H. C. Hollister 39 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 39 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Wer ist der hartgesichtige Fremde, der eines Tages nach Tonto Rocks kommt und gleich in eine raue Auseinandersetzung eingreift? Jeder hält ihn für einen Revolvermann, und vieles deutet darauf hin, dass er angeworben wurde, um in dem Kampf zwischen der Circle-B- und der Arrowtip-Ranch ein gewichtiges Wort mitzureden. Und doch scheint dieser Mann, der auf so viel Ablehnung stößt, von einem Geheimnis umwittert zu sein.
Gewiss, er bringt das scheinbar Unmögliche zuwege, die Circle-B-Ranch vor dem drohenden Zerfall zu retten. Aber geht es ihm dabei nur um harte Dollars, oder bringt er sein eigenes Spiel in Gang, das noch niemand durchschaut hat? Dieser Lloyd Tilburn muss die Erfahrung machen, dass es Dinge gibt, die allein mit harten Fäusten nicht zu erledigen sind. Denn der schwerste Schlag gegen die Circle-B-Ranch erfolgt erst, als sich scheinbar schon alles zum Guten gewendet hat. Wird er auch diesen letzten Kampf gewissermaßen mit geschlossenem Visier durchfechten können?


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Inhalt

Cover

TIM OVERLAND DECKT AUF

Vorschau

Impressum

TIM OVERLAND DECKT AUF

Wer ist der hartgesichtige Fremde, der eines Tages nach Tonto Rocks kommt und gleich in eine raue Auseinandersetzung eingreift? Jeder hält ihn für einen Revolvermann, und vieles deutet darauf hin, dass er angeworben wurde, um in dem Kampf zwischen der Circle-B- und der Arrowtip-Ranch ein gewichtiges Wort mitzureden. Und doch scheint dieser Mann, der auf so viel Ablehnung stößt, von einem Geheimnis umwittert zu sein.

Gewiss, er bringt das scheinbar Unmögliche zuwege, die Circle-B-Ranch vor dem drohenden Zerfall zu retten. Aber geht es ihm dabei nur um harte Dollars, oder bringt er sein eigenes Spiel in Gang, das noch niemand durchschaut hat? Dieser Lloyd Tilburn muss die Erfahrung machen, dass es Dinge gibt, die allein mit harten Fäusten nicht zu erledigen sind. Denn der schwerste Schlag gegen die Circle-B-Ranch erfolgt erst, als sich scheinbar schon alles zum Guten gewendet hat. Wird er auch diesen letzten Kampf gewissermaßen mit geschlossenem Visier durchfechten können?

Tonto Rocks ist der Mittelpunkt eines Gebiets, in dem die Entfernungen nach Reitstunden gemessen werden. Selbst wenn ein Mann dreißig Meilen, also vier Reitstunden, entfernt wohnt, gilt er hier als Nachbar. Die Postkutsche aus Yuma jedoch hat mehr als achtzig Meilen durch staubige, sonnendurchglühte Hölle zurückzulegen. Mit ihren verschiedenen Pferdewechseln braucht sie deshalb für die Strecke genau einen Tag.

Als sie an diesem Tag – es ist der 18. Juni 1874 – schwankend vor der Posthalterei zum Stehen kommt, springt ein hagerer dunkelhaariger Bursche federnd aus der Kutsche, blinzelt in das grelle Sonnenlicht und blickt sich suchend um. Dabei ist er merklich um eine würdige Haltung bemüht. Auch seine Kleidung deutet darauf hin, dass er auf Äußerlichkeiten erheblichen Wert legt. Er hat ein schmales, markantes Gesicht mit dunklen, unruhigen Augen. Seine Oberlippe ziert ein sorgsam rasiertes dünnes Bärtchen, das seine Lippen noch verkniffener erscheinen lässt, als sie es ohnehin schon sind.

Dem Fahrer gelten auch seine Worte, als er zum Dach der Kutsche empordeutet, auf dem der Begleiter mit dem Gepäck beschäftigt ist. Dort oben gibt es einige Dinge, die als Gepäckstücke ungewöhnlich sind. Ein paar rotweiß bemalte Messlatten sind mit Lederriemen zu einem umfangreichen Packen gebündelt. Ein Messgerät mit Stativ ist in ein Wachstuch eingeschlagen, und ein Kartentisch mit angeklappten Beinen bildet das umfangreichste Stück der Sammlung.

