H. C. Hollister 37 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 37 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Ein dunkles Geheimnis umgibt das verwitterte, graue Fort Kennan, das als Armeeposten aufgegeben wurde und jetzt als Frachtstation Webb Wetherbys Verwendung findet. Nach außen hin erscheint er als der harte Boss, doch jene Menschen, die mit ihm in der Station leben, haben längst erkannt, dass die Furcht vor irgendwelchen Dingen aus der Vergangenheit sein ganzes Leben beherrscht.
Und eines Tages taucht die Vergangenheit wieder auf, als drei harte, verwegene und skrupellose Burschen nach Medicine Lodge kommen und durch Drohung und Gewalt ihr vermeintliches Recht erzwingen wollen. Habgier, Grausamkeit und eiskalte Berechnung lassen das Leben in der Station zur Hölle werden. Und nachdem das Geheimnis offenbar geworden ist, droht ein Inferno über die Stadt hereinzubrechen ...


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Inhalt

Cover

Rechnung ohne Wirt

Vorschau

Impressum

Rechnung ohne Wirt

Ein dunkles Geheimnis umgibt das verwitterte, graue Fort Kennan, das als Armeeposten aufgegeben wurde und jetzt als Frachtstation Webb Wetherbys Verwendung findet. Nach außen hin erscheint er als der harte Boss, doch jene Menschen, die mit ihm in der Station leben, haben längst erkannt, dass die Furcht vor irgendwelchen Dingen aus der Vergangenheit sein ganzes Leben beherrscht.

Und eines Tages taucht die Vergangenheit wieder auf, als drei harte, verwegene und skrupellose Burschen nach Medicine Lodge kommen und durch Drohung und Gewalt ihr vermeintliches Recht erzwingen wollen. Habgier, Grausamkeit und eiskalte Berechnung lassen das Leben in der Station zur Hölle werden. Und nachdem das Geheimnis offenbar geworden ist, droht ein Inferno über die Stadt hereinzubrechen ...

Als Reece Wetherby den Store in Medicine Lodge betritt, gerät er in ein ziemliches Durcheinander. Schon draußen auf der Straße hat er bemerkt, dass Hochbetrieb herrscht, wie das am Wochenende nun einmal üblich ist.

Reeces Augen überfliegen das Menschengewimmel und suchen Ellen Marks, die gerade damit beschäftigt ist, einen Ballen Kattunstoff vor zwei Frauen auszurollen.

Als sie jetzt zu Reece herüberblickt, nickt sie ihm freundlich lächelnd zu, eine Geste, die bei ihm sofort ein verlegenes Erröten zur Folge hat. Amüsiert kräuseln sich ihre Lippen, doch es liegt kein Spott darin, sondern lediglich harmlose Erheiterung über seine offensichtliche Schwärmerei. Reece Wetherby würde wahrscheinlich noch viel länger hinüberstarren, wenn er nicht in diesem Augenblick am Ärmel gezupft würde und eine helle und piepsige Stimme neben ihm sagte:

»Hallo, Mister Träumer, ich bin auch noch da. Was steht zu Diensten?«

»Ach du, Jenny«, sagt der junge Mann etwas enttäuscht und blickt den dünnbeinigen Backfisch an, der sich neben ihm so hoch wie möglich emporreckt.

»Ja, ich bin es bloß«, entgegnet Jenny Marks, Ellens jüngere Schwester, schnippisch. »So sag' schon, was du willst! Du siehst doch, dass wir alle Hände voll zu tun haben! Charlie und Ben sind heute Morgen noch nicht aus dem Schwitzen herausgekommen, und Ellen hat schon zwei Ladezettel für dich geschrieben.«

Die Kampfeslust funkelt förmlich in ihren Augen, als sie die Hände in die Seiten stemmt und ihn herausfordernd anblitzt. Sie trägt engsitzende Levishosen und eine Bluse, deren Ärmel hochgekrempelt sind. Ihr Haar wird am Hinterkopf durch ein Samtband gehalten. Die Frisur, die dadurch entsteht, ist einem lockigen Pferdeschweif sehr ähnlich. Reece jedenfalls sieht sich bei ihrem Anblick zu einem breiten Grinsen veranlasst.

