Hasenprosa - Maren Kames - E-Book

Hasenprosa E-Book

Maren Kames

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Beschreibung

»Wenn das alles gewesen ist, ziehe ich aus!«, ruft da eine und macht sich in ihren Meilenstiefeln, ihren Reisesocken davon. Auf der Rückbank: ein Hase. Es geht einmal quer durch die Zeit, die Zeitalter und hinaus, ins knalldunkle All. Im Strichflieger durch den Himmel und die Erinnerung: an zwei Großmütter, eine helle, eine dunkle, eine heile, eine wunde. Einen Großvater, seine furchigen Hände. Einen Bruder und seinen Baum. An rasende Träume, krumme Märchen und einen Purple Rain.

Maren KamesHasenprosa ist quecksilbrig und herznah. Sie ist voller »Punk, Punk, Punk« und Zärtlichkeit. Fein Gesponnenes steht neben präzise gebannter Weltwahrnehmung. Wir hören Glenn Gould und Billie Eilish, sehen Lionel Messi durchs Universum dribbeln und seilen uns mit dem Hasen von Fixsternen ab. Ein Buch wie ein Kindheitssommer, ausschweifend, »sturzoffen« und leuchtend schön.

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Seitenzahl: 176

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Cover

Titel

Maren Kames

Hasenprosa

Suhrkamp

Roman

Impressum

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2024

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2024.

Erste Auflage 2024 Originalausgabe© Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2024 Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: studio hanli

eISBN 978-3-518-77859-3

www.suhrkamp.de

Motto

Keine Ahnung, von gegenüber kommt das Licht.

International Music, Für Alles

das verzweigte verzwergte Gehirn behielt alles für eine Weile,

dann ließ es alles wieder los!

Friederike Mayröcker

There is nothing left to throw

Of ginger, lemon, indigo

Coriander stem and rose of hay.

Strength and courage overrides

The privileged and weary eyes

Of river poet search naïveté.

Pick up here and chase the ride

The river empties to the tide

All of this is coming your way.

R.E.M., Find The River

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Cover

Titel

Impressum

Motto

Manifester Soundtrack

Subkutaner Soundtrack

Zitierte Texte

Bilder

Weitere Dabei-Bücher (Reisebibliothek)

Begleitender Soundtrack (Auswahl)

Dank

Quellennachweise

Bildnachweise

Fußnoten

Informationen zum Buch

Hasenprosa

Das mit dem Hasen ist rückwirkend betrachtet doch der Sommer der Anbahnung, der Maserung gewesen. Subkutan mauserte sich alles, äste sich unterholz vorwärts durchs Gras zu einer wie insgeheim vorgesehenen Stelle, suchte sich je eine behutsam ausgebuchtete Mulde und narbte dort friedwärts verabredet ganz langsam zu. Dabei hatte alles seine Zeit, schien es rückwärts bedacht, und nicht wenig davon, aber ich ahnte nichts. Unbeschrieben schritt ich fort, in meinen Meilenstiefeln dahin, meinen Reisesocken auf und davon.

Wenn das alles gewesen ist, rief ich mir über die Schulter, ziehe ich aus! Ich ahnte ja nichts. Wie arglos ich war, wie zartblau. Ich schimmerte blass, aber konstant wie ein Glashaus bei Nacht, ein Unbekümmer, Leichtling, schmeichelhaft seicht und selten effizient, kein Taugenichts, aber nah dran.

Die anderen frästen also solang. Rückwendig besehen graste alles wie wild, ackerte in offenbar unermüdlicher Selbstverständlichkeit an einer scheinbar gemeinsamen Sache, sie winkten auch manchmal, als langarmige Schemen weit hinten am Grasrand, ich sah sie wohl wedeln, doch begriff nicht weshalb. Nichtsahnend stand ich auf Stelzen, die wankten, es bangte und knackte schon lang, dann barst es, ich krachte.

Ich flog durchs Dach. Ich flog durch das Dach, das so lange tief unter mir sich und mich in Sicherheit gewogen hatte. Haltlos segelten wir hinab, einige Dachbalken und ich, in freiem Fall, wie man sagt, doch wie bleiartig das war, wie ekelhaft. Das kommt vom Thronen, dachte ich noch im Sturz, das kommt davon.

