H. C. Hollister 38 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 38 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Sie sind vier Freunde: Dan Carmichel, der elegante Anwalt mit der undurchdringlichen Pokermiene, Steve Darlan, der immer zum Lachen bereite Sohn eines Großranchers, Cole Denbow, der lederhäutige Hilfssheriff von Chinook, und Mark Oliver, Besitzer der Broken Cross-Ranch. Trotz ihrer Gegensätze umschließt sie ihre Freundschaft wie ein unzerreißbares Band.
Einer von ihnen aber treibt ein falsches Spiel. Immer enger knüpft er insgeheim die Fäden des Netzes, das zur tödlichen Falle für Mark Oliver werden soll. Es ist ein Kampf im Dunklen, erbarmungslos und ohne Limit. Als Steve Darlan der Kugel eines geheimnisvollen Mörders zum Opfer fällt, sprechen die Verdachtsmomente gegen Mark Oliver, der nur mit knapper Not dem Strick einer lynchwütigen Menge entgeht.
Der Deputy-Sheriff verhilft Mark Oliver zu einer letzten Chance, doch muss dieser nicht zwangsläufig in einem Kampf unterliegen, wenn er noch nicht einmal seinen Gegner kennt?


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Inhalt

Cover

Broken Cross

Vorschau

Impressum

Broken Cross

Sie sind vier Freunde: Dan Carmichel, der elegante Anwalt mit der undurchdringlichen Pokermiene, Steve Darlan, der immer zum Lachen bereite Sohn eines Großranchers, Cole Denbow, der lederhäutige Hilfssheriff von Chinook, und Mark Oliver, Besitzer der Broken-Cross-Ranch. Trotz ihrer Gegensätze umschließt sie ihre Freundschaft wie ein unzerreißbares Band.

Einer von ihnen aber treibt ein falsches Spiel. Immer enger knüpft er insgeheim die Fäden des Netzes, das zur tödlichen Falle für Mark Oliver werden soll. Es ist ein Kampf im Dunklen, erbarmungslos und ohne Limit. Als Steve Darlan der Kugel eines geheimnisvollen Mörders zum Opfer fällt, sprechen die Verdachtsmomente gegen Mark Oliver, der nur mit knapper Not dem Strick einer lynchwütigen Menge entgeht.

Der Deputy-Sheriff verhilft Mark Oliver zu einer letzten Chance, doch muss dieser nicht zwangsläufig in einem Kampf unterliegen, wenn er noch nicht einmal seinen Gegner kennt?

Er ist ein Mann, der unter anderen Männern herausragt. Nicht so sehr durch seine körperliche Größe – in diesen Tagen gibt es in Chinook eine Menge Burschen, die noch höher als sechs Fuß sind – sondern durch seine kühle und besonnene Art, sich zu bewegen, zu sprechen oder irgendwelche alltäglichen Dinge zu tun, die bei ihm besondere Bedeutung zu erlangen scheinen.

Dabei gibt sich Mark Oliver nicht die geringste Mühe, in seinem Auftreten anders zu sein als die anderen. Und doch trennt ihn immer ein deutlich erkennbarer Abstand von den ihn umgebenden Menschen. Wilde Burschen werden in seiner Gegenwart zahmer, und die haarsträubenden Geschichten und Witze, die während dieser Tage in Chinook im Umlauf sind, nehmen – wenn sie ihm erzählt werden – gemäßigtere Formen an.

Trotzdem ist Mark Oliver keineswegs das, was man einen Musterknaben nennt. Im Kreise seiner Freunde wird er niemals zurückstehen, wenn es gilt, irgendwelchen übermütigen Unfug anzustellen.

Als die hübsche Toby Darlan den großen Saal des Wind Cave Saloons betritt und Mark Oliver an der Bar erkennt, werden ihr all diese Dinge wieder bewusst. Wie oft hat sie schon darüber nachgedacht, wo die Scheu herrührt, die manche Leute vor ihm empfinden. Liegt es an seinen kühlen graugrünen Augen, die zu seinem aschblonden, fahlen Haar so seltsam kontrastieren? Oder an der Straffheit seiner Haltung, die dennoch immer ungezwungen und ungekünstelt wirkt? Oder ist es der innere Abstand, den er zu allen Dingen zu haben scheint?

