Heart of A Warrior - Amelia Blackwood - E-Book

Heart of A Warrior E-Book

Amelia Blackwood

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Beschreibung

Noa De Wit lebt in einer Welt aus Prostitution, Menschen- und Drogenhandel. Ihr einziges Ziel ist die Flucht in die Freiheit. Als Sean Patrick ihren Weg kreuzt, wird ihr sonst schon schwieriges Leben noch komplizierter, denn sie sieht sich das erste Mal mit Gefühlen konfrontiert, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Captain Sean Patrick und sein Team sind es gewohnt, allein zu kämpfen. Platz für ein Privatleben oder gar Liebe gibt es in dieser militärischen Spezialeinheit selten oder gar nicht. Daher kommt es ihm ungelegen, dass er die Prostituierte Noa weder einfach ihrem Schicksal überlassen kann noch dass er seine Empfindungen ihr gegenüber in den Griff bekommt. Im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind finden sie sich in einer Welt aus Intrigen, dunklen Abgründen und verbotenen Experimenten wieder. Hat ihre Liebe überhaupt eine Chance?

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Heart Of A Warrior

Amelia Blackwood

© 2019 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt© Umschlaggestaltung: Andrea Gunschera

ISBN Taschenbuch: 9783864438271ISBN eBook-mobi: 9783864438288ISBN eBook-epub: 9783864438295

www.sieben-verlag.de

Inhalt

Prolog

Gegenwart

Austausch

Eins plus eins ergibt …

Die Hütte im Wald

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Inzwischen irgendwo in der Innenstadt von Miami …

Zurückgelassen

Viele Meilen weiter südlich …

Verschobene Realität

Zwei Stunden zuvor …

Trojanisches Pferd

Zur selben Zeit auf der Iphthimos …

Das Ende ist noch fern

Neue Mitspieler

Die Schlinge zieht sich zu

Des Jägers Braut

Die Wahrheit

Epilog

Über den Autor

Danksagung

Prolog

Vergangenheit

Pazifik, irgendwo, Anfang 1950

Wie schön das Atoll hätte sein können, wenn hier nicht solche unverzeihbaren Sünden begangen worden wären.

Er saß am Strand, schmeckte die salzhaltige Luft und genoss die Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Viele Jahre hatte er auf Sonnenschein und frische Luft verzichten müssen. Jetzt war es eine bittersüße Erfahrung, in Anbetracht dessen, dass er gleich sterben würde.

Er stellte sich vor, wie es sich anfühlte, durch das Wasser zu gehen und den Sand zwischen den Zehen zu spüren. Entspannt legte er den Kopf zurück und schloss die Augen. Bald, dachte er, bald war seine Qual vorbei.

Endlich kam der Moment, auf den er sehnlichst gewartet und den er doch gefürchtet hatte. Das Rumoren, die Erschütterungen. Dann traf ihn die Druckwelle und warf ihn aus dem Rollstuhl. Die Luft brannte und schälte ihm die Haut vom Fleisch. Seine Lungen verglühten und er war froh. Er wusste, dass all das nur ein Hundertstel einer Sekunde dauerte, doch er genoss diesen kurzen Augenblick. Er war endlich frei … und tot.

Vor fünfundzwanzig Jahren …

Die fünf Jungs im Alter von vier bis acht Jahren spielten zusammen, weil sie es schon immer getan hatten und weil sie so etwas wie Brüder waren. Sie alle waren Waisenkinder, die bei Pflegefamilien in derselben Kleinstadt ein neues Zuhause gefunden hatten.

Ihre leiblichen Eltern waren durch einen Chemieunfall ums Leben gekommen. Vergiftetes Wasser hatte die Gegend verseucht und viele Todesopfer gefordert. So lauteten die Berichte.

Die fünf Jungs teilten das gleiche Schicksal. Ohne Eltern und mit einer ungewisse Zukunft. Was sollte aus ihnen werden? Sie wussten, dass sie etwas Besonderes waren. Anders als andere Kinder.

Doch während ihres Spiels vergaßen sie alles. Sie waren Piraten, Superhelden und Geheimagenten. Sie schworen sich, für immer beste Freunde zu sein. Sie wussten, dass sie gemeinsam stark und unbesiegbar waren.

Dann kamen die fremden Männer. Sie trugen dunkle Anzüge und wirkten wie eine ganze Gruppe James Bonds. Was die Männer zu ihnen und ihren Pflegeeltern sagten, verstanden sie nicht. Doch das war egal, solange sie nur zusammen bleiben konnten.

Vor vier Jahren …

Sean blickte durch die Windschutzscheibe des Lastwagens, auf dessen Beifahrersitz er saß. Er war froh über die Sonnenbrille, denn das Sonnenlicht wurde grell von der Wüstenlandschaft reflektiert. Alles war karg und lebensfeindlich. Die Natur, das Wetter und die Rebellen.

Sie fuhren im Konvoi. Er zusammen mit Danny vorn und die andere Hälfte seines Teams am Ende. Ihr Auftrag war der Schutz von Lebensmittel- und Krankentransporten in Afghanistan. Eigentlich gefiel ihm seine Mission, aber die ständige Gefahr von Angriffen der Taliban hatte ihn geprägt. Ein Kribbeln im Nacken ließ seinen inneren Alarm losgehen, doch es war schon zu spät. Sie waren in einen Hinterhalt geraten. Sean spürte, wie der Laster von etwas getroffen wurde. Die Welt um ihn herum schien sich in ihre Bestandteile aufzulösen. Er fühlte sich zunehmend benommen und Danny rief ihm zu, er solle seinen Hintern bewegen. Denn die Rettungshubschrauber seien da. Dann wurde alles schwarz um ihn herum.

Als er wieder zu sich kam, lag er in einem Lazarett. Er würde Zeit seines Lebens mit den physischen und psychischen Narben leben müssen. Eines Tages trat ein Kerl an sein Krankenbett, der alles andere als vertrauenerweckend wirkte. Das Angebot dieses Typen konnte er nicht ablehnen, denn der Fremde erwartete eine Zusage. Sean wollte eigentlich nichts mehr mit diesem Zirkus zu tun haben, doch ihm wurde keine Wahl gelassen. Der Besucher hatte sich klar ausgedrückt. So erklärte er sich einverstanden, jedoch nicht bedingungslos. Er wollte sein Team bei sich haben. Chris, Alec und Danny sollten mit von der Partie sein. Sein Herz zog sich zusammen, als er daran dachte, dass Ian nicht mehr bei ihnen war. Der Geheimagent-Imitator hatte mit zusammengekniffenem Kiefer eingewilligt. Irgendwie kam ihm der Typ bekannt vor, was natürlich unmöglich war.

Gegenwart

Mitgefangen, mitgehangen …

Sean saß jetzt schon seit Stunden in diesem Hühnerstall von einer Wohnung und beobachtete das Gebäude nebenan. Die alte Kriegsverletzung rebellierte wegen der Regungslosigkeit, zu der er gezwungen war. Instinktiv rieb er über die lange Narbe auf seinem rechten Oberschenkel. Damals hätte er beinahe sein Bein verloren. Noch heute schauderte es ihn bei der Erinnerung. Er hatte oft Albträume deswegen. Ihm war aber auch bewusst, dass es den anderen Mitgliedern des Teams auch so ging. Mehr als einmal hatte er mitbekommen, wie Alec unruhig durch sein Zimmer getigert war, weil ihn die Dämonen der Vergangenheit verfolgten.

Sie lebten seither eine Existenz in den Schatten, am Rande der Gesellschaft. Zwangsläufig waren sie auch einsam. Keine Beziehung außerhalb des Teams, kaum andere soziale Kontakte. Ihm machte das nicht so viel aus, doch Alec hatte deutlich mehr damit zu kämpfen.

Er war aus dem aktiven Dienst an der Front ausgetreten, hatte die US Army Rangers verlassen und war jetzt Teil einer geheimen Spezialeinheit, von der wahrscheinlich nicht mal der Präsident etwas wusste. Sein jetziger Auftrag war klar definiert: Zielobjekt finden, eliminieren und Beweismaterial sichern. In diesem Fall einen Aluminiumkoffer, dessen Inhalt Sean nicht kannte, der scheinbar aber eine gewisse Brisanz besitzen musste. Wahrscheinlich hatte es mit den illegalen Waffenhändlern zu tun, denen er und sein Team seit Monaten auf den Fersen waren. Was der Inhalt auch war, es war ihm egal.

