Hardcore Angel - Christa Faust - E-Book

Hardcore Angel E-Book

Christa Faust

0,0

Beschreibung

Alles beginnt mit einem Anruf: ein letzter Filmauftrag für Pornostar Angel Dare. Eigentlich leitet sie eine erstklassige Modelagentur. Doch bei diesem Dreh geht es nicht nur um viel nackte Haut, sondern auch um eine Tasche voller Geld. Ehe sie sich's versieht, liegt Angel gefesselt in einem Kofferraum. Aber Angel ist zäh- selbst wenn das bedeutet, eine Spur von Leichen hinter sich herzuziehen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 327

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

In der Reihe »Hard Case Crime« bei Rotbuch sind bislang erschienen

Titelseite

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

In der Reihe »Hard Case Crime« bei Rotbuch sind bislang erschienen:

HCC-001 Allan Guthrie: »Abschied ohne Küsse«

HCC-002 Lawrence Block: »Abzocker«

HCC-003 Ken Bruen & Jason Starr: »Flop«

HCC-004 Christa Faust: »Hardcore Angel«

HCC-005 Richard Aleas: »Tod einer Stripperin«

HCC-006 Donald E. Westlake: »Mafiatod«

HCC-007 Mickey Spillane: »Das Ende der Straße«

Christa Faust

Hardcore Angel

Übersetzt von Almuth Heuner

Rotbuch Verlag

eISBN 978-3-86789-503-3

Deutsche Erstveröffentlichung, 1. Auflage

© 2008 by Rotbuch Verlag, Berlin

Titel der Originalausgabe: »Money Shot«

© 2008 by Christa Faust

Umschlagillustration: © 2008 by Glen Orbik

Die Reihe »Hard Case Crime« in deutscher Sprache ist eine internationale Kooperation der Winterfall LLC und Rotbuch Verlag GmbH.

Das Logo und der Name »Hard Case Crime« sind Markenzeichen der Winterfall LLC und lizenziert für die Rotbuch Verlag GmbH.

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

Rotbuch Verlag GmbH

Alexanderstr. 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

(0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz, abweichende Preise für Mobilfunkteilnehmer)

www.rotbuch.de

Für Richard S. Prather

Worte sind unsterblich

1

Wenn im Kino jemand von den Toten aufersteht, dann sieht das ziemlich einfach aus. Im wirklichen Leben dagegen dauert es ganz schön lange, bis du auch nur die Augen aufkriegst. Und du verbringst eine halbe Ewigkeit damit, deinen linken Mittelfinger so weit nach unten zu krümmen, dass du an den Strick um deine Handgelenke kommst. Es dauert noch länger, bis dir klar wird, dass das kalte, harte Ding, das dir in die Wange sticht, der Griff eines Starthilfekabels ist. Diese Art von Action reißt im Kino niemanden vom Hocker. Und erst diese Stellen, die sich ewig hinziehen und bei denen das Publikum wahrscheinlich pinkeln geht oder sich Popcorn holt, weil es so aussieht, als würde nichts passieren und du wärst tatsächlich schon krepiert. Nach einer Weile fragst du dich selbst, ob du eigentlich noch lebst. Du fragst dich auch, was wohl passiert, wenn du in den öligen Lumpen in deinem Mund kotzt, der mit Isolierband zugeklebt ist, oder wie lange es wohl dauert, bis dich jemand vermisst. Ansonsten blutest du alles voll, bist damit beschäftigt, nicht wieder ohnmächtig zu werden, und machst dir heftig Gedanken über das Kabel, die enge stickige Dunkelheit, die kratzige Teppichauskleidung unter und das unlackierte gewölbte Blech über dir. Das alles deutet unmissverständlich auf deinen aktuellen Aufenthaltsort hin, nämlich den Kofferraum eines alten, nicht besonders gepflegten Autos. So ging’s jedenfalls mir.

