H. C. Hollister 30 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 30 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Es ist gewiss kein Zufall, der Wes Terrigan und seine beiden Begleiter an einem trostlosen und verregneten Tag am Friedhof von Abilene vorbeiführt, denn hier wird mehr als nur Old Ambrose Vernon zu Grabe getragen. Mit ihm versinkt eine Zeit, in der die Rangordnung in diesem Land so feststand wie ein gewaltiger Felsen. Jetzt, da dieser große Mann tot ist, wird es neue Kämpfe um die Macht, den politischen Einfluss und die führende Rolle geben, die Vernons Rainbow-V-Ranch über mehrere Jahrzehnte ausgeübt hat.
Diese Dinge werden Wes Terrigan klar, als er die grimmigen Gesichter der seltsamen Trauergemeinde sieht. Aber noch mehr ist es der Anblick eines Mädchens, der ihn dazu veranlasst, seinen langen Ritt zu unterbrechen und für einige Zeit in Abilene zu bleiben. Claire Vernon ist es wert, dass ein harter Mann für sie und um sie kämpft. Und die Kämpfe lassen nicht lange auf sich warten ...


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Inhalt

Cover

Raues Spiel in Abilene

Vorschau

Impressum

Raues Spiel in Abilene

Es ist gewiss kein Zufall, der Wes Terrigan und seine beiden Begleiter an einem trostlosen und verregneten Tag am Friedhof von Abilene vorbeiführt, denn hier wird mehr als nur Old Ambrose Vernon zu Grabe getragen. Mit ihm versinkt eine Zeit, in der die Rangordnung in diesem Land so feststand wie ein gewaltiger Felsen. Jetzt, da dieser große Mann tot ist, wird es neue Kämpfe um die Macht, den politischen Einfluss und die führende Rolle geben, die Vernons Rainbow-V-Ranch über mehrere Jahrzehnte ausgeübt hat.

Diese Dinge werden Wes Terrigan klar, als er die grimmigen Gesichter der seltsamen Trauergemeinde sieht. Aber noch mehr ist es der Anblick eines Mädchens, der ihn dazu veranlasst, seinen langen Ritt zu unterbrechen und für einige Zeit in Abilene zu bleiben. Claire Vernon ist es wert, dass ein harter Mann für sie und um sie kämpft. Und die Kämpfe lassen nicht lange auf sich warten ...

»Ich habe einmal gelesen, dass es in diesem gesegneten Land durchschnittlich nur fünfunddreißig Regentage pro Jahr gibt. Ausgerechnet den schlimmsten davon mussten wir armen Schweine erwischen!« Der Reiter, der diese Worte bitter hervorstößt, spricht mit hartem mexikanischem Akzent. Sein Sombrero lässt trübsinnig die wassertriefende Krempe hängen. Wenn auch seine Gestalt bis fast zu den Stiefelspitzen von einem gelben Regenumhang verdeckt ist, so lässt sich doch unschwer erkennen, dass er ein kleiner, drahtiger Bursche ist. Der Reiter neben ihm, ebenso vermummt, überragt ihn um mehr als Haupteslänge. Er wendet das verwitterte, gutmütige Gesicht dem Mexikaner zu und zeigt ein spöttisches Grinsen.

»Für eine so vertrocknete Zitrone wie dich müsste ein solcher Regenguss doch eine wahre Wohltat sein, Pedrito«, murmelt er anzüglich. »Vielleicht schießt du noch etwas in die Höhe.«

»Du bist ein Walross, Brian Gilmore«, gibt der Kleine giftig zurück. »Aah, ich werde mich beim Boss beschweren, wenn du auch hundertmal der Vormann bist.«

Brian kneift die Augen zusammen, so dass sich an seinen Schläfen kleine Fältchen bilden.

»Boss!«, ruft er laut, um das Rauschen des Regens zu übertönen. »He, Wes, Pedro Alvarado will sich wieder einmal beschweren! Soll er's schriftlich machen oder willst du ihn anhören?«

Wes Terrigan, der Reiter auf dem Rappen dreht sich im Sattel um, und dabei stürzt ein ganzer Wasserschwall von seiner Hutkrempe herab.