Ich war im Feld. Mit großem Haha war ich ins Feld eingefahren, meine eigene Raserei noch großspurig bewundernd, die Furche, die meine Bremsung hinterließ, war aber auch nicht von ungefähr, sondern hervorragend präzise und tief, und so fiel ich in die Blumenwiese und schlief. Man sang wohl für mich. Meine Bluse war nass. Über mir klaffte das Loch im Dach. Dort war es auch, wo ich sah: Klarer als im Schlaf war mir der Hase nie erschienen. Immerzu musste ich ihn mustern, mal verstohlen, mal unverhohlen betrachten, selbst im Schlaf (also meinem) stoben ihm die Seufzer noch zum Rachen heraus, es schnaubte und schlatterte. Er war so frech.

Insgeheim, meine ich, ist der Hase der Meister von allem gewesen. Er wusste Bescheid. Zunächst kam das als Ahnung zu mir, verschlafen, wie ich war. Es fuhr in einem schweren Block aus Fragen auf mich zu, durch mich hindurch oder um mich herum, da fing die Ungewissheit schon an, mit Bestimmtheit ließ sich allein das nicht mehr sagen.

War da ein Ruck im Moment, fragte ich, juckt mich was? Ist das mein Nasenbein? Und wohin blicke ich dann? In welche Zeit? Welches Jahrhundert, und was ist hinter mir? Wieso spannt das über den Wangen? Wovon bin ich wund? Was ist das Feste um meine Brust, etwas Schildartiges, Hartes? Soll ich das schützen? Bin ich ein Korb? Bastartig, verflochten, aus Flachs oder Rattan? Und hält das? Wie lange?

Das saß. Das hallte nach, und so hielt ich da inne. Ich schielte. Wohin der Block mich trieb, wohin die Fragen mich versiebten, hindrängten und zerstoben, war mir nicht klar. Dass ich mich langsam durch sie zerdehnte, inwärts schon faserte, sah ich wohl ein. Aber es war schier nicht zu richten, alles Baldowern und Strampeln schien schlicht zu nichts nütz, und schon fuhren sie fort, im Pulk. Das Tempo war garstig.

Was hab ich in der Hand, fragte ich inwendig getrieben zwangsweise weiter, wie fest? Ist das dicht? Und zerrinnt mir das unten, wie fang ich es auf? Über die Kuhle in meiner Brustmitte, mein Brustbein, Schlüsselbein, die Erhebung der Knochen, die zwei Kerben an meiner Leiste – was habe ich unterhalb der Leiste, zeigen die Kerben dahin? Wäre das indiskret? Ist ein Arzt in der Nähe? Ist das Bluesmusik da? Ist die nass? Mit Trompeten? Von wo? Bin ich ein Zwischenwesen? Gibt es mehrere von mir? Mit Blusen? Hat da einer gelacht?

Das waren die Fragen. Wir fuhren in einem Wagen, so viel war klar. Ich bin mit dem Hasen auf der Rückbank in einem traktorähnlichen Leihwagen durch eine Gegend gefahren, die Hollywood war oder eine andere abgewrackte, baracke Traumfabrik, der Hase hat immerzu gepfiffen wie ein Kessel unter Druck, wobei Kessel wie Karosse selbstverständlich zerbeult, und alle schepperten mit ihrem Blech, als wär’s ein Krachwettbewerb, auch die Rohrsysteme draußen pfiffen wie chorisch aus ihren rostigen Verschlussklappen, ich konnte mich kaum fokussieren auf das, was vor der Scheibe vorüberzog und weg war, es war alles im selben Moment verschwunden, in dem es erschienen war, eine vollends unnütze Fahrt ist es gewesen, es war so Schmach.

Immer wieder blickte ich, mich rasend fragend, aus dem fahrenden Wagen zu den hellen Billboards oberhalb der Straße, aber es schien unsinnig, und so wandte ich mich ab. Ich konnte es nicht ertragen, das Helle nicht und nicht das Hohe, schon gar nicht das gehörig nervtötende Getöse der offenbar untereinander kommunizierenden Bleche und Röhren. Ich ließ das am Rückspiegel baumelnde Wagennavigationsradio ballern, bis es aufbrach und franste, dann hängte ich es ab.