Bestimmt fragen Sie sich, warum jemand so ein nettes Mädchen wie mich im Kofferraum eines beschissenen Honda Civic da draußen in der Industriewüste östlich der Innenstadt von Los Angeles für tot hat liegen lassen. Oder wir haben uns schon mal getroffen, und Sie fragen sich jetzt, wieso mir das nicht schon früher passiert ist.

Ich heiße Gina Moretti, aber Sie kennen mich wahrscheinlich als Angel Dare. Keine Sorge, von mir erfährt Ihre Frau nichts. Mit zwanzig habe ich meinen ersten Porno gedreht, aber vor der Kamera habe ich so getan, als ob ich erst achtzehn wäre. Das war im ersten Film der inzwischen berühmten Amateurporno-Serie Brand Spankin’ New von Marco Pole. Meine Szene war nur eine von den fünf, aus denen der Film bestand, aber ich stahl allen anderen die Show, keine Frage. Viel mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Ich weiß, wie ich meine Stärken am besten einsetze. Keine vierzehn Tage später hatte ich einen Vertrag bei Vixen Video in der Tasche. Bevor ich nur Piep sagen konnte, liefen im Playboy-Kanal weichgezeichnete Centerfold-Videos von mir, für die ich mehr Kohle bekam, als ich in einem Jahr zu Hause verdient hätte. Es war die klassische Aschenputtelgeschichte vom einfachen Mädchen zum Pornostar, aber anders als viele meiner Kolleginnen ließ ich die Finger von Drogen, sparte jeden Cent und war wieder raus aus dem Geschäft, bevor meine Möse total ausgeleiert war.

Zu blöd nur, dass ich nicht im Ruhestand bleiben konnte. Wie ein Profiboxer oder ein Juwelendieb ließ ich mich jedes Mal wieder überreden, wenn mir ein Pornodreh angeboten wurde. Als ich dieses Mal Sam Hammer zusagte, konnte ich ja nicht ahnen, dass ich in einem Kofferraum landen würde.

Sam war ein sehr alter Freund von mir. Er gehörte zu den wenigen wirklich anständigen Kerlen, die es in dem Geschäft noch gab. So eine Art Mischung aus Weihnachtsmann und John Holmes. Er ging inzwischen ziemlich auf die sechzig zu, ein stämmiger, gut gelaunter Typ mit silbergrauem Pferdeschwanz und einem gepflegten Bart. Auf seinem Sofa konnte man immer pennen, sich an seiner Schulter ausheulen, er pumpte einem etwas, wenn das Geld auf dem Konto mal knapp war, und er kannte auch immer jemanden, der einem billig das Klo reparierte. Ich würde ja sagen, dass er für mich wie ein Vater war, aber wir hatten ein paar Szenen zusammen gedreht, als er noch vor der Kamera stand, und deshalb würde das merkwürdig klingen. Auch wenn es schon Ewigkeiten her war. Beim Drehen war er immer ganz Kavalier gewesen, locker, respektvoll und zuverlässig wie ein Uhrwerk. Und das war keine Selbstverständlichkeit, bevor Viagra sozusagen zum Rückgrat des Geschäfts wurde. Damals, als die Action tatsächlich noch durch weibliche Kunstgriffe am Laufen gehalten werden musste, da war ein Typ wie Sam, der auf Zuruf konnte, Gold wert. Jetzt werfen sich die Typen Viagra und Cialis ein, als wär’s Tictac, und spritzen sich Caverject direkt in ihr bestes Stück, um einen hoch zu kriegen. Besser lieben dank Chemie.