Sean fragte nie nach den Hintergründen eines Auftrags. Zum Ersten weil man ihm sowieso keine Antwort darauf geben würde, und zum Zweiten war es für das eigene Überleben besser, nicht zu viel zu wissen. Hauptsache er bekam seinen Lohn. Manch einer würde ihn einen Söldner schimpfen, doch so verhielt es sich nicht. Er wurde ganz offiziell aus der Staatskasse entlohnt, als Auslands- und Sonderaufwendungen. Dass er nicht lachte.

Er hatte einfach die Schnauze voll von all dem wenn, warum und aber. Er tat seinen Job, riskierte dabei sein Leben und versuchte danach, traumlos zu schlafen. Ohne Erfolg, denn die Erlebnisse der Vergangenheit hatten ihn geprägt und ließen ihn auch im Schlaf nicht los. Ein Gehirn- und Nervenklempner würde es wohl posttraumatisches Stresssyndrom nennen. Er selbst hatte noch keinen Namen dafür gefunden. Er wusste nur, dass er total am Arsch war. Es wurde Zeit, diesen Job an den Nagel zu hängen. Doch bei diesem Verein konnte man nicht einfach kündigen.

Eine Bewegung vor dem Haus, das er beobachtete, erdete ihn wieder. Sean blickte durch das Zielfernrohr seines Gewehrs und schätzte die Lage ein. Zwei Männer stiegen aus einem BMW und betraten selbstsicher das Gebäude. Es handelte sich bei keinem der beiden um seine Zielperson. Einen Augenblick später kamen sie auf die Dachterrasse, die ein Stockwerk unter seinem Versteck lag. Sie setzten sich dort auf die Loungestühle und schienen abzuwarten. So wie Sean. Alle warteten auf den Hauptprotagonisten.

Eine junge Frau betrat die Bildfläche. Sie war nur knapp bekleidet. Ihre blonden, glatten Haare fielen ihr glänzend auf die Schultern. Sie war hübsch anzusehen. Sie trug ein Tablett mit Getränken und musste Grapschereien über sich ergehen lassen, als sie die Drinks auf dem niedrigen Tisch abstellte.

Er hasste Typen, die ihre Griffel nicht bei sich behalten konnten. Andererseits musste eine Frau, die sich in solchen Kreisen bewegte, mit Übergriffen dieser Art rechnen. Im Übrigen fragte er sich zwangsläufig, was ein hübsches Ding wie das, das er gerade durch das Zielfernrohr ansah, hier tat. Entweder war sie ein Junkie, eine Nutte oder einfach nur blöd, und er hasste blöde Tussis.

Ein weiteres Gesicht erschien auf der Bildfläche. Ramirez war endlich aufgetaucht. Seine Zielperson. Sean sah, wie Ramirez ein paar Worte mit der Frau wechselte und er war erstaunt über den tödlichen Blick, den sie Ramirez’ Rücken zusandte, als er sich seinen Besuchern widmete. Nein, sie war nicht blöd und ein Junkie war sie auch nicht. In ihren Augen lag etwas Lauerndes und Intelligentes. Faszinierend.

Inzwischen hatte er sie aus dem Sichtfeld verloren, da sie das Haus betreten hatte. Fokussier dich, Mann. Er konzentrierte sich wieder auf die Dachterrassenszene und kontrollierte seine Atmung. Sean wartete, bis der gesuchte Koffer auf den Tisch gestellt wurde, den er seinem Auftraggeber zu übergeben hatte. Er kannte wie gesagt den Inhalt nicht, doch man hatte ihm nahegelegt, vorsichtig damit umzugehen. Er stellte niemals Fragen, das war sein Prinzip. Das sicherte ihm weitere Aufträge und das weitere Überleben. Denn so wie niemand von ihm und seinem Team wusste, so wusste er nicht, wer ihm im Fall von Unsicherheiten auf die Fersen gehetzt wurde.

Er war sich sicher, dass seinem Team und ihm ein Ablaufdatum auf den Rücken geheftet war. Sein Instinkt sagte ihm, dass dieser Tag nicht mehr weit entfernt war. Die Aufträge wurden immer gefährlicher und fragwürdiger. Sie würden sich um einen Ausweg aus dieser Sache kümmern müssen. Doch das musste bis später warten.

Sean visierte Ramirez an und drückte ruhig den Abzug. Er verfehlte äußerst selten sein Ziel und auch dieses Mal traf er präzise und tödlich. Ramirez sackte in sich zusammen. Seine Geschäftspartner sprangen auf und suchten auf der offenen Dachterrasse Deckung. Idioten! Sie hatten sich zu sicher in ihrer Sache gefühlt und sich deshalb an dieser exponierten Stelle getroffen. Wären sie gescheit gewesen, hätten sie ihre Geschäfte im Haus abgewickelt. Diese Arroganz kam Sean nun zu Gute. Innerhalb von zwei Atemzügen hatte er auch die beiden anderen ausgeschaltet.

Ehe er sich erheben konnte, sah er, wie die blonde Kleine aus dem Gebäude rannte und in den Gassen verschwand. Schlaues Mädchen. Er musste jetzt unbedingt den Koffer sicherstellen und wenn sie ihm dabei in die Quere gekommen wäre, hätte er sie ebenfalls eliminieren müssen, und das wäre ihm nicht leicht gefallen. Er hasste es, wenn Unbeteiligte zu Schaden kamen. Kollateralschäden waren wenn möglich immer zu vermeiden.

Sean versteckte das Gewehr unter dem Gerümpel, der in dieser Absteige überall herumlag. Er würde es holen, wenn er den Koffer in seinem Besitz hatte. Er sprang die Treppe hinunter, überquerte die Straße und schlüpfte ins Innere des Hauses, aus dem die Frau gerade geflohen war.

Von außen machte es nicht allzu viel her. Es war ein Haus wie alle anderen in dieser Gegend. Unscheinbar, angegraute Fassade und vergitterte Fenster. Innen jedoch zeigte es seinen wahren Charakter. Zumindest den des Besitzers. Der Boden und die gewundene Treppe waren aus weißem Marmor. Das Treppengeländer aus kunstvoll geschmiedetem Messing und auch die Klinken der mit Tiffanyglas eingearbeiteten Türen in die angrenzenden Räume waren aus dem goldfarbenen Metall.

Sean rannte durch den Prunk die Treppe hoch und gelangte schließlich auf die Dachterrasse. Er sah sich nicht weiter um. Sondern griff nach dem Koffer. Er eilte zurück ins Erdgeschoss, wo sein Blick auf eine Damenhandtasche fiel. Die Kleine musste sie in der Panik vergessen haben. Er schnappte sich das Ding und sah zu, dass er Land gewann. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Polizei hier aufkreuzte und ihm war klar, dass, wenn diese Tasche hier gefunden wurde, die junge Frau als wichtige Zeugin oder im schlimmsten Fall als Tatverdächtige galt. Beides waren Szenarien, die für Sean inakzeptabel waren.

Er entspannte sich erst, als er den Schutz des Gebäudes erreicht hatte, aus dem er die Schüsse abgegeben hatte. Dort holte er das Gewehr, seine Lady, die größte, treueste und einzige Liebe, die er je gehabt hatte, und verließ das Loch durch den Hintereingang.

Sein Auto hatte er nur eine Seitenstraße weiter abgestellt. Ohne Verzögerung schaffte er es dorthin und legte alles in den Kofferraum. Blieb nur noch eine Sache zu erledigen. Er holte sein Mobiltelefon heraus und rief die verschlüsselte Nummer an, damit man ihm Zeit und Ort der Übergabe bekanntgab.

Als auf der Dachterrasse Schüsse fielen, erstarrte Noa. Verdammte Scheiße! Sowie sie endlich wieder Kontrolle über ihre Motorik erlangt hatte, rannte sie so schnell, wie es ihr möglich war, davon. Sie achtete nicht darauf, wohin sie ihre Füße trugen und sie blieb erst stehen, als ihre Lungen brannten und ihre Beine die Konsistenz von Quallen hatten. Schwer atmend lehnte sie sich gegen eine Hauswand und versuchte, sich zu beruhigen.