»Gehen Sie vorsichtig mit dem Theodolit um, Mann!«, ruft der Dunkelhaarige dem Beifahrer zu.

Ein Fremder, ein hartgesichtiger Bursche mit weißblondem Haar und abgetragener Weidekleidung, der ebenfalls erst heute in Tonto Rocks aufgetaucht ist, steht weit im Hintergrund und beobachtet das wichtigtuerische Gehabe mit gerunzelten Brauen. Ebenso gut könnte der Dunkelhaarige ein Schild mit der Aufschrift »Landmesser« um den Hals tragen, stellt er fest. Dann sieht er, wie Shelley McPhearson, die er zusammen mit vier Weidereitern der Circle-B-Ranch vor einer halben Stunde in der Hotelhalle kennengelernt hat, auf den Mann zugeht. Der Klang ihrer Stimme dringt bis zu dem Fremden herüber, als sie fragt:

»Mister Tim Overland?«

»Yeah, der bin ich, Madam. Was kann ich für Sie tun?«

Der Selbstbeherrschung eines Mannes sind Grenzen gesetzt. Der Fremde scheint diese Grenze endgültig überschritten zu haben. Irgendwie scheint es aus ihm hervorzubrechen, er macht einen langen Schritt auf die Gruppe zu und stockt, als er mehrere Männer auftauchen sieht.

Zwei kommen aus der Toreinfahrt der Posthalterei hervor, ein anderer, der scheinbar als unbeteiligter Zuschauer an einem Verandapfosten gelehnt hat, springt plötzlich auf die Straße und reißt seine Waffe hervor. Das Gros dieses Aufgebots aber nähert sich offen über den freien Platz und vollendet den Einschließungsring. Drei Burschen sind es, und zusammen mit den anderen bilden sie einen Halbkreis, der die Gruppe von der Postkutsche abriegelt.

Der Fahrer bemerkt es zuerst, lässt ein Gepäckstück fallen und springt zur Seite. Auf dem Dach der Kutsche bringt sich der Begleiter hastig hinter einem Koffer in Deckung und stößt erschreckt hervor:

»Lasst mich nur aus dem Spiel, Leute! Für zwölf Dollar die Woche ist Verdruss nicht eingeschlossen!«

Sechs Männer, die ihre Waffen in Händen halten, sind schon ein Grund zur Vorsicht. Die vier Weidereiter der Circle-B-Ranch jedenfalls haben keine Chance. Sie erstarren und spreizen die Hände weit vom Körper ab, um keinen Anlass zu Missverständnissen zu geben.

Shelley McPhearson erbleicht und schluckt, ehe sie sich einem der Revolverhelden zuwendet und gepresst sagt:

»Dieser Überfall kann Sie teuer zu stehen kommen, Clifford. Es ist eine ...«

»Stürzen Sie sich nicht in Unkosten, Hübsche!«, klingt blechern die Stimme eines der Burschen. Er ist mittelgroß und schlank und hat ein weiches, beinahe mädchenhaftes Gesicht. Nur seine stechenden Augen und ein paar scharfe Falten um seinen Mund zeugen von Grausamkeit. Er trägt ein schwarzglänzendes, silberbeschlagenes Doppelhalfter. Die vernickelten Colts, die er lässig in den Händen hält, sind verziert und am Kolben mit Elfenbein eingelegt. Abschätzend und beinahe spielerisch wiegt er sie, grinst und setzt hinzu: »Für eine Lady sind Sie verdammt angriffslustig, Miss Shelley. Wer wird denn gleich von einem Überfall reden? Wir wollen die freundschaftliche Bekanntschaft dieses sagenhaften Tim Overlands machen – das ist alles.«

Der Dunkelhaarige scheint sein Erschrecken und seine Verblüffung überwunden zu haben. Er macht eine Bewegung, die zweifellos beruhigend auf das Mädchen wirken soll, grinst etwas kalkig und entgegnet:

»Das haben Sie ja auch geschafft, Mister Clifford. So war doch Ihr Name, nicht wahr? Mir gefällt Ihre Art nicht, in der Sie Bekanntschaften schließen.«

