Hagendorf - Robert Steinhauser - E-Book

Hagendorf E-Book

Robert Steinhauser

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Beschreibung

Ein historischer Tatsachenroman über den Söldner Peter Hagendorf, dessen Tagebuch 1988 entdeckt wurde. Als sich im Jahr 1618 ein Komet mit einem funkensprühenden Schweif am Himmel zeigt, deuten die Menschen ihn als Bote kommenden Unheils. Auch der junge Peter Hagendorf beobachtet die unheimliche Erscheinung. Nachdem sein jüngerer Bruder die elterliche Mühle übernimmt und Peter bei einem Überfall seines Erbteils beraubt wird, prophezeit ihm eine Wahrsagerin eine düstere Zukunft. Er lässt sich anwerben und zieht als Söldner durch halb Europa. Während er an blutigen Schlachten teilnimmt, ehelicht der ihm verhasste Bruder seine Jugendliebe. Peter wird Zeuge von Hexenverbrennungen, entsetzlichen Hungersnöten und schrecklichen Krankheiten. Beim Sturm auf Magdeburg wird er schwer verwundet. Während er im Zelt des Feldschers um sein Leben ringt, begibt sich Ehefrau Anna auf Plünderung in die brennende Stadt. Doch die Reiter der Apokalypse fegen bereits über das Land, bereit auch Peters Schicksal eine ungeahnte Wendung zu geben...

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Seitenzahl: 787

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Einleitung

Kapitel 1 – Menetekel

Kapitel 2 – Welschland

Kapitel 3 – Gefreit

Kapitel 4 – Hexenwahn

Kapitel 5 – Bluthochzeit

Kapitel 6 – Verbrannte Erde

Kapitel 7 – Unbeweibt

Kapitel 8 – In Feindesland

Kapitel 9 – Der Pestheilige

Kapitel 10 – Gottseibeiuns

Kapitel 11 – Malefizgericht

Kapitel 12 – Kämpfe im Südwesten

Kapitel 13 – Bet’, Kindlein, bet’

Kapitel 14 – Pacis fundamentalis

Nachwort

Einleitung

»Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Leuten bange sein, und sie werden zagen, und das Meer und die Wasserwogen werden brausen.« (Lukas 21,25)

Anno Domini 1648. Nun mache ich, Peter Hagendorf, geboren zu Zerbst, was im Fürstentum Anhalt liegt, mich daran, dieses Büchlein zu schreiben. Was mir hierfür Ursache und Anlass gibt, ist jedoch nicht Eitelkeit und stolze Hoffart, sondern tue ich dies allein, um meinen Kindern, Melchert Christoff und Anna Maria, sowie allen weiteren Kindern – so der Herr mir weitere vergönnen sollte – meine Geschichte zu erzählen. Ihr sollt erfahren, wie ich in diesen unseligen und gottlosen Zeiten gezwungen wurde, das überall verhasste und verachtete Handwerk des Kriegers zu erlernen und auszuüben, bis zu dem heutigen Tage, da ich diese Zeilen zu Papier bringe. Vielleicht hilft euch das Wissen um diese Geschehnisse auch, manche meiner Eigenarten und Handlungen besser zu verstehen.

Zuvorderst jedoch möchte ich von einem Ereignis berichten, welches ich, da ich selbst noch im Jugendalter war, mit eigenen Augen gesehen habe:

Anno Domini 1618 war ein großer Komet am Himmel erschienen. Im Herbst und zu Beginn des Winters beobachteten wir diese unheimliche Erscheinung, die sich regelmäßig am nächtlichen Firmament zeigte. Viel heller war er als all die anderen Gestirne und sein eigenartig langer und heller Schweif versprühte Funken.

Ich erinnere mich, dass der Pfarrer zu Zerbst in der Adventspredigt von ihm gesprochen hatte: Der Komet künde von großem Unheil. Sein feuriger und schrecklicher Schweif sei die Zuchtrute des Allmächtigen. Er drohe den Menschen ihrer Gottlosigkeit wegen und wolle sie ermahnen, ihr sündhaftes Leben zum Guten hinzuwenden. – Wenn wir das nicht befolgten, so würden wir es bitterlich büßen müssen, drohte der Pfarrer und dass es nicht genug der Tränen gäbe, all die Toten zu beweinen, und nicht genug der Hände, um alle zu begraben. Dann las er einen Abschnitt aus der Apokalypse des Johannes vor und mahnte an, dass dereinst am jüngsten Tage Gottes Reiter über die Menschheit kommen würden, alles Sündhafte und Verderbte zu tilgen. Und ihre Namen seien Krieg und Teuerung und Pest und Tod.

Heute weiß ich, dass der Komet auf wundersame Weise nicht nur den schrecklichen, großen Krieg ankündigte, sondern auch mein eigenes Schicksal in den Himmel schrieb …

Kapitel 1 – Menetekel

1623

War es möglich, dass ein Berg voller Silber kein Quentchen für ihn übrighatte? Entmutigt und desillusioniert ließ Peter den Rammelsberg hinter sich, um den Weg nach Goslar einzuschlagen. Schon prunkten zu seiner Linken die prächtigen Dächer der Kaiserpfalz, da gewahrte er auf einem freien Feld bunte Gauklerzelte. Unwillkürlich lenkte er seine Schritte dorthin.

Von einem Karren herab pries ein Bader die unterschiedlichsten Heilmittel und bot außer Aderlass und Zähne ziehen noch allerhand weitere Dienste an. Traurig blickte ein Bär aus seinem Käfig, unterdessen der Besitzer wortreich damit warb, diesen gegen einen Eintritt von fünf Groschen tanzen zu lassen. Auf einem zwischen zwei Bäumen gespannten Seil balancierte ein Possenreißer, während in einem abgesteckten Ring sich zwei Halbwüchsige mit bloßen Fäusten die Seele aus den mageren Leibern prügelten. Angefeuert wurden sie von dem Geschrei der Umstehenden, die sich durch den Sieg ihres Favoriten einen kleinen Wettgewinn erhofften. Die Knaben, die hier mit blutverschmierten Gesichtern ihre Haut zu Markte trugen, waren nur wenig jünger als Peter. Würde auch er bald gezwungen sein, auf diese Weise sein Auskommen zu finden? Unwillig wandte er den Blick ab.

Etwas abseits lungerten einige müde dreinschauende Frauen herum. An ihren Kleidern flatterten gelbe Bänder. Als sie Peter sahen, nahmen sie eine aufreizende Haltung ein und versuchten, ihn mit zotigen Sprüchen zu locken. Doch ihre Stunde war noch nicht gekommen. Sie warteten auf Kundschaft, die das Licht des Tages scheute. Peter beschleunigte seine Schritte, bis seine Augen schließlich an einer Holztafel hängen blieben, auf die mit weißer Farbe Sternbilder und allerhand fremdartige Symbole gezeichnet waren. Aus dem dazugehörigen Zelt drang ein aufdringlich süßer, betörender Duft, der ihn auf eigenartige Weise in seinen Bann zog.

Langsam näherte er sich dem Zelt, dessen Eingang, leicht aufgeschlagen, einen Blick ins Innere gewährte. Erschrocken strauchelte Peter rückwärts. Zwei milchig-trübe Augen, deren Besitzerin gleichsam mit der rauchgewölkten Finsternis des Zeltes verschmolz, starrten ihm geradewegs ins Gesicht. Eine Frau so alt wie die Schöpfung trat langsam hervor. Braune Haut umlotterte, unzählige Runzeln werfend, den im Laufe der Äonen eingeschnurrten Körper, der, von der Last der Zeiten schwer gekrümmt, in einem beigefarbenen Wollwickel steckte. Peter wollte nichts wie weg, doch blieb er wie angewurzelt stehen, fixiert von den blinden Augen, die, obgleich sein Äußeres nicht sehend, tief in seine Seele blickten.

»Du hast der Dinge viel verloren, mein Sohn«, raunte die Alte, mit rauchig-warmer Stimme in einem fremdländischen Akzent.

»Tritt in mein Zelt. Drei Groschen gib mir, damit ich schaue, was weiter du zu dulden hast, – wohin dein Weg dich führt.«

Wie gebannt stolperte Peter in das Zelt, nestelte drei Groschen heraus und nahm gegenüber der Wahrsagerin auf dem Teppich Platz. Zwischen ihnen glomm Glut in einem von der Zeltdecke herabbaumelnden Thuribulum, aus dem duftschwangere Schwaden hervorquollen und Peters Sinne betörten. Die Alte nahm seine Hände in die ihren. Peters Blick fiel auf die langen, gelben, wie Hobelspäne verdrehten Fingernägel. Schaudern. Er war versucht, sich zu entziehen, allein er war zu schwach, der Rauch so dicht und schwer. Die Augen fest geschlossen, saß die Alte da und atmete tief, wobei die bronzenen Ringe, in den zu fleischernen Lianen mutierten Ohrläppchen hängend, langsam im Takt dazu schwangen. Röchelnd sog sie ein, um leise rasselnd auszublasen, das Gesicht wie schlafend, ohne Ausdruck. Plötzlich zuckten ihre Lider, die blinden Augen rollten wie unter Schmerzen. Eine dunkle, klare Männerstimme drang, wie aus dem Schacht des tiefsten aller tiefen Brunnen tönend, aus dem halb geöffneten Mund, dessen Lippen keine Worte formten, noch er zu sprechen schien. Von Grauen gepackt, versuchte Peter, sich loszureißen, doch die entfleischten Knochenfinger hielten ihn mit eisernem Griff gefangen.