Bei Sam-Hammer-Drehs war immer etwas los. Und alles war sehr locker. Sam war mit Busti Keaton verheiratet, die mit ihren echten hundert Zentimetern Oberweite der Star der Topsy-Turvy-Filme und von Kampfstern Gazongas gewesen war. Sie brachte immer Unmengen von selbst gekochtem Essen mit und kümmerte sich darum, dass niemand am Set schwitzte oder fror oder sich unwohl fühlte. Ich habe eine Menge Pornos gemacht, die einfach nur Jobs waren oder schlimmer. Hammer-Drehs waren nie wie Arbeit. Eher wie große, glückliche Grillfeste am Sonntagnachmittag, wo eben zufällig auch gefilmt wurde, wie Leute Sex miteinander hatten.

Sam hätte leicht den Sprung nach Hollywood schaffen können. Er hatte ein gutes Auge für Bildkomposition und schrieb selbst kluge Drehbücher, bei denen man gar nicht auf die Idee kam, die Vorlauftaste zu drücken. Aber wir wussten alle, dass er das Valley nie verlassen würde. Pornos zu drehen war Sams Leben. Er hatte einfach viel zu gern nackte Mädchen um sich, als dass er seriös werden konnte. Die meisten Pornoregisseure sind einfach nur abgehalfterte Dilettanten, die beim Dreh dauernd ’ne Nase ziehen oder das Handy am Ohr haben. Sam war nicht so. Seine Begeisterung steckte an.

Er rief mich an einem dieser Tage an, die einem so vorkommen, als stehe die Vierzig quasi vor der Tür. An solchen Tagen muss ich die ganze Zeit in den Spiegel gucken und zwanghaft das, was ich da heute sehe, mit dem Bild der makellosen Zwanzigjährigen vergleichen, die für die digitale Unsterblichkeit auf Marco Pole herumhüpfte. Ich bin jetzt besser in Form als je zuvor, gehe sechsmal die Woche ins Sportstudio und mache Kickboxen gegen den Stress. Doch alle Bauchpressen der Welt können die Auswirkungen der Schwerkraft oder Krähenfüße nicht rückgängig machen und erst recht nicht verhindern, dass ich eine Tönung benutzen muss, die »100 % Grauabdeckung« verspricht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe ein recht gesundes Ego, aber ich leite Daring Angels, eine hochklassige Pornomodel-Agentur draußen in Van Nuys, und all diese atemberaubenden Neunzehnjährigen um mich herum machen mich fertig. Da kommt sich selbst eine scharfe Braut wie ich manchmal wie altes Eisen vor.

Als Sam also anrief, stand ich oben ohne vor dem Ganzkörperspiegel neben dem Schreibtisch und betrachtete mein Profil. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mir nie die Titten habe machen lassen. Ich habe einfach zu viele schöne Frauen gesehen, die sich mit grauenvollen Frankenstein-Implantaten ruiniert haben. Doch an diesem Tag wog ich meine beiden Prachtstücke in den Händen und fragte mich, ob sie nicht doch vielleicht eine kleine chirurgische Auffrischung vertragen könnten.

Ich rief meine Empfangsdame, persönliche Assistentin und überhaupt Mädchen für alles ins Büro. Zu Zeiten von Deep Throat war Didi ein Star gewesen, auch wenn man es ihr heute nicht mehr ansah. Sie war zweiundfünfzig, rund eins fünfzig groß und hatte das schlichte, freundliche Gesicht, das jeden an die Lieblingslehrerin von früher erinnert. Doch hinter diesem jugendfreien Äußeren steckte eine Porno-Veteranin der alten Schule, die über Sex redete wie andere Leute über das Wetter. Sie hatte eine volle, vibrierende Telefonsex-Stimme, und fast jeden Tag wollte sich einer der Männer, die eigentlich wegen der Mädchen anriefen, mit ihr verabreden. Oft sagte sie Ja, und vielleicht machten ja einige gleich kehrt, wenn sie dann auftauchte. Doch die Kerle, die dageblieben sind, haben es am Ende des Abends bestimmt nicht bedauert. Didi war vermutlich das Beste, was mir je passiert war. Ich will gar nicht daran denken, wie ich Daring Angels ohne sie managen sollte.