»Die Gefahr hatten wir mit einkalkuliert, Overland«, kichert der mädchengesichtige Revolvermann. »Wir mussten es darauf ankommen lassen, bei Ihnen in Ungnade zu fallen, weil es unsere einzige Chance war, herauszufinden, wie hart Sie wirklich sind. Wenn Sie uns dazu etwas zu sagen haben, fangen Sie an, Mister. Der Aufenthalt der Postkutsche beträgt nur zehn Minuten. Eine verdammt kurze Zeit für einen Mann, der gleich wieder abreisen will, nicht wahr?«

Irgendwie scheint Sand in das Getriebe der Gedanken Overlands geraten zu sein. Sein Gesicht erstarrt zu einer unsicheren Grimasse, und nur zögernd kommen die Worte von seinen Lippen:

»Es muss in dieser Stadt so etwas wie das Gesetz geben, Clifford. Wenn schon die Anwesenheit einer Lady eine Bande von Revolverschwingern nicht daran hindert, eine raue Sache anzufangen, dann ...«

»Habt ihr das gehört, Leute?«, unterbricht ihn Stan Clifford schrill. »Dieser ehrenwerte Gentleman hier wartet auf das Gesetz. Wie können wir ihm bloß erklären, dass er vergebens wartet?«

»Hör zu, Clifford«, keucht in diesem Augenblick Ryan, ein Bursche mit kurzgeschorenem Haar, wutentbrannt. »Wir sind nicht zum Scherzen aufgelegt. Lass das Mädel aus und gib uns eine faire Chance, dann können wir uns auf andere Weise weiter unterhalten.«

Stan Clifford duckt sich zusammen und blickt den Weidereiter tückisch an.

»Sehe ich aus wie ein Narr, Mister?«, zischt er giftig. »Wir haben nichts gegen euch Kuhjungen – noch nicht. Aber dieser prächtige Tim Overland hat sich eine ungesunde Gegend ausgesucht. Je eher er das einsieht, desto besser ist es für seine Gesundheit. Wir wollen nichts weiter, als ihn zu dieser Einsicht bringen. – Los, Overland, steigen Sie wieder ein! Fahren Sie dorthin zurück, von wo Sie gekommen sind. Überlassen Sie nur dem guten alten Opa McPhearson die Verwaltung der Circle-B-Ranch, denn wenn Sie hier wiederauftauchen sollten, wird es verdammt kummervoll für Sie werden. – Vorwärts jetzt! Zurück in die Kutsche!«

Bisher hat der Fremde untätig zugehört, doch jetzt gleitet er mit langen Schritten zu einem Kistenstapel hinüber, der offenbar zum Beladen von Frachtwagen zurechtgestellt ist. Wie eine mannshohe Brustwehr wirken die Kisten, und er braucht nur zwei davon in der obersten Lage etwas auseinander zu rücken, um durch den Spalt wieder freies Blickfeld auf die Szene zu gewinnen, während er sich selbst in schützender Deckung befindet.

Nervös streicht sich Tim Overland über sein schmales Schnurrbärtchen. Offenbar ist es die Anwesenheit Shelley McPhearsons, die ihn schließlich dazu veranlasst, mit unverkennbarem Pathos zu knurren:

»Und wenn ich mich weigere, wieder abzureisen?«

»Das kann doch nicht wahr sein«, tönt Stan Clifford und lässt die Waffe in seiner linken Hand einen Salto schlagen. »Solche Helden gibt es doch gar nicht mehr! Haben Sie sich auch nicht geirrt, Overland?«

»Ich bin mit solchen Mätzchen nicht einzuschüchtern«, knirscht er. »Gehen Sie zum Teufel, Mann, ich denke nicht daran.«

Zeitgleich mit dem Aufdröhnen des Schusses knickt er ein. Nicht etwa, weil er verletzt wäre, sondern weil ihm plötzlich ein Stiefelabsatz fehlt.

Shelley McPhearson fängt den stolpernden Mann auf und wendet sich mit zorngerötetem Gesicht an den Schützen. Doch ehe ein Ton über ihre Lippen kommt, zischt Stan Clifford bereits:

»Wollen Sie immer noch nicht einsteigen, Overland? Ich zähle jetzt bis drei, und dann ... Eins – zwei –«

Mit hämischer Gelassenheit richtet Stan Clifford die Colts auf die Füße seines Opfers. Er kann sich in aller Ruhe darauf konzentrieren, weil er die vier Circle-B-Reiter bei seinen Kumpanen in guter Obhut weiß.