Der Hase saß immer noch auf der Rückbank und pladderte, er war nicht zu stoppen, er hielt seine Ohren in den Fahrtwind, es flatterte. Ich verstand nicht, was er sprach. Dann hängte ich auch ihn ab. Unbemerkt war ich in den Beiwagen unseres Gefährts gelangt, hatte entkoppelt und flog jetzt davon. Bald war der Hase ganz klein hinter mir. Dort vorn und so weit im Vorsprung war ich weitgehend allein mit den Fragen.

Bin ich in die Knie geraten, kam es mir, wie? Wann war ich in den Wind verzogen? Damals schon? Unbekannt? Ach. Und so fort. Unkonzentriert war ich, fahrig und span, spannenlang durch den Fahrtwind und flach wie ein Flusskiesel, äußerlich abgewetzt, innerlich dreckig, innendrin rundum besudelt. Das kommt vom Rasen, dachte ich noch im Stopp, das kommt davon.

Der Abstand zum hinter mir fahrenden Hasen war inzwischen unübersichtlich genug, also machte ich Halt. Stante pede öffnete ich alle Luken des Wagens, und herausgetobt kam eine Welt. Sie vibrierte. Sie blieb eine Weile, dann stob sie wieder fort.

Platt genug dachte ich, das war’s, aber da kam der Schwall. Eine ganze Lawine rundlicher Gebilde flog pflugförmig durch die Kulisse, viele davon glasartig und schillernd, manche scharf wie Geschosse, einige weicher, von Plüsch oder Wolle, da waren Jojos und Pompons, solche mit Schweif und ohne, motorisierte, analoge, drei Flummis, zwei Propeller, ein Ei und zig Kreisel, die meisten flogen solo, andere zusammen, einzelne hatten mobilemäßig ganze Familien von Kugeln im Schlepptau, also in kürzester Zeit ergoss sich ein unermessliches Bällebad ungehalten rings auf den Feldweg, um mich herum und über den Wagen.

Dann war es vorbei. Der Blechschaden war beträchtlich, aber auch völlig egal. Selbst der Fliehwagen schnaubte erschöpfte Wölkchen. Alles dampfte. Ich stemmte die Arme in die Hüften und stand da, wie man vor ramponierten Wagen auf Feldwegen steht. Ist denn hier ausnahmslos alles in Aufruhr, fragte ich, muss denn das sein? Ausgelaugt versuchte ich nochmal zu schlafen, aber die Steine waren zu hart. Also dachte ich nach. Bald dachte ich an meine Ma:

Dass sie beim Zwiebelschneiden zählt, und wie sie niest. Wie sie niest. Wie klein sie ist, und wie sie riecht. Dass sie permanent für andere Fährten legt, die andere dann meiden. Wie sie sich den Kopf zerbricht, und dass sie wach liegt, nachts, ein Wachtelei, sich Pfade ausdenkt, viel zu weit. Wie sie für alles immerzu Verantwortung spürt, und wie sie Tulpenzwiebeln setzt. Und dass sie nie weint.

So entfernte ich mich auch gedanklich immer weiter von dem Hasen. Dass das vorläufig gewesen ist, habe ich damals nicht gewusst. Es ist der Sommer der Anbahnung gewesen. Bis dahin merkte ich nur, wie alles kreisförmig wurde, dass meine Registratur versagte und wie nass meine Bluse war. So ab vom Schuss. Was tut man da? Ich ahnte es nicht.

In Abwesenheit des Hasen verbrachte ich unzählige lange, namenlose Tage damit, Klötze zu stapeln, bis mir völlig blöd zumute war, aber es wollte kein Haus daraus werden. Alleweil fiel mir das Geraffel mit einem Schlag auf die Füße, ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Was ist es denn gewesen, das ich einstmals mag!, rief ich schwer verheddert. Wieso will es mit diesen Klötzen nicht klappen, gehe ich es falsch herum an? Ich wusste nicht mehr, wie herum richtig herum ging, nicht mehr, wie man schwindelfrei stand. Aus dem Stand also konnte ich es nicht sagen, deshalb fiel ich um. Auch im Liegen war es schwierig, aber immerhin ging es da gerade so. Ich sickerte fort.

Dabei hatte ich zwei Träume, beide flutschend wie Zapfen, allerdings ruppig, wie von Widerhaken besetzt, und selbstverständlich schnell. Dass auch Träume stets Perpetuum-mobile-mäßig unterwegs waren, machte mich selbstredend selbst wieder ganz rasend, aber im Schlaf war da nichts auszurichten, ich konnte nichts dazu, erst recht nichts dafür, schon gar nichts dagegen.