»Peter Hagendorf! Dir ist viel Unrecht widerfahren. Doch dies Unrecht wirst du tausend und abertausend Male vergelten an jenen, die dir keines zugefügt.«

Woher kannte das Weib seinen Namen? Hatte er sich vorgestellt? Benommen die Gedanken, außerstande sich zu entsinnen, hörte er wie paralysiert weiter zu.

Dumpf quälten sich die Worte aus dem Grabmal ihres Körpers, indes der Schaum in dicken Flocken von ihren dürren Lippen troff.

»Deine Heimat wird dir fremd, die Fremde zur Heimat dir werden. Die Saat des Todes wirst du auf den Feldern ausbringen – nirgends willkommen und von aller Welt gehasst, wird selbst der Tod dich verachten und stets nur jene zum Tanze fordern, die du geliebt. – Dein Weib wirst du an ihn verlieren, die Liebste wird statt deiner er beschlafen, dein eigen Fleisch und Blut wird er dir rauben …«

Mehr mochte Peter nicht hören. Die Alte war von Sinnen, das bereits Gehörte schon zu viel. Er nahm alle Kraft zusammen und riss sich los. Im schnellen Lauf hügelabwärts rieb Peter sich die schmerzenden Handgelenke, an denen die Krallen der orakelnden Zigeunerfrau blutige Kratzer hinterlassen hatten. Die Wiesen dufteten nach Heu, ungezählte Spring- und Krabbeltiere wichen vor ihm aus, die Bienen summten, doch von alldem merkte Peter nichts. Bald hatte er die schützenden Mauern erreicht und betrat durch das Breite Tor die Stadt. Verstört irrte er durch die Gassen, stolperte über den Markt, wo gerade die Stände abgebaut wurden, vorbei am prächtigen Zunfthaus der Bäcker, um sich schließlich in eine der Trinkstuben gegenüber der Marktkirche zu begeben.

Bald hatte er ein Stübchen des obergärigen Gosebieres vor sich stehen und versuchte, darin zu vergessen, was in den letzten Wochen alles schiefgelaufen war und was die alte Hexe ihm für seine weitere Zukunft prophezeit hatte.

Eigentlich war Peter grenzenloser Optimist. – Einer, der fest an sich glaubte, sich von Misserfolgen nicht einschüchtern ließ und der weitermachte, wo andere längst aufgehört hätten. Doch das Zigeunerweib hatte ihm dermaßen zugesetzt, dass er so deprimiert war wie an jenem Tag, als sein Vater ihm verkündet hatte, dass nicht er, sondern sein Bruder Jacob die Mühle erben würde. Mit dem Schicksal hadernd, starrte er gedankenverloren in den leeren Krug des mittlerweile zweiten Stübchens und war sich sicher, dass er auch das restliche Geld, das er unter seiner Schuhsohle versteckt davongetragen hatte, nicht anders anlegen würde.

Plötzlich drückte ihm da einer freundschaftlich die Schulter und fragte:

»Was machst du denn für ein verdrießliches Gesicht? Hat dir dein Meister etwa auf den Kopf gepinkelt oder was ist los?«

Überrascht blickte Peter auf, geradewegs in das offenherzige Gesicht eines Jünglings, nur unwesentlich älter als er.

»Ist halt nicht so mein Tag«, antwortete er, wobei ihm die zwei Biere bereits anzuhören waren.

»Hast du was dagegen, wenn ich mich zu dir setze?«, fragte der andere und ließ sich, ohne eine Antwort abzuwarten, einfach nieder und orderte zwei Krüge Bier.

Peter fasste schnell Vertrauen zu dem blonden Burschen mit den blauen Augen, der sich als Christian Kresse aus Halle vorstellte. Im Verlauf des Gespräches erfuhr er, dass auch Christian, als jüngster von vier Bauerssöhnen, mit falschen Erwartungen nach Goslar gekommen war. Doch obwohl Christian nur ein knappes Handgeld als Erbe erhalten hatte und damit in die Fremde geschickt worden war, schien er weniger verzweifelt als Peter, der selbst nach dem Überfall noch mehr Geld besaß als dieser. Langsam begann er, wieder Mut zu fassen, und erzählte ihm seine Geschichte. Christian, der nach eigenem Bekunden nur wenige Jahre zur Schule gegangen und gerade einmal lesen, schreiben und etwas rechnen gelernt hatte, entpuppte sich als verständiger Zuhörer. Nachdem Peter geendet hatte, sprach Christian kurz sein Bedauern aus, schwenkte dann jedoch ohne Umschweife über auf seinen Plan, für den er nun auch Peter gewinnen wollte:

»Die Teuerung schreitet unbarmherzig voran und macht es uns unmöglich, eine anständige Arbeit zu finden. Der Preis für Brot und Bier steigt täglich und sobald das Wenige, das wir noch haben, aufgebraucht ist, werden wir auch unanständige Arbeit annehmen oder gleich durch Raub und Dieberei unser Leben bestreiten müssen, ganz so wie der Schnapphahn, der dich erleichtert hat. – Zumindest so lange, bis des Seilers Tochter Hochzeit mit uns hält«, fügte er scherzhaft hinzu.

Peter, der unwillkürlich an die Boxer denken musste, nickte nur und Christian fuhr fort:

»In der Pfalz tobt der Krieg. Die Söldner werden besser bezahlt als Handwerksgesellen. Warum nicht dort sein Glück versuchen?«

»Aber ich verstehe nichts vom Krieg«, wandte Peter ein.

»Du bist groß gewachsen und machst einen zähen Eindruck. Den Rest wirst du schnell lernen.«

Peter befand sich in einem Zwiespalt. Zwar konnte er sich nur schwer damit anfreunden, ein Soldat zu werden, aber eine Alternative zu seinen bisherigen Absichten benötigte er dennoch.

»Aber ich habe an der Marktschule studiert, kann lesen, schreiben, rechnen und Latein – weshalb nur sollte ich ein Söldner werden?«, gab er zu bedenken.

Christian verdrehte die Augen und antwortete:

»Du siehst ja, was sie dir gebracht hat, deine ganze Bildung.«

»Aber ich habe ein Mädchen – wir wollten heiraten …«

»Na, dann ist das doch der beste Plan! Was meinst du, wie die guckt, wenn du mit buntem Gewand, ein federgeschmücktes Barett auf dem Kopf und hohen Stulpenstiefeln an den Füßen vor sie trittst, um ihr den Hof zu machen? Das macht viel mehr her als eine abgewetzte Gesellentracht, egal von welcher Zunft. Und wenn du dich nicht ganz blöd anstellst, hast du es bis dahin vielleicht bis zum Fähnrich gebracht und dabei mehr verdient, als du auf andere, ehrliche Art und Weise verdienen kannst. Mit etwas Glück beim Plündern – nicht auszudenken, was da drin ist. Warum willst du den Boden mit deinem Schweiß tränken, wenn Blut einen viel höheren Ertrag verspricht?«

Peter kam ins Grübeln: Christians Argumente klangen verlockend. Doch war er wirklich Willens, mit Plünderung und Totschlag sein Geld zu verdienen? Die Prophezeiung fiel ihm ein und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Doch hatte nicht Gottes Fügung ihm genau diese Arbeit zugedacht? Schließlich hatte nicht er, sondern Jacob die Mühle geerbt und auch das Geld für eine Ausbildung war ihm gestohlen worden. Weshalb sollte er sich dem Schicksal entgegenstellen, wenn Gott bereits über sein Tun und Wollen entschieden hatte? Doch noch wollte er sich nicht geschlagen geben und gab zu bedenken:

»Kein Krieg währt ewiglich. Wenn er aus ist, habe ich nichts gelernt, was man in Friedenszeiten benötigt.«

Unwillig schüttelte Christian den Kopf und fragte: »Erinnerst du dich des Kometen?«

Natürlich erinnerte sich Peter und er nickte.

»Der Komet hat einen gewaltigen Krieg angekündigt. Da wird das Soldatenhandwerk ein gar zukunftsträchtiger Beruf werden«, stellte Christian fest.

»Aber … wie wird man ein Soldat?«

»Wir lassen uns anwerben.« Dabei hatte Christian das »Wir« so ausgesprochen, als wenn sein Plan schon beschlossene Sache wäre.

Peter kratzte sich am Kopf und fragte: »Du denkst, wir sollten in die Armee von Johann Georg von Sachsen eintreten?«

»Papperlapapp! – Der Bierjörge hat sich mit dem Kaiser verbündet, obwohl er ein Lutheraner ist.«

»Als Protestant verbündet er sich mit der katholischen Liga? – Mir ist die ganze Angelegenheit verworrener als der Filz am Bauch eines Schafes …«, stellte Peter fest, der sich bis dahin nicht mit Krieg und Politik beschäftigt hatte.