Sie sieht ihn gerade mit Sandy Nichols sprechen, dem jüngsten seiner vier Weidereiter. Man hat nicht den Eindruck, dass er jemals den Boss herauskehren könnte. Wo andere Befehle geben, bittet er freundlich oder erteilt ruhige Anweisungen. Aber Toby braucht nur einen Blick in das Gesicht des schlaksigen Jungen zu werfen, um zu erkennen, dass jedes Wort und jeder Ratschlag Mark Olivers für ihn ein unumstößliches Gebot darstellt.

Am erstaunlichsten aber erscheint es Toby Darlan, dass sich sogar ihr Vater, Wesley Darlan, der sich sonst von niemandem hinsichtlich der Leitung seiner großen Shamrock-Ranch reinreden lässt, gern mit Mark Oliver über aktuelle Dinge der Viehzucht unterhält. Auch scheut er sich nicht, Mark gegenüber offen einen Irrtum einzugestehen, während er jedem anderen gegenüber starrköpfig auf seiner Meinung beharren würde.

Mit diesem Gedanken mischt sich Toby unter die Männer an der Bar und stellt fest, dass alle Freunde Mark Olivers hier versammelt sind. Steve, ihr Bruder, ist da. Seine breitschultrige Gestalt überragt alle anderen, und sein krauses dunkles Haar ist nicht zu übersehen. Er hat ein breitflächiges Jungengesicht, und von seinem Mund könnte man meinen, dass er nur durch das viele Lachen so breit geworden ist.

Als krasser Gegensatz dazu steht dicht neben ihm Dan Carmichel, schlank, geschmeidig und dunkel gekleidet, wie es seinem Anwaltsstand entspricht. Nicht ganz standesgemäß hingegen ist sein weicher schwarzer Hut, den er zumeist weit auf dem Hinterkopf trägt. Böse Zungen behaupten, dass er dadurch nur sein schimmerndes blauschwarzes Haar besser zur Geltung bringen will.

Toby hält das für eine ausgesprochene Böswilligkeit. Dan Carmichel hat es nicht nötig, sich in irgendeiner Form hervorzuheben. Er ist ein hübscher Mann und unter den Junggesellen Chinooks neben Mark Oliver zweifellos die beste Partie.

Doch nicht nur im Hinblick auf seine Statur bildet er einen Gegensatz zu Steve Darlan. In einem weiteren Punkt wird dieser Unterschied deutlich: Während Steve laut und schallend lacht, sodass seine Umgebung angesteckt wird, zeigt der Anwalt lediglich ein blitzendes Lächeln. Seine blendenden Zahnreihen nehmen sich hierbei ausgesprochen gut aus in dem dunkelhäutigen Gesicht. Man mag kaum glauben, dass Dan Carmichel den größten Teil des Tages in geschlossenen Räumen verbringt. Viel eher könnte man ihn sich auf einem Piratenschiff vergangener Jahrhunderte als Kapitän vorstellen. Doch andererseits – der korrekte und immer sorgfältig gekleidete Dan Carmichel als Pirat? Toby kann bei diesem Gedanken ein Lächeln nicht unterdrücken.

Dann ist da noch Cole Denbow mit seinem lederhäutigen, hageren und ständig grinsenden Nussknackergesicht, über dem sein roter Haarschopf wie eine Flamme lodert. Seinen Stern als Hilfssheriff trägt er nicht auf der Brust wie andere, sondern hat ihn links neben der Schnalle wie eine Trophäe am Revolvergurt befestigt, von dem links und rechts die beiden Halfter mit den schweren fünfundvierziger Colts tief herabhängen. So groß wie der Kolben der vertrauenerweckenden Waffen sind auch die Hände dieses Mannes, mächtig und starkknochig, mit rötlichem Haarwuchs auf dem Handrücken. Cole Denbow ist das, was man einen anständigen Burschen nennt. Wenn er Toby mit seinen blassblauen Augen anblickt, spürt sie seine Bewunderung und gleichzeitig seine Schüchternheit, die ihn daran hindert, auch nur mit einem einzigen Wort seine Verehrung zum Ausdruck zu bringen.