Eins: Nach einem überstürzten Transatlantikflug fand ich mich übernächtigt und porös in einem Laden für avantgardistische Webarbeiten wieder. Das Geschäft brummte, aber sehr leise. Die Textilien und Texturen waren in ausladenden Formationen quer durch eine weitläufige Halle installiert, man durfte nichts berühren, auch nicht mit einem objektabgewandten Teil des Körpers oder im toten Winkel, sonst ginge alles aus dem Lot. Ich stand vor einem relativ undefinierten, besonders exaltierten Teppich. Man befahl mir, ein Geräusch für Hoffnung zu machen. Ich parierte. Ich suchte, leicht geneigt, bis in die hintersten Schachtkammern meines Körpers hinunter, dann wieder hinauf, auch auf den Nebenpfaden (Kapillaren) abseits der Hauptschlagader, musste aber letztlich einsehen, was ich gleich vermutet hatte: Ich war komplett ratlos. So stand ich da. Die anderen warteten, ich war ratlos. Die anderen warteten, ich war ratlos. Die anderen warteten, es kam nichts, ich versuchte den Moment immer noch ein wenig weiter hinauszuzögern, es vor den Umstehenden möglichst zu verbergen, aber es kam nichts. Nichts geschah, alles war leer, ich voller Scham und so müde, die anderen warteten, und so fort.

Zwei: Es war ein mittelstarker Wind auf der Straße. Ich jagte dem Papier hinterher, immer zwei Millimeter zu spät. Immer war ich zwei Millimeter zu spät, immer war das Papier zwei Millimeter weiter als ich, jede Sekunde war der Wind zwei Millimeter schneller als ich, immer waren meine Finger zwei Millimeter zu kurz, immer! Ich drehte am nahebei herumstehenden Rad, das half aber auch nichts, dann war alles weg.

Wie ein Schrapnell schreckte ich zur Schlafoberfläche zurück und war schlagartig rückstandslos wach. Oder das war, was ich dachte. Prompt folgten drei weitere Träume:

Drei: Ich sah meine Freundinnen in einem Flussbett davonfahren. Sie saßen alle miteinander im selben schwimmfähigen Bett und schlugen mit gelben Plastikpaddeln aufs Wasser. Sie lachten und kreischten und rauschten entsetzlich schnell von mir fort. Ich nahm mir ein Faltboot vom Stapel und schoss hinterher, aber es war zu spät. Sie waren verflossen. Ich war eine Hartschale, sah ich, die volllief und leckte. Ständig kippte ich um. Michael Stipe sang strength and courage overrides the privileged and weary eyes of river poet search naïveté. Ich tropfte. Ich musste wirklich dringend schlafen.

Vier: Ich hatte Käse im Rucksack, Soße und Brot.

Fünf: Hoch auf dem Berg, während der Tag verzog, war ich mit meinem Stift, wie ich den Augenblick in einen Strich, und über mir der lila Himmel, ein kleines Flugzeug pflügte leise seine Bahnen, dann kamen die Sterne angewalkt wie eine Million emaillierter Insekten und bildeten silbrige Formationen, dazwischen ich mit meinem Stift, wie ich den Augenblick in einen Strich, Strich, Strich, auf dem Rabenberg, unter dem Rabenhimmel, wieso jetzt Raben, ich habe keine Ahnung, ich hatte keine Ahnung, was ich malte, es war so anders, und immer ging es weiter, ein unbekümmert unsinniges und deepes, dichtes Spinnen, in dessen unmöglich verortbarer Mitte ich, wie ich den Stift am langen Arm in die Luft hieb (hob) und baff bis tapfer verfolgte, was ich tat. Ich hatte ein Fortspinnen, ein Weg- und Davonsinnen, ein Weiter hatte ich erzeugt, ein Weiterlei und Achsofort. Alle vier Winde seufzten. Die bestehenden Konstellationen fielen um und runter, es wurde weich, und ich war ein Hippie auf einem Hügel, ich war ein Maler auf einem Berg, die Welt kollerte rund durchs Universum, zwischen den freundlich ausweichenden Sternen hindurch, und auf ihr ich und der Stift im Begriff, meinen Strich ihrer eiernden Kreisbahn anzugleichen, allein – es gelang nie ganz, und da wusste ich mit einem Mal exakt, woran ich war, sprich, was ich malte: das mit Abstand aufregendste, virtuoseste, emotional aufwühlendste Herz, das die Welt je gesehen hatte. Sie stimmte mir zu. Die Sterne nickten. Und jede Linie trieb mich weiter in die Zeit, und so spann ich von dannen und fühlte mich funny.