Die Hände Overlands krampfen sich während des Zählens zusammen. Der Fremde beobachtet durch den Spalt seiner Brustwehr. Er glaubt die Gier des Dunkelhaarigen zu erkennen, nach dem Revolver zu greifen, den er unter der Jacke in seinem Schulterhalfter trägt. Doch die gespreizten Hände bleiben in der Luft hängen. Es gibt keine Chance gegen diesen kaltschnäuzigen Burschen mit dem mädchenhaften Gesicht. Der Mann, der sich Tim Overland nennt, krümmt sich zusammen, als ob er einen Huftritt in den Magen bekommen hätte, doch er trifft immer noch keine Anstalten, wieder in die Kutsche zu klettern. Jetzt muss der Schuss kommen.

Und er kommt auch. Allerdings aus einer völlig anderen Richtung, als es die Beteiligten erwarteten.

Wie unter einem Peitschenhieb fährt Stan Clifford zusammen, als das Geschoss seine Hutkrone durchschlägt. Dabei wird der Hut nicht einmal herabgerissen, sondern rutscht nur, wie von Geisterhand geschoben, weiter aufs linke Ohr. Und zugleich sagt eine schleppende, gedehnte Stimme:

»An Ihrer Stelle würde ich es mir noch einmal überlegen, Mister, ob ich zu Ende zähle. Ich finde es ausgesprochen geschmacklos, in Gegenwart einer Lady mit den Schießeisen herumzuspielen.«

Nur ein Revolverlauf ragt aus dem Spalt zwischen den Kisten.

»Und jetzt wollen wir alle hübsch friedlich sein, nicht wahr?«, klingt wieder die spöttelnde Stimme. »Wie sagte unser Freund Clifford so treffend? Es gibt doch gar keine Helden mehr!«

Wenn die Stimme des Fremden bisher lässig und beinahe gemütlich klang, so nimmt sie jetzt einen stählernen und unerbittlichen Unterton an:

»Schluss mit der Vorstellung! Letzte Gelegenheit, einen Scherz als Scherz enden zu lassen!«

Stan Clifford ist kein Narr. Seine Gefährlichkeit als Revolverheld beruht vor allem darauf, dass er trotz Überrumpelung und rascher Veränderung der Situation seine Lage nüchtern einschätzen kann. Drei Sekunden benötigt er, um sich darüber klarzuwerden. Die angespannten, verzerrten Züge seines Gesichts lockern sich. Langsam stößt er die Luft aus und senkt die Waffen.

»All right, Mister«, knurrt er mit einem verlegenen Grinsen. »Du hast mich überzeugt. Steckt die Kanonen weg, Jungs! Dieser Bursche hier hat keinen Sinn für Humor.«

Er selbst lässt als erster seine Revolver in die Halfter zurückgleiten. Zögernd folgen die Kumpane seinem Beispiel.

»Über diesen Fall werden wir noch zu reden haben, Clifford«, keucht Tim Overland und streicht sich erregt über sein schmales Bärtchen auf der Oberlippe.

Clifford wendet sich höhnisch grinsend ab, gibt seinen Kreaturen einen Wink mit dem Kopf und geht die Straße hinab auf einen Saloon zu.

Der Fremde aber rührt sich nicht von der Stelle, entzündet gemächlich seine Zigarette und scheint den ganzen Vorfall schon fast wieder vergessen zu haben, als Saul, der kleine Weidereiter mit dem zerknitterten Bocksgesicht, wieselflink um den Kistenstapel gehastet kommt, stockt und dann mit seiner blechern krächzenden Stimme triumphiert:

»Ich wusste es! Aah, ich wusste es ganz genau, dass uns dieser Pilger aus der Klemme helfen würde, als er hinter dieser Barrikade verschwand! Komm her, Bruder, dafür verdienst du einen Kuss!«

»Doch hoffentlich nicht von dir?«, erkundigt sich der Fremde grinsend und weicht vorsichtshalber einen Schritt zurück. Doch er kann trotzdem nicht verhindern, dass er von dem zappeligen Alten in den Mittelpunkt der Gruppe gezerrt wird und sich plötzlich dem Mädchen und dem Dunkelhaarigen gegenübersieht.