»Was ist es diesmal, Pedrito? Hat er dich wieder eine vertrocknete Zitrone genannt?«

In wortlosem Grimm beißt sich der Mexikaner auf die Lippen, bevor er zornbebend schnaubt:

»Er nannte mich Pedrito – so wie Sie soeben, Boss! Aah, ich kündige! Das lasse ich mir nicht länger gefallen!«

Das dunkelhäutige Gesicht des Reiters auf dem Rappen zeigt keinerlei Anzeichen von Betroffenheit oder Erstaunen.

»Das wäre also deine achtzehnte Kündigung in diesem Jahr«, versetzt er ungerührt.

Pedrito ist offensichtlich bis ins Mark getroffen und beginnt plötzlich mit beiden Beinen zu fuchteln. Große Chihuahua-Sporen werden am unteren Saum des Regenumhangs sichtbar, und kaum hat der Mexikaner die Flanken seines Pferds damit leicht berührt, schießt es auch schon mit ihm davon, dass das Wasser unter den Hufen aufspritzt.

Lachend verfolgen die beiden Zurückbleibenden die jähe Flucht Pedro Alvarados. Es ist ein gutmütiges Lachen, etwas spöttisch zwar, aber ohne verletzende Schärfe oder gar Hohn.

»In Abilene werden wir ihn wiedertreffen«, kichert Brian und fügt mit einem Blick auf die tiefhängenden dunklen Wolken hinzu: »Wenn dieser verdammte Regen zehn Tage früher eingesetzt hätte, wären wir mit der Herde bestimmt nicht so glatt über den Brazos River und nach Fort Worth gekommen. Nun, wir sind die gehörnten Teufel los. Mögen also andere sehen, wie sie damit zurechtkommen.«

Der Rancher gibt keine Antwort. Er ist in Gedanken bei seiner Herde, die jetzt zusammen mit vielen anderen auf dem Weg nach Norden ist, nach den Bahnlinien in Kansas, um dort verfrachtet zu werden. Zusammen mit Brian Gilmore und Pedro und außerdem noch einem halben Dutzend angeworbenen Treibern hat er die Herde zum Sammelplatz nach Fort Worth gebracht.

Da Wes Terrigan seine Herde in der Obhut einer guten Mannschaft und eines erfahrenen Herdenbosses weiß, sind seine Sorgen nicht allzu bedrückend. Jetzt befinden sie sich auf dem Rückweg nach Texico und haben bis Abilene nur noch knapp zwei Meilen vor sich. In der vergangenen Nacht hatten sie ein Camp aufgeschlagen und wurden vom Regen überrascht. Da sie nicht von oben und unten gleichzeitig aufweichen wollten, sind sie mitten in der Nacht wieder aufgebrochen. So kommt es, dass sie schon jetzt am Vormittag in Abilene eintreffen. Auf der T-im-Quadrat, der Ranch Wes Terrigans, werden alle Dinge ihren geordneten Lauf nehmen, dafür wird die fünfköpfige Mannschaft sorgen, die dort zurückgeblieben ist.

»Natürlich – da konnte das Wetter ja auch nicht anders sein!«, weckt Wes die griesgrämige Stimme seines Vormanns aus den Gedanken.

»Wieso?« Diese Frage rutscht ihm fast ungewollt heraus.

Brian Gilmore macht unter dem Regenumhang eine Bewegung, die so wirkt, als ob er sich plötzlich aufblähen wolle. In Wirklichkeit sollte es jedoch nur ein Wink sein, mit dem er seinen jüngeren Boss auf etwas aufmerksam machen will.

»Hast du vielleicht schon einmal eine Beerdigung gesehen, die bei schönem Wetter stattfand?«, grunzt er missmutig. »Worüber sollten dann die Leute später reden, wenn nicht über das Sauwetter, bei dem sie zum Friedhof pilgern mussten?!«

Ja, jetzt sieht es auch Wes.

Kaum zwei Minuten später sind Wes Terrigan und sein Vormann am Friedhof angelangt. Wes hält seinen Rappen an und erntet dafür einen mürrischen Seitenblick seines Begleiters.

»He, Boss, das ist eine Beerdigung«, grunzt Brian halblaut. »Was wir im Augenblick suchen, ist ein Dach über dem Kopf!«

Wes Terrigans Blicke sind auf einen ganz bestimmten Punkt gerichtet.

»Du kannst schon weiterreiten, Alter. Ich – ich will hier noch etwas warten.«

Brians Blick drückt Verständnislosigkeit und Unmut aus.