Mike Mulligan, der große, bullige Vormann der Shamrock-Ranch, ist sicherlich nur zufällig in diesen Kreis geraten. Sein Kinn ist breit und kantig, und eine beginnende Stirnglatze lässt ihn wesentlich älter erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. In dieser Gesellschaft wirkt er unbeholfen und fehl am Platz.

Sandy Nichols, der siebzehnjährige Weidereiter Mark Olivers, erscheint mit seinen eckigen Bewegungen, den langen dünnen Beinen sowie seinen abfallenden Schultern wie ein ungelenkes Fohlen. Doch dieser Eindruck täuscht. Toby Darlan weiß ganz genau, dass dieser Junge einer der besten Reiter des Landes ist, und er verfügt über jenen sicheren Instinkt, den ein Reiter braucht, wenn er mit seinem Pferd Höchstleistungen erzielen will. Das ist neben seinem geringen Körpergewicht sicherlich auch der Grund, weshalb Sandy Nichols beim Abschlussrennen dieser zwei turbulenten Tage in Chinook das Pferd der Broken-Cross-Ranch reiten wird.

Unter den vielen Männern an der Bar ist Toby unbemerkt geblieben, doch nun wendet sich Dan Carmichel halb zur Seite. Er hat seine typische Haltung eingenommen, den Rock an beiden Seiten zurückgeschlagen und die Daumen in die Taschen seiner grauen Weste gehakt. Obwohl er nicht zu Toby hinüberschaut, muss er sie aus den Augenwinkeln entdeckt haben, denn mit einem Mal strafft er sich, vollendet eine Drehung und verbeugt sich lächelnd in ihre Richtung. Dabei erkennt Toby wieder jenes Blitzen seiner Augen, bevor er rasch die Lider darüber senkt und mit undurchsichtiger Miene sagt:

»Nicht einmal dieser Schmerz bleibt mir heute erspart. Oh, Toby, warum kann man dich nicht einmal allein antreffen? Es ist grässlich, wenn man nur eine Nebenfigur bleibt, obwohl man viel lieber die Hauptrolle spielen möchte.«

Auch die anderen haben sich jetzt Toby zugewendet und lachen über die scheinbar schwermütigen Worte des Anwalts. Toby unterdrückt ihr Erröten, kichert ebenfalls und erwidert:

»Wer spielt denn nach deiner Meinung die Hauptrolle, die du so gern übernehmen möchtest, Dan?«

»Frauen sind manchmal grausam«, ächzt Dan Carmichel und legt theatralisch die Hand aufs Herz. »Muss ich es wirklich aussprechen, wer der Glückliche ist?«

Die Blicke, die daraufhin Mark Oliver zugeworfen werden, lassen diesen unbehaglich mit den Achseln zucken.

»Es wäre mir schon lieb, wenn ihr nicht einen solchen Wirbel machen würdet, Jungs«, entgegnet er mit einem schmalen Grinsen. »Ihr seht doch, dass es der Lady unangenehm ist.«

Die Stimmung ist schon derart ins Kraut geschossen, dass auch dieser Bremsversuch Mark Olivers nicht mehr viel nützt. Das beste Zeichen dafür sind die übermütig glitzernden Augen des sonst so zurückhaltenden Cole Denbow. Ehe sich jemand dessen versieht, hat er einen seiner Revolver herausgewirbelt, lässt ihn einen Salto schlagen und hält Toby den Kolben entgegen.