»Hallo, Kamerad«, murmelt er und wirft einen anzüglichen Seitenblick auf ihre Hosen und die in Mokassins steckenden Füße. »Hast du dich heute Morgen schon rasiert? Wenn ja, dann hast du die Haare auf deinen Zähnen sicherlich vergessen.«

Für einen Augenblick wird sie unsicher.

»Spiele dich nur nicht so auf, Mister! Vorläufig kannst du dich auch noch mit einem rauen Handtuch und einer Nagelschere rasieren. Im Übrigen weißt du ja noch nicht einmal, dass man eine Lady höflich zu behandeln hat.«

»Lady?«, sagt er entgeistert und blickt sich suchend um. »Ich sehe keine Lady. Nur einen Lausebengel, der mit großen Tönen um sich wirft. Was ist das doch hier für eine miserable Bedienung!«

Sekundenlang ringt sie nach Atem, und kalter Zorn glimmt in ihren Augen.

»Du Scheusal!«, keucht sie dann. »Ich werde Ben sagen, dass er dir einmal die Hochnäsigkeit aus dem Leib prügeln soll. Also noch mal: was soll es sein, Mister, damit ich Sie möglichst rasch loswerde?«

Reece erkennt, dass ein mahnender Blick Ellen Marks' an der Eile ihrer jüngeren Schwester nicht ganz unschuldig ist. Immerhin gibt es ja mehr als ein Dutzend Leute im Laden, die bedient werden wollen.

»Ich möchte eine Schachtel achtunddreißiger Munition und ein Päckchen Tabak«, sagt er würdig.

Jenny geht zu einem Regal und holt die verlangten Sachen. Als sie beides vor Reece auf den Tisch legt, kann sie sich jedoch nicht die spöttische Frage verkneifen:

»Vielleicht auch eine Rolle Schnur, Mister?«

Prompt geht Reece in die Falle.

»Wieso?«, fragt er verdutzt.

Höhnischer Triumph leuchtet aus Jennys Miene, als sie trocken erwidert:

»Damit du dir beim Rauchen die Hosen zubinden kannst, Reece. Vor Unfällen kann man sich gar nicht genug in Acht nehmen.«

Sie reckt die Nase in die Höhe, funkelt ihn spöttisch an und wartet ansonsten auf seine Reaktion. Sie besteht zunächst aus finsterem Schweigen. Reece wird jedoch durch brüllendes Lachen in seiner Überlegung gestört. Giftig wendet er sich um und sieht sich drei Burschen gegenüber, die offenbar Zeugen seiner Blamage geworden sind.

Es handelt sich um stoppelbärtige Gestalten – Fremde, wie Reece mit einem Blick feststellt. Einer von ihnen ist ein massiger Bursche, dunkelhaarig und mit groben Gesichtszügen. Auf dem linken Auge trägt er eine schwarze Klappe, doch dafür scheint sich alle Ausdruckskraft in das andere Auge verlagert zu haben. Es glüht wie ein Stück Kohle, und jetzt tanzen spöttische Funken darin. Die drei obersten Knöpfe seines nicht mehr sauberen Hemdes sind nicht geschlossen. Der breite Ausschnitt gibt den Blick auf eine behaarte Brust frei. Der Bauch wölbt sich weit vor, und offenbar hat der Mann einige Mühe, seinen Kreuzgurt mit den zwei schweren Colts in der richtigen Höhe zu behalten.

Einer seiner Begleiter ist klein, dunkelhäutig und hat ein schlaues Fuchsgesicht. Im Verhältnis zu seiner Größe erscheinen seine Arme viel zu lang. Er trägt den Colt tief an der rechten Seite in einem weit ausgeschnittenen Halfter, wie Reece es noch nie zu Gesicht bekommen hat.

Der dritte Bursche des Kleeblatts ist hager und langaufgeschossen. Sein Haar und seine Brauen sind sandfarben. Zwischen den schmalen Schultern wächst ein dürrer Hals empor, der dort, wo der Kehlkopf vorspringt, einen deutlichen Knick aufweist. Sein Kinn ist zurückfliehend und wirkt geradezu lächerlich im Verhältnis zu der scharfen Geierschnabelnase, die zusammen mit den eng beieinanderstehenden, farblosen Augen das ganze Gesicht beherrscht. Dieser Mann beteiligt sich nicht an dem lauten Lachen. Lediglich sein schmallippiger Mund kräuselt sich zu einem müden Grinsen.

