H. C. Hollister 35 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 35 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Zwei Männer des Gesetzes treffen fast gleichzeitig im berüchtigten Sandy Creek ein: der Richter Gately, der sich einen ruhigeren Wirkungskreis als das wilde El Paso gewünscht hat, und der Ex-Marshal Mitch Carson, der seinen alten Freund, den Townmarshal Jim O´Connell, besuchen will. Doch dieser wurde eine Woche zuvor hinterrücks erschossen.
So kommt Mitch Carson eigentlich wie gerufen, um die Nachfolge seines Freundes anzutreten. Richter Gately will nichts anderes, als dem Gesetz zu dienen. Townmarshal Carson will das natürlich auch, aber da er eingesehen hat, dass zuerst eine Ordnung da sein muss, bevor das Gesetz Anerkennung findet, schafft er diese Ordnung auf die einzig mögliche Art: mit rauer Hand.
Als ein Revolverkiller nach einem klaren Mord von den eingeschüchterten Geschworenen freigesprochen wird, will Richter Gately schon resigniert abdanken - doch dann lässt er Mitch Carson freie Hand ...


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Inhalt

Cover

In den Dreck getreten

Vorschau

Impressum

In den Dreck getreten

Zwei Männer des Gesetzes treffen fast gleichzeitig im berüchtigten Sandy Creek ein: der Richter Gately, der sich einen ruhigeren Wirkungskreis als das wilde El Paso gewünscht hat, und der Ex-Marshal Mitch Carson, der seinen alten Freund, den Townmarshal Jim O´Connell, besuchen will. Doch dieser wurde eine Woche zuvor hinterrücks erschossen.

So kommt Mitch Carson eigentlich wie gerufen, um die Nachfolge seines Freundes anzutreten. Richter Gately will nichts anderes, als dem Gesetz zu dienen. Townmarshal Carson will das natürlich auch, aber da er eingesehen hat, dass zuerst eine Ordnung da sein muss, bevor das Gesetz Anerkennung findet, schafft er diese Ordnung auf die einzig mögliche Art: mit rauer Hand.

Als ein Revolverkiller nach einem klaren Mord von den eingeschüchterten Geschworenen freigesprochen wird, will Richter Gately schon resigniert abdanken – doch dann lässt er Mitch Carson freie Hand ...

Dreihundert Yards trennen Mitchell Carson noch von den Gebäuden der Station, aber dreihundert Yards sind eine lange Strecke, wenn man zuvor schon acht Meilen zu Fuß zurückgelegt hat, mit hochhackigen Stiefeln an den Füßen, die nicht für einen Fußmarsch geschaffen sind. Mitch Carson bewegt sich dennoch geschmeidig, und wenn er ein verhaltenes Tempo anschlägt, so tut er es nur aus Rücksicht auf das hinkende Pferd, das ihm mühsam folgt.

»Komm, alter Junge«, murmelt er und wendet sich zu seinem Gefährten um, »die Schinderei hat gleich ein Ende. Da drüben gibt es einen kühlen Stall für dich. Ah, du wirst eine längere Pause brauchen, Amigo. Mit diesen verdammten Prieto-Stacheln ist nicht zu spaßen.«

Mitleidig betrachtet er das Tier, das den linken Vorderhuf merklich schont und sich fast nur noch auf drei Beinen vorwärtsbewegt. Noch einmal beschleunigt es seine Gangart, aber als sie schließlich den geräumigen Hof der Station erreichen, bleibt es zitternd stehen.

»Komm her, hombre!«, ruft Mitch Carson einem Stallknecht zu, der im Schatten eines Vordachs herumlungert. Der Bursche zeigt wenig Lust zur Eile, doch im gleichen Moment taucht vor dem Hauptgebäude der Station ein breiter, zuverlässig wirkender Mann mit krausem grauem Haar auf, wirft einen drohenden Blick auf den Mann, und dann sieht sich Mitch gleich zwei Helfern gegenüber.