Wo war ihre Handtasche? Sie hatte sie im Haus liegen lassen. Hatte ihr Herz vorhin hart gegen die Rippen gedonnert, weil sie gerannt war, so galoppierte es jetzt vor Angst. Wenn ihre Tasche in die falschen Hände geriet, war sie geliefert. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Gangsterfreunde ihres Chefs oder die Polizei ihre Tasche fanden. Der Polizei vertraute sie auch keinen Meter.

„Verfluchter Mist!“ Sie drehte sich um und rannte den gleichen Weg wieder zurück. Sie ignorierte ihre schmerzenden Füße, die in High Heels steckten und bei dieser Belastung heftig rebellierten. Sie bog um die letzte Ecke und kam stolpernd zum Stehen. Vor dem Haus parkten bereits zwei Polizeiautos und bei genauerer Beobachtung der Umgebung glaubte sie auch ein paar Schläger ihres Chefs zu erkennen, die sich unter die Schaulustigen gemischt hatten. Zu spät. Nun stand ihr die Scheiße bis zum Kinn. Wie hatte sie nur so dämlich sein können? Sie war doch sonst nicht derart kopflos? Mit einem unguten Gefühl im Bauch ging sie unauffällig davon und bei der nächsten Haltestelle sprang sie in die Metrorail Richtung Overtown, den Stadtteil, in welchem sie wohnte.

An der Culmer Station stieg sie wieder aus und ging rasch Richtung Henry Reeves Park. Dort in der Nähe hatte sie ihre kleine Wohnung. Da es in diesem Stadtteil alles andere als sicher war und einem jederzeit die Tasche abhandenkommen konnte, hatte sie sich angewöhnt, ihren Wohnungsschlüssel hinter einem losen Backstein zu verstecken. So kam sie im Notfall immer nach Hause. Jetzt war sie auf jeden Fall sehr dankbar für den Tipp, den ihr ein Kollege vom Jugendzentrum, in dem sie nebenbei noch arbeitete, gegeben hatte.

Tagsüber arbeitete sie in diesem Zentrum als Sozialarbeiterin. Unentgeltlich, und da sie von ihren Eltern keine Unterstützung bekam, war sie gezwungen, ihren Lebensunterhalt in einem Stripclub-Schrägstrich-Puff in Downtown zu verdienen. Nicht nur des Geldes wegen. Sie hatte keine andere Wahl, wenn sie noch weiter atmen wollte. Der Bruch mit ihrer Familie war so vorhersehbar gewesen wie Eisbildung bei Minusgraden und sie trauerte auch nicht deswegen. Sie hatte immer schon das Gefühl gehabt, ein Alien in diesem Clan zu sein. Sie war immer anders gewesen.

Sie schloss die Tür hinter sich und zog sich die blonde Perücke vom Kopf. Diese trug sie, wenn sie im „Auftrag“ des Clubs arbeitete. Niemand vom Jugendzentrum durfte sie erkennen und umgekehrt verhielt es sich natürlich genauso.

Sie schlief selten für Geld mit Männern oder auch Frauen. Sie zog sich hauptsächlich für Dollars aus und tanzte im Adamskostüm. Nicht dass es einen großen Unterschied machte. Sie fühlte sich auch so als Hure.

Noa kontrollierte ein weiteres Mal, ob die Tür auch tatsächlich abgeschlossen war und erlaubte sich danach, sich etwas zu entspannen.

Verdammt! Sie hatte so gehofft, endlich aus dieser Hölle fliehen zu können. Wie dumm war sie vor ein paar Jahren gewesen. War mit offenen Augen in die Falle getappt. Naiv wie ein Kleinkind.

Die Bekannte, die sie damals am Miami International Airport hätte abholen sollen, war nicht aufgetaucht. Stattdessen hatte ein gutaussehender Latino in Maßanzug und Sonnenbrille auf sie gewartet. Er hatte etwas Verruchtes an sich gehabt und war deshalb umso anziehender gewesen. Die schulterlangen Haare hatten wie Ebenholz geglänzt und die sonnengebräunte Haut verlieh ihm das Image eines Unterwäschemodels.

„Guten Tag, Frau De Wit. Melanie Roth hat mich geschickt, um Sie abzuholen.“

Noa war geblendet gewesen von seiner Erscheinung und durch seine samtige Stimme wie eingelullt. Sie war deshalb ohne Wenn und Aber mit dem Mann mitgegangen.

„Was ist denn mit Melanie?“, hatte sie in einer der raren klaren Sekunden noch gefragt.

Das Grinsen, das sich auf seinem Gesicht breit gemacht hatte, hatte seltsam angemutet. „Sie ist unabkömmlich. Ich soll dir ausrichten, dass es ihr leid tut.“

Noa war sofort aufgefallen, dass er sie nicht mehr in der Höflichkeitsform angesprochen hatte. Misstrauen und Unsicherheit hatten sich durch ihre Eingeweide gewunden, doch es war bereits zu spät gewesen. Sie saß in der Falle.

„Und wie heißt du?“ Sie hatte beschlossen, dass es besser war, in die Offensive zu gehen.

Wieder trat das überhebliche Lächeln auf sein Gesicht. „Ich werde Inocente Gomez genannt.“

Wie sprach der denn? Und Inocente? Der war alles andere als unschuldig. Aber gerade das war es gewesen, was sie damals angesprochen hatte. Als fast fertig studierte Psychologin wusste sie verdammt gut, warum das so war.

Noch am selben Abend war sie mit Inocente im Bett gelandet. Und ja, er war alles andere als ein Unschuldsknabe gewesen. Er hatte sie alle Ecken des Zimmers sehen lassen. Er war schonungslos gewesen und dennoch hatte Noa noch nie besseren Sex gehabt. Dumm, grenzenlos dumm. Sie hatte bis dahin an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt. War blöd genug gewesen, zu glauben, dass Inocente sie liebte. Sie hätte nicht weiter daneben liegen können.

Nach zwei oder drei Wochen hatte er angefangen, sie herumzukommandieren. Es waren die Tage gewesen, an denen sie bemerkt hatte, dass ihr Pass und ihr Flugticket nach Rio verschwunden waren und sie hatte ihn zur Rede gestellt. Er hatte sich vor ihr aufgebaut und sie würde nie den kalten Ausdruck in seinem Gesicht vergessen. Es war als stünde ein Fremder vor ihr.

„Du, liebe Noa, bist mein Eigentum. Du hast den Platz von Mel eingenommen. Sie hat im Austausch für dich ihre Freiheit bekommen. Was du tagsüber tust, wenn ich dich nicht brauche, ist mir einerlei. Du stehst auf Abruf. Befolgst du meine Befehle nicht, wirst du es bereuen. Gehst du zu den Cops oder zum Konsulat, siehst du kein Tageslicht mehr, verstanden?“

Auch wenn er ihr diese fadenscheinige Erklärung abgegeben hatte, blieb doch ein großes Fragezeichen in der Luft hängen. Irgendwie ging die Geschichte nicht auf. Gomez verschwieg ihr etwas, da war sie sich sicher gewesen.

Was hätte sie anderes tun sollen, als sich zu fügen? Ihre Eltern anrufen wollte sie unter keinen Umständen. Das hatte ihr falscher Stolz nicht zugelassen. Sie musste selbst einen Weg aus dieser Misere finden. Und damit war sie noch immer beschäftigt. Sie wusste, dass ihr Gomez’ Männer wie Schatten folgten, nur um sicher zu sein, dass sie nicht auf falsche Ideen kam.

Sie hatte sich bei einem Jugendzentrum als freiwillige Mitarbeiterin beworben und die Stelle tatsächlich bekommen. Aber wahrscheinlich nur, weil niemand von ihrer nächtlichen Tätigkeit wusste.