»Wenn Sie diesen Kerl für seine Unverfrorenheit erschießen wollen, leihe ich Ihnen gern meinen Revolver, Toby«, verkündet er dazu grinsend. »Aah, Sie sollten es sich wirklich noch einmal überlegen. Noch haben Sie die Wahl. Sehen Sie sich doch nur diesen dunkelhäutigen Indianer hier an. Er würde sich alle zehn Finger nach Ihnen lecken. Und überhaupt gibt es in dieser Stadt keinen Mann, dem Sie nicht mit einem einzigen Blick restlos den Kopf verdrehen könnten.«

Ja, Cole Denbow muss wirklich schon eine ganze Menge getrunken haben, denn Toby hat den rothaarigen Hilfssheriff noch nie so übermütig und redselig erlebt. Doch es sind nicht nur seine Worte, die sie irritieren, sondern auch die jähe Veränderung, die mit Dan Carmichel vor sich geht. Obwohl seine eigenen spöttischen Andeutungen in die gleiche Richtung zielten, wird dieser nun blass und beißt sich auf die Lippen, als auch Cole das so offen ausspricht. Denn dass dieser nur den Anwalt gemeint haben kann, steht für keinen der Anwesenden im Zweifel.

Ehe die Situation jedoch peinlich werden kann, hat sich Dan Carmichel schon wieder gefasst. Dennoch wirkt seine Fröhlichkeit noch etwas gezwungen, als er geschickt kontert:

»Brauchst du vielleicht einen Umweg über mich und alle anderen Männer in der Stadt, um Toby deine eigene Bewunderung klarzumachen, Mister? Für einen schwerbewaffneten Helden reitest du aber eine verteufelt lahme Attacke.«

Grinsend lässt Cole seinen Colt wieder ins Halfter gleiten und entgegnet versonnen:

»Kann schon sein, Dan. Diese Lady bringt mit einem Mann die tollsten Kunststücke fertig. Und ich muss die Gelegenheit nutzen, denn wenn ich erst wieder nüchtern bin, nehme ich das alles viel zu ernst. Vielleicht würde ich mich dann eher mit Mark duellieren, als dieser hübschen Lady gegenüber auch nur ein einziges Wort herauszubringen.«

Steve Darlans schallendes Gelächter nimmt diesen Worten jegliche Missverständlichkeit.

»Warum lassen wir das Auge des Gesetzes nicht bis zur roten Marke volllaufen?«, prustet er. »Ich wette, wenn diese kleine grünäugige Hexe es dann von ihm verlangte, würde er sich die Stiefel ausziehen und ihr barfuß durch die ganze Stadt nachlaufen. – He, Dan, wie ist es mit dir? Willst du dich vielleicht auch mit Mark duellieren?«

Dan Carmichel schürzt die Lippen und wirft einen raschen, blitzenden Blick zu Toby hinüber.

»Wo denkt ihr hin«, entgegnet er dann selbstsicher. »Als Anwalt arbeite ich mit anderen Mitteln. Ich würde vielleicht ein hübsches Tanzmädchen auftreiben und ihr eine Klage gegen Mark schmackhaft machen – wegen eines Bruchs des Eheversprechens oder etwas Ähnlichem.«

Tobys helles Lachen übertönt das Gelächter der Männer. Demonstrativ geht sie zu Mark Oliver hinüber und hängt sich an seinen Arm.

»Wie dumm von dir, Dan«, sagt sie vorwurfsvoll, kann den Schalk in ihren Augen aber nicht verbergen. »Nur ein schlechter Stratege liefert seine Schlachtpläne vorher dem Feind aus. Selbst wenn es also in Marks Vergangenheit ein solches Tanzmädchen gegeben hätte, würde ihr jetzt kein Mensch mehr glauben.«

»Das kommt nur auf den Anwalt an, der sie vertritt«, entgegnet Dan Carmichel lächelnd. »Man brauchte nur noch ein armes, verstoßenes Kind hinzuerfinden, dann würden sämtliche Kaffeekränzchen in der Stadt rebellieren und den Bösewicht aus dem Land jagen.«»Grässlich«, ächzt Mark Oliver. »Nur ein Glück, dass ich einen guten Anwalt zum Freund habe. Er würde mich vielleicht trotz meines unmoralischen Lebenswandels herauspauken.«

»Da habt ihr es«, knurrt Dan und blickt anklagend in die Runde. »Auf diese Weise setzt er einen Mann schachmatt. Nur ein Schurke könnte sein kindliches Vertrauen enttäuschen, und zum Schluss wird mir nichts anderes übrigbleiben, als auf seiner Hochzeit auch noch eine schwungvolle Rede zu halten, während Cole seiner Fähigkeiten entsprechend Salut schießt. Aah, es ist schon ein Jammer.«

