HALLOWEEN - DIE NACHT DES GRAUENS - Curtis Richards - E-Book

HALLOWEEN - DIE NACHT DES GRAUENS E-Book

Curtis Richards

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Beschreibung

In der Halloweennacht 1963 tötet der sechsjährige Michael Myers seine 17jährige Schwester Judith in ihrem Haus in Haddonfield in Illinois mit einem Küchenmesser, woraufhin er ins Smith's-Grove-Sanatorium eingeliefert wird. Im Alter von 21 Jahren entkommt Myers am Vortag zu Halloween aus dem Sanatorium und kehrt nach Haddonfield zurück, wohin er von Dr. Loomis, seinem behandelnden Psychiater, verfolgt wird. Loomis ist überzeugt davon, dass Michael Myers die Verkörperung des Bösen ist – und dass er nach Haddonfield zurückgekehrt ist, um das Entsetzliche zu vollenden, was er fünfzehn Jahre zuvor begonnen hat... John Carpenters Halloween – Die Nacht des Grauens (1978) gilt als der Archetyp des sogenannten Slasherfilms der 1980er und 1990er Jahre, was ihn zu einem definitiven Klassiker des Genres macht. Die Roman-Fassung von Curtis Richards fängt die Atmosphäre der filmischen Vorlage nahezu perfekt ein – ein Horror-Thriller der Extra-Klasse und Band 6 der Reihe APEX HORROR!

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Ähnliche


CURTIS RICHARDS

Halloween -

Die Nacht des Grauens

Roman

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS 

Prolog: Samhain 

1. Haddonfield - 1963 

2. Judy 

3. Michael 

4. Gut und Böse 

5. 1978 

6. Laurie 

7. Entkommen 

8. Schicksal 

9. Der Grabstein 

10. Halloween 1978 

11. Das Böse 

12. Der Herr der Toten 

13. Die Nacht des Grauens 

14. Heimgekehrt 

15. Der schwarze Mann 

 

Das Buch

In der Halloweennacht 1963 tötet der sechsjährige Michael Myers seine 17jährige Schwester Judith in ihrem Haus in Haddonfield in Illinois mit einem Küchenmesser, woraufhin er ins Smith’s-Grove-Sanatorium eingeliefert wird.

Im Alter von 21 Jahren entkommt Myers am Vortag zu Halloween aus dem Sanatorium und kehrt nach Haddonfield zurück, wohin er von Dr. Loomis, seinem behandelnden Psychiater, verfolgt wird. Loomis ist überzeugt davon, dass Michael Myers die Verkörperung des Bösen ist – und dass er nach Haddonfield zurückgekehrt ist, um das Entsetzliche zu vollenden, was er fünfzehn Jahre zuvor begonnen hat...

John Carpenters Halloween – Die Nacht des Grauens (1978) gilt als der Archetyp des sogenannten Slasherfilms der 1980er und 1990er Jahre, was ihn zu einem definitivem Klassiker des Genres macht. Die Roman-Fassung von Curtis Richards fängt die Atmosphäre der filmischen Vorlage nahezu perfekt ein – ein Horror-Thriller der Extra-Klasse und Band 6 der Reihe APEX HORROR!

HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS

Prolog: Samhain

  Am Vorabend von Samhain nahm der Schrecken in einem nebligen Tal in Nordirland seinen Anfang - in der Morgendämmerung der keltischen Rasse. Nachdem er einmal losgelassen war, durchstreifte er für immer und ruhelos die Erde und schlug plötzlich, schnell und mit unglaublicher Brutalität zu.

  Sobald sein Blutdurst gestillt war, verschwand er für ein Jahr, eine Dekade oder vielleicht eine ganze Generation wieder im Nebel der Zeiten. Er schlief jedoch nur

und starb nicht, denn er konnte nicht getötet werden. Dann, am Vorabend von Samhain, rührte er sich erneut, und wenn sein Blutdurst stark genug war, erhob er sich und erfüllte jenen Fluch, der in dunkler Vergangenheit ausgesprochen worden war.

  Die Menschen verriegelten an Samhain ihre Türen.

  Viel nützte ihnen das nicht, denn dieses Wesen lachte über Schlösser und Riegel, und außerdem gab es immer die Unvorsichtigen. Immer waren sie da, die Unvorsichtigen.