»Was kann ich für Sie tun, Mister?«, fragt der Graukopf, sieht den emporgezogenen Vorderhuf des Pferdes und schnauzt im selben Atemzug den Stallmann an: »Siehst du denn nicht, dass der Gaul lahmt, Higgins? Los, nimm ihm den Sattel ab!«

»Danke, Mister«, entgegnet Mitch. »Es war ein verdammter Prieto-Dorn, den sich Bayo eingetreten hat.«

Das zerknitterte Gesicht des Graukopfs verzieht sich sorgenvoll. »Prieto-Dorn, he?«, schnauft er. »Das wird seine Zeit dauern, ehe das Teufelszeug herausgeeitert ist.«

Mitch Carson bestätigt diese Ansicht durch ein Nicken. »Können Sie Bayo solange hierbehalten?«

»Yeah, das lässt sich machen. Aber Sie werden ein anderes Pferd haben wollen, Mister, und da muss ich Sie enttäuschen.«

»Das ist Pech, aber wir können es später besprechen, wenn der Hengst versorgt ist. Haben Sie eine Schaufel Salz und eine Zinkwanne mit Wasser übrig, Mister?«

»Sie scheinen etwas davon zu verstehen«, gibt der Graukopf anerkennend zurück. »Kommen Sie, es wird für alles gesorgt.«

Mitch Carson tätschelt Bayo noch einmal den Hals, sagt noch ein paar beruhigende Worte, lädt sich schließlich seinen Sattel auf die Schulter und geht. Auf dem Hof legt er neben dem Tränketrog den Sattel ab und wendet sich wieder seinem Begleiter zu.

»Ich will nach Sandy Creek, Mister«, murmelt er, während er sich bereits das Hemd über den Kopf streift.

»Natürlich, alle Welt will nach Sandy Creek, seitdem es zum Versorgungszentrum der Minencamps in den Bergen geworden ist«, erwidert der andere.

»Ja, aber ich kann nicht fünfzig Meilen mit dem Sattel auf dem Rücken zu Fuß marschieren«, knurrt Mitch Carson sarkastisch. »Ein anderes Pferd haben Sie nicht für mich, also werde ich mich an die Postkutsche halten müssen. Haben Sie noch einen Platz frei?«

»Den letzten – wenn Sie dafür acht Dollar fünfzig auf den Tisch legen, Freund.«

Mitch betätigt bereits die Pumpe und wirft sich den ersten Wasserschwall ins Gesicht. »In Ordnung«, schnaubt er. »Machen Sie alles fertig. Ich komme gleich und bezahle.«

Der Graukopf nickt und kehrt zum Stationsgebäude zurück. Auf der schattigen Veranda stößt er auf zwei Männer, die sich in Rohrstühlen niedergelassen haben. Einer von ihnen ist lang und dürr, hat ein faltiges, säuerliches Gesicht und sieht aus, als ob er sechs Wochen lang in seinem verschossenen dunklen Anzug geschlafen habe.

Der andere ist starkknochig und schwergewichtig. Aus seinem weit geöffneten Hemd wächst ein kurzer, muskulöser Hals heraus, auf dem ein kugelrunder, mit kurzgeschorenen roten Borsten bedeckter Schädel sitzt. Aus wimpernlosen Augen blinzelt er in das grelle Licht der Sonne, und als der Stationshalter vorbeigeht, mault er:

»Wie lange sollen wir denn noch auf diese verdammte Kutsche warten und uns hier braten lassen, Fletcher?«

»Sie können ihr ja entgegenmarschieren«, antwortet der Graukopf unwillig. »Wenn nicht, dann werden Sie nämlich noch eine knappe Stunde warten müssen.«

Mit einem Seufzer lässt sich der Bursche mit dem Borstenschädel wieder zurücksinken, angelt nach einem Taschentuch und wischt sich den Schweiß aus dem Nacken. Der Einfachheit halber lässt er das Taschentuch gleich dort zwischen Hemdkragen und Hals eingeklemmt. Ächzend fächelt er sich mit der Hand Kühlung zu. Schweigend beobachten die beiden Männer anschließend Mitch Carson, der sich inzwischen den Oberkörper gewaschen hat, ein frisches Hemd überstreift und schließlich Lederchaps und Stiefel ablegt. Dann zerrt er seine Hosenbeine hoch, rückt den Sattel zurecht und hockt sich so darauf, dass er die nackten Füße in den Tränketrog stellen kann. Wie er dann behaglich mit den Zehen im Wasser herumplätschert, lässt seine beiden Zuschauer vor Neid erblassen.