»Yeah, ich sehe auch nicht ein, wozu sich zwei Mann nass regnen lassen sollten, wenn es nur einem davon Spaß macht«, bemerkt er kopfschüttelnd und ist schon im Begriff, sein Pferd wieder anzutreiben, als er ebenfalls das Mädchen sieht, das offenbar der Grund für Wes Terrigans Verweilen ist.

Ja, dieses Mädchen ist zweifellos eine Schönheit. Ihr schwarzes Kleid lässt das Ebenmaß ihrer schlanken Gestalt nur erahnen, aber auch ihr Gesicht reicht schon aus, um einen Mann zu Torheiten zu verleiten – wie zum Beispiel dazu, im strömenden Regen im Sattel zu hocken und fast andächtig hinüberzustarren.

Brian Gilmore wiegt den Kopf. »Als Schürzenjäger habe ich dich wahrhaftig noch nicht kennengelernt, Wes«, murmelt er, »aber – by Jove – diesmal kann ich dich verstehen. Wenn ich nicht schon längst über dieses Alter hinaus wäre, dann würde ich...« Er verschluckt den Rest des Satzes, zumal sein Boss ihm augenscheinlich gar nicht zuhört. Damit treibt er dann tatsächlich sein Pferd an und trabt weiter.

Als er sich nach einer Weile noch einmal umwendet, bietet sich ihm immer noch das gleiche Bild. Der Rappe steht dicht an der Staketeneinzäunung des kleinen Friedhofs, und Wes Terrigan hockt bewegungslos im Sattel.

Als Wes die großen Augen des Mädchens einen kurzen Moment auf sich ruhen fühlt, durchzuckt es ihn wie die Wärme eines starken Drinks. Irgendwie hat er das Gefühl, hier nicht einfach vorüberreiten zu können.

Er sieht ein Gesicht, dessen klassisches Ebenmaß nur durch etwas zu hoch angesetzte Wangenknochen gemindert wird. Auf der Stirn des Mädchens klebt eine feuchte, dunkelblonde Haarsträhne.

Neben ihr steht ein junger Mann, der sie nach Wes Terrigans Schätzung um volle zehn Zoll überragt. Er hält einen Regenschirm über sich und das neben ihm stehende Mädchen, ohne sich jedoch ganz vor dem Regen schützen zu können.

Die hastigen Sätze des Predigers werden vom Wind bis zu Wes herübergetragen. Sie lassen ihn zu dem Schluss kommen, dass der Mann bemüht ist, die Worte seiner Grabrede zurückhaltend und nur ganz allgemein zu formulieren, als befürchte er, Dinge zu erwähnen, die besser unausgesprochen blieben.

Das dumpfe Poltern von Erdschollen auf den Sarg zeigt an, dass sich die Zeremonie dem Ende nähert.

« ... und so, Ambrose Vernon, mögest du in Frieden ruhen«, klingt noch einmal die Stimme des Predigers, während er die kleine Schaufel wieder in den Erdhaufen steckt.

Sofort löst sich die Trauerversammlung auf. Einige Männer, dem Aussehen nach Rancher, gehen mit ihrem Gefolge zu den wartenden Pferden.

Wes hält immer noch auf seinem Pferd. Er sieht die kleine Gruppe der Zurückbleibenden, das Mädchen, den jungen Riesen, den kleinen, schiefrückigen Mann und einige weitere Weidereiter. Im Hintergrund wartet bereits der Totengräber, von Kopf bis Fuß in eine wasserdichte Guttapercha-Plane gehüllt, die Schaufel in der Hand, einem lebendigen Mahnmal gleich, welches daran erinnert, dass etwas Unwiderrufliches geschehen ist und die Menschen sich mit einer grausam veränderten Situation abzufinden haben.

Noch ein weiterer Mann ist zurückgeblieben und wartet neben seinem Wagen. Das auffallendste an ihm sind seine starken Brauenwülste und die breite, gebuckelte Stirn. Ein zweifellos maßgeschneiderter Tweedanzug umschließt seine kräftige Gestalt. Wes schätzt sein Alter auf etwa vierzig Jahre, obgleich die angegrauten Schläfen ihn älter erscheinen lassen.