Reece ist nicht gerade erbaut von dem Heiterkeitserfolg, den Jennys Bemerkung hervorgerufen hat. Mit finsterem Gesicht mustert er die drei, und als deren Lachen immer noch nicht aufhört, bemerkt er bitterböse:

»Wenn Sie unbedingt lachen wollen, dann machen Sie sich doch Ihren eigenen Spaß, Gents. Manche Leute sind darin empfindlich, und dann gibt es meistens Verdruss.«

Er sagt sich im selben Augenblick, dass er in seinem Ärger mit diesen Worten zu weit gegangen ist, doch jetzt sind sie nicht mehr zurückzunehmen.

Das meckernde Lachen des Fuchsgesichtigen verstummt, und der Einäugige presst die wulstigen Lippen aufeinander. Nur der Geierschnabel behält sein müdes Grinsen bei und scheint völlig unbeteiligt.

»Sieh an«, grollt der Einäugige, »so ein junger Hahn, doch er kann schon krähen!«

Der Fuchsgesichtige lässt sich mit schriller Falsettstimme vernehmen:

»Wieso wird in diesem lausigen Store eigentlich schon an Halbwüchsige Coltmunition verkauft? Findest du nicht auch, dass das verboten werden müsste, Jake?«

Wie unter einem Peitschenhieb zuckt Reece zusammen. Er hat sich noch nicht so sehr in der Gewalt, dass er sein Erschrecken verbergen könnte. »Jake« hat dieser kleine Giftzwerg gesagt, und seine Worte sind ganz offensichtlich an den Einäugigen gerichtet. Reece verspürt plötzlich ein seltsames Gefühl in den Kniekehlen. Diese Burschen sind ein böses Rudel – Satteltramps oder schlimmeres. Und dieser einäugige Jake ist zweifellos der Anführer, wenn ihm auch die anderen nicht viel nachstehen. Reece beginnt zu ahnen, dass hier eine Gefahr auf ihn zukommt, der er nicht gewachsen ist, und er verflucht es, an diesem Vormittag in die Stadt gegangen zu sein. Er ist versucht, widerspruchslos das Feld zu räumen, doch dann sagt er sich, dass das erst recht auffallen würde. Und so entgegnet er leichthin:

»An Halbwüchsige, die schießen können, wird hier schon Munition verkauft, Mister. Und wenn Sie sich mit hinaus bemühen wollen, werde ich Ihnen gern beweisen, wie gut ich schießen kann.«

»Willst du mir drohen, Bursche?«, knirscht der Fuchsgesichtige.

»Wieso?«, murmelt Reece scheinbar verständnislos. Dann grinst er und schnauft: »Aah, Sie meinen, ich wollte mich mit Ihnen schießen? Nein, Mister. Ich hätte es natürlich nur an einer Blechbüchse bewiesen.«

Der kleine Revolvermann setzt zu einer scharfen Erwiderung an, doch da fährt unvermittelt Jenny Marks dazwischen, der klar geworden ist, dass sie ungewollt den Anlass zu diesem Streit gegeben hat. Jetzt, da sie Reece Wetherby in Gefahr sieht, bezieht sie gleich Stellung für ihn und faucht:

»Lassen Sie Reece in Ruhe, Mister! Er lässt sich nicht gern auslachen, das ist alles!«

»Hast du es gehört, Barney?«, spottet der Einäugige. »Diese kleine Lady wird dir die Augen auskratzen, wenn du dich an ihrem großmäuligen Freund vergreifst.«

»Das ist mir verdammt egal«, gibt der Angesprochene giftig zurück. »Dann werde ich eben zuerst diesen Grünschnabel zurechtstutzen und anschließend die Göre übers Knie legen.«

Schon ist Reece im Begriff, auf diese unverblümte Drohung zu antworten, als sich plötzlich der Geierschnabel zu Wort meldet, der die ganze Zeit unbeteiligt geblieben war und ihn nur aus ausdruckslosen Augen angestarrt hat.

