Hank und das letzte Buch - Marcus Straßer - E-Book

Hank und das letzte Buch E-Book

Marcus Straßer

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Beschreibung

Hank hat Angst, dass die Wörter aufgebraucht werden könnten. Alle Wörter. Alle Sätze. Einfach überall. Alles schon einmal geschrieben oder gedacht. Was wird dann passieren? Hank fürchtet sich vor dem Ende der Worte. Aber niemand glaubt ihm. Sie halten ihn für verrückt. Aber Hank ist nicht verrückt. Natürlich nicht. Und was ist geschehen, als es soweit war? Ein Buch über den Sinn und Unsinn des Lebens.

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Davor: Ein Tagebuch

Dabei: Ein gegenwärtiges Interludium

Danach: Ein Abenteuer-Roman

Finale: Ein Ende

DAVOR

Ein Tagebuch

Samstag

Ich heiße Hank.

Hank, nicht "Hänk".

Meine Eltern haben mir gesagt, das sei ein skandinavischer Name. Ich habe das nie geglaubt. Jeder sagt "Hänk" und ich sage "Nein, es ist nur Hank" und dann sagen alle "Ahh, wie ungewöhnlich".

Mein Therapeut sagt, ich soll das alles aufschreiben.

Eigentlich brauche ich keinen Therapeuten. Es ist nicht so, dass ich wirklich krank im Kopf wäre. Aber andere sagten mir, ich solle mal einen Therapeuten aufsuchen. Warum nicht, dachte ich mir. Ich finde die Idee gut, dass jemand dafür bezahlt wird, sich alle meine Geschichten anzuhören. Wer hört sonst schon zu? Der eine redet und die anderen warten, bis sie an der Reihe sind.

"Hank ohne ä, das ist aber ungewöhnlich. Ich hatte mal eine Tante in Kanada, die hieß Sascha. Sonst ist das ja immer nur ein Männer-Name. Auch sehr ungewöhnlich."

Ein Therapeut darf seine eigenen Geschichten gar nicht erzählen. Er hört nur zu und muss so tun, als ob ihn das alles wirklich interessiert. "Hm, interessant, Hank ohne ä, woher kommt dieser Name? Fühlen Sie sich damit wohl?"

Aber offenbar war es denn doch zu viel und jetzt soll ich hier alles aufschreiben.

Auch gut. Ich weiß nicht, ob das hier jemals irgendwer lesen wird. Aber ich denke, ich sollte wohl ganz vorne anfangen. Man weiß ja nie.

Also mein Name ist Hank, ohne ä, nur Hank.

Ich bin 45 Jahre alt, aber das kann sich täglich ändern.

(Witz)

Darf ich in so einem Buch Witze machen? Versteht man, dass es ein Witz ist und dass ich nicht krank im Kopf bin? Vielleicht sollte ich Witze irgendwie kennzeichnen.

Ich möchte doch lieber am Ende beginnen. Also warum ich eigentlich das hier alles aufschreibe. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es ist wegen dieser Sache mit den aufgebrauchten Wörtern. Mag sein, dass ich nach Vaters Tod immer seltsamer wurde, jedoch so richtig seltsam nun doch nicht, aber ich vermute, diese Sache mit den Wörtern, das war für meine Freunde dann doch zu viel. "Bisher war er ein komischer Kerl, aber das geht jetzt zu weit. Er sollte mal einen Therapeuten aufsuchen", das werden sie gesagt haben. Eigentlich nicht schlecht, wenn sich jemand Sorgen und Gedanken macht, auch wenn das mit den Wörtern gar nicht so verrückt ist, wie alle denken.

Ich sollte wirklich mit den Wörtern anfangen, dann versteht man vielleicht als weitere besser, also das was vorher passiert ist.

Vielleicht auch nicht.

Aber es ist wichtig, dass es jeder versteht. Immerhin ist es eine globale Sache. Jeder ist betroffen. Die ganze Welt. Natürlich, sonst wäre es nicht global. Es ist bedeutender als meine Person oder meine Geschichte. Auch wenn ich natürlich verstehe, dass ich in diesen Seiten hier über mich schreiben soll.