»Hör zu: Auf Drängen unseres alten Kaisers Matthias wurde dessen Vetter Ferdinand von den böhmischen Fürsten zum König gewählt. Ferdinand wurde von Jesuiten erzogen und ist streng katholisch. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass er, kaum da er auf dem böhmischen Thron saß, sogleich protestantische Beamte aus ihren Ämtern entließ und zwei evangelische Kirchen auf sein Geheiß abgerissen wurden. Ein gnadenloser Verfechter des katholischen Glaubens und erklärter Feind aller Protestanten auf Böhmens Thron – das konnte niemals gut gehen. Deshalb beschwerten sich die böhmischen Fürsten bei Kaiser Matthias, der sie jedoch, statt Ferdinand zu bremsen, maßregelte und ihnen drohte. Doch das kam schlecht bei den stolzen böhmischen Adeligen an. Statt klein beizugeben, pilgerten sie auf den Hradschin, um – ganz nach böhmischem Brauch – die kaiserlichen Statthalter zu defenestrieren.«

»Sie haben sie aus dem Fenster geworfen …?«

»Gewiss doch – sieh her!« Christian nestelte eine Zeitung aus der Tasche und faltete sie vorsichtig auseinander.

Peter betrachtete das gedruckte Bild. Die Prager Burg direkt am Moldaustrand. Vor ihren Mauern lag Slavata, der erste der beiden Statthalter neben seinem Degen, Martinez, der andere Statthalter, und Fabrizius, der Kanzleisekretär, wurden soeben kopfüber aus dem Fenster gestürzt.

»Ist es hoch – dieses Fenster?«, fragte Peter.

»Viel höher, als es in der Zeitung aussieht – doch sie überlebten, weil sie in einem Misthaufen landeten. Also ging der Aufstand weiter.«

Peter hatte die Zeitung umgedreht und las.

»Der Papst und die Jesuiten wollen alles Lutherische aus dem Reiche tilgen. Allein dagegen hätten sich die böhmischen Stände zur Wehr gesetzt«, stellte er fest.

»So ist es um die protestantische Sache bestellt, du Traumtänzer!«, lachte Christian bitter. »Aber der Fenstersturz war nur der Auftakt zu einem viel größeren Unglück. – Nachdem im Folgejahr der kranke Kaiser Matthias verstorben war, gaben sich die böhmischen Stände eine neue Verfassung, nach der sie ihren König abwählen durften, was sie auch sogleich in die Tat umsetzten. Ferdinand wählten sie ab und Friedrich von der Pfalz zum neuen König von Böhmen.«

»Pfalzgraf Friedrich, sagt man, feiere die Messe calvinistisch und zerbreche sogar Hostien«, warf Peter ein.

»Papistisches Geschwätz! – Ferdinand konnte keinesfalls zulassen, dass ein Reformierter auf dem böhmischen Thron sitzt. Seine Kaiserkür, als Nachfolger von Matthias, stand unmittelbar bevor. – Du weißt, wie der Kaiser gewählt wird?«

»Er wird von den sieben Kurfürsten gewählt, als da wären: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie die Herrscher von Sachsen, Brandenburg und der Pfalz und als siebter der König von Böhmen.«

»Du siehst, die drei erstgenannten, kirchlichen Kurfürsten sind allesamt katholisch, während der Pfälzer, der Brandenburger und Johann Georg von Sachsen der protestantischen Kirche angehören. Der siebte aber ist das Zünglein an der Waage. Der König von Böhmen entscheidet, ob nun Katholiken oder Protestanten die Mehrheit haben. Und es ist seit langem Tradition, dass die böhmischen Könige aus dem Hause Habsburg stammen, welches auch den Kaiser stellt. Was aber geschieht, wenn nun ein Protestant auf dem böhmischen Thron sitzt?«

Peter dachte kurz nach. Politik hatte ihn bislang nicht besonders interessiert, was auch daran liegen mochte, dass ihn sowieso niemand nach seiner Meinung fragen würde. Das alles war Sache der Herrschenden. Doch sein Gespür für Zahlen brachte ihn auf die richtige Lösung und er entgegnete:

»Wenn der König von Böhmen ein Protestant ist, dann sind diese in der Überzahl und die Habsburger werden, über kurz oder lang, vermutlich die Kaiserkrone verlieren.«

»Richtig!«, wurde ihm von Christian bestätigt.

»Und deshalb wollte Kaiser Ferdinand das nicht zulassen. Wenn das Haus Habsburg die Kaiserkrone behalten wollte, dann musste er Friedrich von der Pfalz vom böhmischen Thron jagen.«

»Aber weshalb haben die beiden anderen protestantischen Fürsten sich dann nicht hinter Friedrich gestellt? Das wäre doch auch eine Möglichkeit gewesen?«

»Die Beste, die es gibt, dessen bin ich sicher. – Doch Johann Georg von Sachsen hasst die Calvinisten mehr noch als die Muselmänner. Und er ist der Ansicht, dass es gegen das Recht sei, einen legitimen Herrscher wie den König von Böhmen einfach abzuwählen. Besonders, da Ferdinand auch Kaiser ist und dieser Titel als geheiligt gilt. – Doch glaube ich, es steckt noch anderes dahinter, dass unser Bierjörge sich auf die Seite der Papisten stellt.«

Christian nahm einen tiefen Zug und blinzelte Peter verschwörerisch zu, um ihm sodann seine Theorie zu unterbreiten:

»Sie haben ihn gekauft, diese römischen Bluthunde. – Aber du wirst sehen. – Sobald sie mit seiner Hilfe erst die Macht des Kaisers im ganzen Reich wiederhergestellt haben, dann geht es allen Protestanten an den Kragen. Nicht nur den Calvinisten, sondern auch uns Lutheranern.«

»Und deshalb willst du gegen den Kaiser kämpfen«, stellte Peter zweifelnd fest. »Man sagt, er hätte in der Schlacht am Weißen Berg gesiegt, die Aufständischen bestraft und Friedrich von der Pfalz in die Flucht getrieben. Was soll da noch groß kommen?«

»Und wie er sie bestraft hat! Alter böhmischer Adel, hingerichtet durch das Schwert. Die zwölf schönsten Köpfe wurden auf Spieße gesteckt und zieren nun den Altstädter Brückenturm – weithin sichtbar, um Böhmen zu decouragieren.«

Mit einem triumphierenden Glitzern in den blauen Augen beugte Christian sich vor:

»Aber wie ich gehört habe, dringt die flandrische Armee in die Pfalz ein. Die Spanier wollen sich diesen Brückenkopf sichern, damit sie ungehindert Truppen aus Spanien und Mailand auf der spanischen Straße entlang des Rheins in die Niederlande bewegen können, ohne dabei von Frankreich gestört zu werden.

In Ulm hat die protestantische Union sich zwar als neutral erklärt und auch darauf verzichtet, Friedrich zu Hilfe zu eilen, aber ich glaube nicht, dass England, Holland und die protestantischen Reichsfürsten diesen enormen Machtzuwachs der Habsburger so hinnehmen werden. – Man sagt, der Krieg geht jetzt erst richtig los.«

Nach einigen weiteren Stübchen torkelte Peter heimwärts zum Haus des Krämers, um dort seine letzte Nacht in Goslar zu verbringen. Für den nächsten Morgen hatten die beiden frisch gebackenen Freunde verabredet, nach Westen zu reisen, um Soldaten zu werden. Ohne sich auszuziehen, fiel Peter auf das Bett und schlief auch sogleich ein.

Dichte Nebelschwaden – Eiseskälte. Transzendente Töne, zu einer kläglichen Weise sich bindend, qualvoll aus dem Pfeifensack gequetscht, der einsam in der Ferne quakend blies. Peter schreckte auf, versuchte hochzukommen, doch es war, als ob ein zentnerschwerer Alb ihn niederdrückte. Seine Finger krallten sich in das feuchte, nach Pilzen und Moder duftende Erdreich. Ein sanfter Wind blies auf den Brodem, der sich in Schlieren teilte, den Blick freigab auf steinerne Stelen, moosbewachsen und alt. Entsetzen packte ihn, da er nicht wusste, wie er auf diesen Gottesacker gekommen war. Mit Gewalt versuchte er, sich loszureißen, konnte jedoch, so sehr er sich auch mühte, kein einziges Glied, nicht Bein, nicht Arm noch Finger von der Erde heben – war verdammt, zu liegen und zu schauen. Sein Herz schlug bis zum Halse, schien zu bersten, als er die Gestalt erblickte, die sich ihm langsam, durch die Reihen der Gräber tanzend, näherte. Zwischen den bunten Beinkleidern thronte eine beachtliche Schamkapsel. Darüber ein geschlitztes Wams mit ausgepufften Ärmeln, viel zu weit und üppig im Kontrast zu den knochendürren Händen, die eifrig klappernd die Sackpfeife bedienten, deren Balg sich der Tänzer unter den rechten Ellbogen geklemmt hatte. Die Füße steckten in hohen Entenschnabelstiefeln, wie sie die Söldner trugen. Auf dem Kopfe thronte ein breites Barett, in dessen Hutband eine Fasanenfeder im Takt lustig wippte und Peter den freien Blick auf das Gesicht des Mannes verdeckte. Immer schneller wurde die Weise, immer wilder der Tanz, zu dem die Knochenfinger auf der Flöte rhythmisch klapperten. Die Töne stieben Peter nur so um die Ohren. Seine Glieder begannen, wie vom Veitstanz ergriffen zu zucken, und fester, immer fester krallte Peter sich in den Boden, um nicht mit fort zu wirbeln. Alles schien vom wilden Reigen ergriffen. Sein Blick blieb an einem Nebelschleier haften, der direkt auf den Musikanten zu rotierte und – Peter wollte seinen Augen nicht trauen – sich zu einer menschlichen Gestalt zu verdichten begann, die er kannte. Großmutter wirbelte, Hand in Hand mit dem Tänzer über das Gräberfeld. Ihre Bewegungen wirkten leicht und fast grazil, viel jugendlicher, als er sie je gesehen hatte, doch greisenhaft und verhärmt das Gesicht. Eben blickte sie in seine Richtung, indes ihr Blick blieb nicht an Peter haften, durchdrang ihn ganz, als wäre er transparent. Es war, als würde sie in eine andere Welt schauen. Gerade vor ihm angekommen, drehte der Spieler den Kopf in seine Richtung. Ein blank entfleischter Schädel grinste ihn erkennend an und nickte ihm zu. Tot und schwarz die leeren Augenhöhlen, schien er bis tief in Peters Innerstes zu blicken, seine Seele gleichsam aufzusaugen. Peter wollte fort – schnell und möglichst weit. Die Muskeln krampften, trieben ihm das Wasser fast stoßweise aus den Poren, doch sein Körper war schwer und steif wie schwitzender Marmor. Ohnmächtig und außerstande sich zu rühren, bündelte sich alle Kraft und Panik tief in den Lungen und Peters Lippen entfuhr ein brachialer Schrei. Ein Schrei von solcher Urgewalt, dass er noch lange nachhallte, als er schweißgetränkt im Bett sich aufzurichten begann, während das grauenhafte Bild vor seinen Augen langsam verblasste.