»Nimm dir Zeit, Barney«, sagt er heiser. »Ich meine nämlich, dieser junge Bergkater hier wäre einen Blick wert. Seht ihn euch doch mal genau an! Findet ihr nicht, dass er einem alten Bekannten von uns sehr ähnlichsieht?«

Jakes eines Auge richtet sich durchdringend auf Reece. Ein Zucken geht über seine wulstigen Lippen, dann schnauft er verblüfft:

»By Jove, Hackett, du hast recht! Er ist wirklich einem alten Bekannten wie aus dem Gesicht geschnitten – so sehr, dass man es nicht für einen Zufall halten kann. Ich schätze, wir sollten der Sache auf den Grund gehen, vor allem da es sich ja um einen lieben Freund handelt.«

Reece möchte in diesem Augenblick in den Boden versinken, zumal er sich jäh an die angsterfüllten Träume seines Vaters erinnert. Oft hatte Reece ihn im Schlaf sprechen hören, wobei er einmal sogar entsetzt aufschrie und von einem einäugigen Jake phantasierte. Wenn Reece auch nur die geringsten Zweifel hatte, dass es sich hier um eben diesen einäugigen Jake handelt, so sind sie jetzt endgültig beseitigt. Er weiß selbst, wie sehr er Webb Wetherby ähnlichsieht.

»Ich werde schon herausfinden, was es mit der Ähnlichkeit auf sich hat«, knirscht der fuchsgesichtige Barney Kim und kommt mit gespreizten Schritten näher.

Als er sich vor Reece aufgebaut hat, führt er den Satz zu Ende: »Und wenn ich mit dieser Rotznase fertig bin, dann ...«

»In meinem Store gibt es keine Prügeleien!«, ruft Ellen Marks scharf. »Hört auf damit, oder ich lasse auf der Stelle den Marshal holen!«

Diese Drohung scheint auf Barney Kim und auch auf seine Partner ernüchternd zu wirken. Der Giftpilz zieht den Kopf ein, senkt die Fäuste und geht einen Schritt zurück.

In diesem Augenblick geschieht es. Das kurze Zögern Kims und das verlegene Grinsen des Einäugigen hat eine der im Store befindlichen Ladies Mut schöpfen lassen. Mit bemerkenswerter Zungenfertigkeit keift sie:

»Schämen Sie sich! Drei erwachsene Männer, die sich gegen einen Jungen stellen!«

Sogleich geben auch andere Damen durch ihre vorwurfsvolle Haltung zu erkennen, dass sie sich in der Überzahl stark genug fühlen, um diesen drei hartbeinigen Kerlen die Stirn zu bieten.

Geistesgegenwärtig reißt sich der einäugige Jake den Hut vom Schädel, deutet einen Kratzfuß an und zeigt seinen Sinn für taktisch richtiges Vorgehen, indem er sich mit säuerlichem Grinsen verteidigt:

»Wir bitten um Vergebung, Madam. Eine kleine Entgleisung – Sie verstehen schon: die Jugend von heute ...«

Reece weiß später nicht mehr zu sagen, wie er den Store verlassen hat. Doch jetzt, auf seinem Rückweg zur Frachtstation, wird er von schlimmsten Zweifeln geplagt. Wieder und wieder fragt er sich, ob er von seiner Begegnung erzählen soll. Er müsste dann zugeben, dass er die lautstarken Träume seines Vaters gehört hat. Und da er dessen misstrauische und unbeugsame Art ihm gegenüber kennt, würde zweifellos sofort die Vermutung daran geknüpft, dass er womöglich sogar gelauscht hätte.

Mit einem Mal macht Reece eine grimmige Feststellung. Wenn dieser einäugige Jake der Mann ist, vor dem sich Webb Wetherby offensichtlich fürchtet, dann werden jetzt einige Dinge in Fluss geraten. Reece entschließt sich daher, seine Begegnung vorerst zu verschweigen.

✰✰✰

Der gesamte Komplex der Frachtstation ist von Palisaden umgeben. Ställe, Wagenschuppen und das langgestreckte Schlafhaus der Frachtfahrer samt dem Küchenanbau sind aus Holz errichtet. Nur das massive Stationsgebäude hat einen Steinsockel, in den mächtige Balken eigemauert sind. Zusammen mit den Korrals für Maultiere und Pferde umfasst das Areal eine Fläche von etwa einem halben Hektar.