»Hast du das gehört, Toby?«, fragt Mark Oliver lächelnd das Mädchen. »Wir werden uns rechtzeitig etwas überlegen müssen, damit wir die zahlreiche Schar deiner Verehrer versöhnen können. Am Ende kommt sonst noch einer von ihnen auf die Idee, dich möglichst rasch zur Witwe zu machen.«

»Pfui, Mark!« Ihre Enttäuschung ist offensichtlich echt, und ihre Augen verdunkeln sich. Doch als sie das Bedauern in seinem Gesicht liest, hellt sich ihre Miene wieder auf, und sie erklärt: »Ihr seid eine Bande übermütiger Burschen. Am besten ist es, man lässt euch allein und wartet ab, bis ihr von selbst angekrochen kommt. Hat einer von euch vielleicht Dad gesehen?«

»Er ist soeben mit seinem besonderen Freund Rennahan hinausgegangen«, erklärt Steve Darlan seiner Schwester, die nun geht, um ihren Vater zu suchen.

✰✰✰

Auf der Straße sind eine Menge Leute damit beschäftigt, die abgestellten Wagen und Pferde von der Hauptstraße zu entfernen. Die Strecke für das erwartete Rennen wird freigemacht.

Zwischen der Townhall und dem Mietstall gibt es einen freien Platz, der auf der Rückseite von mehreren Korrals begrenzt wird. Hier bilden die Zuschauer einen besonders dichten Ring, da hier die an dem Rennen beteiligten Pferde startklar gemacht werden. Das Kampfgericht hat sich bereits auf dem Gehsteig niedergelassen und hinter einem Tisch Platz genommen, als die vier Männer hier auftauchen.

Es gibt viele Bekannte, die Mark Oliver zu grüßen hat. Auch Jed Gordon, der Sheriff von Chinook, lüftet den Hut und nutzt die Gelegenheit, um gleich das Schweißleder mit seinem Taschentuch auszuwischen. Im Zentrum der Ereignisse scheint er sich nicht besonders wohl zu fühlen.

Ganz anders Pearl Gordon, seine Tochter, die ebenfalls hinter dem Tisch des Kampfgerichts Platz genommen hat. Sie hebt ihre kecke Stupsnase hoch in die Luft, wischt sich eine Haarsträhne aus der Stirn und winkt den Freunden zu, woraufhin sich diese wie auf Kommando an die Hüte greifen.

»Wenigstens ein Mädel, bei dem wir alle noch Chancen haben«, knurrt Cole Denbow zu Mark hinüber und grinst auf eine Weise, dass in seinem Gesicht tausend Falten aufspringen.

Im Spätsommer, wenn auf den umliegenden Ranches der Auftrieb und das Brennen der Kälber vorübergegangen sind und die Verkaufsrinder abgesondert und auf die Mastweiden gebracht wurden, dann ist der größte Teil der Sommerarbeit geschafft. Zu jenem Zeitpunkt finden sich die Rancher mit ihren Familien und Mannschaften am ersten Sonnabend im September in der Stadt ein. Es ist ein improvisiertes Fest, aber trotzdem für Chinook und all diese Menschen das Ereignis des Jahres.

Als sich Mark Oliver auf dem Platz vor den Korrals umsieht, bemerkt er sie alle. Da drüben stehen Wesley Darlan und Burt Rennahan, die beiden ewigen Streithähne. Toby hat sich zwischen sie geschoben. Offensichtlich ist sie darum bemüht, ihre Unterhaltung in einem ruhigen Fahrwasser zu halten.

Links von Wesley Darlan stehen einige Reiter seiner Shamrock-Mannschaft. Shamrock, das ist die Bezeichnung für Klee, und Darlans Ranch führt ein Kleeblatt als Brandzeichen.

Auch sein Widersacher Burt Rennahan, ein gewaltiger Mann mit eisgrauem Schädel, zerfurchter Stirn und blitzenden Augen, ist nicht allein. Ein paar Männer seiner Bullhead-Mannschaft, so genannt nach dem Brandzeichen eines Büffelkopfs, haben sich hinter ihn gruppiert und debattieren eifrig die Chancen des Rennens, für das nun die letzten Vorbereitungen getroffen werden.