Inocente brauchte sie für seinen Stripclub als Tänzerin, Servierkraft und hin und wieder für horizontale Tätigkeiten, welche Gott sei Dank nur auf ausdrücklichen Wunsch eines Kunden vorkamen. Sie durfte das Trinkgeld behalten, alles andere musste sie abliefern, wenn er nicht bereits selbst das Finanzielle abgewickelt hatte. Sie hasste sich dafür, dass sie sich selbst in diese Lage gebracht hatte. Dass sie naiv wie ein Schaf einem gänzlich Fremden vertraut hatte.

Sie hatte gerade das Haus durchsucht, als die Schüsse fielen. Sie wollte etwas finden, das sie gegen Gomez und Ramirez einsetzen konnte, um endlich freizukommen. Jetzt musste sie einen anderen Weg finden. Inzwischen war sie, leider Gottes, erfahren genug, um geduldig zu sein. Ihr Tag würde kommen.

Sie stieß sich von der Tür ab und ging durch die spärlich eingerichtete und in die Jahre gekommene 1,5-Zimmerwohnung zur Kochnische. Ihre Hände zitterten immer noch wie Espenlaub, als sie sich ein Glas Wasser einfüllte. Was war heute nur geschehen? Wer hatte genug Eier gehabt, um einen der größten Drogenbosse und Waffenhändler um die Ecke zu bringen? Und was geschah, wenn die falschen Personen ihre Tasche in die Hände bekamen?

Chris und Danny befanden sich auf dem Balkon des Appartements, das das Team derzeit bewohnte. Sie saßen so nahe beisammen, dass sie sich an den Schultern berührten.

Chris blickte über das Geländer und betrachtete den Verkehr, der sich unter ihnen durch die Straße schlängelte. Danny hielt den Kopf gesenkt und rieb sich nervös die Handflächen.

„Wir können es ihm nicht sagen“, sagte Danny vehement und Chris konnte es ihm nicht wirklich verdenken. Selbst ihm war klar, dass er keine Ahnung hatte, wie er es Sean mitteilen sollte. Er wusste, dass irgendwann die Wahrheit ans Licht kommen würde, doch ihm war bewusst, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war. Aber wann war er das schon? Danny und er trugen dieses Geheimnis jetzt schon so lange mit sich herum, da kam es auf ein paar weitere Wochen, Monate oder noch lieber Jahre nicht mehr an. Bis zu diesem Punkt hatte er sich nie für einen Schlappschwanz gehalten. Ein Novum.

Der Gedanke, Sean reinen Wein einzuschenken, versetzte ihn jedoch in absolute Alarmbereitschaft. Sie waren alle seit einer Ewigkeit unzertrennlich. Eine Familie. Was würde mit dieser Verbindung geschehen, wenn er und Danny aus dem Schatten traten und die Bombe platzen ließen?

„Irgendwann müssen wir es tun, Danny.“ Er sah, wie sein Gegenüber stumm nickte und dabei den Kopf einzog. Danny war schon immer der sanfteste und empfindsamste von ihnen allen gewesen. Vielleicht war es deshalb so weit gekommen.

„Ich weiß“, entgegnete er, „aber ich möchte nicht, dass er enttäuscht von uns ist. Ich habe nicht mal eine Ahnung, wie er überhaupt zu diesem Thema steht.“

Ja, das mit der möglichen Enttäuschung lastete auch schwer auf seinen Schultern. Doch das ließ sich nicht ändern.

„Chris, Danny!“, hörte er Alec vom anderen Ende des Gangs rufen, der ihm damit eine mentale Verschnaufpause verschaffte. War etwas mit Seans Auftrag schiefgelaufen? Wo ihm gerade eine Banalität Kopfzerbrechen bereitet hatte, beschäftigte ihn jetzt Sorge um seinen Captain.

Sean wartete am vereinbarten Treffpunkt auf den Boten seines Auftraggebers. Der Parkplatz eines Einkaufszentrums. Es war nach Ladenschluss und das Gelände war leer. Anonym und verlassen.

In der Innentasche der Jacke vibrierte sein Handy. Ohne die Umgebung aus den Augen zu lassen, holte er das Telefon heraus und nahm den Anruf entgegen.

„Ja.“ Seine Stimme war leise, schon fast tonlos. Er hatte nicht nachgeschaut, wer der Anrufer war, bevor er abgenommen hatte. Es konnte nur sein Boss oder jemand seines Teams sein.

„Bist du bereits am Treffpunkt?“ Alec klang besorgt und schürte damit Seans Alarmbereitschaft.

„Ja, was ist los?“ Sein Blick wanderte über die Dächer der umliegenden Gebäude. Das ungute Gefühl wuchs zu einer Vorahnung an. Das Kribbeln in seinem Nacken machte ihn alert.

„Ein Vöglein hat mir zugezwitschert, dass du nach der Übergabe die Kündigung bekommst.“

Das überraschte Sean nicht im Geringsten. Er hatte schon als der Befehl gekommen war, den Koffer zu sichern, vermutet, dass es seine letzte Mission sein könnte. So viel zum Thema Ablaufdatum. Er wusste langsam zu viel und wurde zur Gefahr. Diese Kündigung, wie Alec es so nett ausgedrückt hatte, war eine Kugel zwischen die Augen. Er würde als Erster fallen, danach seine Mannschaft. Einer nach dem anderen.

Er vermutete, dass es sich bei diesem Vöglein um Callahan handelte. Sicher konnte er sich jedoch nicht sein, da Alec penibel auf die Sicherheit seiner Quellen achtete.

„Danke für die Warnung, Kumpel. Ich werde mich vorsehen.“ Kaum hatte er aufgelegt, sah er auch schon das verdächtige Aufblitzen eines Zielfernrohrs auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes. Anfänger. Wenn die glaubten, dass er wie ein blinder Idiot in diese Falle stolperte, hatten sie sich ganz gewaltig getäuscht.

Er setzte sich ins Auto, drehte den Zündschlüssel und legte den Gang ein. Während er vom Parkplatz herunter fuhr, rief er seinen Auftraggeber an.

„Was ist los?“, meldete sich die heisere Stimme des Mannes, von dem Sean wusste, dass er Malcolm Thorpe genannt wurde. Gesehen hatte er ihn nur einmal, aus der Ferne. Er war ein Zivilist, so viel war klar.

„Ihr haltet euch nicht an die Abmachung. Am Übergabeort wurde ich bereits von einer Gewehrmündung erwartet.“ Er wusste, dass er nicht mehr sagen musste. Thorpe war alles andere als ein Schwachkopf. „Wir werden neu verhandeln müssen.“

„Wie lauten deine Bedingungen, Patrick?“

Bingo! Jetzt wurde er schon beim Nachnamen genannt. „Ihr verfolgt mich nicht. Ich werde mich bei euch melden, wenn ich es für den richtigen Zeitpunkt halte. Sollte mir oder jemandem aus meinem Team etwas zustoßen, werde ich den Koffer inklusive Inhalt vernichten. Verstanden?“

„Verstanden.“ Thorpes knappe Antwort ließ Sean triumphierend grinsen.

Sean fuhr kreuz und quer durch die Stadt, um allfällige Verfolger abzuschütteln. Er vertraute den Säcken keine Sekunde lang. Zwei Mal wechselte er sogar das Auto.

Als er sicher war, dass er nicht beobachtet wurde, lenkte er den Wagen zum Busbahnhof. Bevor er ausstieg, zog er sich ein Baseball-Cap an und schlüpfte aus seiner Jacke. Er wusste, dass überall auf dem Gelände Überwachungskameras hingen. Und genauso war ihm bewusst, dass Thorpe und seine Leute jederzeit alle möglichen Aufnahmen öffentlicher Gebäude und Plätze kontrollieren konnten. Der Job hatte ihn paranoid gemacht.

Sean ließ nur ungern seine Waffen im Auto, doch ihm blieb keine andere Wahl. Ohne seine Jacke konnte er nicht unauffällig eine Halbautomatik oder ein Messer mitnehmen. Wenn er aber seine Jacke, die er schon seit Jahren bei jedem Einsatz trug, anhatte, könnte er sich gleich ein Reklameschild um den Hals hängen. Hier bin ich, holt mich doch!