Peter brauchte einige Momente, um sich klarzumachen, wo er sich befand, und was passiert war. Er hatte einen Freund gefunden. Morgen wollten sie gemeinsam aufbrechen, ihr Glück zu suchen. Sicher war der Entschluss, Söldner zu werden, ein Wagnis, doch es fühlte sich auch an wie Abenteuer. Zu aufgeregt, um gleich wieder einschlafen zu können, ließ er sich auf den Rücken fallen, während die Erlebnisse der letzten Tage an seinem inneren Auge vorbeizogen …

Sanfte Böen bliesen den Staub über die beidseitig von mächtigen Linden gesäumte Straße, deren lange Schatten den Abschied des Tages ankündeten. Links des Weges wogte ein Meer goldgelben Weizens, dessen dicke Ähren eine gute Ernte versprachen, gegenüber die sattgrünen, mit Pappeln und Weiden bestandenen Flussauen der Nuthe, die in verspielten Schleifen der Elbe entgegen plätscherte. Festen Schrittes näherte sich Peter, hoch aufgeschossenen und hager, ein erster, weicher Flaum über den schmalen Lippen. Die rechte Faust umklammerte einen schräg über die Schulter gelegten Wanderstab, an dessen Spitze ein Bündel hing. Mit den Fingern der weit ausgestreckten Linken strich er fast liebevoll über die kurzen Grannen des nahezu ausgereiften Getreides. Seine Gedanken weilten bei der väterlichen Mühle, den Eltern und seinen Geschwistern.

Ungeduldig beschleunigte er seine Schritte. Vier lange Jahre hatte er in Goslar verbracht, wo er die Marktschule besucht hatte. Unter der strengen Fuchtel seiner Lehrer war er in Latein, Grammatik, Geometrie, Mathematik und Buchhaltung sowie natürlich der Heiligen Schrift unterwiesen worden.

Nein, die Zeit war oft nicht leicht gewesen und wenn den Lehrern einmal die Worte gefehlt hatten – was leider oftmals vorgekommen war –, so hatte der Stock gesprochen, dessen Argumente den Schülern meist einleuchtender erschienen waren als lange Erklärungen, wie sich Peter schmerzhaft erinnerte. Oft hatte es gereicht, wenn die verträumten Augen einen Moment zu lange aus einem der Bogenfenster geblickt hatten oder die Schrift, in den Augen des Lehrers, zu schludrig gewesen war.

Sein Vater hatte viel Geld für das Studium bezahlen müssen und nun brannte Peter regelrecht darauf, das Erlernte auch in den elterlichen Betrieb mit einbringen zu dürfen. Rechnen und Schreiben waren auch im Beruf eines Müllers von Vorteil und er ahnte, dass besonders die Einblicke in die Kunst der Buchhaltung ihm von Nutzen sein würden. Freudig reckte er im schnellen Schritt das markante Kinn nach vorne, so dass es schien, als ob es sich mit der Spitze seiner etwas zu lang geratenen Nase treffen wolle. Die Gedanken eilten den langen, weit ausschreitenden Beinen voraus. Wie mochte es Zuhause aussehen, wie der Familie ergangen sein?

Peter bog auf einen schmalen Pfad rechts ab, der quer durch die Aue in Richtung Fluss führte. Aus der Ferne drang ein wohlvertrautes Rumpeln an sein Ohr, das ihm verriet, dass die Mühle in Betrieb sein musste. Sein Herz schlug vor Aufregung höher. Aber kaum, dass er sich zwischen zwei Büschen hindurchgezwängt hatte, blieb er wie angewurzelt stehen. Vor ihm stand, inmitten grasender Ziegen, ein junges Mägdelein mit einem Stecken in der Hand, das ihn mit weit aufgerissenen Augen überrascht anstarrte. Nach kurzem Zögern entspannten sich ihre Züge und dem Mund entfuhr ein freudiges:

»Peter!«

Die pechschwarzen Zöpfe wehten wie Fahnen im Wind, als sie auf ihn zu rannte. Auch er erkannte, wen er vor sich hatte, und fing sie mit weit geöffneten Armen auf, um sie kurz an sich zu drücken.

»Anna Maria!«, rief Peter erfreut und schob sie mit ausgestreckten Armen etwas zurück, um sie besser betrachten zu können.

»Du bist gar nicht gewachsen …«, stellte er zögernd fest. »… du siehst … nur irgendwie anders aus.«

»Natürlich bin ich gewachsen, aber du eben auch«, sagte Anna Maria lachend und strich sich über den braunen Leinenkittel.

»Mag sein«, erwiderte er mit einem kurzen Blick auf die weiblichen Formen, die sich unter ihrem Gewand abzeichneten. »Wir sind halt keine Kinder mehr«, stellte er fest und wühlte sich etwas verlegen den flachsbraunen Haarschopf, der unter dem schwarzen, breitkrempigen Filzhut hervorschaute.

Der zwei Jahre jüngeren Anna Maria, älteste Tochter des in direkter Nachbarschaft wohnenden Buchlerbauern, war er freundschaftlich zugetan. Gerne erinnerte er sich an die zahlreichen Sommerabende, an denen sie bis zum Einbruch der Dunkelheit im Gras gesessen hatten.

»Sind alle wohlauf?«, fragte er, während sie ihre Schritte Richtung Mühle lenkten, wobei Anna immer wieder von ihrem Stock Gebrauch machte, um den Ziegen die Richtung zu weisen.

»Ja, soweit mir bekannt ist, schon. – Und es gibt gute Neuigkeiten. Vor drei Monden hast du ein Geschwisterchen bekommen. Jörg ist putzmunter und sein Gebrüll so laut, dass es sogar den Wolf von der Herde fernhält, weshalb ich die Ziegen hier gern grasen lasse.«

Bei dieser Vorstellung huschte ein Lächeln über Peters Gesicht. Das Rumpeln und Plätschern wurde zunehmend lauter und alsbald standen sie vor der Mühle. Gemächlich strömten die Wellen und hielten das große, unterschlächtige Wasserrad in Bewegung, dessen Abtriebswelle in der Außenwand des direkt am Ufer errichteten Fachwerkbaus verschwand. Die gewaltige Esche im Hof breitete wie eh und je ihre gewaltigen Äste über das kleine Anwesen. In dem rechteckigen, mit einem Weidenzaun eingefriedeten Gemüsegarten harkte Peters Großmutter das Rübenbeet, während der kleine Jörg auf einer Decke lag und schlief. Lautes Geschnatter ertönte und eben bog die zehnjährige Agnes um die Ecke. Mit einer Haselrute bewaffnet, trieb sie die Gänse vor sich her, Richtung des angebauten Stalls, in dessen Schutz das Federvieh die Nacht in Sicherheit vor Fuchs und Wolf verbringen sollte. Ein spitzer Schrei entfuhr dem Mädchen, überrascht ließ es den Stecken fallen. Nach einem kurzen Zögern rannte Agnes freudig auf den Bruder zu, der ihr im ersten Moment fast fremd vorgekommen war. Die Großmutter sah auf und blickte angestrengt in Peters Richtung. Mit der Linken strich sie eine weiße Strähne, die unter dem leinenen Kopftuch hervorgerutscht war, aus der kraus gezogenen Stirn. Ein Lächeln huschte über ihr gefurchtes Antlitz und sie benötigte einen kurzen Moment, bis sie unter schmerzvollem Stöhnen ihren gebückten Körper aufgerichtet hatte. Dann wischte sie sich umständlich den Dreck von den runzligen Fingern, reffte den zigmal geflickten Rock und lief auf Peter zu, so schnell sie es vermochte.

Aufgeschreckt durch die freudigen Rufe kam auch seine Mutter aus dem Mühlhaus. In der Rechten hielt sie noch den hölzernen Stampfer, mit dem sie gerade die Butter geschlagen hatte. Sie eilte die steilen Stiegen herunter, um einen Augenblick später ihren Ältesten zu umarmen.