Sie kam herein und hatte an einem Arm ihre Glitzervinyltasche hängen und den anderen bereits in ihrer pinkfarbenen Lederjacke.

»Was gibt’s, Chefin?«, fragte sie. »Ich bin schon mit einem Fuß aus der Tür. Ich treffe mich heute Abend noch mit einem echt scharfen Kerl.« Sie warf einen Blick auf meine nackten Brüste und verdrehte die Augen. »Wirst du wohl sofort damit aufhören! Du brauchst kein Tittentuning.«

Ich grinste. »Hau schon ab, Didi. Wir sehen uns morgen.«

Sie warf mir eine Kusshand zu und verschwand. Ich drehte mich wieder zum Spiegel um. Ich wusste ja, dass sie recht hatte, aber trotzdem …

Ich fuhr zusammen, als mein Telefon plötzlich seinen elektronischen Piepton von sich gab. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätte mich jemand bei etwas Verbotenem erwischt.

»Daring Angels«, meldete ich mich.

»Angel, meine Süße.« Ich brauchte Sams vertrautes Brummen nur zu hören, und schon hatte ich bessere Laune. »Wie geht’s dir, meine Schönste?«

»Nie besser als jetzt«, antwortete ich, drehte dem Spiegel den Rücken zu und griff nach dem Push-up-BH, der über der Stuhllehne hing. »Und dir?« »Das Übliche«, sagte er. »Weißt schon. Schmuddelfilme drehen und so.«

»Und Georgie?« Ich klemmte den Hörer zwischen Wange und Schulter und hakte den BH über meinem Brustkorb zu.

Georgie war Busti Keatons wirklicher Name. Ich hätte die winzige Pause bemerken müssen und die Anspannung in seiner Stimme, als er viel zu schnell antwortete.

»Prima, ihr geht’s echt gut. Hör mal, Angel, ich muss dich um einen Gefallen bitten.«

»Immer, Sam«, sagte ich, zerrte den BH herum, steckte die Arme durch die Träger und schob alles an seinen Platz. Ich betrachtete mein Spiegelbild. Schon viel besser.

»Ich drehe gerade mit Jesse Black«, erzählte Sam. »Eins der neuen Mädchen hat mich sitzen lassen, und wir haben die Location nur noch zwei Stunden.«

Ich nickte und rief den Terminkalender in meinem Laptop auf.

»Okay«, sagte ich, während ich die Buchungen überflog. »Zandora Dior und Kyrie Li sind beide auswärts tanzen, aber Sirena, Coco Latte und Roxette DuMonde sind frei. Oder ich hätte da auch diese Neue, Molly May. Sie ist umwerfend, ein echter Rotschopf – nicht nur oben, sondern auch im Schritt. Typ nettes kleines Mädchen von nebenan, aber sie sieht auch aufgehübscht gut aus. Allerdings nur normale Oberweite. Oder ist es ein Tittenstreifen? Mit mehr Vorbau hab ich zurzeit nur Bethany Sweet, und sie ist heute nicht frei.«

»Also, eigentlich«, meinte Sam, »will Jesse dich.«

»Red keinen Quatsch.« Ich drehte mich mit einem nervösen Lachen wieder zu dem verräterischen Spiegel um. »Du weißt doch, dass ich in Rente bin.«

»Angel, bitte. Ich brauch wirklich deine Hilfe. Jesse droht schon, dass er mir auch noch abspringt, und ich hab ihm versprochen, dass ich ihm jedes Mädchen besorge, das er haben will. Und er will eben Angel Dare. Er meint, er hätte mit deinen Filmen laufen gelernt, und dass du sein Lieblingsstar bist, seit er fünfzehn ist.«

Sie müssen wissen, dass Jesse Black derzeit wohl das schärfste neue männliche Talent im Geschäft war. Er war einundzwanzig, sah aus wie ein Hollywoodstar, und was er unterhalb der Gürtellinie zu bieten hatte, war der Stoff von Legenden. Die Augen blauer als blau. Dieses unwiderstehliche Bad-Boy-Grinsen. Sicher die Hälfte der Frauen, die sich im letzten halben Jahr bei mir beworben hatten, wollte nur deshalb ins Pornogeschäft einsteigen, weil sie mit Jesse Black zusammenarbeiten wollten. Und jetzt wollte genau dieser Jesse Black mit mir arbeiten.