Samhain. Das Druidenfest der Toten. Der Sommer war vorbei, und auch jener Ausbruch frühherbstlicher Wärme, den wir jetzt Altweibersommer nennen, war vorüber. Alles Grün war aus dem Land verschwunden, die Ernte war eingebracht, und wie ein Engel des Todes hatte sich die Winterkälte herabgesenkt. Die Menschen befürchteten, dass die Sonne nie wieder das Land erwärmen würde, und feierten ihr Fest, um ihre Gottheit Muck Olla zu besänftigen. Auf den Hügeln, in den Höhlen und den Lehmhütten wurden große Feuer angezündet, und die Geister der Toten wurden von ihren Verwandten eingeladen, sich mit ihnen daran zu wärmen und noch einmal fröhlich zu sein, bevor schließlich der Schnee die Erde bedeckte. Die Druidenpriester sagten voraus, wer im nächsten Jahr leben und wer sterben würde, wer heiraten würde, Kinder gebären, reich werden und gesund bleiben würde.

  Und sie versuchten, mit Opfern und anderen Riten die Hexen und bösen Geister in Schach zu halten, die in jenen Tagen ihr Unwesen trieben, Kinder stahlen, die Ernte zerstörten, die Tiere der Bauern töteten... und manchmal noch Übleres.

  Deirdre war die dritte und jüngste Tochter des Druidenkönigs Gwynwill: Ihr Haar war sandbraun, und manchmal leuchtete es wie Bernstein, ihre Augen waren grün wie das Meer, und ihre Haut glich Milch und wilden Rosen. Sie war jetzt schon größer als ihre Schwestern, und ihre frühe Entwicklung hatte in der Stammesgemeinschaft viel Unruhe ausgelöst. Die anderen Jungfrauen tuschelten neidisch; die verheirateten Frauen äußerten ihre Missbilligung und rieten ihrer Mutter, sie zu verheiraten, bevor das Mädchen seinem aufkeimenden Drängen nachgab; die jungen Krieger beobachteten sie bereits voller Verlangen, und die älteren Krieger dachten verbotene Gedanken und grübelten über verblasste Erinnerungen.

  Sein Name war Enda. Er war fünfzehn Jahre alt, und er liebte Deirdre mit verborgener Leidenschaft, die ihn quälte und ihn im Schlaf aufschreien ließ. Als das Gerücht umging, dass Deirdres Vater, der König, erwog, ihre Hand zur Ehe anzubieten, wandte sich Enda an seine Verwandten und fragte sie, ob sie dachten, dass ein Antrag von ihm mit Wohlwollen aufgenommen werden würde. Er hatte zwar schon vermutet, wie die Antwort aussehen würde, aber seine Sehnsucht war stärker als seine Schüchternheit.

  »Wie? Deirdre dich heiraten?«, lachte sein Vater, »Mit deinem verkümmerten Arm und deinem zuckenden Maul?« Enda hatte sich nämlich mit dem falschen Ende zuerst der Welt präsentiert, als seine Mutter ihn gebar, und die Hebammen hatten bei seiner Geburt nur einen schlechten Dienst geleistet.

  »Da würde sie noch eher meinen Ziegenbock heiraten!«, johlte sein Onkel.

  »Oder Bulech!«, mischte sich sein Bruder ein und deutete auf den räudigen Köter, der in einer Ecke der Hütte an einem fettigen Knochen nagte.

  »Außerdem«, sagte sein Vater, »ist sie so gut wie verlobt mit Cullain, soweit ich weiß«

  »Also, das ist in der Tat ein Junge, der ein so hübsches Mädchen verdient!«, platzte sein Onkel heraus und hob seinen Weinschlauch an seine dicken Lippen. Sie unterhielten sich weiter über Deirdres Reize, während sich Enda niedergeschlagen aus der Hütte in die kalte Nacht hinausschlich.

  Der Junge litt die Qualen, wie sie nur Heranwachsende kennen. Schließlich reifte in ihm ein Plan: Sollte es ihm irgendwie gelingen, direkt mit Deirdre zu sprechen, könnte er sie vielleicht davon überzeugen, dass er zwar in seiner äußeren Erscheinung nicht vom Glück begünstigt war, sonst aber in jeder Beziehung als ein

würdiger Bewerber um ihre Gunst zu betrachten wäre.