Er nahm den Koffer vom Rücksitz und ging mit gesenktem Kopf durch die Halle. Er achtete nicht auf die vorbei eilenden Reisenden. Er ließ seine anderen Sinne übernehmen. Seine Sensoren scannten die Umgebung. Es waren weder seine Augen noch seine Ohren. Er hatte es sich nie erklären können, doch immer, wenn Gefahr drohte, begann es in seiner Magengegend und im Nacken zu vibrieren. Als hätte er einen Ameisenbau verschluckt. Seine Instinkte hatten ihn in dieser Hinsicht noch nie im Stich gelassen. Nur ein Mal hatte er zu spät reagiert und das wäre beinahe fatal geworden und hatte einem Mitglied seines Teams das Leben gekostet. Eine Tatsache, die er sich bis heute nicht verzeihen konnte. Ian fehlte ihnen allen tagtäglich.

Bei den Schließfächern ging er auf das nächste freie Fach zu und stellte den Koffer hinein. Er holte eine Münze hervor, schloss das Fach ab und für die nächsten zweiundsiebzig Stunden war der Koffer sicher.

Der Weg zurück zu seinem aktuellen Unterschlupf gestaltete sich ähnlich kompliziert, da er immer peinlich genau darauf achtete, dass niemand herausfand, wo er während seiner Aufträge jeweils untertauchte. Ebenso war seine feste Wohnadresse für alle unbekannt. Er hatte ein Postfach, wo er ein bis zweimal die Woche seine Post abholte und nur ein sicheres Mobiltelefon. Er und sein Team hatten hier in der Stadt ein Safe House, das aber nur im äußersten Notfall benutzt werden sollte.

Als er aus der Dusche des schäbigen Motels gekommen war und sich angezogen hatte, widmete er sich als erstes der Damenhandtasche, die er mitgenommen hatte. Er kippte den Inhalt kurzerhand aufs Bett. Zum Vorschein kamen ein Portemonnaie, ein Schminktäschchen, ein Pfefferspray, eine angebrochene Packung Kaugummi, ein Smartphone und ein Schlüsselbund. Eine magere Ausbeute für die Tasche einer Frau.

Sean griff nach der Geldbörse und nahm deren Innenleben in Augenschein. Er fand fünfundsiebzig US-Dollar plus ein paar Cent und einen ausländischen Führerschein. Sonst war sie leer. Eigenartig. Jeder führte irgendwelchen persönlichen Krimskrams wie Fotos oder Visitenkarten mit sich. Er fand es auch überaus merkwürdig, dass die junge Frau keinerlei Kreditkarten oder eine andere Bankkarte zu besitzen schien. Es war, als existierte sie nicht wirklich.

Er betrachtete den Führerschein genauer. Es handelte sich um ein niederländisches Exemplar. Sean warf einen Blick auf das Foto. Die dunkelhaarige Frau machte ein ernstes Gesicht. Sie hatte schöne, geschwungene Lippen und grüne Augen, die durch die schwarzen Haare besonders leuchteten. Moment mal, war die Frau, die aus dem Haus geflohen war und von der er dachte, dass sie die Besitzerin dieser Tasche war, nicht blond gewesen? Er betrachtete die Aufnahme eingehender. Ja, das war eindeutig dieselbe Frau. Die Farbe der Haare konnte man schließlich ändern.

Sean hatte noch nie verstanden, warum sich so hübsche Dinger mit Verbrechern wie Ramirez einließen. Noa De Wit, wer bist du?

Er durchsuchte den Rest ihrer Habseligkeiten, fand aber keinen Hinweis auf ihre Adresse. Von leichtem Frust erfüllt, packte er alle Gegenstände wieder in die Tasche und rief Alec an. Die schöne Noa musste sich noch ein wenig gedulden. Er hatte momentan andere Dinge am Hals.

„Wie ich höre, atmest du noch.“

Sean war Alecs Sinn für Humor schon lange gewöhnt und die trockene Art seines Freundes hatte Sean schon öfters vor dem Absturz bewahrt. „Ja, alles noch heil und voll funktionsfähig. Wir müssen uns treffen. Ich bin nicht sicher, ob nicht das ganze Team in Gefahr ist.“ Sean hörte, wie Alec ausatmete, bevor er etwas entgegnete.

„Aber weshalb sollte Thorpe und Co. uns aus dem Weg haben wollen?“

Darauf fielen Sean auf Anhieb mehrere Gründe ein. „Das sollten wir nicht am Telefon besprechen. Wo treffen wir uns?“ Er stand auf und zog den großen Seesack mit seinen Sachen unter dem Bett hervor. Er war immer für einen schnellen Aufbruch gerüstet.

„Auf dem Parkplatz beim Bayside. Von da aus schnappen wir uns Dannys Boot und fahren ein bisschen herum. So sollten wir uns ungestört unterhalten können.“

„Gut, dann trommle die anderen Jungs zusammen. Jeder soll einzeln und unauffällig anrücken. Ich komme als letzter. Ich muss noch etwas erledigen.“

„Roger. Dann beginnen wir in einer Stunde mit Danny. Alle fünfzehn Minuten kommt ein anderer von uns an.“

„Pass auf dich auf, Alec. Ach ja, bring bitte dein Zaubermaschinchen mit.“ Nachdem Alec bestätigt und aufgelegt hatte, packte Sean seine sieben Sachen zusammen und verließ das Motel, ohne auch nur die kleinste Spur zu hinterlassen. Er hatte das Zimmer bar bezahlt und unter falschem Namen gebucht. Den Wagen, der vor der Tür stand, hatte er auf der Flucht vor Thorpe geklaut. Ein unauffälliger Infinitiy i30, silberfarben, mit ein paar Beulen und Kratzern dekoriert. Sean warf seinen Seesack auf den Beifahrersitz und seine Lady, die bis zu ihrem nächsten Einsatz in ihrer gepolsterten Tasche schlummerte, fand ihren Platz auf der Rückbank. Ihre kleine Schwester, die Heckler & Koch USP, saß in ihrem Holster unter seiner Schulter. Seine Gedanken kreisten abwechselnd um sein Team, Thorpe und Miss De Wit.

Sean lenkte den Wagen durch den Verkehr in Richtung Flughafen. Dort stellte er das Auto auf einen freien Parkplatz und ging zum Autoverleih. Die freundliche mittfünfziger Dame am Hertz-Schalter nahm ohne Bedenken seinen gefälschten Führerschein, der auf den Namen John Dallas ausgestellt worden war, entgegen.

„Hier finden Sie eine Auswahl unserer zur Verfügung stehenden Fahrzeuge, Mr. Dallas.“ Sie schenkte ihm ein geschäftigfreundliches Lächeln. Er nahm den Prospekt und sah ihn gespielt interessiert an. Es war ihm ehrlich gesagt egal, was für ein Auto er hier bekam. Hauptsache es hatte vier Räder, ein Lenkrad und einen Motor mit mindestens 250 PS. Ach ja, ein voller Tank war auch noch nützlich. Er wählte einen BMW M5. Ein bisschen Spaß musste ja auch drin liegen.

Nachdem er den administrativen Mist mit der Dame hinter sich hatte, eilte er in die Abteilung in der Parkgarage, wo sie ihm das Auto aushändigten. Das dauerte alles viel zu lange. Wenn er während seines aktiven Diensts auch so lahmarschig gearbeitet hätte, wäre er bereits in der ersten Woche seines ersten Afghanistan-Einsatzes hops gegangen.

Als er endlich die Rampe hochfuhr und die Sonne ihn blendete, wagte er es, kurz durchzuatmen. Er fuhr zur Einfahrt des Parkhauses und hielt vor dem Infinitiy an, um seinen Kram umzuladen. Danach verließ er sofort dieses heiße Pflaster. Überall Kameras und Sicherheitsleute. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Thorpe ihn aufspürte.

Er würde sich erst entspannen, wenn er auf dieser gottverdammten Nussschale von Danny war und auf dem offenen Meer herumtuckerte.

Auf dem Parkplatz des Outdoor-Shoppingcenters Bayside schnappte er sich seine Taschen und schlenderte so unauffällig und touristenmäßig, wie es ihm möglich war, an den Shops vorbei. Er ging direkt zum Hard Rock Cafe und setzte sich da an einen freien Tisch in der Nähe des Ausgangs. Er saß mit dem Rücken zur Wand, damit er das ganze Restaurant im Blick hatte. Dann bestellte er sich eine Cola, weil es noch zu früh war.