»Das kommt ein bisschen kurzfristig«, sagte ich und war in Gedanken bereits schamlos mit den Details von Jesse Blacks berühmter Anatomie beschäftigt.

»Kein AV«, antwortete Sam. »Nur eine einfache schnelle Boy-Girl-Nummer mit einem Facial. Du kriegst von mir fünfzehn und kommst aufs Cover. Wie in alten Zeiten.«

Es war ein verlockendes Angebot, das musste ich zugeben. Einfach dort auftauchen, plus Jesse Black, plus Sam aushelfen, plus leicht verdiente fünfzehnhundert Dollar und ein Coverbild als Balsam für mein angeknackstes Ego. Der Beweis dafür, dass ich es immer noch draufhatte. Sam würde mich schnell weichklopfen, aber ein bisschen musste ich den Schein noch wahren.

»Ich hab kein aktuelles Testergebnis«, sagte ich. »Das Letzte ist fast sieben Monate alt.«

»Kannst du mir bis Montag zufaxen«, sagte Sam. »Hör mal, wie wär’s mit zwei Riesen?«

»Sam, … ich …«

»Na gut, zweieinhalb, und du sagst Ja. Ich sitz hier echt in der Klemme, Angel. Meine drei letzten Filme sind gefloppt, und wenn ich das hier auch noch versiebe, schmeißen die mich bei Blue Moon raus. Aber mit Angel Dare und Jesse Black auf dem Cover hab ich ’ne sichere Sache in der Hand.«

Er klang schon fast verzweifelt. Bei jedem anderen wäre ich wahrscheinlich hart geblieben, aber Sam war immer für mich da gewesen. Und er hatte nie Fragen gestellt.

»Okay, Sam«, sagte ich. »Jesse weiß, dass ich es nur mit Gummi mache?«

»Klar«, sagte Sam. »Kein Problem. Weißt du was, ich lass dich jetzt mal mit ihm reden, okay?«

»Warte mal«, sagte ich, aber es war schon zu spät.

»Angel?«, sagte eine neue Stimme. »Ist da Angel Dare?«

»Wie sie leibt und lebt«, sagte ich. »Jesse?«

»Ja«, sagte er. »Angel Dare, wow. Ich kann’s noch gar nicht fassen.«

»Ich bin’s wirklich«, sagte ich und hatte keine Ahnung, was ich sonst noch sagen sollte.

»Mann, du bist echt so scharf«, sagte er. »Ich hab mir das Video von Double Dare mindestens zweimal neu kaufen müssen. Diese Szene mit dir und Nina Lynn in der Dusche.« Er atmete mit einem kurzen Stöhnen aus. »Verdammt heiß.«

»Danke«, sagte ich und studierte noch einmal mein Spiegelbild. Zu Zeiten von Double Dare hatte der kleine Jesse vermutlich noch gedacht, dass Mädchen eklig wären. Es war schon seltsam, dass ein Junge wie er wirklich scharf auf mich sein sollte. »Du siehst auch verdammt gut aus, Kleiner.«

»Machst du mit?«, fragte er. »Bitte sag Ja. Dann würde meine geilste Fantasie Wirklichkeit. Ich und Angel Dare.«

»Na ja …«, sagte ich.

»Ich besorg’s dir gut, Angel«, sagte er, und seine Stimme klang heiser und ernsthaft, wie bei meinem allerersten Freund. »Ich versprech’s dir.«

»Gibst du mir noch mal Sam?«, sagte ich.