  Das war jedoch leichter gesagt als getan, weil die Jungfrauen von ihren Müttern und ihren kampfeslustigen Brüdern genau beobachtet wurden. Eines Tages aber nutzte Enda die Gelegenheit, als Deirdre von dem Bach am Fuß des Hügels Wasser holen ging. Heimlich folgte er ihr, hastete von Baum zu Baum, bis er sie an dem Bach vor sich sah. Sie stand über das Wasser gebeugt, sang leise vor sich hin und füllte dabei ihre Tongefäße mit Wasser.

  »Deirdre?«, rief er schüchtern.

  Sie drehte sich um, schnappte nach Luft und starrte ihn mit angstvoll aufgerissenen Augen an. »Du! Was willst du?« Ihr Körper spannte sich an, und sie schien zu hastiger Flucht bereit.

  »Ich... ich möchte...« Die Panik in ihrem Gesicht erschreckte ihn. Er hatte wohl erwartet, dass er sie überraschen würde, aber er hatte es sich nicht vorgestellt, dass sie ihn mit solchem Abscheu begrüßen würde. Er trat einen Schritt vor und streckte beschwichtigend eine Hand aus, aber sie missverstand seine Geste und sprang zurück. Sie stolperte und wäre fast in das Wasser gefallen, und Enda ging hastig auf sie zu, um ihr zu helfen.

  »Nein!«, schrie sie auf. »Geh' mir aus den Augen, du Ungeheuer!« Sie kam wieder auf die Füße, rannte weg und rief dabei laut: »Hilfe! Hilfe! Er will mir Gewalt antun!«

  Endas Körper war bei seiner Geburt verkrüppelt worden, aber bis zu diesem Augenblick war seine Seele nicht verkrüppelt gewesen...

  Und nun war Samhain gekommen. Enda stand unvorstellbar erniedrigt am Rand des Platzes und sah den Feiernden zu, die singend um das Feuer tanzten. In seiner rechten Hand hielt er das dreißig Zentimeter lange Schlachtmesser, mit dem er Schweinen und Hühnern die Kehle durchzuschneiden pflegte.

  Sein Blick war voll Bitterkeit auf Deirdre und Cullain gerichtet, die zur ungeheuren Erleichterung des Stammes überschwänglich um das Feuer herumwirbelten: Zur Freude und Beruhigung aller war nämlich ihre Verlobung bekanntgegeben worden.

  Endas Knie zitterten, und trotz der starken Hitze des Feuers zitterte er am ganzen Körper in jener kalten Nacht. Als dann das Paar wieder an ihm vorbeitanzte, sprang er wie eine Wildkatze auf seine beiden Opfer zu.

  Sie hatten die Ellbogen verschränkt, waren unbewaffnet und hatten so keine Chance. Endas Messer durchbohrte Cullain, Seine Beine streckten sich krampfhaft, dann brach er zusammen und zog Deirdre mit sich herab. Sie drehte lachend ihren Kopf weg, denn sie dachte, ihr Partner sei in seiner Trunkenheit nur gestolpert. Endas Messer erwischte sie mit diesem Lachen in ihrem Gesicht, dem gleichen Lachen, mit dem sie ihn nach ihrer Rückkehr zum Stamm an jenem Tag verspottet hatte, als sie von ihm am Bach angesprochen worden war. Im allgemeinen Stimmengewirr hörte niemand, wie ihr die Luft aus den Lungen wich, hörte niemand ihr Wimmern oder sah den Blick der entsetzlichen Erkenntnis, während das Licht in ihren Augen erlosch - niemand außer Enda.

  Die Genugtuung über seine Rache war das letzte Gefühl, das Enda spürte, denn einen Augenblick später wurde er von dem vor Wut tobenden Stamm buchstäblich in Stücke gerissen. Nur sein Kopf und sein Herz wurden verschont und auf die Bitte des trauemden Königs hin aufgehoben, als sich die Raserei gelegt hatte.

  Nachdem Deirdre und Cullain am nächsten Tag auf geweihtem Boden beigesetzt worden waren, wurde Endas Kopf und Herz auf den Gipfel des Hügels der Teufel gebracht, wo Feiglinge und andere Ausgestoßene ohne Segnung verfaulten. Der König bat den Zauberer, die Überreste des gemeinen Mörders mit einem speziellen Fluch zu belegen. »Deine Seele soll bis zum Ende der Zeiten die Erde durchstreifen, deine schändliche Tat und die schändliche Strafe dafür sollst du immer wiedererleben, und Gott Muck Olla soll deinen Geist für immer und ewig mit allen Qualen verfolgen.«

  Der Himmel verdüsterte sich, und Blitze zuckten. Der Tag wurde plötzlich finster und kalt, und von nirgendwoher peitschten Schneeschauer auf den versammelten Stamm herab. In seiner gesamten Geschichte hatte es noch nie so früh im Jahr geschneit. Der Zauberer war überzeugt, dass Muck Olla sein Gebet erhört hatte. Er wies seinen Stamm an, Enda den Rücken zu kehren und in das trauernde Dorf zurückzukehren...