Nach einigen Minuten wird die Stille durch das Rattern von Wagenrädern unterbrochen. Schon heben die beiden Männer auf der Veranda hoffnungsvoll die Köpfe, als sie erkennen müssen, dass es sich keineswegs um die ersehnte Kutsche handelt. Stattdessen rollt ein schwerer Flachwagen in den Hof. Drei schwitzende Männer springen herab, an deren Aufmachung unschwer zu erkennen ist, dass es sich um Minenarbeiter handelt. Während sie im Gästeraum der Station verschwinden, wendet der Fahrer den Wagen und fährt wieder davon.

Einer der drei wendet sich an den Stationshalter: »Schreibe uns drei Passagen nach Sandy Creek aus, Fletcher! Wir müssen endlich mal wieder andere Visagen sehen als unsere eigenen. Hoh, wir werden es diesem Nest zeigen, wie drei prächtige Digger aus den Bergen eine Stadt auf den Kopf stellen können, wenn sie einen ganzen Monat nicht mehr aus dem lausigen Camp herausgekommen sind.«

»Es tut mir leid, Gents, aber ich habe keine Passage für die Nachmittagspost mehr frei. Gerade ist der letzte Platz in der Kutsche belegt worden.«

Das Schweigen wirkt unbehaglich und drohend. Mitch hat die gesamte Unterhaltung verfolgt. Wenn er jetzt einen Blick in den Schankraum werfen könnte, würde er sehen, wie der Wortführer der drei Kerle seine Pranke auf das Buch legt, das der Stationshalter aufgeschlagen vor sich liegen hat, es heranzieht und auf die letzten Eintragungen stiert.

»Hier ist noch ein Platz frei!«, sagt er.

»Der ist belegt«, erwidert Fletcher fest. »Ich habe nur den Namen noch nicht eingetragen. Und außerdem wäre euch mit einem Platz sowieso nicht geholfen.«

»Macht nichts, die beiden anderen Plätze werden wir schon bekommen«, versichert sein Gegenüber. »Wir sind die prächtigen Walker-Jungs und haben unsere eigenen Überredungsmethoden. Wo sind die Pilger, die diese Passagen bezahlt haben?«

Die Stimme des Stationshalters klingt plötzlich ziemlich heiser, als er keucht:

»Macht hier keinen Stunk, Leute! Die Passagen sind gebucht. Ihr könnt niemanden zwingen, zurückzutreten!«

»Zwingen? Ah, ein hässliches Wort. Mach dir keine Sorgen, Fletcher! Wir werden die Gentlemen nur ganz höflich fragen und sie davon überzeugen, dass wir es wirklich eiliger haben. Also – wo stecken sie?«

»Frag ihn nicht!«, knurrt einer seiner Kumpane. »Ich habe die Figuren doch draußen auf der Veranda gesehen. Kommt, Jungs! Haha, wir werden die Höflichkeit in Person sein.«

Dann kommen die drei stämmigen Gestalten in Mitch Carsons Blickfeld. Die Rauflust blitzt den Burschen aus den Augen. Zunächst wenden sie sich den beiden Männern auf der Veranda zu. Von seinen beiden Partnern flankiert, baut sich der Wortführer vor dem Dürren auf, der daraufhin merklich den Kopf zwischen die Schultern zieht.

