Weiches und hört einen gellenden Schrei. Rasch zieht er den Fuß zurück und kommt ins Schwanken. Er erkennt mit einem Blick einen am Boden liegenden Schläger, dessen Hals versehentlich mit seiner Stiefelsohle Bekanntschaft gemacht hat. Im gleichen Augenblick jedoch werden seine Beine von schlingenden Armen umklammert, während ihm von hinten etwas auf den Kopf gedonnert wird, dass tausend Pauken in seinen Ohren zu dröhnen beginnen.

Damit beginnt der zweite, für Kirk Spencer ungemütlichere Teil der Vorstellung. Zwar wehrt er sich noch immer nach Kräften, pflanzt hier seine Faust auf ein Auge und jagt dort seinen Ellenbogen in eine Magengrube, aber am Ausgang des Kampfs kann er nichts mehr ändern. Pausenlos prasseln aus allen Richtungen Schläge auf ihn herab. Er wird zu Boden gerissen und versinkt in einem Knäuel von Menschenleibern. Während er fast erdrückt wird, einen Tritt in die Rippen und einen krachenden Haken an den Kopf hinnehmen muss, dringt ein schriller Pfiff in sein schwindendes Bewusstsein, der ihm sehr bekannt vorkommt. Das darauffolgende »Yippeeh« Gebrüll ist nicht zu verkennen. So schreit nur ein Rudel wilder, hartbeiniger Texaner, das sich mit ausgelassener Freude an einer Keilerei in den Kampf stürzt.

Langsam wird es um Kirk wieder heller. Einer der Burschen nach dem anderen wird herabgezerrt, von harten Treiberfäusten gepackt, kurz bearbeitet und in eine andere Ecke befördert, wo sich nach und nach ein ansehnlicher Berg restlos bedienter Schläger zusammenfindet.

Dann steht Kirk leicht zerknittert wieder auf den Beinen, angelt sich seinen zertrampelten Hut und blickt in Beifall heischende Gesichter von fünf lederhäutigen Burschen, die befriedigt ihr Werk überblicken.

Kirk muss sich gewaltig räuspern, bevor er einen Ton hervorbringt.

»Mächtig nett von euch, Jungs«, krächzt er heiser. »Ich schätze, wir sollten uns so rasch wie möglich aus dem Staub machen.«

»Ah, warum, Boss?«, grinst einer der Texaner. »Erst wollen wir noch einen heben. Dieser Haufen von Suppenknochen dort in der Ecke wird uns bestimmt nicht dabei stören!«

»Aber ich werde euch stören!«, verkündet eine scharfe Stimme von der Tür her. »Streckt sie hoch, Jungs! Ich werde euch zeigen, dass diese Stadt keine Arena für verrücktgewordene Kuhtreiber ist!«

Murrend wenden sich die Texaner der Tür zu. Dort steht ein kleiner Mann mit einem Knebelbart, dessen Augen befriedigt glitzern. An seiner Weste steckt ein Marshalstern, und in den Händen hält er eine verkürzte Schrotflinte. Links und rechts von ihm haben sich seine beiden Hilfsmarshals postiert.

»Oh, verdammt!«, knurrt Kirk Spencer und betastet seinen Kinnwinkel, der sich ein wenig verschoben hat. »Es sieht ganz so aus, als ob dieser wirklich nette Abend in einem hübschen Käfig enden sollte.«

»Darauf können Sie Gift nehmen, Mister!«, knurrt der Marshal. »Und es hängt ganz von Ihnen ab, ob Sie diesen Käfig morgen nach dem Frühstück wieder verlassen können. Also – wie wollt ihr es haben, Leute?«

Da hebt Kirk seufzend die Arme.

✰✰✰

Es ist bereits nach Mitternacht, als Dave den Zustand von Angst und Verwirrung überwunden hat. Was in ihm zurückbleibt, sind nur noch tiefe Scham und Bitterkeit über sich selbst.