Ryan, Dave, ein kantiges Schwergewicht mit dem Aussehen eines grimmigen Nussknackers, und Britt, ein weiterer Weidereiter, der sehnig und irgendwie farblos wirkt, grinsen über Sauls Eifer. Selbst Shelley McPhearson zeigt ein schwaches Lächeln.

Der Mann aber, auf den es ankommt, ist schon wieder mit seinem Schnurrbärtchen beschäftigt. Da ihm ein Absatz fehlt, steht er etwas verkrampft, grinst, räuspert sich und sagt schließlich:

»Sie haben sich auf eine sehr wirksame Weise eingeführt, guter Freund. Suchen Sie einen Job? – Nun, nach diesen Vorgängen könnte ich mir denken, dass auf der Circle-B für einen Mann mit einem schnellen Eisen noch Platz ist. Sie sind eingestellt!«

Der fragende Tonfall ist nicht zu überhören.

»Yeah, wie heißt du überhaupt, Bruder?«, krächzt da Saul und bleckt grinsend seine vom Tabaksaft gebeizten Zähne.

»Ti ...« – Der Fremde bricht ab. Aufmerksam sind seine Augen auf den Dunkelhaarigen gerichtet. »Tilburn«, sagt er dann, räuspert sich, als ob er Zeit zur Überlegung brauchte, und wiederholt grinsend: »Lloyd Tilburn heiße ich, Mister Overland.«

»Ein hübscher Name – wenigstens dafür, dass Sie ihn sich in so kurzer Zeit ausgedacht haben«, versetzt der Angesprochene. Er verleiht damit der Überzeugung aller anderen Ausdruck, denn das kurze Zögern des angeblichen Lloyd Tilburns ist keinem von ihnen entgangen. Doch der ist nicht in Verlegenheit zu bringen.

»Hätte Ihnen Harry Smith besser gefallen, Boss?«, grinst er unschuldig. »Oder vielleicht Thomas Pembroke?«

Shelley McPhearsons Miene ist eisig geworden.

»Also doch ein Revolvermann«, sagt sie spitz. »Noch dazu einer von der Sorte, die einen guten Grund hat, jedes Mal, wenn sie das Hemd wechseln, auch den Namen zu ändern. Ich weiß nicht, was Sie sich von einem Job auf der Circle-B-Ranch versprechen, Mister Tilburn.«

Die Art, wie sie den Namen ausspricht, bringt Verachtung zum Ausdruck. Ihre Mundwinkel sind herabgezogen, und ihre Augen sind dunkel geworden. Unbewegt hält der falkengesichtige Blondschopf ihrem Blick stand. Dann beginnen seine Lippen amüsiert zu zucken. Schuldbewusst senkt er den Kopf und murmelt gramvoll:

»Es ist doch immer dasselbe. Da glaubt man, endlich eine Chance zu bekommen, dann wird einem schon wieder die Vergangenheit vorgeworfen. Aah, dass eine Lady so hart urteilen kann!«

Ihre Haltung wird starr und ihre Blicke unsicher. Doch dann wischt sie sich zornig eine Haarsträhne aus der Stirn und sagt gepresst:

»Fangen Sie nur nicht an zu weinen, Mister! Ich werde Ihrer Chance nicht im Weg stehen, aber erzählen Sie mir nur nicht, dass Sie von einer bösen Stiefmutter aus dem Hause geprügelt und auf den rauen Trail gejagt wurden.«

Tim Overland lässt ein glucksendes Lachen hören.

»Hart wie Stahl«, stellt er erheitert fest. »Strengen Sie Ihren Verstand an, Tilburn. Sie müssen schon eine bessere Geschichte erfinden, um diese Lady zu erweichen.«

»Dann halte dich nur an Saul, Mister«, kichert Ryan aus dem Hintergrund. »Der wird dir schon eine Story erdichten, dass sich selbst einem Glatzkopf noch die Haare sträuben.«

Giftig wirbelt Saul herum und öffnet den Mund zu einer vermutlich nicht sehr sanften Bemerkung, als Lloyd Tilburn abwinkt.