»Ich wollte nur fragen, ob es Ihnen etwas ausmacht, erst morgen mit der Vormittagspost zu fahren, Mister ...«

Mitch amüsiert sich darüber, wie der Adamsapfel am Hals des Angesprochenen auf und ab zu zucken beginnt, ehe er hervorwürgt: »Es ist mir wirklich sehr unangenehm, Gentlemen, aber meine Geschäfte in Sandy Creek sind sehr dringend. Bitte, verstehen Sie das nicht falsch, aber ...«

»Haben Sie sich das auch richtig überlegt, Mister?«, fragt der Sprecher der Miner. »Gerade bei den Geschäften soll man sehr besonnen vorgehen. Es ist doch beispielsweise viel besser, ein Geschäft einen halben Tag später abzuschließen, als dass einem durch unvernünftige Eile unterwegs ein Unfall zustößt und man sich dann für ein paar Wochen nicht mehr vor seinen Geschäftspartnern sehen lassen kann. Wenn Sie sich das alles vor Augen führen, kommen Sie doch sicher zu dem Schluss, dass ...«

Der Dürre springt so heftig auf, dass sein Stuhl umkippt und auf die sandbestreuten Bohlen der Veranda poltert.

»Nein«, keucht er. »Ich kann mir schon denken, was für ein Unfall gemeint ist, aber ich trete nicht zurück, damit Sie sich ein paar Stunden eher volllaufen lassen können. Ich bin ein freier Bürger und habe es nicht nötig, mich durch Drohung ...«

Sein nächster Laut ist nur noch ein Ächzen und Würgen, unterbrochen von dem Krach, mit dem er gegen die Wand poltert. Er hat die gespreizten Hände vor den Magen gepresst, und seine Augen drohen ihm aus dem Kopf zu quellen.

»Kannst du das verstehen, Sam?«, wundert sich einer der Burschen. »Du hast ihn doch nur ganz leicht angetippt, und da macht er so ein Theater.«

Mitch Carson weiß es besser. Er hat den vernichtenden Magenschwinger des bulligen Sam in jeder Phase beobachten können. Es war ein Schlag, geeignet, einen Mann vom Kaliber des Dürren in zwei Stücke zu zerbrechen. Nun, weit ist er davon auch nicht mehr entfernt. Der Schläger jedoch steht unbewegt vor ihm, betrachtet scheinbar erstaunt seine geballte Faust und starrt ihn dann unter zusammengezogenen Brauen an.

»Und wie ist es mit Ihnen, Mister?«, wendet er sich an den Borstenschädel, der ihm zweifellos als der gefährlichere Gegner erscheint.

Obgleich er bei seinem Gewicht eine faire Chance hätte, krümmt sich der Rothaarige auf seinem Stuhl zusammen, als ob er den Schlag in den Magen bekommen hätte. Sekundenlang spannen sich die Muskeln und Sehnen an seinem Hals, aber dann senkt er unter dem harten Grinsen der drei rauflustigen Burschen den Kopf und krächzt heiser:

»Äh, ich – ich habe noch etwas Zeit. Es kommt mir wirklich nicht darauf an, ob ich heute oder morgen fahre.«

»Ein vernünftiger Mann«, kichert der mit Sam Angesprochene, blickt auf den Dürren und setzt hinzu: »Nehmen Sie sich ein Beispiel daran, Mister! Na, wie ist es, haben meine Gründe Sie überzeugt?«

Der Dürre ist noch so sehr in Not, dass er kein Wort hervorbringt. Sein faltiges Gesicht ist gramvoll verzerrt. Nachdem er zweimal vergebens den Mund geöffnet hat, beschränkt er sich auf ein ergebenes Nicken.

»Na also!« Satte Befriedigung klingt aus dem Tonfall von Sam. »Da hätten wir also unsere drei Passagen.«

Er wendet sich ab und will zusammen mit seinen Kumpanen in den Schankraum zurückkehren, als hinter ihm eine sanfte Stimme erklingt.

»Zwei, Mister! Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber ich bin von Ihren Argumenten noch nicht überzeugt, und deshalb möchte ich meinen Platz in der Kutsche gerne behalten, wenn es recht ist.«

»Stoß diesem komischen Pilger die Zähne in den Hals, Sam!«, zischelt hinter dem Bullen einer seiner Kumpane giftig.

»Wartet noch«, murmelt Sam beinahe geistesabwesend und streckt abwehrend eine Hand zur Seite. »Vielleicht haben wir uns verhört – oder er will sich noch rasch entschuldigen und sich die Sache anders überlegen, ehe ich ihn zu Frikassee verarbeite.«

»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht einmal versuchen, Mr. Muskelprotz«, erwidert Mitch Carson ruhig. »Ich kann in einem solchen Fall ausgesprochen gehässig werden.«

Mit einem Wutschrei setzt sich Sam in Bewegung und stürmt vorwärts.