Er beobachtete die anderen Gäste. Seine Erfahrung sagte ihm, dass 99,9 Prozent der Anwesenden Touristen waren. Er machte die restlichen 0,1 Prozent in dieser Statistik aus. Trotzdem blieb er auf der Hut. Die Leute, denen er ans Bein gepisst hatte, hatten ihre Augen, Ohren und Gewehrmündungen überall.

Er hatte seinen Handyalarm gestellt, damit er seinen Slot nicht verpasste. Als der Wecker leise losträllerte, zuckte Sean innerlich zusammen, weil er in Gedanken wieder bei Miss De Wit gewesen war. Er zählte die Dollars ab, legte alles mit dem Trinkgeld auf den Tisch und verließ das Restaurant, ohne sich noch einmal umzusehen.

Dann lief er ohne Umweg zum Schiffsteg, wo das Boot seines Freundes lag. Niemand war an Deck zu sehen. Sie würden sich erst blicken lassen, wenn sie in sicherer Distanz zum Land waren. Er ging an Bord und stieg ohne Zögern die kurze Treppe hinunter, die ins Unterdeck führte. Die Luft war stickig, aber dafür waren alle seine Kumpels bereits da und hatten es sich bequem gemacht. Die drei Männer standen auf, um Sean zu begrüßen. Sie waren die einzige Familie, die er je gehabt hatte und sie hatten schon viel zu viel zusammen durchgestanden.

„Was denn? Ihr habt ohne mich mit der Party angefangen?“, spottete Sean mit einem Nicken in Richtung der Bierdosen, die auf dem kleinen Tisch standen.

„Sollten wir etwa verdursten, bis du endlich deinen Arsch hierher bewegst?“, warf Alec lachend zurück und klopfte ihm brüderlich auf den Rücken.

„Dann werde ich mein Baby mal anwerfen und uns in die neutrale Zone bringen“, sagte Danny und stieg die Stufen hoch. Kurz darauf hörte Sean das Röcheln der Twin-Diesel-Motoren der SeaRay 48 Sundancer. Sean fand, dass dieser Kahn lächerlich teuer war und viel zu viel Luxus bot. Ledersitze, zwei große Schlafkabinen, eine modern eingerichtete Kombüse, ein Wohn- und ein Essbereich. Alles in hochwertigen Materialien und mit glänzenden Holzoberflächen. Zu viel Schnickschnack. Immerhin hatte diese Nussschale einen derzeitigen Verkehrswert von 450.000 US-Dollar. Nicht zu bezahlen für Typen wie sie vier waren. Danny hatte noch einen Nebenjob bei einer Überwachungsfirma, um den Unterhalt und den Sprit für dieses Unding bezahlen zu können. So sehr Sean schon versucht hatte, Danny zu überreden, das Boot zu verkaufen, sträubte sich dieser jedoch vehement. Er liebte sein Boot über alles.

Sean nahm seine Tasche und ging damit nach oben. Der Fahrtwind fuhr durch seine Haare und die salzhaltige Luft kitzelte ihn in der Nase. Er setzte sich zu Danny und blickte über das Meer.

Danny schwieg und er sagte auch nichts. So war es immer zwischen ihnen gewesen. Sie waren beide keine Männer der vielen und großen Worte. Er sah sich um und genoss den Frieden auf See. Aber die ganze Aussicht half nicht, die Gedanken von Noa De Wit abzulenken. Sie geisterte konstant durch seinen Kopf. Irgendetwas verstörte ihn. Sie passte einfach nicht in das Bild einer Nutte. Ihre intelligenten Augen sprachen eine andere Sprache. Also, was zum Teufel hatte sie in diesen Kreisen verloren? Er konnte sich nicht erklären, was ihn antrieb. Weshalb nahm er diese Tasche nicht und warf sie einfach über Bord? Warum musste er diesem Gespenst nachjagen? Er hatte die Frau gerade mal zehn Sekunden gesehen. Sein Instinkt sagte ihm, dass mit diesem Mädchen etwas los war. Aber was hatte das mit ihm zu tun?

„Was machst du die ganze Zeit?“ Dannys Frage katapultierte ihn wieder in die Realität zurück.

„Was mache ich denn?“ Sean war sich überhaupt nicht bewusst gewesen, dass er überhaupt etwas gemacht hatte.

Danny hob belustigt seine braune Augenbraue. „Du drehst diesen Schlüssel ständig zwischen deinen Fingern hin und her und dabei murmelst du unverständlichen Quatsch vor dich hin.“ Er grinste breit und fuhr dann fort: „Muss ich jetzt Angst haben, dass du mir das ganze Deck vollsabberst, weil du deinen Verstand verloren hast?“

„Sehr witzig, Idiot. Ich bin noch nicht senil. Aber auf diesen Schlüssel müssen wir aufpassen. Er gehört zum Schließfach, in dem der Koffer liegt.“

Die Schicht im Jugendzentrum begann turbulent. Kaum war sie dort angekommen, kam eine Mutter auf sie zu gerannt. Gefolgt von drei Teenager-Mädchen. Noa kannte alle vier Frauen.

„Noa!“, rief ihr die Mutter schon von weitem entgegen.

Ihr fiel sofort auf, dass alle aschfahl im Gesicht waren. Irgendetwas musste passiert sein, weshalb sie die Gruppe in ein freies Zimmer lenkte und die Tür hinter sich schloss. „Was ist los?“

„Amy ist verschwunden“, keuchte eines der Mädchen und Amys Mutter, Dorothy, hielt die Luft an.

Noa hingegen wurde elend. Das war jetzt schon der vierte oder fünfte Fall eines verschwundenen Mädchens innerhalb der letzten drei Monate. Alle waren mehr oder weniger regelmäßig im Jugendzentrum gewesen. Was war da nur los? Sie sollte damit zu den Cops gehen, doch mit ihrem Status als Illegale war das Risiko zu groß und Gomez hätte das Gefühl, sie würde ihn verpfeifen, und das wiederum würde sich ziemlich negativ auf ihre Lebenserwartung auswirken.

„Wann habt ihr sie das letzte Mal gesehen?“

Dorothy knetete nervös ihre Hände. „Vor zwei Tagen. Sie ging los und wollte sich mit einem Mann treffen, der angeblich ein Jobangebot für sie hatte.“

Vor zwei Tagen, und ihre Mutter wurde erst jetzt aktiv? Sie verstand die Lebenseinstellung, die solche Menschen vertraten, nicht. Aber für Vorwürfe war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. „Hat sie gesagt, wo sie sich mit ihm treffen wollte oder einen Namen genannt?“

Dorothy schüttelte betroffen den Kopf. In diesen Kreisen, wo Arbeitslosigkeit an der Tagesordnung war, hatten die Leute so viele Sorgen, dass sie ihre Kinder, meist zwar unbewusst, vernachlässigten. Die Kids waren zu früh auf sich allein gestellt und es kam öfter mal vor, dass sie eine Zeitlang von der Bildfläche verschwanden. Genau aus diesem Grund gab es das Jugendzentrum, um den Jugendlichen eine Basis zu bieten.

„Du musst zur Polizei gehen und eine Vermisstenanzeige machen. Das ist dir doch klar?“

„Wir hatten gehofft, dass sie sich in der Zwischenzeit hier hat blicken lassen. Oder dass sie dir eventuell erzählt hat, dass sie ausreißen möchte oder so was in der Art.“ Nun hatte eine von Amys Freundinnen das Wort ergriffen. Sie war die älteste der Mädchen und nannte sich Cat.