Dann aber, als nach kurzem Verweilen am offenen Grab auch das Mädchen mit dem jungen Mann zum Weg herüberkommt, hält es Wes für an der Zeit, sich zu entfernen. Bevor er jedoch sein Pferd herumziehen kann, fängt er einen ernsten Blick der großen Augen des Mädchens auf. Er verhält noch einen Augenblick, um sie passieren zu lassen und wird dadurch Zeuge, wie der Mann im Tweedanzug hinzutritt und mit gramzerfurchtem Gesicht sagt:

»Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich Ihren Schmerz über den Tod Ihres Vaters teile, Miss Claire. Ich möchte Sie und Ihren Bruder meiner aufrichtigen Anteilnahme versichern. Ich stehe selbstverständlich zu Ihrer Verfügung, wenn Sie meinen Rat oder meine Hilfe benötigen sollten.«

Wes nimmt in diesem Moment zur Kenntnis, dass der junge Mann neben Claire Vernon, deren Namen er jetzt bereits zusammengesetzt hat, ihr Bruder sein muss. Dies und die Anrede »Miss« erfüllen ihn eigenartigerweise mit Befriedigung.

Wes lässt nun seinen Rappen ausgreifen, verlässt nach einer kurzen Strecke den Fahrweg und trabt der Stadt entgegen.

Obgleich Abilene zu dieser Zeit bereits County-Stadt ist, besteht es nur aus wenigen Straßenzügen, die rechtwinklig von der Hauptstraße abzweigen und am Stadtrand einfach aufhören. Dieses Abilene – nicht zu verwechseln mit Abilene in Kansas – ist der Mittelpunkt eines großen Rinderzuchtgebiets, das sich auf mehr als fünfzig Meilen im Umkreis über die Prärie, die Sage-Ebene und das Hügelland erstreckt, mit einem Wort: Es ist eine Rinderstadt.

Hinter dem Fenster eines Restaurants entdeckt Wes die grinsenden Gesichter von Brian Gilmore und Pedrito. In ihrer Schadenfreude über ihren pitschnassen Boss haben sie offensichtlich das Kriegsbeil begraben.

Mit eifrigen Gesten deutet der Mexikaner zur Seite, wo Wes das Schild eines Mietstalls erkennen kann. Brian kommt derweilen heraus, hält sich jedoch wohlweislich unter der Verandaüberdachung und knurrt:

»Wie ich dich kenne, wirst du Nero selbst versorgen wollen, Wes. Wir haben die Pferde dort drüben untergestellt und in diesem Laden hier ein Zimmer genommen. Wenn du dich beeilst, könnten das Steak und die grünen Bohnen noch warm sein.«

Wes schnallt die Satteltaschen los und wirft sie dem Vormann zu.

Nachdem er seinen Rappen versorgt und auch sich etwas hergerichtet hat, zeigt sich Wes ein etwas verändertes Bild vor dem Lokal. Eine lange Reihe von Pferden ist davor angebunden. Der Regen hat nachgelassen, und stellenweise ist zwischen den dunklen Wolken schon blauer Himmel zu erkennen. Als Wes eintritt, starren ihm mehr als ein Dutzend Augenpaare entgegen.

Kühle Einschätzung liegt in den Blicken der Männer. Sie scheinen diesen knapp sechs Fuß großen, geschmeidigen Mann zu taxieren, wie sie etwa einen Zuchtstier oder ein Pferd begutachten würden. Ein Fremder in Abilene kann sich immer eines besonderen Interesses gewiss sein. In diesem Fall jedoch ist es nicht bloße Neugier, mit der Wes betrachtet wird. Besonders in den Augen eines dürren und hochaufgeschossenen Mannes mit der gelblichen Gesichtsfarbe, die ein Leberleiden oftmals hervorruft, flackert offene Feindschaft, die Wes sich nicht erklären kann.

Schon auf halbem Weg ruft ihm Brian entgegen:

»Sie können jetzt das Essen bringen, Freund – und auch noch ein Glas! Das ist der Mann, auf den wir noch gewartet haben!«

Die Augen des Gelbgesichtigen wandern über Wes Terrigans tiefgeschnalltes Halfter und verweilen eine Sekunde bei seinen langfingrigen und geschmeidigen Händen, denen die Weidearbeit nicht anzumerken ist, und kehren dann wieder zum Gesicht seines Gegenübers zurück, das irgendwie an einen Indianer erinnert – wenn es Indianer mit blondem, drahtigem Haar und kühlen, graugrünen Augen gäbe. Der Gelbgesichtige nickt, als ob er sich selbst eine eben gewonnene Erkenntnis bestätigen wolle, und sagt dann endlich klirrend:

»Also – was er euch auch zahlen mag, Männer, ich biete mehr. Ihr könnt euch unmöglich schon festgelegt haben, deshalb lasst euch das gute Geschäft nicht entgehen!«

Wes lässt sich seine Verständnislosigkeit und Überraschung nicht einmal durch ein Wimpernzucken anmerken. Er spielt mit dem Glas in seiner Hand, deutet eine höfliche Verbeugung an und erwidert lächelnd:

»Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen. Terrigan – Wes Terrigan – heiße ich übrigens, Mister ...«

Durch die Freundlichkeit scheint der Gelbgesichtige völlig überrumpelt zu sein.