»Großer Vater, er schlägt ihn tot!«, ächzt der Dürre, anscheinend in Erinnerung an den Schlag, den er immer noch nicht ganz verdaut hat.

Bei Mitch Carson ist nur eine leicht schüttelnde Bewegung der rechten Hand zu erkennen, dann ein blitzschneller Schwung aus dem Handgelenk, und dem Bullen fliegt schattenhaft etwas entgegen.

Glück, Zufall oder Berechnung, das ist in der Kürze der Zeit nicht zu entscheiden, jedenfalls hat der vom sinnlosem Zorn erfüllte Angreifer das Pech, mit einem Bein in die schwirrende Schlinge zu geraten. Noch ist die ledergeflochtene Reata – das Lasso – locker, als erneut eine Handbewegung Mitchs erfolgt. Geschickt schleudert er das ausgerollte Leder um den Haltebalken. Dann macht er zunächst gar nichts mehr.

Sam hat natürlich erkannt, dass sein linkes Bein in der Schlinge sitzt, aber was bedeutet das schon, wenn er auf diesen Burschen losstürmt? Er wird ihn im Tränketrog ersäufen.

Seinen Irrtum erkennt er erst, als es bereits zu spät ist. Denn plötzlich kommt der Zug von hinten – so stark, dass er sich fast das Bein ausrenkt, schwankt und mit wildem Gebrüll der Länge nach hinschlägt. Seine vorgereckten Fäuste liegen hilflos einen halben Fuß vor dem Tränketrog.

Im selben Moment beginnt Mitch seelenruhig, seine Reata wieder aufzuwickeln. Dies bereitet ihm augenscheinlich keine Mühen, aber die Wirkung ist erstaunlich. Da das geflochtene Leder von der Wade des Bullen zunächst zu dem weiter zurückliegenden Pfosten und erst von dort wieder zu Mitch verläuft, wird der keuchende Sam trotz allen Sträubens über den Boden geschleift und immer weiter von seinem Gegner fortgezogen. Das Ganze hat nicht mehr Zeit in Anspruch genommen, als dass ein zungengewandter Mann hätte bis zehn zählen können.

Dann haben die beiden Kumpane Sams die Schreckenssekunde überwunden und stürmen los. Scheinbar zufällig im gleichen Augenblick, da Sam wieder den Boden unter die Füße bekommt und sich aufrappelt. Scheinbar zufällig – denn die Berechnung, die dahintersteckt, zeigt sich erst, als die beiden Schwergewichte ihren Partner erreicht haben. Da gibt es nämlich erneut einen Ruck, und Sam legt sich quer vor die Füße seiner Hilfstruppe. Das Durcheinander ist unbeschreiblich. Jetzt brüllen nämlich alle drei vor Wut, und da jeder zuerst aufspringen will, behindert jeder den anderen.

Langsam verzieht sich der Staub. Und als die Kerle endlich wieder auf die Beine kommen, sehen sie ihren Gegner am Haltebalken lehnen. Er überprüft gerade den Sitz seiner beiden Halfter, rückt sie noch etwas zurecht und wirkt so harmlos wie zuvor. Nur um seine Mundwinkel herum haben sich zwei spöttische Falten eingegraben.

»Tja, was ich noch sagen wollte ...«, bemerkt Mitch harmlos, »ich glaube, die beiden anderen Gentlemen haben es sich inzwischen auch noch einmal überlegt und möchten doch schon heute mitfahren. Und da euch mit zwei Plätzen ja doch nicht gedient wäre, werdet ihr doch sicher dafür Verständnis haben, nicht wahr, Freunde?«

Hilflos zuckt der bullige Sam die Achseln. »Natürlich, Mister«, erwidert er kläglich. »Was sollen drei Burschen wie wir schon mit zwei Plätzen? Und das Bier hier ist gar nicht mal schlecht. Was haltet ihr davon, Jungs, wollen wir erst morgen fahren?«

Mit verlegenem Lächeln nicken die anderen zustimmend. Auch sie sind von der Erscheinung dieses Fremden förmlich hypnotisiert. Diesem falkengesichtigen Burschen ist es durchaus zuzutrauen, dass er noch ganz andere Tricks beherrscht.