„Nein, ich habe sie schon ein oder zwei Wochen nicht mehr alleine gesprochen. Tut mir leid.“ Das plötzliche Klingeln ihres Handys erschreckte sie. Der Anruf kam völlig ungelegen. Eigentlich kam genau dieser Anrufer immer ungelegen. Es war Gomez. Das verriet ihr der Motorsägen-Klingelton. Sie versuchte, ihn zu ignorieren und konzentrierte sich umso mehr auf Dorothy. „Geh zur Polizei, da bleibt dir keine andere Wahl.“

Die Mutter schüttelte den Kopf. „Die werden mich weder ernst nehmen noch werden sie mir helfen.“

Das verdammte Mobiltelefon plärrte schon wieder los und Noa blieb nichts anderes übrig, als den Anruf entgegenzunehmen. „Entschuldige bitte einen Augenblick, Dorothy.“ Dann nahm sie ab. „Ja.“

„Warum nimmst du nicht gleich ab? Du kennst die Regeln.“

Noa wandte sich ab. „Es ist gerade etwas ungünstig.“

Gomez lachte freudlos ins Telefon. „Ungünstig? Du hast auf Abruf bereitzustehen. So sind die Absprachen. Alles andere kann warten. Merk dir das für die Zukunft. Sonst muss ich unser Arrangement noch einmal überdenken. Verstanden?“

Oh, dieser verdammte Mistkerl. Hurensohn. Tyrann. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, er würde vom Blitz getroffen oder von einem Zug überrollt oder am besten beides gleichzeitig.

„Ja, kapiert“, lenkte sie zerknirscht ein.

„Gut, dann kommen wir zum Geschäftlichen. Ich will dich umgehend in meinem Büro sprechen. Und wenn ich umgehend sage, meine ich das wortwörtlich. Deine Gören im Jugendzentrum gehen mir am Arsch vorbei.“

Dann beendete er das Gespräch ohne Abschied oder weiteren Kommentar. Arschloch! Der Teufel sollte ihn holen. Aber wahrscheinlich hatte selbst der Lord der Unterwelt an einem solchen Grottenmolch kein Interesse.

Noa drehte sich zu Dorothy und den Mädchen um. Sie sammelte sich kurz, bevor sie den Mund aufmachte. „Es tut mir leid, Dorothy, aber ich muss dringend weg. Bitte geh jetzt gleich zur Polizei. Sie werden dir bestimmt helfen.“

Die Mutter nickte wenig überzeugt, doch sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ das Jugendzentrum. Noa krümmte sich fast vor schlechtem Gewissen. Aber was hätte sie anderes machen können? Sie hatte selbst zu viel Mist im Hinterhof, als dass sie bei der Suche nach Amy eine Hilfe hätte sein können.

Draußen schlug ihr die feuchte Spätnachmittagshitze Miamis entgegen. Sie hatte kein Geld für ein Taxi, weshalb sie sich zu Fuß auf den Weg zum Tittenschuppen machte, der Gomez gehörte. Gott sei Dank war es nicht so weit und Noa kannte inzwischen auch sämtliche Abkürzungen und Schleichwege. Diese führten sie zwar meist an die dunklen, zwielichtigen Orte der Stadt, doch Noa hatte jede Angst und Unsicherheit abgelegt. Gomez sei Dank.

Sie war etwa zehn Minuten unterwegs, als das vermaledeite Handy wieder die Motorsäge vom Stapel ließ. „Was!“ Sie war gereizt und hätte am liebsten jede und jeden umgebracht.

„Wo bleibst du? Ich warte nicht gern.“

„Hey! Ich muss zu dir laufen. Wenn du zu wenig Geduld hast, um ein paar Minuten zu warten, hättest du mir eben einen verdammten Wagen schicken sollen. Aber so viel bin ich dir dann wohl doch nicht wert. Also, halt mich nicht länger auf. Ich bin in fünf Minuten da.“ Sie drückte ihn weg und stampfte weiter. Sie wusste, dass sie diese Aufmüpfigkeit bereuen würde, aber es hatte sich verdammt gut angefühlt, diesem Wichser mal Paroli zu bieten.

Noa ging auf ihren Flip Flops weiter, bog um die Ecke und überquerte den noch leeren Parkplatz, der zum Club gehörte. Sie betrat das Gebäude durch den Hintereingang und ging direkt hoch in Gomez’ Büro.

Der Club war zweistöckig. In der oberen Etage waren eben jenes Büro und ein weiteres großes Zimmer, das von Geschäftsleuten gemietet wurde, wenn sie diskreteres und exklusiveres Programm wünschten. Und für Gomez gab es in dieser Hinsicht keinerlei Tabu.

Sie klopfte am Büro an und trat ohne Aufforderung ein. Der Faustschlag kam so schnell, dass sie keine Zeit hatte, auch nur mit den Augen zu blinzeln. Die Faust landete mitten in ihrem Gesicht und nahm ihr sowohl die Sicht als auch den Atem. Sie schmeckte Blut und fand sich auf dem Boden wieder.

„Du elende Schlampe. Dir hat wohl niemand Anstand beigebracht.“ Gomez war stinksauer, aber das hatte sie bereits erwartet. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass er sie schlagen könnte. Blaue Flecken und aufgeplatzte Lippen schadeten schließlich dem Geschäft.

Thorpe kochte innerlich. Wenn er den Koffer nicht endlich in die Finger bekam, würde die Welt ihn kennenlernen. Die ganze Aktion war von vorn herein eine traurige Veranstaltung gewesen.

Ramirez sollte in Gomez’ Auftrag den Koffer an zwei ausländische Interessenten verkaufen. Thorpe hatte jedoch über seine eigenen Quellen erfahren, dass Ramirez ihn und Gomez bescheißen wollte. Darum hatte er den besten Scharfschützen organisiert, den er kannte. Sean Patrick. Bei dieser Gelegenheit hatte er den Captain auch gleich ausschalten wollen. Captain Patrick und sein Team waren zur Gefahr für sein Vorhaben geworden.

Er hatte vor Kurzem einen durchbrechenden Erfolg in seinen Forschungen erzielt, weshalb Patrick und die anderen obsolet geworden waren. Schon bald war sein Produkt fertig und würde ihm unendliche Macht in die Hände legen. Er hätte alle Präsidenten und Diktatoren unter seiner Gewalt.

Er strebte nicht die Weltherrschaft an. Das war ihm zu blöd. Er wollte einfach nur Geld, und das am besten haufenweise. Er war bestrebt, seine Produkte erst an den Höchstbietenden zu verkaufen. Später dann kamen alle anderen, die bereit waren, zu zahlen, in den Genuss seiner Erfindung.

Jetzt aber, durch den Verlust des Koffers, war dieser Plan in höchstem Grad gefährdet.

Um etwas Dampf abzulassen und sich ein wenig abzulenken, hatte er es sich in Gomez’ Nachtclub gemütlich gemacht. Er hatte für sich und seine Begleiter mehrere Mädchen reserviert. Unter ihnen befand sich eine ganz spezielle junge Frau. Sie war eine Kandidatin für sein Programm. Eigentlich die vielversprechendste von allen. Doch bevor er sie in die Klinik schickte, wollte er sich erst mit ihr vergnügen und dabei testen, wie viel sie einstecken konnte. Für das, was ihr bevorstand, musste sie widerstandsfähig und hart im Nehmen sein. Die Klinik war nichts für Schwächlinge und Zartbesaitete. Und ein wenig Spaß war ja auch erlaubt.

Sean saß am Bug der Sundancer und sah zum Horizont, wo man deutlich die Lichter an der Küste Floridas erkennen konnte. Er und seine Jungs hatten immer noch nicht über die jüngsten Ereignisse geredet. Er konnte die anderen vom Heck her ausgelassen reden hören und wollte ihnen diesen seltenen heiteren Moment noch nicht nehmen. Er selbst war auch noch gar nicht bereit, das alles in Worte zu fassen.

Sean drehte den Führerschein von Noa De Wit fortwährend in seinen Händen hin und her. Sie ging ihm einfach nicht aus dem Kopf, denn er fühlte genau, dass irgendetwas einfach faul war. Er wurde das Gefühl nicht los, dass mehr hinter dieser Geschichte steckte, als man auf den ersten Blick sah. Es war ein großes Etwas, das sagten ihm seine Eingeweide und verdammt wollte er sein, wenn er dem nicht auf den Grund ging.

Ein Kribbeln in seinem Nacken ließ ihn wissen, dass jemand kam. Er erkannte die Energiesignatur des Ankömmlings. Noch eines dieser speziellen Talente, die er besaß. Tatsächlich setzte sich keine Sekunde später Alec neben ihn. Ein Bier erschien vor seinem Gesicht.