Fast unbemerkt war der um ein Jahr jüngere Jacob hinzugetreten. Auf den breiten Schultern einen schweren Getreidesack schleppend, blickte er den Neuankömmling argwöhnisch an. Schmallippig lächelnd, sah er zu dem Bruder, der ihn beinahe um Haupteslänge überragte, auf, stellte schwungvoll die Last auf den Boden und streckte ihm zur Begrüßung seine breite Hand entgegen, die Peter sogleich ergriff.

»Du hast Hände wie ein Mädchen«, stellte Jacob fest. »Wird Zeit, dass du sie der Feder entwöhnst und ordentlich mit anpackst.«

Peter starrte in das Gesicht, das ihn mit wässrig-blauen Glotzaugen fixierte. – Hatte er wirklich erwartet, dass Jacob sich freuen würde, ihn zu sehen? Schon stand die alte Rivalität wieder zwischen den beiden Brüdern. – Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schulterte Jacob den abgestellten Sack und verschwand, geschäftig tuend, in der Mühle. Schrill und überlaut unterbrach ein weinerliches Geschrei die Wiedersehensfreude und alle liefen zum Gemüsegarten. Neugierig betrachtete Peter den pausbäckigen Säugling, der im Schatten eines Johannisbeerstrauchs lag und mit gerötetem Gesicht, die Augen zugekniffen, lauthals plärrte. Mit dem Zeigefinger tippte er gegen das bleiche Skelett einer Ringelnatter, das sich um den zarten Hals des Kindes wand, und warf einen fragenden Blick in die Runde.

»Letzten Vollmond hab’ ich sie gefangen, abgekocht und ihre Knochen an einer Schnur aufgezogen«, keuchte die eben erst hinzukommende Großmutter. »Die ersten Zähne zeigen sich bereits – da sieh.« Ihr ausgestreckter Zeigefinger deutete auf den Unterkiefer des Kleinen, wo sich ein winziger, weißer Punkt abzeichnete. »Es soll sein Leiden lindern«, fügte sie erklärend hinzu. Peter nickte und nahm das Kind vorsichtig auf den Arm.

»Du hast Schmerzen kleiner Bruder – sei getrost, das wird vorübergehen.« Zärtlich strich er mit der Linken über den flaumigen Kopf, worauf sich Jörg wieder beruhigte und Peter mit großen Augen fixierte.

»Er mag dich«, stellte seine Mutter fest.

»Ich ihn auch«, grinste Peter. »Doch wo ist Vater?«

»In der Mühle. Geh nur zum ihm – er wird sich freuen.«

Peter drückte Agnes den Säugling in den Arm und griff nach dem abgelegten Bündel. »Mit der Stimme hattest du recht«, schmunzelte er Anna Maria zu und lief los.

Auf halbem Weg kam ihm Jacob entgegen.

»Ist Vater bei der Arbeit?«, fragte Peter und deutete auf die schmale Treppe, die hinab in die Mühle führte.

»Wo soll er den sonst sein?«, gab der Bruder kurz angebunden zurück.

Peter schluckte den Ärger über Jacobs Verhalten hinunter und eilte die Stiegen abwärts in das gemauerte Erdgeschoss. Langsam drehte sich der obere Mahlstein, so dass der darüber liegende Fachwerkbau erzitterte. Peters Augen brauchten einen kurzen Moment, um den Mehlstaub in der Luft zu durchdringen. Auf einer Leiter stand sein Vater, einen schweren Sack über die breite Schulter gelegt und schüttete langsam dessen Inhalt in den Trichter, worauf das Getreide im Auge des Läufersteins verschwand. Die Luft war staubig und trocken. Laut schepperte der Rüttelkasten, der das Mehl von der Kleie trennte. Weiß und fein rieselte es in den Mehlkasten, während eine kunstvoll geschnitzte Fratze aus dem weit aufgerissenen Maul die Kleie auskotzte.

»Vater – ich bin wieder da!«

Der kräftige Mann auf der Leiter neigte erst den Kopf zur Seite, als ob er schlecht verstanden habe, dann, gerade als Peter zu erneutem Zuruf ansetzen wollte, sah er nach unten, um ihn zu begrüßen:

»Peter, welche Freude dich zu sehen. – Lass mich diesen Sack noch mahlen, der Rest des Tagwerks darf dann getrost bis morgen warten.«

Als er schließlich fertig war, kletterte der Müller mit einer Leichtigkeit, die man seiner wuchtigen Gestalt gar nicht zugetraut hätte, die eschenen Sprossen herunter. Seine breiten Fäuste ergriffen Peters Schultern. Mit ausgestreckten Armen betrachtete er seinen Sohn und stellte fest:

»Groß bist du geworden, doch es wird höchste Zeit, dass du auch in die Breite wächst. Hat man dir nicht ordentlich zu essen gegeben?«

»Aber natürlich – doch nun bin ich hier. Die harte Arbeit wird den Rest schon besorgen.«

Die Blicke seines Vaters wanderten zu Boden. Dann antwortete der Müller ausweichend:

»Du hast sicher viel gelernt …«

»Natürlich, warte einen Moment.«

Peter öffnete das Bündel, entnahm ihm einen zusammengeschnürten Stapel Papier und reichte das oberste Blatt seinem Vater. »Sieh nur, was ich geschrieben habe.«

Der Müller warf einen kurzen Blick auf die mit schwarzer Tusche sauber gezeichnete Schreibschrift in lateinischer Sprache. »Und du weißt, was das alles bedeutet?«, fragte er mit einem leisen Anklang von Ehrfurcht.

»Aber natürlich! Es ist ein Auszug aus dem Evangelium von Johannes – soll ich es übersetzen?«

»Später …, ich glaube dir. Was hast du noch gelernt?«

Erneut kramte Peter in seinem Bündel, um alsbald ein geheftetes Büchlein zu präsentieren. Ordentlich, in zwei Spalten geschrieben, reihten sich die Zahlen.

»Das nennt man Buchhaltung«, fügte er erklärend hinzu. »Damit kann man ermitteln, wie man wirtschaftet. Auf der einen Seite stehen die Aufwendungen: Zum Beispiel, wenn du etwas an der Mühle reparierst, einen neuen Mühlstein kaufst oder die Pacht für den Grundherrn. Auf der anderen Seite stehen die Einnahmen. Also das, was dir die Bauern für deine Arbeit bezahlen …«

»Aber wozu soll das gut sein?«, unterbrach ihn sein Vater und kratzte sich ratlos den grauen Haarschopf.

»Du kannst auf diese Weise deinen Gewinn ermitteln und es hilft dir, den Preis zu bestimmen, den du von den Bauern für das Mahlen eines Scheffels Korn verlangst.«

»Den Gewinn weiß ich auch so. Ich brauche nur nachzuzählen«, entgegnete der alte Müller kopfschüttelnd. »Und verlangen tu ich von den Bauern genau so viel, dass ich genug verdiene, sie mir aber bloß nicht auf die Idee kommen, ihr Getreide bis zur nächsten Mühle flussabwärts zu karren.«

Angesichts dieser einfachen Logik fehlten Peter die Worte. Enttäuscht klappte er sein Büchlein zu und ließ es in seinem Sack verschwinden.

»Nun mach mal nicht so ein Gesicht.«

Derb klopfte ihm der Vater auf die Schultern.

»Du wirst schon wieder auf andere Gedanken kommen. Ich räum noch schnell zusammen und dann sehen wir uns beim Essen.«

Peter ergriff seine Habseligkeiten und kletterte über die steilen Stiegen ins Dachgeschoss, wo sich die Schlafstätten befanden. Eine Bohlenwand trennte das Bett der Eltern, neben dem auch Jörgs kleine Wiege stand, von den Schlafstätten der übrigen Kinder. Sein Platz war neben Jacob unter der Dachschräge, gegenüber stand das Bett seiner Schwester. Prüfend strich er über die Matratze. Sie war weich und knisterte. Offensichtlich hatte seine Mutter sie mit frischem Stroh gefüllt. Peter hob das Kopfende etwas hoch und verstaute darunter den Inhalt seines Bündels, Schreibzeug, Hefte und Papier.

Er durfte seinem Vater dessen Reaktion nicht übelnehmen. Weshalb sollte er etwas über Buchhaltung wissen wollen, da er nicht einmal des Lesens mächtig war. Doch immerhin hatte er ihm eine gute Schulbildung ermöglicht. Und wenn er erst für einige Zeit in der Mühle mitgearbeitet hätte, dann würden sich ihm sicher nach und nach auch Möglichkeiten erschließen, das Erlernte mit einzubringen.

Beim Abendessen hatte sich die Familie um den großen, groben Tisch aus Ahorn versammelt. Die Mutter stellte einen breiten Eisentopf in dessen Mitte, dem ein unwiderstehlicher Duft entströmte. Es gab Eintopf mit Wurzelgemüse, Graupen und Speck. An letzterem konnte man erkennen, dass die Familie so schlecht nicht gestellt war. Bei den Bauern der Umgebung kam allenfalls an Feiertagen oder am Tag des Herrn etwas Fleisch mit auf den Tisch. Der Vater tauchte als erster die Kelle ein und schöpfte sich seinen Holzteller voll. Erst nach ihm kamen Frau und Kinder an die Reihe. Die Kleinsten zuletzt, schließlich leisteten sie auch die wenigste Arbeit. Doch zu hungern brauchte niemand – es war genug für alle da.