Der Traumprompter stoppte. Es machte zack, zack, zack aus exakt drei verschiedenen Ecken, und wieder schrappte ich schnellgliedrig wie ein Schreckgeschoss an die Schlafoberfläche zurück und war unmittelbar ultimativ wach. Wie egal auch alles Geraffel war, von weiter weg betrachtet, in meinem kleinen Kreis auf der Welt mit den Klötzen da. Dann begann es zu hageln. Ich schmierte ab. Ich wischte mir alle Schminke aus dem Gesicht, wies sämtliche Klötzchen möglichst weit von mir, drapierte meine bisherigen Utensilien fein säuberlich zu einem Haufen aus Unrat (Mist) und ging auf Start zurück.

Ich war am Start. Neben mir saß der Hase. Er war jetzt wieder da. Es gab Gras. Wie zwei Schlunde unterschiedlicher Durchmesser und Tiefen fraßen wir im Affenzahn alles maßlos in uns hinein, erst nebeneinanderher, dann kreuz und quer. Wir schmatzten. Mit vollem Mund sprachen wir über die gerade hinter uns liegende Reise. Sie schien aber ganz krumm, wir bekamen kaum etwas davon zusammen, aber auch gar nichts davon auseinander, alle Strangenden und Fährten kragten widerborstig über unseren Köpfen, vollends verbogen. Weit hinten winkten wieder die Schemen am Grasrand. Es schien sich rein gar nichts getan zu haben, seit wir losgefahren waren. Nur die Fragen waren still geworden. Fraglos aßen wir weiter.

Wie dem auch sei, sagte der Hase.

Mittlerweile verspeiste er Mandelkerne aus einem napfartigen Blechtopf, der zwischen seinen Pfoten auf der Erde saß.

Man hat Mandelkerne im Kopf gegen die Angst, sagte er und schob sich Kern um Kern in die Nase (Schnute).

Wenn sich dir etwas nähert, das dir nicht guttut, beginnen sie zu blinken, dozierte er weiter. Das ist auch, weshalb du noch heute manchmal in der Kiste liegst und um deine seit Jahren verstorbene Großmutter weinst. Oder im Schlaf Papierblätter jagst.

Woher weißt du das?

Ich weiß, dass es gut ist.

Woher?

Es kommt vom Mandelkern.

Dass du das weißt oder dass ich weine? Und woher weißt du, was ich träume?

Alles falsche Fragen!, flappte der Hase. Wie aufgebracht er war.

Furchtkonditionierung!, rief er, Temporallappen! Kapierst du? Nervennahrung! Fruchtkonfitüre! Zwetschgengeist! Klar?

Er spuckte ins Töpfchen.

Flapp mich nicht an, sagte ich, halt die Klappe.

Das war barsch. So barsch kannte ich mich gar nicht, aber ich kannte mich wohl auch nicht ganz.

Wenn du nicht in der Lage bist, die fundamentalsten Sachen zu raffen, blaffte der Hase, male ich es dir eben mal auf.

Dann malte er es mir eben mal auf:

╠ Ω ╤ ♣ ╣

○ ○ ○

♫fi ◊

→ ◊

; )

Ich betrachtete das eingehend und dachte sachte vor mich hin. Im Universum war es still. Der Hase knackte weiter leise Kerne. Dann sank ich ab. Der Hase hatte den Haken gelöst, der Arsch. Immer tiefer ging es hinab. Schnurstracks schoss ich am Senkblei abwärts, ewig ganz ohne Ende. Tauchwärts schoben die Gedanken und stromlinienförmig, als Schwarm, eine Horde, bei Tiefenmeter einhundert war mir das letzte bisschen Verstand flöten gegangen, ein Unterwasser-Aufruhr, Oberkante-Abfahrt ist es gewesen, ich dachte nicht mehr, ich sogte, es saugte und zog, ich rief halt, halt, halt!, aber der Hase war viel zu weit oben. Ich dankte ab.