  Die Feier am Vorabend von Samhain verwandelte sich im Lauf der Jahrhunderte. Die erobernden Römer nahmen die Tradition von den Britischen Inseln in der Form

des Erntefests der Pomona mit zurück, und die frühen Christen nannten die Feier Erntedankfest. Die Päpste des Mittelalters weihten den 1. November als Allerheiligen, und der Tag davor erhielt im Verlauf des nächsten Jahrtausends den Namen Halloween.

  Mit dem Anbruch der modernen Zeit verloren die heidnischen Gepflogenheiten und Traditionen des ursprünglichen Fests ihre Bedeutung und Vitalität. Reste davon hielten sich noch in dem Brauch, Kerzen in ausgehöhlten Kürbissen anzuzünden, Puppen von Hexen oder Kobolden vor den Häusern aufzuhängen und den Nachbarn gutartige Streiche zu spielen, die nur noch ein schwacher Abglanz der Gewalttätigkeiten früherer Zeiten waren. Kinder stolzierten in Kostümen umher, die schon seit langem ihre Beziehung zum Schrecken des Bösen verloren hatten, von dem früher einmal die Welt zu Beginn des Winters ergriffen worden war. Halloween war wie viele andere Feste zu einer leeren Scharade ge- worden.

  Nur von Zeit zu Zeit wurde das unschuldige Treiben am Vorabend von Samhain durch irgendein brutales und unerklärliches Verbrechen abrupt beendet, und der ursprüngliche Geist dieses Fests wurde einer entsetzten Welt vor Augen geführt. Dann verriegelten die Menschen ihre Türen.

  Viel nutzte ihnen das nicht... und außerdem gab es immer die Unvorsichtigen.

1. Haddonfield - 1963

  Man schrieb das Jahr 1963, und Amerika war sich seiner Sache ganz sicher - oder zumindest hatte es den Anschein. Besonders in Haddonfield, Illinois. Die Spannungen des Kalten Kriegs, die Kuba-Krise, die bedrohliche Entwicklung in Südostasien, all das plätscherte an den Türen dieser freundlichen, unauffälligen Stadt im Mittelwesten vorüber, ohne sie jedoch wirklich zu berühren. In weniger als einem Monat würde der Präsident in Dallas ermordet werden und damit den Beginn einer Ära ungeheurer Gewalt und tiefgreifender Unruhen einläuten, die die Herzen und das Zuhause der Amerikaner im ganzen Land erfassen sollte.

  Das jedoch lag in der Zukunft, und heute, am 31. Oktober, wurde gefeiert. Es war Halloween. Mehr noch als Weihnachten vielleicht war das der harmloseste Feiertag im Kalender. Ja, mehr noch als Weihnachten, denn an Weihnachten wurde ein frohes Ereignis gefeiert, und außerdem war der gute alte Nikolaus ohnehin ein freundliches Symbol. Die Ursprünge von Halloween dagegen waren finsterer, bedeutend finsterer, und wenn die Kinder diesen Tag als freudiges Ereignis wie Weihnachten feierten, so zeigte das deutlich, wie lange für uns die Zeit vergangen war, als die Menschheit die Mächte des Bösen noch respektierte.

  Die Großmutter des kleinen Michael Myers schüttelte missbilligend den Kopf, als ihr sechsjähriger Enkel mit seinem rosigen Gesicht, der bei ihr zu Besuch war, ihr das Kostüm in der Woolworth-Schachtel zeigte. »Was soll das denn darstellen?«, sagte sie, lehnte sich in ihrem bequemen Sessel nach vorn und rückte sich die Brille zurecht.

  »Einen Clown, Omi.« Er fuhr mit einer Hand über das Spaßmacherkostüm aus rotem und grünem Nylon und die dazu passende Mütze mit ihrem lustigen Zipfel.

  »Ein Clown«, seufzte sie.