Ja, meist fühle ich mich mit meinem Namen wohl. So oft benutzt man ihn im Alltag ja auch nicht.

Hank, wissen Sie, warum Ihre Freunde wollen, dass Sie mit mir sprechen?

Nein.

...

Gut, ich vermute, wegen dieser Geschichte mit dem Ende. Den Wörtern.

Können Sie es mir erklären?

Es ist das Ende, was gibt es da zu erklären?

Sie wirken wütend. Sind Sie wütend?

Nein, ich bin nicht wütend. Ja, doch, ich bin wütend. Es ist nicht Ihre Schuld, natürlich nicht. Es ist ganz einfach, also das mit den Wörtern, aber es klingt verrückt und deshalb kann ich es niemandem erzählen und wenn ich es jemandem erzähle, dann glaubt er es nicht. Er glaubt, ich sei krank im Kopf, verrückt, weil es verrückt klingt, aber ich weiß natürlich, dass es verrückt klingt. Aber nur weil etwas verrückt klingt, muss es nicht verrückt sein, nicht wahr?

Nicht unbedingt, nein.

Ha, das sagen alle: Hank, Du bist nicht verrückt, nur die Geschichte mit den Wörtern und dem Ende, das klingt verrückt. Ich kann es also niemandem erzählen, aber ich muss es erzählen. Und ja, das macht mich wütend.

Wut entspringt immer dem Gefühl der Ohnmacht.

Montag

Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, am Ende zu beginnen. Am Ende beginnen? Das ergibt auch keinen Sinn. Das Ende ist noch zu nah. Ich weiß nicht mal, ob es wirklich das Ende ist, aber ich merke, dass es mich wieder wütend macht. Wut entspringt dem Gefühl der Ohnmacht. Das zu wissen hilft auch nicht weiter.

Ich fange lieber doch am Anfang an.

Ich hoffe, es verwirrt den Leser nicht, dass ich hin und her springe. Ich habe in meinem Leben noch nie zuvor Bücher oder Geschichten geschrieben. Ich erzähle einfach. Mein Therapeut hat auch gesagt, ich solle nichts wieder ausradieren. Keine Seiten herausreißen. Was also geschrieben ist, das steht für immer hier drin und wenn es dann durcheinander ist, ist es halt durcheinander.

Aber jetzt fange ich vorne an.

Es hat mal jemand gesagt, dass man in einem Buch nur dann von seinem Leben erzählen soll, wenn es ein bedeutendes Ereignis enthält. Etwas Besonderes. Ich weiß nicht, ob mein Leben bis hierher besonders war. Für einen selbst fühlt es sich wohl immer irgendwie besonders an. Oder gerade eben nicht. Man steckt ja mitten drin in seinem Leben. Vielleicht weiß man ganz am Ende, ob es besonders war. Aber dann ist es auch eigentlich egal.

Vielleicht berichte ich einfach nur die wichtigsten Erlebnisse, also was mir so bedeutend erscheint. Mag der Leser selbst entscheiden, ob sie es auch wirklich waren.

Immerhin geht es hier auch nicht darum, ein spannendes Leben zu erzählen, sondern es soll mir helfen, mich selbst zu verstehen und das mit den Wörtern und dem Ende. Das sagt zumindest der Therapeut.

Allzu oft denkt man ja auch nicht rückblickend über sein ganzes Leben nach. Man hängt in der Gegenwart fest und schaut vielleicht ein paar Tage zurück. Niemand sitzt verträumt im Sessel und grübelt darüber, was so an einem Montag vor dreizehn Jahren und sieben Monaten vorgefallen ist. So ganz konkret. Oder doch? Also ich bisher nicht.