Nach dem Essen lehnte sich der Vater schwer zurück, worauf die hölzerne Bank knarrend protestierte. Mit der Linken strich er über den ergrauenden Bart und räusperte sich vernehmlich, wie er es meistens machte, wenn etwas Wichtiges anstand. Gespannt richteten sich alle Blicke auf ihn und mit leicht belegter Stimme begann er stockend – was sehr ungewöhnlich für ihn war – auszuführen:

»Ich habe lange nachgedacht … mir meine Entscheidung bei Gott nicht leicht gemacht: Peter, deine Ausbildung war teuer – hat viel Geld gekostet, das weißt du.«

Peter befiel eine böse Vorahnung und mit einem Mal war sein Hals wie zugeschnürt und er wusste nicht, wie er den Brocken, den er eben kaute, herunterschlucken sollte. Die weiteren Worte des Müllers trafen ihn wie Keulenhiebe und er musste sich regelrecht zusammennehmen, um nicht taumelnd vom Stuhl zu kippen:

»Die Mühle lässt sich nun mal nicht teilen und wirft nur genug für eine Familie ab«, sinnierte der Vater dessen ungeachtet weiter. »Indes der Jacob taugt zum Lernen nicht. Doch hier, im Betrieb, war er mir immer eine große Hilfe, weiß alles, was ein Müller eben wissen muss, … ist fleißig und stark …«

Peter schluckte tief und wagte einzuwenden: »Das bin ich auch …«

»Ich weiß«, beschwichtigte der Müller. »Doch siehst du nur deine Belange. Ich jedoch muss euer aller Wohl berücksichtigen. Auch an deine Schwester und den kleinen Jörg werde ich noch denken müssen. Meine Entscheidung jedenfalls ist unumstößlich. Jacob soll die Mühle dereinst weiterführen, jedoch erst wenn ich die schwere Arbeit nicht mehr zu leisten vermag. Dafür hat er für uns, für mich und eure Mutter, zu sorgen so lange, bis Gott der Herr uns abberuft. Du hingegen hast eine gute Schule besucht und erhältst eine prall gefüllte Geldkatze als dein Erbe. Damit wirst du in der Stadt eine höhere Laufbahn einschlagen können, ja vielleicht sogar studieren.«

Die Enttäuschung nahm Peter schier die Sinne und aufbrausend machte er sich Luft:

»Im Gegensatz zu Jacob durfte ich mein Können nicht einmal unter Beweis stellen. Diese Gelegenheit habe ich nie erhalten – dieser, dein unumstößlicher Entschluss – er stand von Anfang an fest.«

Kaum, dass die freche Widerrede über Peters Lippen gekommen war, wurde es mit einem Mal mucksmäuschenstill in der Stube. Keiner wagte mehr, auch nur zu atmen. Selbst der kleine Jörg schien die Anspannung zu spüren und schaute mit großen Augen hilfesuchend um sich. Zornesröte stieg dem Müller ins Gesicht, als er die anmaßenden Worte des dreisten Sprösslings hörte. Statt für all das, was er ihm ermöglicht hatte, dankbar zu sein, wagte Peter es, sich zu beklagen. Langsam erhob er sich und langte nach dem Stecken, der stets griffbereit an der Wand lehnte. Agnes jammerte leise in Erwartung dessen, was nun kommen würde. Doch anstatt die bevorstehende Züchtigung demütig über sich ergehen zu lassen, trat Peter, der wohl merkte, dass er in seiner Enttäuschung einen Schritt zu weit gegangen war, auf den Vater zu. Weit reckte er sich vor dem kräftigen Mann, auf und fixierte ihn wild entschlossen.

»Lass ihn nur stehen deinen Stecken, ich habe ihn bereits zur Genüge geschmeckt. Ich akzeptiere deine Entscheidung und werde Zerbst bereits im Morgengrauen verlassen.«

Mit diesen Worten kehrte Peter auf dem Absatz um und stürmte nach draußen.

Keuchend ließ der alte Müller den Stock sinken und sackte schwer auf die Bank. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und sein Atem ging schwer. Langsam kamen auch die übrigen Familienmitglieder wieder zu sich. Jörg plärrte los, die Großmutter eilte, ihn zu trösten, die Mutter räumte den Tisch ab und Jacob, der die liebe Not damit hatte, seinen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck nicht allzu offen zur Schau zu stellen, begab sich, geschäftig tuend, in die Mühle.

Agnes, die bis jetzt still dagesessen hatte, blickte kurz um sich und sah, dass niemand auf sie achtete. Leise stahl sich das Mädchen nach draußen und entschwand, die Entscheidung des Vaters bedauernd, in der Dunkelheit. War ihr der offenherzige und lustige Peter doch stets viel lieber gewesen als der verschlossene, düstere Jacob. Doch wozu mochte Peter in seiner Wut fähig sein? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein enttäuschter Erstgeborener den roten Hahn auf das ihm verweigerte Erbe steckte. Zielstrebig eilte sie mit gerefftem Leinenkleid den kurzen Weg zum Buchlerhof. Sie musste zu Anna Maria.

Bald sprangen flinke, nackte Beine durch die taufeuchten Wiesen flussabwärts dem Auenwald entgegen. Anna Maria Buchlerin wusste wohl um Peters Träume und ahnte dessen Verzweiflung. Leise keuchend lief sie auf zwei Birken zu, deren weiße Stämme im Mondlicht gut zu sehen waren, und kämpfte sich durch die dichte Ufervegetation, die mit Zweigen und Dornen an ihren Kleidern zerrte. Vor ihr tauchte ein kleiner, nur von einer einsamen Eiche bestandener Umlaufberg auf. Die nackten Füße versanken knöcheltief im Schlamm, als sie einen Altarm der Nuthe durchwatete. Das Kleid zerschlissen und verdreckt, erklomm sie endlich den steilen Hang, um sich neben Peter, der, den Rücken an den Baumstamm gelehnt, im Gras hockte, niederzulassen. Der nahm zwar keinerlei Notiz von ihr, doch war es ganz so, als habe er sie erwartet. Still saßen die beiden eine ganze Weile beieinander, schauten in die silbrig glitzernden Wellen, die mit verspielter Leichtigkeit das Sternenlicht auffingen und wieder zurück gen Himmel schickten.

»Das war leider nur ein kurzer Besuch«, unterbrach Peter schließlich das monotone Geplätscher.

»Willst du wirklich morgen schon aufbrechen?«

»Es gibt nichts mehr was mich hält – außer – na ja, die anderen halt … und auch du …«, antwortete er zögernd. »Aber ich habe meine Bestimmung bei der Mühle gesehen. Wenn das nicht sein soll, dann muss ich mein Glück woanders suchen«, fügte er mit fester Stimme hinzu.

Peter ließ die Erinnerung an die vergangene Stunde nochmals passieren, um dann bitter zu ergänzen:

»Jacobs schadenfrohes Grinsen halte ich jedenfalls keinen Tag mehr aus. Verzeih – es treibt mich so bald als möglich fort von hier!«

»Dein Vater schätzt dich. Er hat diese Entscheidung sicherlich nicht leichtfertig getroffen«, warf Anna Maria ein.

Peter konnte die Enttäuschung nicht verwinden:

»Herrgott noch mal! Und dennoch durfte ich mich nie beweisen. Er wird schon sehen, was er an dem Jacob hat …«

Anna Maria verstand ihren Freund. Der Entschluss des Vaters war ausgesprochen und schon lag seine Welt in Scherben.

»Versetze dich in deinen Vater – er liebt euch beide! Aber wenn er Jacob fortgeschickt hätte – was wäre wohl aus ihm geworden?«

Von dieser Warte aus hatte Peter die Sache noch nicht betrachtet. Nach kurzem Überlegen antwortete er:

»Ich bin mir jedenfalls absolut sicher, dass er bald eine Arbeit gefunden hätte …«

»Und wie weit, denkst du, dass er es gebracht hätte?«

»Naja, wenn es ihm gelungen wäre, eine gute Partie zu finden …«, begann Peter unsicher.

»Ja, wenn sich so schnell eine finden ließe, ohne einen Bruder, der die Mühle übernimmt«, entgegnete Anna Maria.

»Sieh doch: Du kannst lesen und schreiben, du hast den Umgang mit Zahlen gelernt … Aus dir wird sicher einmal was Gescheites. Und wenn man dich zehnmal in die Fremde schickt – dein Vater will halt für euch beide das Beste. – Und vielleicht …« – Anna Maria blickte ihm tief in die Augen. –»Versteh mich bitte nicht falsch, Peter. Ich will dich nicht kränken. – Aber ist das nicht auch eine günstige Gelegenheit, einen Beruf mit mehr Ansehen zu ergreifen?«

Peter schnaufte tief. Auch wenn er es nie hatte wahrhaben wollen, sein Vater wurde von den Bauern wenig geschätzt. Müller galten gemeinhin als unehrlich und er wusste, dass auch Anna Marias Vater die Freundschaft seiner Tochter zu den Müllerkindern mit Argwohn betrachtete. Anna Marias Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Enttäuschung brannte ihm dennoch wie bittere Arznei auf der Zunge, doch tapfer schluckte er sie hinunter und fühlte sich auch gleich etwas besser.