  »Komm schon, Mom«, kam Michaels Mutter Edith zu Hilfe. »Ich weiß, was du sagen wirst.«

  »Gütiger Gott, dennoch stimmt es. Früher auf der Farm, als ich klein war, hatten wir nie so billigen Schund. Wir haben Halloween noch ernst genommen. Als wir Vogelscheuchen aufgestellt und Kürbisse ausgehöhlt haben, wollten wir damit wirklich den schwarzen Mann vertreiben. Also, der schwarze Mann, der hat echte Streiche gespielt und echten Schaden angerichtet. Er ist nicht bloß herumgelaufen und hat den Leuten mit Socken voller Kreidestaub auf die Kleider geschlagen oder die Fenster mit Seite eingeschmiert, wie sie das heute tun.«

  »Was hat der schwarze Mann denn gemacht, Omi?«

  Mrs. Myers rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. »Ich glaube nicht, dass Michael das hören will«, sagte sie und warf ihrer Mutter einen bedeutungsvollen Blick zu. »Er könnte davon schlechte Träume bekommen.«

  Omi jedoch... kümmerte sich nicht um die Warnung. »An schlechten Träumen ist nichts auszusetzen. Sie erinnern uns zumindest daran, dass diese Welt nicht nur eitel Freude und Sonnenschein ist. Mein Gott, heutzutage ist alles so sauber und - künstlich. Wie ein großer Werbespot im Fernsehen. Clownskostüm!«, seufzte sie und spielte mit dem billigen Stoff in der Woolworth-Schachtel.

  »Was hat der schwarze Mann gemacht?«, beharrte Michael zu wissen.

  Die weißhaarige Frau lehnte sich vertraulich vor, und ein schelmisches Lächeln trat in ihr freundliches Gesicht voller Lachfalten. »Na ja, wenn man Glück hatte, ist einem nichts Schlimmeres passiert, als dass ein paar Hühner enthauptet wurden.«

  »Enthauptet?«

  »Dass ihnen die Köpfe abgeschnitten worden sind«, erklärte sie genüsslich. Michael riss die Augen auf, und seine Mutter verzog das Gesicht, nahm eine Illustrierte auf und durchblätterte sie nervös. »Wenn man so viel Glück nicht hatte, verlor man eine oder zwei Kühe.«

  »Abgehauptet?«

  »Enthauptet, ja.«

  »Haben die Köpfe dann direkt neben der Kuh gelegen, oder waren sie...?«

  »Mom, jetzt reicht's aber. Also wirklich!«, protestierte Mrs. Myers und schlug empört die Illustrierte zu.

  Omi aber hatte Geschmack an dem Thema gefunden. Hinter ihrer Brille sahen ihre blauen Augen ihre Kindheit vor sich, und ihr Kopf nickte in Erinnerung an ein schreckliches Ereignis. »Einmal hat er jemand die Scheune niedergebrannt. Hieß der nicht Winfield? Nein, Winterfield. Er hat Mr. Winterfield die Scheune bis auf die Grundmauern niedergebrannt, mit dem Vieh und allem.« Sie sah den Jungen an, der ihr mit großen Augen zuhörte, und dann ihre entsetzte Tochter, und es wurde ihr klar, dass sie zu weit gegangen war. »Wir hatten natürlich immer den starken Verdacht, dass das gar nicht der schwarze Mann war, Michael. Vielleicht waren es bloß Nachbarn, die sich für irgendeine Beleidigung rächen wollten. Wenn man Kostüme und Masken anhatte, kam man mit solchen Dingen leichter durch. Ich erinnere mich aber an einen Vorfall...«

  »Bitte, nicht die Geschichte mit dem Kamin«, flehte Mrs. Myers sie an.

  »Ach, erzähl' mir doch die Geschichte mit dem Kamin!«, bettelte ihr Enkel.

  »Also schön«, sagte die alte Frau und nahm ihn auf den Schoß. »Das war Halloween neunzehnhundert... neun? Oder war es neunzehnhundertzehn?«

  »Ist doch egal, erzähl' einfach weiter«, sagte Michael. Obwohl er erst sechs Jahre alt war, erkannte er, dass ein langweiliger Anfall von Omas Welches Jahr war das doch gleich wieder? bevorstand.