Ich überspringe die ersten Jahre. Was wir über unsere ersten Lebensjahre wissen, das stammt ohnehin nur aus Erzählungen anderer, von unscharfen Fotos oder wackeligen Filmen. Oder wackeligen Fotos und unscharfen Filmen. Irgendwann glauben wir, dass all die Fotos und Filme eigene Erinnerungen seien, aber das ist natürlich Unsinn. Erinnerungen sind selten wackelig.

Lediglich ein Traum, den ich als kleines Kind hatte, fällt mir immer wieder ein. Irgendetwas mit einem Geburtstag. Wir Kinder feiern und spielen. Es schellt an der Tür und eine Puppe aus einem meiner Kinderbücher kommt herein. Sie ist groß und dunkel wie ein Erwachsener. Sie sagt etwas. Die Party sei jetzt vorbei. Oder so. Ich habe Angst. Die Figur ist viel zu groß. Ich weiß nicht, warum ich mir diesen Traum über all die Jahre im Gedächtnis gehalten habe. Aber ich schätze, als echte Erinnerung aus der Kindheit zählt das wohl kaum.

Das Erste ist der Bäcker. Ich war beim Bäcker und kaufte Brötchen. Sven hatte Angst. Nicht vor dem Bäcker, sondern vor dem Kaufen. Vor dem Sprechen. Mit unbekannten Erwachsenen. Dabei war der Bäcker gar nicht unbekannt. Zumindest erzählen unsere Eltern uns das. Ich kann mich ja an nichts davor erinnern, aber offenbar gingen wir schon seit Anbeginn der Zeit zu diesem Bäcker und eigentlich hätte Sven ihn kennen müssen. Sven ist mein älterer Bruder. Älter nach Jahren - aber beim Bäcker musste ich der Ältere sein. Ich hatte damals noch keine Probleme damit, fremde Menschen anzusprechen. Viel zu reden gab es dort auch nicht. Ich bestellte die Brötchen von dem kleinen Zettel, drückte der unfreundlichen Dame ein paar Münzen in die Hand, bekam das Wechselgeld und eine Tüte mit Brötchen. Sven wartete neben mir. Er wollte zwar nicht sprechen, aber das Brötchen, das wir als Kinder geschenkt bekamen, wollte er sich nicht entgehen lassen. „Danke“ sagten wir höflich. „Was für artige Kinder“, sagte jemand. Ich wusste nicht, was artig daran war, ein paar Brötchen zu kaufen, aber ich verstand schon damals, dass es wohl als Kompliment gemeint war. Sven war es egal. Er knuffte mich draußen in die Seite, um klar zu stellen, dass er außerhalb des Bäckers wieder der Ältere war.

Ich fürchte, diese Geschichte ist nicht wirklich besonders. Vermutlich geht jedes Kind irgendwann einmal etwas einkaufen, ist aufgeregt, wenn es die ersten Schritte dort unternimmt, wo es sonst nur Zuschauer gewesen war.

Und viele Menschen haben größere Brüder. Vermutlich gibt es sogar viele Menschen, die einen älteren Bruder haben, der Sven heißt.

Aber es gehört doch zu mir und meiner Geschichte. Und gerade die Tatsache, dass es nichts besonderes ist, dass diese Geschichte so ähnlich oder sogar exakt so schon einmal erzählt und aufgeschrieben worden ist, wird noch von Bedeutung sein.

So etwas nennt man wohl „Cliffhanger“. (Witz)

Sven ist vier Jahre älter als ich und er hat nicht nur wirklich einen nordischen Namen, sondern auch das passende, weiße Haar dazu. Vier Jahre sind ein undankbarer Abstand für beide. Zu groß, um wirklich Freunde zu sein, zu klein, als dass Sven väterliche Gefühle für seinen kleinen Bruder hätte entwickeln können.

Sven kommt in meinen Erinnerungen kaum vor. Ich weiß, dass er immer da war, aber wenn ich an die Zeit damals zurückdenke, dann sehe ich ihn kaum. Ich sehe meine Eltern und Freunde. Omas und Opas. Kinder, die ich mochte. Kinder, die ich gehasst habe. Manchmal Lehrer. Aber nie Sven. Außer bei der Geschichte mit dem Bäcker.