»Nun denn …, so will ich die Sache halt hinnehmen, wie sie ist. Morgen lasse ich mir mein Erbe auszahlen und werde dann meiner Wege gehen.«

»Wohin willst du gehen?«

»Auf der Marktschule in Goslar habe ich mich mit Karl angefreundet. Sein Vater besitzt einen Kaufladen. Die Stadt ist reich durch den Bergbau – sicher findet sich dort eine Möglichkeit …«

Bei diesen Worten wurde Anna Maria auf einmal ganz wehmütig. Der Name dieser fernen, ihr gänzlich fremden Stadt zerstörte die vage Hoffnung, die sich in ihrem tiefsten Innern bereits seit längerem eingenistet hatte.

»Dann werden wir uns nicht mehr wiedersehen?«, stieß sie leise stockend hervor.

Peter zuckte kurz zusammen. Anna Maria war ihm herzlich vertraut. Doch war das noch dieselbe alte Freundschaft aus Kindheitstagen? Oft hatte er in der langen Zeit an der Marktschule an sie gedacht und – dessen war er sich plötzlich ganz sicher – sie auch vermisst. Er sah sie an. Ihre in der Eile des Marsches aufgegangenen Haare waren schwärzer als die Nacht und glänzten im Mondlicht. Mit leicht geneigtem Kopf blickte sie ins Wasser. Sie hatte sich verändert. Es war nicht mehr das Gesicht, das er aus Kindheitstagen in seiner Erinnerung trug. Die dunklen Haare standen im Kontrast zu der weißen, von sinnlichen Sommersprossen gesprenkelten Haut und den vollen, roten Lippen. Peter schluckte trocken, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er sie, bei neuerlicher Trennung, mehr als nur vermissen würde. Fast schämte er sich, dass all sein Trachten nur das eigene Glück vor Augen gehabt hatte.

»Anna Maria, ich verspreche dir, ich komm wieder. Sobald ich eine Stelle habe und selbst mein Brot verdiene, werde ich wiederkehren und …«

Als er merkte, was ihm da schier über die Lippen gekommen wäre, schwieg Peter verlegen.

Anna Maria wandte sich ihm zu und sah ihn fest an. »Und was?«, fragte sie.

Gottlob ist es dunkel, dachte sich Peter, während ihm das Blut zu Kopfe stieg. Doch Anna Maria ließ ihm nicht die Zeit, sich zu genieren. Wie selbstverständlich ergriff sie seine Hand. Nun wagte Peter seine Gedanken zu äußern und die beiden versprachen sich einander. Noch lange saßen sie auf dem vom Wasser umspielten Hügel, bis sie sich schließlich klamm und schlotternd, aber mit der Zukunft zumindest etwas im Reinen, auf den Heimweg machten.Am nächsten Tag verabschiedete sich Peter von seiner Familie. Sein Vater hatte den Streit vom Vortag verwunden und drückte dem hoch aufgeschossenen Sohn ein prall mit Münzen gefülltes Säckel in die Hände, wobei er Peter einschärfte, nur des Tags und in sicherer Gesellschaft zu reisen, seinen Schatz gut zu verstecken und niemandem davon zu erzählen, auch nicht Leuten, denen er vertraue.

Seine Mutter überreichte ihm ein dickes Bündel, dem ein köstliches Aroma entströmte. Frisches Brot und Schinken mochten darin sein, sicherlich auch andere Dinge, die er auf dem weiten Weg gebrauchen konnte. Ihre Augen waren gerötet, doch sie versuchte ein gefasstes Lächeln, das ihm Mut machen sollte, während seine Großmutter hemmungslos weinte. Der Abschied war ihm letztes Mal schon ein Gräuel gewesen. So drückte er Agnes, herzte kurz den kleinen Jörg, um dann vor Jacob zu stehen, der soeben hinzugetreten war und vergeblich ein betretenes Gesicht zu machen versuchte. Linkisch streckte ihm der Bruder die breite Hand entgegen und stammelte:

»Schade, dass du nicht länger bleiben willst.«

Peter biss die Zähne aufeinander, schlug ein und zog Jacob so weit zu sich, dass nur noch eine geballte Faust zwischen ihren Gesichtern Platz hatte.

»Pass gut auf den Bruder auf und sei nett zu unserer Schwester«, zischte er. »Dann – aber auch nur dann – wirst du mich nicht mehr wiedersehen.«

In Bernburg nahm er sein erstes Quartier. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Türe fest verschlossen war, stieß er mehrmals mit dem Messer ins Schlüsselloch. Er war nicht besonders abergläubisch. Doch Hexen gab es überall. Und wer hatte nicht bereits davon gehört, dass sie heimlich durch Schlüssellöcher spähten, um einfachen Leuten ihr Hab und Gut zu stehlen. Im Schein einer flackernden Kerze betrachtete er sein Erbe. Die unterschiedlichsten Münzen waren in dem Säckel. Wie lange sein Vater wohl gespart hatte, um ein solches Vermögen auf die Seite zu bringen? Die Münzen glitten durch Peters Finger. Sechs Taler, vier Gulden sowie zwei gehäufte Hände voll Kreuzer, Heller und Pfennige, ja sogar ein uralter Bartgroschen mit dem Konterfei Friedrichs des Weisen war darunter. Er durfte diesen Schatz keineswegs offen mit sich herumtragen. So nähte er die Gulden und die Hälfte der Taler unter den Achseln seines Mantels ein. Drei Taler versteckte er in dem ausgehöhlten Fußbett seines hölzernen Schuhs und legte zur Abdeckung die lederne Sohle darüber. In der ledernen Geldbörse an seinem Gürtel behielt er nur die kleineren Münzen, die er benötigen würde, um die Ausgaben seiner Reise zu bestreiten.

Den fünften Tag war Peter nun unterwegs. Bei Aken hatte er die Elbe überquert, bei Bernburg die Saale und weitere zwei Tage darauf bei Quedlinburg die Bode. Seine Beine waren müde und die Füße schmerzten. Noch ahnte er nicht, dass dies nur der Auftakt zu einem tausendfach längeren Marsch werden sollte. Sein Schattenbild, das ihm treu hinterhermarschierte, war bereits deutlich in die Länge gezogen, doch das Ziel seiner Reise, Goslar, lag noch in weiter Ferne. Sollte er sich, obwohl er die Route erst vor einer Woche in umgekehrter Richtung gegangen war, so verschätzt haben? Naja, es geht jetzt halt bergauf, dachte er sich. Die letzte Nacht hatte er in Wernigerode verbracht, so wie er jede seiner Tagesetappen in einem größeren Ort hatte enden lassen, um in einem sicheren Gasthaus einkehren zu können. Er war nicht sonderlich erpicht darauf, die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Instinktiv fasste er sich mit beiden Händen unter die Achseln und spürte sogleich das Gewicht der Münzen.

Der Weg stieg deutlich an und linkerhand gab eine hufeisenförmige Rodung die Sicht auf den Brocken frei, der sich mächtig, grün und baumbewachsen aus der Erde wölbte. Dicke Quellwolken umwaberten den kahlen Gipfel, um in grauen Schlieren ihrer Last sich zu entledigen, und die untergehende Sonne tünchte die Landschaft in ein zwar angenehmes, doch befremdlich gelbes Licht. Das sah ganz nach Unwetter aus. Peter beschleunigte seine Schritte. – Fernes Wetterleuchten, dem ein aufgebrachtes Rumpeln folgte. – Unter Bangen dachte er: Wird mich hier der Blitz erschlagen? Doch Goslar konnte nicht mehr fern sein. – Ein plötzlich aufkommender Wind blies, zornig durch die Wipfel fahrend, heulend vom Himmel, zerrte an seinen Kleidern und ein alter Tannenzapfen traf ihn an der Schläfe. Der Weg, bislang den Rand des Harzgebirges umschlingend, führte nun schnurstracks in den Wald. Peter hechtete nach seinem Hut, den ihm eine Böe vom Kopf geblasen hatte, und folgte dann weiter der Straße, hoffend, dass der Sturm zwischen den Bäumen nicht gar so heftig sei.

Wie der Fittich eines Raben umfing ihn die Schwärze und er konnte den Weg nur noch erahnen, indem er sich von Baum zu Baum tastete und mit den Füßen dem ausgetretenen Untergrund folgte. Knarrend bogen sich die Stämme und die Wipfel ächzten über ihm. Eckern, Eicheln, Zweige prasselten auf ihn herab und Peter hoffte, dass nichts Größeres folgen würde. – Goslar musste doch bald kommen.

Ein beißend-brenzliger Geruch lag in der Luft. Lauerte ihm gar der Teufel auf oder was hatte dieser Höllengestank zu bedeuten? Plötzlich blitzte nur wenige Fuß vor ihm ein Licht auf. War vor ihm ein Blitz lautlos niedergegangen? Peter erstarrte, versuchte blinzelnd auszumachen, was da war, doch die nachtgewöhnten Augen waren geblendet und erst nach und nach erkannte er die schemenhaften Konturen einer Gestalt, die nur ein paar Armlängen vor ihm stand. – Schelmisches Kichern. ‒ Peter ließ entsetzt sein Bündel fallen. ‒ Dämon oder Mensch? Was war das? – Einerlei. So schnell durfte er sich nicht geschlagen geben. – Also zerrte er den Stock aus der Schlaufe, entschlossen, sein Leben so teuer als möglich zu verkaufen. – Metallisches Knacken. – Peter starrte geradewegs in den Lauf einer Pistole. Jung und unerfahren, hatte er die Lunte zwar gerochen, doch nicht zu deuten vermocht.