Ich hörte hastiges Geraschel, und dann war wieder Sam am Apparat.

»Komm schon, Angel«, sagte er. »Gönn’s dem Jungen doch. Der bespringt mich gleich, wenn du nicht bald hier auftauchst.«

Ich seufzte und nahm einen Stift.

»Gib mir die Adresse.«

2

Die Location war eine der traurigen alten Villen in Bel Air. Auf den ersten Blick wirkte das Haus immer noch ziemlich großspurig, aber es hatte schon bessere Zeiten gesehen. Hier in L.A. ist Geld so trügerisch, und ein großes historisches Anwesen ist wie eine alternde Geliebte, deren Fetisch die plastische Chirurgie ist. Man hat einfach mehr davon, sich ein billiges, schickes Haus neu zu kaufen, statt das alte dauernd zu renovieren. Sonst bleibt einem irgendwann nichts anderes übrig, als die Villa für Pornoaufnahmen zu vermieten, damit man das löchrige Dach decken lassen kann.

Zwei verwachsene Granatapfelbäume bewachten das offene Tor. Der Boden unter ihnen sah aus wie ein Schlachtfeld aus zermatschten dunkelroten Früchten, die unter den Reifen meines schwarzen Minis knirschten und zerplatzten. Als ich die großzügig geschwungene Auffahrt hinauffuhr, sah ich mich schon dauernd nach Norma Desmond aus Sunset Boulevard um, die ihren Lieblingsschimpansen in dem verwilderten Rosengarten begrub. Es ging mir aber sofort besser, als ich Sams rote 84er Corvette mit dem Wunschkennzeichen HAMRXXX sah. Sie stand neben einer wuchtigen Holztür, die gut in ein mittelalterliches spanisches Verlies hätte führen können. Ich stellte mich hinter Sams Corvette und nahm mein altes Setköfferchen vom Beifahrersitz. Vor der Corvette standen ein paar andere, mir unbekannte Wagen, ein unauffälliger Mittelklasse-Mietwagen und ein aufgemotzter schwarzer Ferrari, der bestimmt Jesse gehörte. »Käuflicher Schwanz« stand dem Schlitten förmlich auf die Kühlerhaube geschrieben. Direkt vor dem Ferrari parkte der verbeulte blaue Honda Civic, mit dem ich schon bald so innige Bekanntschaft schließen würde.

Ich habe seitdem so viel über diese paar Minuten in der Auffahrt nachgedacht und mich gefragt, warum ich nicht sofort Verdacht geschöpft hatte, warum ich einfach reingeschneit war wie ein kaum volljähriges Dummchen aus der Provinz. Ich rede mir ein, dass alles so gekommen war, weil ich Sam vertraute, weil er seit zwanzig Jahren mein Freund war. Aber wenn ich ehrlich bin, war das nur teilweise der Grund. Ich hatte schlicht und einfach das weibliche Äquivalent eines Ständers. Alles Blut aus meinem Gehirn war zwischen meine Beine geströmt. Seit einem halben Jahr war ich so mehr oder weniger mit dem Bassisten einer Rockabillyband zusammen, aber das war mittlerweile reichlich öde geworden, und ich war dabei, mich nach was Neuem umzusehen. Seit drei Wochen hatte ich keinen Sex mehr gehabt. Jetzt war ich total im Hormonnebel, mein Gehirn hatte sich verabschiedet beim Gedanken an Jesses schlanken, muskulösen einundzwanzigjährigen Körper. So rannte ich mit der Möse voran in die Falle.

Die Räder meines Köfferchens holperten über das geborstene Pflaster, und das einsame Geräusch hallte unpassend laut in dem verlassenen Hof wider. Die Tür war nicht abgeschlossen. Ich dachte, dass sie vielleicht gerade Dialog oder mit O-Ton drehten, deshalb klopfte ich nicht, sondern schlich hinein.