Ich habe einmal gehört, dass gerade Brüder im späteren Leben immer enge Vertraute bleiben. Vermutlich als Ausgleich für all die Streitereien und Kämpfe in ihrer Jugend. Aber das gilt nicht für Brüder, die vier Jahre auseinander liegen. Brüder, die vier Jahre auseinanderliegen, gehen sich später aus dem Weg. Man war nie richtig füreinander da und hat auch nie richtig gestritten – es gibt also nichts, was man ausgleichen müsste.

Ich weiß, dass ich unnötig verallgemeinere.

Bei mir und Sven ist es so. Ich kenne nicht einmal irgendein anderes Brüderpaar, das uns ähnlich wäre. Aber ich nehme an, dass es bei allen genauso sein wird. Denken wir das nicht alle? Vielleicht. Aber das hier ist mein Buch, also darf ich hier schreiben, was ich will.

Mittwoch

Ich merke, dass ich meinem Vater aus dem Weg gehe.

Also nicht meinem Vater persönlich, sondern der Tatsache, dass er tot ist. Denn das schließt sich doch jetzt an, nicht wahr? Ich habe über meinen Bruder geschrieben, jetzt kommen die Eltern an die Reihe und was fällt einem da ein?

Aber ich wollte ja vorne anfangen.

Da war Vater noch nicht tot.

Wenn meine Eltern es nicht hören konnten, nannte ich sie das „Ehepaar verkehrt“. Andere hätten sie vermutlich „emanzipiert“ bezeichnet. Früher war es doch meist so, dass der Mann einem bedeutsamen Beruf nachging und die Frau zu Hause blieb oder allenfalls ein wenig Geld hinzuverdiente. Ich weiß nicht, ob das heute auch noch so ist. Mein Vater arbeitete jedoch als Handwerker in einer kleinen, heruntergekommenen Firma. Jetzt wo ich darüber schreibe, fällt mir auf, dass ich eigentlich nicht weiß, was er genau gearbeitet hat. Die Firma machte irgendwas mit Holz. Er war ganz sicher nicht der Chef dort. Er kam jeden Abend dreckig nach Hause und roch nach Leim und Sägespänen.

Mir fällt ein, dass er nie von seiner Arbeit erzählt hat. Wohl von den Leuten. Er konnte sich jeden Abend über die anderen Arbeiter aufregen, aber nie über das, was er tat.

Meine Mutter lehrt an der Universität. Ich habe die genaue Bezeichnung vergessen.

Erschreckend wie wenig ich darüber weiß. Als Kind macht man sich keine Gedanken darüber. Die Arbeitswelt der Eltern könnte auch auf einem anderen Planeten liegen. Die Arbeit der Eltern bedeutet nur, dass man allein ist. Es ist die Zeit, bevor Mutter und Vater zurückkommen und alles wieder vollständig ist. Wo die Eltern diese Zeit verbringen, was sie dort eigentlich tun, spielt keine Rolle.

Es spielt keine Rolle. Es geht um Literatur und Vergangenheit. Bücher und Geschichte. Es ist unwichtig für dich.

Ihr erzählt nie... Ich weiß gar nicht…

Weil es hier irrelevant ist. Ich….

Ich will nicht, dass Dein Vater beständig davon hört. Er könnte…

Er hat seine Arbeit und ich habe meine. Was zählt, ist die Familie. Die Zeit, die wie hier in Gemeinschaft verbringen. Allein das ist von Bedeutung. Ich wünsche nicht, dass er...

Vergiss nie, dass Du stolz auf Deinen Vater sein kannst.

Warum hat sie das immer wieder gesagt? Ich habe das nie verstanden.