Die Gebäude sind von einer zehn Fuß hohen Palisadenwand umgeben, an deren Innenseiten sich regelrechte Bastionen befinden. Neben dem schweren Tor gibt es sogar einen Wachturm. Es hatte eine Zeit während der Indianerkriege gegeben, da war die Anlage als Fort Kennan bekannt. Später allerdings hatte die Armee den Posten aufgegeben, und Webb Wetherby hatte das verlassene Gebäude gegen ein geringes Entgelt erworben. Auch der Grund und Boden auf zweihundert Yards im Umkreis gehörte dazu, und so kommt es, dass dieses Geisterfort noch immer alleinsteht, grau und verwittert, während sich etwa eine halbe Meile entfernt die Stadt Medicine Lodge entwickelt hat.

Drei Frachtwagen sind am Morgen bereits in Wetherbys Station eingetroffen. Die Fahrer sind damit beschäftigt, ihre Maultiere in den Korral zu treiben. Vier Tage waren sie nach Dodge City unterwegs und werden jetzt einen Rasttag einlegen, um dann nach Wichita oder Wellington weiterzufahren. Vom Hufnagel bis zur Schmierseife und vom Bauholz bis zum Kleiderstoff erledigen diese Wagen den Frachtverkehr zwischen Medicine Lodge und den anderen Städten des westlichen Kansas, die teilweise bereits über eine Bahnverbindung verfügen, da die große transkontinentale Eisenbahnlinie immer weiter vorangetrieben wird und sich immer mehr den Rocky Mountains nähert. Nur Medicine Lodge liegt weitab von dieser großen Verkehrsader und wird noch lange Jahre seine Waren mit großen Merville-Frachtwagen heranschaffen oder zu den Bahnstationen transportieren.

Den Vormittag verbringt Reece mit dem Herrichten zweier Wagen, die am Montag für Ellen Marks' Store die Fuhren erledigen sollen. Beim Mittagessen bleibt er schweigsam und reagiert nicht auf die üblichen Annäherungsversuche der schlangengleichen und schwarzhaarigen Donna Clayton, der Frau an Webb Wetherbys Seite. Zwischen Webb Wetherby und seinem Sohn wird aufgrund einer Auseinandersetzung am Vorabend kein einziges Wort gewechselt, bis der Alte schließlich seine eigene Verlegenheit überspielt und sagt:

»Was war in der Stadt? Gibt es Anfang der Woche Arbeit für den Store?«

Reece erwidert widerwillig: »Zwei Ladezettel hat Ellen Marks schon fertig. Vielleicht kommt im Laufe des Tages noch etwas hinzu. Ich habe die Wagen schon vorbereitet.«

»Und sonst?«

Reece horcht auf. Bildet er es sich nur ein, oder liegt in den Worten des Vaters tatsächlich Misstrauen und Argwohn verborgen? Er senkt die Blicke auf den Teller und sagt rau:

»Nichts sonst. Ich hatte einen kleinen Streit mit drei Satteltramps, aber das interessiert doch wohl niemand.«

Ein Grunzlaut Webb Wetherbys ist die einzige Erwiderung. An seiner Stelle schaltet sich wieder die Frau ein, schürzt die Lippen und gurrt:

»Wir ziehen im Schoß der Familie einen Helden auf, Webb. Drei gegen einen – und er hat nicht einmal was abbekommen.«

Reece krampft die Hände um das Besteck, wendet sich mit zornig blitzenden Augen Donna Clayton zu und entgegnet mit beißender Ironie:

»Du wirst lachen, Donna: ich habe wahrhaftig ›Familie‹ verstanden. Was mich betrifft, so verzichte ich gern auf die Ehre, dazugerechnet zu werden.«

»Jetzt ist es aber genug!«, faucht der Alte und legt die Hände bedrohlich auf die Armlehnen seines Holzsessels.

»Yeah, das finde ich auch«, murmelt Reece verbissen, schiebt seinen Teller zurück, erhebt sich und geht mit steifen Schritten hinaus. Doch kaum befindet er sich vor der Tür, als er erstarrt. Er sieht zwei Reiter in den Hof einbiegen, absitzen und ihre Pferde am Haltebalken anbinden. Und diese Reiter sind – der einäugige Jake und Barney Kim, der kleine, dunkelhäutige Revolvermann. Auch sie haben Reece erkannt und grinsen herüber. Reece wendet sich noch einmal zur Tür zurück und sagt:

»Es gibt Besuch. Wenn ich nicht sehr irre, gilt er dir, Dad.«

Seine Stimme ist so eigenartig, dass der Alte von seinem Sitz emporfährt, hastig nach seinem Revolvergurt greift und auf die Veranda hinaustritt. Hier scheint er gegen ein unsichtbares Hindernis zu prallen, so plötzlich stockt er.