»Keine Story«, sagt er mit Grabesstimme. »Ich bekenne, dass es nur mein grenzenloser Leichtsinn war, der mich vom Pfad der Tugend abgebracht hat. Ich hoffe, es macht mir niemand zum Vorwurf, wenn ich nun verspreche, mich in Zukunft zu bessern.«

Tim Overland sieht Shelley McPhearsons abweisende Miene, lächelt übertrieben freundlich und sagt:

»Ich bin der Meinung, dass jeder Mann eine Chance haben sollte. In Tilburns Fall ist es für mich sogar eine Verpflichtung, mich erkenntlich zu zeigen. Ich hoffe, ich ziehe mir nicht Ihren Unwillen zu, Miss Shelley, wenn ich ihn auf die Lohnliste der Circle-B-Ranch setze.«

»Es ist Ihre Ranch, Mister Overland«, erwidert sie freudlos, »und daher ist es auch Ihre Sache, wenn Sie daraus ein Asyl für Satteltramps und Revolverhelden machen wollen. Sie hätten diesem Lloyd Tilburn auch auf andere Weise Ihre Anerkennung ausdrücken können, aber – wie gesagt – es ist Ihre Angelegenheit.«

Overlands Lächeln scheint auf seinen dünnen Lippen festgefroren zu sein.

»Ja, das ist richtig«, erwidert er so verbindlich wie nur möglich. »Ich möchte jedoch ein gegebenes Wort nicht zurücknehmen, Shelley. Das werden Sie sicherlich verstehen.«

Lloyd Tilburn quittiert die zunehmende Vertraulichkeit des Dunkelhaarigen mit einem breiten Grinsen. Zunächst hieß es »Miss McPhearson«, danach »Miss Shelley« und jetzt einfach »Shelley«. Dieser Tim Overland hält sich wirklich nicht lange bei der Vorrede auf.

Die Betroffene selbst scheint dem Grinsen des Burschen mit dem weißblonden Skalp jedoch eine andere Bedeutung zu geben. Sie verzichtet auf jede Erwiderung, wendet sich schroff ab und geht zu dem leichten Flachwagen hinüber, der neben der Posthalterei abgestellt ist.

»Vielen Dank, Boss«, murmelt Lloyd Tilburn scheinbar ergriffen. »Ich wollte natürlich nicht der Anlass sein, dass Sie ...«

»Schon gut, Tilburn«, winkt der Dunkelhaarige hochfahrend ab. »Ich bin der neue Boss auf der Circle-B-Ranch, und je eher man das begreift, umso besser ist es für alle Beteiligten – selbst wenn es sich um eine Lady handelt. Und jetzt wollen wir nicht länger in der prallen Sonne herumstehen, sondern zur Ranch aufbrechen. Seid beim Aufladen vorsichtig mit meiner Ausrüstung, Leute!«

Den vier Weidereitern ist es anzumerken, dass ihnen die überhebliche Tonart Overlands nicht gefällt. Doch Ryan und Dave zucken nur die Achseln und machen sich widerspruchslos daran, das Gepäck zum Wagen zu schaffen, während Britt und Saul sich Lloyd Tilburn anschließen, um die Pferde von der Haltestange des Saloons zu holen.

Und hier sieht Lloyd Fassungslosigkeit im Gesicht des langen, farblosen und verkniffenen Britts, als er dem stahlgrauen, hochbeinigen Hengst gegenübersteht. Saul drückt sein Staunen auf andere Weise aus: Er pfeift durch die Zähne.

»Das ist dein Gaul?«, murmelt er bewundernd. Dann lässt ihn seine Hochachtung wieder verstummen.

»Gefällt er euch nicht?«, fragt Lloyd, als er sich in den Sattel schwingt.

Britt ist noch immer in den Anblick des Pferdes vertieft. Keine Einzelheit entgeht ihm. Er sieht den ramsnasigen Kopf, den hohen Hals mit der kurz gestutzten eisgrauen Mähne, die breite Brust, vollendete Fesseln und die sprunggewaltige Hinterhand mit dem langen Schweif. Wenn es überhaupt etwas auf der Welt gibt, in das Britt vernarrt wäre, dann sind es Pferde. Er ist ein Kenner auf diesem Gebiet.

Und er kann sich die Bemerkung nicht verkneifen:

»Auf welcher Zuchtranch hast du denn diesen Prachtgaul gestohlen, Mister? Um ihn zu bezahlen, hättest du doch mindestens drei Jahre arbeiten müssen.«