Sicher, ich war stolz auf meinen Vater, aber sind das nicht alle Kinder? Und wie alle Kinder wusste ich nicht einmal genau warum. Es sind meist Kleinigkeiten, die später erschreckend winzig erscheinen, wenn man selbst erwachsen wird. Aber vielleicht lag es auch einfach an einem anderen „Verkehrt“: Vielleicht war ich als Kind naiv, vielleicht verstand ich die Erwachsenen einfach nicht, aber mir war immer bewusst gewesen, dass mein Vater zufrieden war mit seinem Leben. Mit seiner Arbeit. Irgendwie mit allem. Natürlich gab es immer etwas, über das er sich beschwerte, aber das erschien mir oft nur wie eine seltsame Form der Rechtfertigung. Wie als wollte er sagen: „Ich habe ein wunderbares Leben, aber zumindest gehen mir meine Mitarbeiter auf die Nerven – Ihr müsst also nicht all zu neidisch sein.“

Ich glaube, meine Mutter fand, dass er unzufrieden zu sein hätte. Deswegen sagte sie das mit dem Stolz. Ich sollte nicht bemerken, dass mein Vater eigentlich unzufrieden hätte sein müssen.

Sie war unzufrieden.

Es war halt verkehrt.

Montag

Man sagt, dumme Menschen seien glücklicher, da sie nicht so oft über das Leben nachdenken. Ich dachte viel zu oft über das Leben nach. Früher. Heute denke ich über die Wörter nach. Aber sicher auch das zu viel. Deswegen haben mich meine Freunde zum Therapeuten geschickt. Denkt man dort nicht noch mehr? Spricht man nicht mit dem Therapeuten, um glücklicher zu werden? So recht ergibt das keinen Sinn.

Freitag

Ich weiß nicht, ob der Umstand, dass meine Mutter „etwas mit Büchern“ macht, zu all dem beigetragen hat. Vielleicht hätte ich mich sonst nie mit den Wörtern beschäftigt.

Vielleicht hat alles damals in der Bibliothek angefangen.

Viele Dinge aus der Kindheit werden zu Standbildern, aber an die Zeiten in der Bibliothek erinnere ich mich meist noch sehr genau.

Natürlich ist das die Stelle, an der ich schreiben müsste, dass uns als Kind alles größer erscheint. Ich müsste wilde Vergleiche bemühen, müsste phantasieren, dass die Regale damals auf mich wie gigantische, unüberwindbare Mauern gewirkt haben, die mich gleichzeitig abstießen und mit ihrer Fülle an Büchern und Geschichten anzogen. Ich müsste die Gänge mit Labyrinthen aus alten Sagen vergleichen, in denen ich nicht wusste, ob ich mehr Angst vor der wütenden Bibliothekarin oder dem wilden Minotaurus haben sollte.

Aber so war es gewesen. Doch es ist alles so schon einmal gesagt worden, nicht wahr?

Das Schlimme an Klischees ist, dass sie wahr sind, sie aber niemand mehr hören mag.

Ich muss zumindest von den Büchern erzählen. Natürlich hat eine Bibliothek Bücher. Aber ich hatte schon damals das Gefühl, das ich der einzige bin, der versteht, wie viele es sind. Oder besser der einzige, der versteht, dass man es nicht verstehen konnte, wie viele es sind. Wie viele Bücher und Seiten. Die Romane, Geschichten, Erzählungen oder Berichte, Tabellen und Erlebnisse. Jedes Buch, jede Seite enthält hunderte, tausende, ja Millionen Wörter, Buchstaben und Sätze. An jedem Regal hätte ich ein beliebiges Buch herausziehen können, und es hätte mich Stunden, wenn nicht Tage gekostet, allein dieses eine Buch zu lesen. Wie viel Zeit steckt da in einer ganzen Bibliothek?

Ich habe damals noch nicht so viel gelesen wie später. Daher fiel es mir nicht schwer, ganze Abteilungen der Bibliothek unberührt zu lassen. Ich wollte die Geheimnisse nicht anbrechen. Wie das letzte Stück Hochzeitstorte, das man über Monate oder Jahre im Gefrierfach aufbewahrt, da man nicht wagt, es anzuschneiden.