»Ich – ich bin Dave Langton«, stößt er verblüfft hervor, obgleich ihm anzumerken ist, dass er ursprünglich bestimmt nicht die Absicht hatte, sich vorzustellen. Nach einem Schnaufen setzt er hinzu: »Sie haben die Wahl, Terrigan. Mag Barry Vernon Sie auch hergerufen haben, auf unserer Seite sind Sie bestimmt besser aufgehoben. Sie sehen aus wie ein Mann, der einen Vorteil wahrzunehmen weiß. Greifen Sie also zu, bevor es zu spät ist!«

Wes beginnt zu begreifen, welche Verwechslung hier vorliegt. Dieser Dave Langton glaubt, es mit angeworbenen Revolverhelden zu tun zu haben, die sein Gegner Barry Vernon – zweifellos handelt es sich dabei um den Bruder des Mädchens – ins Land geholt hat.

»Sie sollten nicht so harte Worte sprechen, Langton«, sagt er also tadelnd. »Meine Partner und ich« – er deutet mit dem Daumen zum Tisch hinüber – »sind noch niemals zu spät gekommen. Was bieten Sie, Mister?«

»Dies ist wohl kaum der richtige Ort, um solche Dinge zu besprechen! Kommen Sie mit hinaus auf meine Ranch, dort können wir darüber reden!«

Wes vergewissert sich zunächst durch einen raschen Blick, dass seine »Partner« ihm nicht den Spaß verderben werden. Brian Gilmores Gesicht macht offenkundig, dass er schon verstanden hat. So entgegnet er dann auf die vorwurfsvolle Bemerkung Langtons:

»Aah, warum sollten wir nicht hier darüber reden, Mister? Sie haben doch auch ganz offen gesagt, dass uns Vernon gerufen hat. Vielleicht können wir es so machen, wie bei einer Versteigerung. Wer am meisten bietet, der kann uns bekommen. Vernon hat bisher hundertfünfzig geboten.«

Dave Langtons Eifer ist geweckt. Alle Bedenken beiseiteschiebend, faucht er geringschätzig:

»Da hat er euch verdammt billig eingekauft, wenn ihr wirklich so schnelle Burschen seid. Ich biete achtzig für jeden von euch.«

»Wenn das ein Witz sein soll, so ist er nicht besonders gut, Langton«, erwidert Wes mit müdem Grinsen. »Haben Sie vielleicht gedacht, wir wären mit hundertfünfzig für uns alle drei zusammen zufrieden?«

Langtons Gesichtsfarbe schwankt eine Weile zwischen giftgrün und einem Schlaganfallblau.

Ehe der gelbgesichtige Rancher ein Wort hervorwürgen kann, drängt sich ein anderer an seine Seite. Er ist das genaue Gegenstück zu dem langen und dürren Dave Langton, mittelgroß, überfettet und kurzatmig. Sein schwammiges Gesicht zeigt den Ausdruck von Verschlagenheit.

»Lass dich von diesem Burschen nur nicht einwickeln, Dave!«, schrillt seine Stimme. »Dieser Terrigan blufft nur, um dich in die Höhe zu treiben. Ich glaube dem Kerl kein Wort.«

Wes nimmt diese Behauptungen lächelnd hin.

»Wie recht Sie damit haben, Verehrter!«, spöttelt er. »Man sollte sich wirklich nie auf einen Bluff einlassen, besonders nicht dann, wenn es der Geldbeutel nicht verträgt.«

Noch einmal deutet er eine leichte Verbeugung an und kehrt an den Tisch zurück, wo der Barmann inzwischen das Essen aufgetragen hat. Die Rancher und Weidereiter starren ihm verblüfft nach.