✰✰✰

Eine Viertelstunde später sitzt Mitch in einer Ecke des Schankraums und beschäftigt sich hingebungsvoll mit einem Steak, auf dem als besonderer Pfiff noch zwei Spiegeleier liegen. Dazu gibt es zwar nur Weißbrot, aber er ist zufrieden. Als er schließlich die Reste des Eigelbs mit einer Brotkruste vom Teller wischt, kommt der Stationshalter mit seinem Buch heran.

»Ich muss Sie noch eintragen, Mister«, bemerkt er augenzwinkernd und äugt dabei zu einer anderen Ecke hinüber, wo sich die drei vergnügungssüchtigen Bullen inzwischen mit einer Flasche Whisky trösten.

»Wie ist der Name?«

»Carson – Mitchell Carson ...«

Der Mann erstarrt, und obgleich Mitch die Worte ziemlich leise gesprochen hat, müssen sie auch an jenem anderen Tisch verstanden worden sein, denn auch dort verstummt plötzlich das Gespräch.

»Aus – aus El Paso?«, fragt der grauhaarige Fletcher erst nach einer Weile stockend und leckt seinen Kopierstift an.

Mitch Carsons Augen verdunkeln sich, als er rau erwidert:

»Nein, nicht mehr aus El Paso, sondern zurzeit ohne feste Adresse.«

Hastig kritzelt der Stationshalter den Namen in sein Buch und fragt schließlich, ohne dabei aufzublicken:

»Wie soll ich es mit Ihrem Hengst halten, Mar ... Mr. Carson?«

Mitch greift zur Brusttasche und zieht eine abgegriffene Ledermappe hervor.

»Ich lasse Ihnen zwanzig Dollar hier, Fletcher. Wenn Bayos Huf wieder in Ordnung ist, schicken Sie ihn mir nach Sandy Creek. Nur für den Fall, dass sich daran etwas ändern sollte, werde ich Ihnen eine Nachricht geben.«

»Ich werde mich selbst um ihn kümmern«, versichert der Graukopf, streicht eilig das Geld ein und geht davon. Gleich darauf kommt die Nachmittagspost in den Hof gefahren. Der Fahrer hat einige Mühe, das Sechsergespann zur Ruhe zu bringen, während der Begleitfahrer vom Bock springt, den Wagenschlag öffnet und laut ruft:

»Plane Rock, Ladies and Gents! In fünf Minuten geht es weiter!«

Als Mitch Carson auf die Straße hinaustritt, steht die Post zur Abfahrt bereit. Er reicht seinen Sattel samt dem daran befestigten Bündel und den Satteltaschen dem Begleiter, der auf das Dach der Kutsche geklettert ist, um das Gepäck der neu hinzugekommenen Fahrgäste fachgerecht zu verstauen.

Mitch hat Gelegenheit, durch den geöffneten Schlag einen Blick in die Kutsche zu werfen. Die beiden Burschen, die auf so merkwürdige Weise und ganz ohne eigenen Verdienst wieder zu ihrer Passage gekommen sind, haben bereits Platz genommen. Jetzt kommt auch der Fahrer der Post aus dem Schankraum gerannt, und auch Mitch ist im Begriff, einzusteigen, als er noch einmal stockt.

Für einen Augenblick hält er den Atem an, tritt vom Wagenschlag zurück und wendet sich zur Seite. Aus schmalen, bewundernden Augen blickt er dem Mädchen entgegen, das herangeschritten kommt. Ja, sie schreitet, aber dennoch hat ihr Gang nichts Steifes oder Gezwungenes an sich. Ihre Haltung und ihre Art, den Kopf zu tragen, während ihr die Blicke der Männer folgen, zeugen von Zurückhaltung und natürlichem Stolz, der nichts mit Überheblichkeit oder Hochmut gemein hat.