  »Ja, es war Halloween, aber schon lange nach Mitternacht. Vielleicht so zwei oder drei Uhr früh. Wir waren alle schon schlafen gegangen, und das Feuer unten in der Halle hatten wir brennen lassen, weil es eine scheußlich kalte Nacht war. Plötzlich habe ich meinen Bruder Jimmy rufen hören: Rauch! Rauch! Alles aufwachen, das Haus brennt! Ich habe mir schnell einen Bademantel übergezogen und bin direkt hinter meinem Vater die Treppe hinuntergerannt. Der hatte schon den Wassereimer in der Hand, der bei uns immer oben an der Treppe stand. Das ganze Erdgeschoss war tatsächlich voller Rauch, aber Feuer konnte ich keines sehen. Der Rauch kam aus dem Kamin, und es sah so aus, als wäre der Abzug geschlossen.«

  »Was ist das, der Abzug?«

  Omi erklärte ihm, was ein Abzug ist. »Wir haben dann die Glut aus dem Kamin geholt und Türen und Fenster geöffnet, damit der Rauch abziehen konnte. Dann hat

sich Vater den Abzug angesehen, aber der war offen. Irgendetwas blockierte den Kamin. Wir hatten gerade keine Leiter, weil Vater sie zerlegt hatte, um einige angefaulte Sprossen zu ersetzen, und deshalb musste Jimmy im Kamin hochklettern, um nachzusehen, was da in dem Kamin steckte.«

  »Und was war das?«, fragte der Junge, und seine Mutter schüttelte in unangenehmer Erwartung den Kopf.

  »Ein totes Schwein.«

  »Mensch!«

  »Jemand - oder etwas - hatte dem Schwein die Kehle durchgeschnitten und es oben auf den Kamin gelegt.« Sie lachte freudlos. »Die Sache ist nur die: Das Schwein wog fast dreihundert Pfund. Wie ist es ohne die Leiter dort hinaufgekommen – ohne, dass wir etwas davon gehört haben? Ohne, dass unser Hund Toby einen Höllenlärm mit seinem Gebell veranstaltet hat, wie er das gewöhnlich tat, wenn jemand um das Haus herumschlich? Ohne die Gartentür aufzuschließen oder Fußspuren zu hinterlassen? Kannst du mir das vielleicht sagen, mit deinem Clownskostüm von Woolworth?«

  »Ich hab' keine Ahnung.«

  »Ich schon. Das war der schwarze Mann, das ist alles.«

  »Mutter, jetzt ist es aber wirklich genug!«, fuhr Mrs. Myers sie an. »Der Junge hat so schon genug Probleme in der Nacht, und du machst es nur noch schlimmer.«

  »Probleme? Was für...? Äh, Michael, geh' doch mal ins Schlafzimmer und probier' das Kostüm für Omi an. Ich helfe dir dann, wenn es zu weit ist.«

  »Es soll weit sein«, sagte der kleine Junge und trug die Schachtel in das Zimmer nebenan.

  »Also, was hat es mit diesen Problemen auf sich?«, fragte sie ihre Tochter.

  Edith Myers, ein jüngeres, dunkeläugigeres Spiegelbild ihrer Mutter, fuhr sich mit einer Hand durch ihr lockiges blondes Haar. »Ich habe dir doch schon erzählt, dass er in der letzten Zeit in der Schule öfter in Prügeleien verwickelt worden ist. Zu Hause auch, mit Judith. Außerdem macht er jetzt wieder ins Bett, und das hat er schon seit drei Jahren nicht mehr getan.«

  »Worum ging es bei diesen Prügeleien?«

  »Mom, können wir das nicht einfach vergessen?«

  Die Augen der alten Frau verengten sich zu Schlitzen. »Nein, das können wir nicht. Was sind das für Schwierigkeiten, die der Junge hat?«

  »Stimmen«, platzte Mrs. Myers schließlich nach einer gequälten Pause heraus. »Er hört Stimmen.«

»Oh, mein Gott!«, rief die alte Frau. Sie wechselte einen langen, bedeutungsvollen Blick mit ihrer Tochter. »Ich habe Angst davor zu fragen, was diese Stimmen sagen.«

  »Sie befehlen mir, ich soll den Leuten sagen, dass ich sie hasse. So hat Michael es ausgedrückt, als ich ihn danach gefragt habe. Don meint, wir sollten Michael vielleicht von jemand untersuchen lassen.«

  »Du meinst - von einem Psychiater?«

  »Ja.«

  »Ich halte zwar nicht viel von Psychiatern, aber schaden würde es wohl nichts. Helfen allerdings auch nicht, wenn es das ist, was ich glaube.«