Dann sieht Mark auch zwei seiner eigenen Leute, die auf den Korralstangen hocken und Sandy Nichols gute Ratschläge erteilen. Sandy ist bereits aufgesessen und tätschelt dem unruhig schnaubenden Rotfuchs den Hals. Er hat ein Klassepferd unter dem Sattel, das in diesem Rennen sicherlich zu den Favoriten zählt. An der Hinterhand ist das Brandzeichen Mark Olivers zu erkennen, ein geknicktes Kreuz, das in diesem Land als Broken-Cross-Brand bekannt ist.

Als Mark vor den Lonely Hills in der Nähe des Frenchman Creeks seine Ranch aufbaute, stieß er auf ein einsames Grab im Zentrum seiner Weide. Es hieß, dass dort ein französischer Pelzjäger der Company begraben läge, nach dem der Frenchman Creek benannt wurde, weil es das Jagdrevier dieses Oldtimers gewesen sei.

Mark Oliver setzte die Tradition fort und wählte das Bild des geknickten Grabkreuzes als Brandzeichen.

Natürlich gibt es noch andere Mannschaften – die Lazy-K, Horseshoe und Triangel-D. Doch all diese Burschen treten nicht mehr so in Erscheinung. Für Mark und seine Freunde jedenfalls sind sie bei weitem nicht so interessant wie die beiden Männer, die bei den Sattelpferden herumlungern und sich mit einem dritten unterhalten, der gerade den Fuß in den Steigbügel eines prächtigen Rappen setzt.

Cole Denbow pfeift durch die Zähne.

»Ich wusste ja gar nicht, dass Grant Tyler auch hier ist«, knurrt er verwundert.

»Er kann erst heute angekommen sein, denn gestern war er noch nicht in der Stadt«, murmelt Mark gedehnt.

»Und es sieht ganz so aus, als ob er sich an dem Rennen persönlich beteiligen wolle«, ergänzt Dan Carmichel. »Der Gaul ist jedenfalls nicht schlecht.«

Mark kneift die Augen zusammen und erwidert nichts.

Grant Tyler ist nicht nur ein hübscher und verwegener, sondern zweifellos auch ein harter Bursche.

Als sich die vier Freunde nun zum Gehsteig hinüberbewegen, scheint Grant Tyler sie erspäht zu haben, denn er lässt seinen Rappen eine Pirouette drehen und kommt herangetrabt.

»Hallo, wie geht es dem Club tugendsamer Junggesellen?«, spöttelt er. »Wenn es nicht ein so exklusiver Club wäre, würde ich gelegentlich meine Aufnahme beantragen.«

»Hallo, Tyler«, erwidert Mark unbewegt. »Ich würde sagen, dass dir dazu eine wesentliche Voraussetzung fehlt: die Tugend.«

Grinsend zeigt Tyler die Zähne. Es ist ein Grinsen, von dem man nicht weiß, ob es Belustigung oder eine Drohung ausdrücken soll.

Immerhin scheint der Pirat die Bemerkung von der leichten Seite zu nehmen, wie sie zweifellos auch gemeint war.

»Kann schon sein«, entgegnet er. »Außerdem gehören immer nur vier Buben in ein Spiel. Aber vielleicht lasst ihr mich ja gelegentlich als Joker mitmachen.«

»In unserem Blatt gibt es keine Joker, Mister«, knurrt Cole und gibt sich keine Mühe, seine Abneigung gegen Grant Tyler zu verbergen. »Solche Burschen sind uns einfach zu undurchsichtig. Man kann sie in zu vielen Fällen gebrauchen.«

»Das ist ja eben das Angenehme beim Joker«, kontert Tyler. »Er lässt sich nicht auf einen Verwendungszweck festlegen, sondern bleibt immer unberechenbar. Bei ihm weiß man das aber von vornherein. Viel schlimmer ist es bei den falschen Jokern. Da trifft es einen unvorbereitet.«