Reece sieht, wie seine Hand zum Revolver zuckt, doch da klingt bereits die spottgeladene Stimme des Einäugigen:

»Das solltest du besser bleiben lassen, Webb! Wir sind auch ganz schön schnell mit dem Eisen. – Aah, du hast uns sicher noch nicht richtig erkannt. Wir sind es – deine alten Freunde Jake Findley und der prächtige kleine Barney Kim. Sag' doch selbst, ist das nicht eine Freude, alte Partner nach so langer Zeit wiederzutreffen?«

Webb Wetherbys Gesicht verwelkt innerhalb weniger Sekunden. Er atmet schwer und scheint sich nicht vom Fleck rühren zu können.

Grinsend warten die beiden Männer auf eine Antwort. Barney Kim wippt herausfordernd auf den Zehenspitzen und verlagert sein Gewicht nach vorn, als ob er immer noch mit der Möglichkeit rechne, dass Webb Wetherby zur Waffe greifen könnte. Jake Findley – der einäugige Jake – hat die Daumen hinter den Kreuzgurt gehakt und das Kinn vorgeschoben.

Schlagartig hat Wetherby seine Erstarrung überwunden. So rasch fährt seine Hand zur Hüfte, dass die beiden Strolche glatt überspielt werden. Noch ehe sie reagieren können, blicken sie in die dunkel drohende Mündung seines Revolvers.

Doch selbst jetzt gibt der Einäugige seine selbstsichere Haltung nicht auf, grinst und bemerkt trocken:

»Ich sehe, du hast es noch nicht verlernt, Webb. Es wäre nur wirklich dumm von dir, wenn du die Angelegenheit auf diese Weise bereinigen wolltest. Wir haben nämlich zur Vorsicht Tom Hackett in der Stadt zurückgelassen. Wie peinlich für dich, wenn er auf die Idee käme, einige Dinge auszuplaudern. Überlege es dir also noch einmal.«

Immer noch steht es auf des Messers Schneide. Webb Wetherby sieht mit seinem blaurot angelaufenen Gesicht jetzt ganz so aus, als ob er jeglichen Vernunftgründen unzugänglich wäre.

Zu allem Überfluss meldet sich vom Korralzaun her noch Aberdeen – kein Mensch kennt seinen wirklichen Namen. Er hat eine dürre und gebeugte Gestalt, und sein faltiges Gesicht ähnelt einen grämlichen alten Jagdhund.

»He, Webb, wenn es Verdruss geben sollte, wird er für diese Burschen am schlimmsten sein. Sage es nur, wenn ich sie in Stücke blasen soll!«

Aberdeen hat eine Schrotflinte über die oberste Stange gelegt und visiert mit melancholischem Gesicht über den Lauf, während hinten auf dem Hof zwei Frachtfahrer aufmerksam geworden sind und ebenfalls mit Gewehren herankommen.

Dieser Aufmarsch scheint Wetherby zur Besinnung zu bringen.

»Also – was wollt ihr?«, krächzt er heiser und kann nicht verhindern, dass seine Hand mit dem Colt zu zittern beginnt.

Jake Findley scheint die Frage überhört zu haben. Selbst die bedrohliche Situation kann ihn nicht erschüttern, denn er blickt sich um und zwinkert mit seinem einen Auge seinem kleinen Begleiter zu.

»Einen hübschen Laden hat sich unser Freund hier aufgebaut, findest du nicht auch, Barney?«

Schrill gibt der Giftpilz zurück:

»Sicher, es ist genau das, was wir uns schon immer gewünscht haben. Jake. Nur der Empfang gefällt mir nicht. Ob unser prächtiger Partner sich eigentlich schon überlegt hat, dass er seinen Betrieb auch rasch wieder loswerden könnte?«

Webb Wetherby kriecht bei diesen Worten förmlich in sich zusammen. Nur noch ein Schatten seiner selbst, von Furcht durchgerüttelt, entgegnet er:

»Ich werde euch dem Marshal in Medicine Lodge ausliefern, wenn ihr nicht augenblicklich verschwindet. Es gibt zwischen uns nichts mehr zu regeln.«