Als Erstes fiel mir auf, dass nirgends Möbel standen. Der Raum war riesig, mit einer Decke wie eine Kathedrale. Spanische Fliesen auf dem Boden und ein wuchtiger schmiedeeiserner Kronleuchter an einer Kette, wie gemacht für Zorro, um sich über die Bösewichter hinwegzuschwingen. Die großen Fenster waren mit milchiger Folie zugehängt, die die Nachmittagssonne weich und gedämpft durchscheinen ließ. Es roch nach frischer Farbe.

»Angel?«, ertönte Sams Stimme vom oberen Ende einer elegant geschwungenen Treppe herab. »Bist du’s?«

»Ja«, antwortete ich und spähte die Treppe hinauf.

»Wir sind hier oben«, sagte Sam.

Ich schob den Teleskopgriff meines Köfferchens zusammen und trug es die Treppe hinauf. Glücklicherweise war es klein und fast leer. Sam hatte gemeint, ich bräuchte nur Dessous und hohe Absätze, deshalb war ich kurz bei mir vorbeigefahren und hatte mir ein paar Garnituren und Strümpfe zur Auswahl geschnappt. Seit Jahren hatte ich meine Setkoffer nicht mehr auf Abruf parat, in denen alles säuberlich in verschließbare Plastiktüten verpackt und beschriftet war mit Fetisch, Schlampe oder MvN für »Mädchen von Nebenan«.

»Sam?«, rief ich, als ich oben angekommen war.

»Hier hinten.« Sams Stimme ertönte vom Ende eines langen Korridors.

Ich sah eine halb offene Tür, hinter der es hell erleuchtet war, und ging darauf zu. Keine dicken gelben Kabel waren am Boden festgeklebt, die umliegenden Zimmer waren nicht voller kichernder Mädchen, die ihre Implantatnarben überpuderten und sich falsche Wimpern anklebten. Niemand stand herum, rauchte oder hatte ein Handy am Ohr. Nur dieser lange, leere Korridor. Ich bilde mir ein, dass ich in diesen Sekunden so langsam anfing, mich ein bisschen zu wundern, aber ich machte nicht kehrt. Ich schob einfach die Tür weiter auf und ging hinein.

Das Zimmer am Ende des Korridors war leer bis auf ein großes schmiedeeisernes Bett mit einer kahlen, plastikumhüllten Matratze. Sam stand an der gegenüberliegenden Wand neben einem leeren Kamin. Zwei weitere Männer waren da, die ich nicht kannte, aber ich bekam auch nicht viel von ihnen mit, weil direkt neben der Tür Jesse stand und zum Anknabbern aussah mit den verwuschelten dunklen Haaren und dem blauäugigen Schlafzimmerblick. Er war schon startklar. Seine Lederhosen hingen so tief auf den schmalen Hüften, dass man das Schamhaar hätte sehen können, wenn er nicht rasiert gewesen wäre. Sein glatter, schlanker Oberkörper war nackt und schimmerte vor Schweiß, der die symmetrische Perfektion jedes Muskels hervorhob. Er trat auf mich zu, ließ einen anerkennenden Blick über meinen Körper schweifen und lächelte.

»Angel Dare«, sagte er. »Wow. Du siehst umwerfend aus. Das wird ’ne tolle Sache.«

Er griff nach unten und packte sein berühmtestes Accessoire durch das enge Leder hindurch. Dann schlug er mir ins Gesicht.

3

Ich verlor nicht sofort das Bewusstsein, aber es tat höllisch weh, und alles wurde rot und verschwommen. Ich spürte grobe Hände auf mir, die mir die Klamotten herunterzerrten und mich auf rutschiges, zerknittertes Plastik warfen. Kratzige Seile wurden mir um Hand- und Fußgelenke gebunden, und mein erster, halb betäubter Gedanke war: Bondage, spinnen die? Man kann doch nicht Bondage und Sex in derselben Szene drehen!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!