Wes glaubt inzwischen zu wissen, wo der Grund für den Eifer Langtons liegt. Nachdem er sich niedergelassen und seinen Teller gefüllt hat, blickt er zu dem hingebungsvoll kauenden Brian Gilmore hinüber. Der Vormann zwinkert und murmelt zwischen zwei Bissen:

»Du hast diesen Pilgern ganz schön Feuer unter den Hintern gemacht, Boss. Es fragt sich nur, was außer Verdruss für uns dabei herausspringen könnte.«

»Ein Spaß – was sonst?«, gibt Wes grinsend zurück.

»Dann sieh dir mal deren Gesichter an. Die machen gar keinen spaßigen Eindruck«. Brians gutmütiges und verwittertes Bulldoggengesicht legt sich in missmutige Falten.

»Yeah«, fällt Pedrito gedämpft ein, »es war bestimmt ein großer und mächtiger Bursche, den sie heute begraben haben. Ich hörte verschiedene Bemerkungen darüber. Ambrose Vernon hieß der Mann. Er war Besitzer der Rainbow-V-Ranch, aber sie reden ständig von einer Bananen-Ranch.«

»Das kann ich erklären«, murmelt Brian Grinsend. »Am Friedhof fiel mir das Brandzeichen einiger Pferde auf. Es sah tatsächlich aus wie eine Banane mit einem V darunter, aber in Wirklichkeit sollte es dann wohl einen Regenbogen darstellen.«

»Was ist nun mit diesem Ambrose Vernon?«, fragt Wes ungeduldig und säbelt an seinem Steak herum.

»Keiner von diesen Burschen war gut auf ihn zu sprechen«, versetzt der Mexikaner und vergewissert sich mit einem Seitenblick, dass sich kein unerwünschter Zuhörer in der Nähe befindet. »Er muss ihnen wohl allen die Faust in den Nacken gesetzt haben. Jetzt, da er tot ist, wittern sie Morgenluft. Es war von einer Testamentseröffnung die Rede, die man abwarten wollte.«

»Die alte Geschichte also«, stellt Wes nüchtern fest, »wenn der Löwe abgetreten ist, kommen die Hyänen, um ihre Mahlzeit zu halten.«

»Und du würdest dich sicher als Beschützer der armen Waisen sehr wohl fühlen«, entgegnet Brian grinsend, aber sein Grinsen erstarrt, als er Wes Terrigans ernsten Blick auffängt.

An der Bar haben sich derweil einige gedämpft debattierende Gruppen gebildet. Nur ab und zu schweift noch ein beobachtender oder auch drohender Blick zu den drei Essern hinüber. In Dave Langtons Kopf hat sich jetzt unwiderruflich die Idee festgefressen, dass diese drei Männer ein Revolver-Team bilden, das Barry Vernon herbeigerufen hat, um allen Überraschungen durch Gegner der Rainbow-V-Ranch zuvorzukommen.

✰✰✰

Bevor die aus zwei leichten Wagen und einigen Reitern bestehende Kavalkade die Stadt erreicht hat, schwenkt der größte Teil der Weidereiter ab und trabt zum Hügelland hinüber. Nur der kleine, schiefrückige Bursche und ein großer Mann in abgeschabter Weidekleidung, der einen starkknochigen Wallach reitet, folgen den beiden Wagen in die Stadt.

Vor einem Haus in einer Nebenstraße halten die Wagen an. Claire Vernon lässt sich von ihrem Begleiter herabhelfen und geht auf die Tür zu, während die beiden Reiter noch ihre Pferde anbinden und Barry Vernon, der sich allein im zweiten Wagen befand, die Zügel um den Peitschenhalter wickelt. Wenige Augenblicke später sind sie unter dem Vordach versammelt.

Barry Vernon schlenkert die Feuchtigkeit aus seinem Hut.

»Steve Bromley und Perry«, wendet er sich an die beiden Weidereiter, »ihr könnt hier draußen warten. Die Testamentseröffnung wird nicht lange dauern.«

Der würdige Mann im grauen Tweedanzug, der gerade den Schlüssel in das Loch gesteckt hat, richtet sich auf.

»Tut mir leid, Barry«, murmelt er, »ich brauche Ihren Vormann und Perry als Zeugen. Es ist eine bindende Bestimmung, dass bei einer Testamentseröffnung zwei unbeteiligte Zeugen zugegen sein müssen.«

Die Augenbrauen des jungen Mannes ziehen sich erstaunt in die Höhe.