  Die jüngere Frau wurde immer erregter. »Ich weiß, was du glaubst, und deshalb wollte ich mich auch nicht mit dir über dieses Thema unterhalten. Wahrscheinlich wirst du jetzt sagen, dass es bei Großvater Nordstrom auch so angefangen hat.«

  »Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht sehen, mein Kind. So hat es bei dem Vater deines Vaters tatsächlich angefangen.«

  »Mutter, alle Kinder hören imaginäre Stimmen. Erinnerst du dich nicht mehr an meinen Teddybär, der mir immer...?«

  »Das ist nicht dasselbe. Du solltest es zumindest nicht ignorieren. Hat der Junge böse Träume?«

  Ihre Tochter nickte.

  »Erinnert er sich später an sie?«

  »Ja, und sie sind sehr brutal.« Ihr Gesicht wurde rot, und sie wendete ihre Augen von dem durchdringenden Blick ihrer Mutter ab. »Mutter, als Großvater Nordstrom... ich meine... Also, du hast mit uns niemals über diesen Zwischenfall gesprochen, und meiner Ansicht nach gibt es genügend Ähnlichkeiten...«

  »Psst, da kommt Michael wieder. Wenn du heimkommst, ruf mich an, sobald du kannst. Ich glaube, es ist Zeit, dass ich dir alles erzähle. Ach, da ist ja mein Kleiner«,

sagte sie übertrieben zärtlich, als Michael raschelnd wieder in das Zimmer kam. »Genau wie aus einer Theateraufführung.«

  Da stand er vor ihnen, ein Engel in rotem und grünem Nylon. Gummibänder an den Knöcheln und Handgelenken ließen das Kostüm am Ende der Gliedmaßen anliegen, während es sonst überall weit war. Eine Rüsche um den Hals und eine kleine, weite Zipfelmütze rundeten das hübsche Bild ab.

  »Omas Baby!«, lachte sie und drückte den Jungen an sich. »Edith, würdest du mir bitte etwas Gesichtscreme und einen Lippenstift aus meinem Schlafzimmer bringen. Wenn wir schon dabei sind, können wir die Sache auch richtig machen.«

  »Ich will nicht angemalt werden«, protestierte Michael.

  »Aber gewiss doch. Du willst doch nicht, dass dich jemand erkennt, wenn du herumläufst und Streiche spielst.«

  »Ich will doch gar keine Streiche spielen. Ich will nur Süßigkeiten haben.«

  »So ist es richtig, mein Junge. Feiere du nur ein harmloses Woolworth-Halloween.«

  Sie begleitete die beiden zur Tür. »Denk dran, Edith, und ruf mich an, sobald du kannst.«

  »Ganz bestimmt, Mutter. Und mach dir keine Gedanken.«

  »Ich will's versuchen«, sagte sie und schloss die Tür. Sie begann zu zittern und fragte sich, ob es richtig gewesen war, dass sie zu ihrer Tochter etwas über Großvater Nordstroms Träume gesagt hatte.

  2. Judy

 

 

  Judith Myers saß bis auf ein Paar Höschen mit roten aufgedruckten Blumen nackt vor ihrem Spiegel und bürstete ihr langes blondes Haar. Sie sang vor sich hin und betonte jede dritte Note, während sie die Schildpattbürste zu ihren Schultern herunterzog. Sie betrachtete sich gern selbst und bemerkte, wie ihre Brüste flacher wurden, wenn sie die Bürste zu ihrem Kopf hob, und wie sie sich wieder rundeten und ausfüllten, wenn die Bürste den tiefsten Punkt des Strichs erreichte. Sie war besonders froh, weil das Haus an diesem Abend leer war, was nur äußerst selten vorkam.

  Das leere Haus bedeutete, dass keine Eltern da waren, um sie zu belästigen, dass kein kleiner Bruder hereinplatzte und versuchte, sie in den Busen oder in den Hintern zu kneifen, oder dass er vielleicht versuchte, sie durch das Schlüsselloch zu begaffen. Vor allem aber bedeutete es, dass sie es mit Danny auf der Couch oder vielleicht sogar im Bett treiben konnte, ohne sich dabei ständig Gedanken um Störungen machen zu müssen. In Autos fand sie es nicht mehr so recht befriedigend. Jetzt, da es kalt wurde, musste man die Scheiben hochkurbeln und die Heizung laufenlassen, und da wurde es immer muffig und stickig. Da sie mit Danny nun den großen Schritt getan hatte, wartete sie ungeduldig auf eine Möglichkeit, es endlich auch einmal auf eine zivilisierte Art zu versuchen. Dannys Vorschlag, in ein Motel nach Mapleton zu gehen, entsprach nicht ihrer Vorstellung von der zivilisierten Art.