»Lass ihn fallen, deinen morschen Stock«, lachte eine heisere Stimme. »Eine einzige Bewegung und ich verspritze deine Gedärme auf dem Waldboden. – Doch soweit muss es nicht kommen. Ich will nicht dein Leben, sondern nur deine Habe.«

Während der Mann in seiner rechten Hand das Faustrohr hielt, in dessen Hahn die stinkende Lunte glomm, klopfte er mit der Linken gegen den Knauf des schmalen, beidseitig geschliffenen Schwertes, das an seiner Hüfte baumelte, und fügte hinzu:

»Und falls ich dich wider Erwarten doch verfehlen sollte, habe ich noch das hier und du darfst mir glauben, Bürschchen, dass ich damit umzugehen weiß.«

Bei diesen Worten lachte es heiser aus dem struppig-grimmen Bart heraus, der den unteren Teil seines Gesichtes verdeckte, während die obere Hälfte von der breiten Krempe eines schwarzen Hutes überschattet wurde, in dessen Band eine rot gefärbte Feder steckte. Auf dem Waldboden stand hell leuchtend eine Laterne und daneben lag das Tuch, mit dem der Räuber deren Schein zuvor verdunkelt hatte. Peter erkannte den Ernst der Lage, ließ den Stock zu Boden fallen, hob sein Bündel empor und streckte es dem Räuber bereitwillig entgegen.

»Ich habe nicht viel mehr als das, was ich am Leibe trage«, versuchte er zum Trotze dessen, dass sein Herz ihm bis zum Halse schlug, so gefasst als möglich zu antworten. »Seht selbst. Hier ist was zu essen drin und am Gürtel trage ich mein Geld.«

Dabei löste er seinen ledernen Geldsäckel mit dem Kleingeld.

»Schmeiß rüber«, krächzte der Räuber, um alsbald mit gierigen Fingern nach dem Säckel zu tasten, jedoch ohne Peter dabei aus den Augen zu lassen.

Zufrieden steckte er das Geld ein, fasste Peter erneut ins Auge und forderte: »Gib mir dein Wams!«

»Schaut doch erst hier noch nach«, rief Peter und schleuderte sein Bündel in Richtung Laterne, doch der Räuber fing es reaktionsschnell mit der Linken und hinderte ihn somit das Licht auszulöschen.

»Zieh sofort dein Wams aus und dann leg dich auf den Bauch,

Malefizbube, verdammter!«, knurrte der Räuber, klappte den Schutzdeckel von der Zündpfanne und umspannte mit dem Zeigefinger den Abzug.

Peter stierte auf die bedrohlich glimmende Lunte. – Dieser Schnapphahn schien nicht länger zum Spaßen aufgelegt und meinte es ernst. Peter wollte nicht zu allem Unglück auch noch sein Leben verlieren. Sollte er also zum zweiten Mal um sein Erbe betrogen werden? Widerwillig zog er seinen Mantel aus und legte sich auf den Waldboden. Um ihn zu fesseln, würde der Räuber die Pistole aus der Hand nehmen müssen, vielleicht würde sich doch noch eine Gelegenheit zur Flucht ergeben.

Doch die Enttäuschung folgte sofort. Aus dem Dunkel war eine Frau, offenbar die Gefährtin des Räubers, getreten, um ihm geschickt die Hände auf den Rücken zu binden. Augenblicke später lag Peter fest verschnürt da und sog den Geruch des nach Pilzen und Moder duftenden Waldbodens ein. Der Räuber spürte sofort das Gewicht der Münzen in Peters Wams und verschaffte sich mit schnellen Schnitten seines Messers Gewissheit. Tatsächlich benötigte er nur kurze Zeit, um zu begreifen, welchen Schatz sein Opfer mit sich herumgetragen hatte, bevor er in einen wahren Begeisterungssturm ausbrach:

»Sieh nur Else, was dieser Knabe bei sich trägt!«

In ihrer Freude umschlangen sich die beiden und sogleich stimmte auch das Räuberweib in den Jubel mit ein:

»So müssen wir nicht länger im Wald übernachten!«

»Nein, wir ziehen in die Stadt und mieten uns ein schönes Zimmer. Ich kaufe dir ein hübsches Kleid und Schuhe aus Leder.«

In seiner Hilflosigkeit verlegte sich Peter aufs Bitten: »So nehmt, als gute Christenmenschen, die Ihr sicher beide seid, doch nur ein Teil des Geldes. Es ist mein ganzes Erbe, mit dem ich von zu Hause fortgeschickt wurde, um in der Fremde mein Glück zu versuchen. Wenn ihr mir alles nehmt, dann steh ich vor dem Nichts … vor dem Abgrund.«

Der Räuber löste sich aus der freudigen Umarmung und trat, sich vernehmlich räuspernd, an den Gefesselten heran. Peter blickte auf die hohen, ledernen Stulpenstiefel, die direkt vor seinem Kopfe aus dem Boden wuchsen.

»Malefizbube, verdammter!«, ertönte eine raue, auf einmal gar nicht mehr belustigt klingende Stimme.

»Es gibt genügend Männer, die weit weniger als Du besitzen. Sie haben Arme, Beine, Augen … oft auch den Verstand verloren. In Friedenszeiten lässt sich’s leicht ein frommer Christenmensch sein, doch ich habe ihn geschmeckt, diesen verdammten Krieg mit all seinen Gräueln … und nun sei’s zufrieden, dass du uns und nicht viel schlimmeren Mordbuben in die Hände gefallen bist.«

Mit diesen Worten machte der Räuber auf dem Absatz kehrt, ergriff die Laterne und verschwand, mit dem freien Arm seine Else umgarnend, im finsteren Tann.

Da ließ ihn dieser Schnapphahn gebunden im nächtlichen Wald liegen und lobte auch noch die eigene Großmut. Wutschäumend warf Peter den Kopf hin und her und zerrte an den Fesseln, bis er seine Hände nicht mehr spürte. Er musste freikommen, allein schon wegen Anna Maria. Womöglich hätte er noch länger getobt, doch plötzlich drang ein gar nicht mal so fernes Heulen an sein Ohr, dem schaurig eine vielstimmige Antwort folgte. Verflucht! So hilflos, wie er dalag, würde kein Wolf der Versuchung widerstehen können. Er musste sich befreien. Sein kleines Messer fiel ihm ein. Zum Glück hatte das Räuberpaar, aus lauter Freude über die Beute nicht daran gedacht, seinen Gürtel zu plündern. – Erneutes Heulen, doch bereits näher. – Nur mühsam gelang es seinen tauben Fingerspitzen, das Messer aus der Scheide zu ziehen. Er führte es an den Hänfling und begann, den Strick an der Klinge zu reiben und zu scheuern. – Rumpeln am Himmel. Schnelle Pfoten trabten durchs Unterholz, kamen rasch näher. – Peter sprang, das Messer wie wild an den mittlerweile deutlich ausgefransten Fasern reibend, auf die Beine. – Gieriges Hecheln. Wetterleuchten. – Am Boden lag der Wanderstab. Seine Hände schnellten vor. – Erneutes Wetterleuchten, reflektiert von gelben Augen. Weiß fletschten darunter die Zähne. Peter holte aus und schlug mit aller Macht gegen den anspringenden Wolf. – Berstendes Krachen, dem ein peinerfülltes Winseln folgte. – Eilige Schritte, die durchs Unterholz hetzten, die Luft erfüllt von Hecheln und Knurren. – Gegen diese Übermacht würde er nicht den Hauch einer Chance haben. Peter ließ den Stock fahren und schwang sich auf den Ast einer dicken Eiche. Keinen Augenblick zu spät, schon sprangen die wütenden Angreifer am Stamm empor, um gierig nach seinen Beinen zu schnappen. Hastig kletterte er höher. Wenn er jetzt fiele, so würden sie ihn in der Luft zerreißen, noch ehe er den Erdboden erreichte. Immer wieder leuchtete das Wetter, während der Wind in den Bäumen ächzte.

Langsam beruhigten sich die Wölfe, schnüffelten an seinen Gegenständen, die verstreut auf dem Waldboden lagen. Zwei kräftige Jungtiere schienen sich zunehmend für den verletzten Rudelführer zu interessieren, der sich vor Schmerzen winselnd krümmte, während seine feuchte Zunge immer wieder die klaffende Schädelwunde zu benetzen versuchte. Die Hilflosigkeit ihres Leittieres witternd, stürzten sie sich nach mehreren Scheinangriffen auf den Wehrlosen. Der bäumte sich auf, schnappte wild um sich, doch allem Kampfgeist zum Trotze wurde seinen Qualen ein jähes Ende bereitet. Schaudernd verfolgte Peter aus sicherer Höhe das kannibalistische Mahl, dem sich nach und nach auch die übrigen Tiere hinzugesellten. Mit leiser Stimme dankte er inbrünstig dem allmächtigen Gott, ihm diesen Tod erspart zu haben. Es hatte wahrlich nicht viel gefehlt und er selbst hätte die Vorspeise abgegeben.

Mit Bedacht wählte er einen dicken Ast, auf dem er die Nacht in Sicherheit würde verbringen können. Noch lange grübelte er über den Verlust seines Erbes und wie die Zukunft ohne Kapital am klügsten anzugehen wäre, damit doch noch eine Möglichkeit bestünde, Anna Maria zu ehelichen. Ihr Vater würde sie niemals einem dahergelaufenen Habenichts, wie er nun einer war, überlassen.