  Die Türglocke klingelte.

  »Mein Gott, jetzt ist er schon da!«, murmelte sie in sich hinein, zog sich hastig ihren wenig aufreizenden dicken Bademantel über und fuhr in flauschige Pantoffeln. Sie warf einen Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch. Es war Viertel vor sieben. Danny kam fünfzehn Minuten zu früh. »Den bringe ich um. Schau doch nur, wie ich aussehe. Widerlich.«

  Die Türklingel meldete sich wieder lange und beharrlich. »Schon gut, schon gut, ich komme!« Sie wusste zwar, dass sie sowieso wieder ausgezogen werden würde, aber sie wollte den Abend mit Danny zumindest angezogen beginnen, und zwar halbwegs ordentlich angezogen, verdammt noch mal, und nicht wie ein dickliches Waschweib. Sie holperte die Treppe hinunter, wurde dabei immer wütender und riss die Tür auf.

  »Verdammt noch mal, Danny, du hast mir doch gesagt...«

  »Du musst uns etwas geben!« 

  Sie waren zu acht und hielten Einkaufstaschen in der Hand. Einige von ihnen hatten auch UNICEF-Schachteln mit Geldeinwurfschlitzen, mit denen sie Münzen für ihre Schulsammlung betteln wollten. Ihre Kostüme waren alle billig und im Laden gekauft; nur ein Mädchen war mit dem Bauernrock, einer Bluse und einem Zigeunerkopftuch von ihrer Mutter verkleidet. Da waren ein Pirat, ein Cowboy, eine Ballerina, zwei Supergirls in identischen billigen Kostümen, ein Astronaut und ein Clown. Die Kostüme waren schäbig und sahen aus, als würden sie zerreißen, wenn man sie scharf ansah.

  Sie trugen zwar alle Masken, aber Judy erkannte sie trotzdem fast alle. Der Raumfahrer und der Cowboy waren Adam und Charlie Beck, der Pirat und die Ballerina waren Chris und Hope Ritzinger. Die Zigeunerin war Katie Schaller. Ein Supergirl sah ganz nach Christian Frank aus, aber das andere erkannte Judy nicht.

  »Du musst uns etwas geben!«, verlangten sie noch einmal.

  »So, wirklich?«, reizte Judy sie. »Und was, wenn ich euch nichts gebe?«

  Die Kinder standen schweigend und verwirrt da. Bisher hatte sie noch niemand weggeschickt. Sie gingen von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass ihre Einkaufstaschen einfach mit Süßigkeiten gefüllt werden müssten. Sie hatten keinerlei Ahnung, welche Streiche sie spielen sollten, wenn jemand ihre Bitte ablehnte. Judy blieb einen Moment lang in der Tür stehen und freute sich an ihrem Dilemma. Rechts von Judy standen auf einem kleinen Tisch im Flur sechs Schalen mit den verschiedensten Süßigkeiten und Popcorn sowie ein Teller mit Pennys für die UNICEF-Sammlung.

  »Na? Was wollt ihr machen, wenn ich euch nichts gebe?«

  Sie zuckten die Achseln, traten unruhig von einem Bein auf das andere und kicherten nervös. Dann sagte einer von ihnen: »Dann bringen wir dich um.«

  Judy sog sich zischend die Luft in die Lungen. »Wer hat das gesagt?«

  Die Kinder sahen einander an, und dann richteten sie ihren Blick wieder auf sie.

  »Michael Myers, warst du das? Wenn ja, dann kann ich dir nur sagen, dass das überhaupt nicht witzig war. Ich werde es Dad und Mom erzählen, wenn sie heimkommen«

  »Ich bin nicht Michael Myers, ich bin ein Clown.«

  Judy bemerkte das Blitzen von Dannys '59er Chevy, der in die Straße einbog. »Na gut, Kinder, ihr habt gewonnen. Macht eure Taschen auf.« Sie ging zu den Schalen, holte einige Handvoll von Süßigkeiten und verteilte sie in die Taschen. Dann nahm sie den Teller mit den Pennys und warf vier oder fünf in jede der Kisten.