„Was grübelst du vor dich hin?“

Ja, was zermarterte er sich das Gehirn eigentlich wegen dieser fremden Prostituierten?

„Kannst du mir einen Gefallen tun, Alec? Würdest du für mich Nachforschungen über diese Frau machen? Sie ist der Grund, weshalb ich dich gebeten habe, deinen Computer mitzubringen.“

Alec nahm den Führerschein entgegen und sah ihn kurz an. „Was ist mit ihr?“

Sean hatte inzwischen ein paar Schluck Bier genommen. „Sie war ebenfalls bei Ramirez.“

„Sie wird eine von diesen Nutten sein“, warf Alec ein.

„Ja und nein. Irgendetwas stört mich, Alec. Ich kann nur noch nicht sagen, was es ist. Sie hat nicht den Eindruck auf mich gemacht, als wäre sie eine von denen. Und glaub mir, sie war definitiv keine von Ramirez’ Mädchen.“

Alec schwieg einen Moment. Dann stand er auf. „Ich lasse sie mal durch alle Datenbanken laufen. Die offiziellen und inoffiziellen.“

Alec hatte sich bei sämtlichen staatlichen Hauptcomputern eingehackt und hatte nun uneingeschränkten Zugriff auf geheime Daten. Vielleicht waren sie ja danach schlauer.

„Lass uns reingehen. Chris hat sein berüchtigtes Chili gemacht und dann solltest du uns endlich mal darüber informieren, was sich heute abgespielt hat.“

Ja, es hatte keinen Sinn mehr, es vor sich herzuschieben und Kohldampf hatte er auch. Chris’ Chili war jetzt genau das richtige. Es war lecker und so höllisch scharf, es brannte zwei Mal.

Danny und Chris saßen bereits am Tisch und futterten, als hätten sie eine Hungersnot hinter sich. Sean und Alec ließen sich auf die Bank fallen und bedienten sich ebenfalls. Er genoss das Gefühl, wie Chris’ Chili sich durch seine Eingeweide brannte. Es gab ihm Wärme, wo sich Kälte eingenistet hatte.

Nach dem Essen lehnte sich Sean zurück und betrachtete die Bande. Chris mit seinem geschorenen Schädel und den rotbraunen Augen. Alec mit den ultrakurzen schwarzen Haaren und den dunkelblauen Augen. Und zum Schluss Danny mit der schulterlangen braunen Mähne und den blauen Augen. Er hatte schon so manches Frauenherz auf dem Gewissen. Er hielt es nie länger mit ein- und derselben Frau über mehrere Wochen aus. Warum auch immer. Bei diesem Gedanken fiel ihm auf, dass Danny schon über mehrere Monate keine Frau mehr angeschleppt hatte.

Sie waren schon ein Trupp Höllenhunde. Er fühlte sich für sie verantwortlich und musste alles tun, um sie zu schützen. Er war zwar ihr Vorgesetzter, aber dennoch war er in ihrem Alter und sie waren für ihn wie die leiblichen Brüder, die er nie gehabt hatte. Er kannte weder seine Wurzeln, noch seinen richtigen Namen. Sie waren damals als Kinder zu Pflegefamilien gekommen. Man hatte ihnen erzählt, dass ihre Eltern bei einem Chemieunfall ums Leben gekommen waren. Die Ärzte hatten befürchtet, dass sie durch den Kontakt mit dem Gift schon bald an Krebs oder ähnlichem erkranken und sterben würden. Doch nichts von dieser Prophezeiung war eingetreten. Im Gegenteil, durch das verseuchte Wasser und begünstigt durch sein kindliches Wachstum wurden seine Sensoren und die damit verbundene Reizverarbeitung verändert. Ob es nun an diesem Chemieunfall oder an etwas anderem gelegen hatte, war ihm ziemlich egal.

Er fühlte gewisse Dinge besser als alle anderen. So zum Beispiel spürte er nahende Gefahr vor allen und hatte so schon oft Leben retten können. Er hatte seinen inneren Gefahrenradar und die Sensoren, die erkannten, wer sich näherte. Er hatte auch mehr Maximalkraft als andere Männer. Die setzte er jedoch nur in seltenen Notfällen ein, denn es kostete ihn eine Menge Energie, die ihm danach noch einige Tage fehlte. Alec war der kluge Kopf der Gruppe. Das Genie, wenn es um IT und solchen Kram ging und er war Wikipedia auf zwei muskelbepackten Beinen. Sie alle besaßen ihre einzigartigen Begabungen. Alec war hyperintelligent, Chris überaus schnell und stark, so wie Sean und Danny auch. Sie alle waren auch mit einem überdurchschnittlichen Gehör gesegnet.

„Wenn du mich weiterhin so verliebt anglotzt, werde ich noch verlegen!“, rief Chris auf einmal quer über den Tisch.

Sean zuckte zusammen, weil er so rüde aus seinen Gedanken gerissen worden war. „Ja, sorry. Du bist eben ein ganz Süßer“, gab Sean lachend zurück. Doch dann wurde er wieder ernst. „Ich denke, wir sollten uns nun über die Ereignisse des Tages unterhalten.“

Sie nickten alle bestätigend und Danny zauberte wie aus dem Nichts Tequila, vier Gläser und Bier hervor. Dann berichtete Sean von seinem Auftrag, der Flucht und der Schnippe, die er Thorpe geschlagen hatte.

„Wie lange kann der Koffer in diesem Schließfach bleiben?“ Danny hatte mit Stirnrunzeln zugehört.

„Bis übermorgen Mittag. Ich werde ihn aber morgen schon abholen. Ich will kein Risiko eingehen.“ Sean nahm sich ein Tequilaglas und kippte den Inhalt mit Schwung hinunter.

„Wissen wir eigentlich, was in diesem Koffer ist?“ Wieder war Danny derjenige, der die Fakten als erster wissen wollte.

Sean exte den nächsten Tequila und genoss die Wärme, die sich von seiner Kehle bis in seinen Magen ausbreitete. „Nein, ich habe noch nicht hineingeschaut. Aber Thorpe ist der Koffer mindestens vier Morde wert. Ich stelle mir die Frage, warum ich, oder wie ich eher vermute, warum wir plötzlich auf seiner Abschussliste stehen. Alec, hast du vielleicht mehr Informationen? Schließlich hast du mich auf dem Parkplatz gewarnt.“

Alec lehnte sich vor und stützte sich auf seine Unterarme. „Bisher nicht. Callahan hat mir lediglich zugeflüstert, dass du am Übergabeort bereits erwartet wirst.“

Sean wusste, dass Alec ein Netzwerk aus Informanten aufgebaut hatte. Alles Leute, die in Regierung, Militär und Geheimdiensten arbeiteten. Wie er zu diesen Kontakten gekommen war und wer sie waren, wusste Sean nicht. Zum Schutz der Informanten, aber auch zum Schutz des Teams. Er wachte über seine Quellen wie eine Glucke über ihr Gelege. „Kannst du dich vielleicht mal in die Rechner der Geheimdienste und der Regierung hacken und nach Hinweisen suchen?“

Alec nickte, wirkte aber wenig überzeugt. „Klar, aber ich muss warten, bis dein erster Auftrag erledigt ist. Mach dir einfach nicht zu viel Hoffnung. Thorpe ist nur sich selbst verpflichtet.“

Gut, Alec hatte die Suche nach dem Mädchen bereits gestartet. Hoffentlich erfuhr er dadurch etwas mehr über diese Miss De Wit. Verdammt, die Tatsache, dass sie ihm ständig im Kopf herumgeisterte, verwirrte ihn. „Also, dann sind wir uns einig, dass wir uns vorläufig bedeckt halten. Wir beziehen unser geheimes Safe House hier in der Nähe und wir nehmen in nächster Zeit keine Aufträge an, denn sie könnten allesamt eine Falle sein.“

Damit waren alle einverstanden. Alec stand auf und verabschiedete sich. Sean wusste, dass er zu seinem Computer ging. Das Teil lief über Satellit. Sean verstand nicht allzu viel von diesem IT-Mist. Ihm war eine Waffe in der Hand lieber, als in die Tasten zu hauen und stundenlang auf das Ergebnis warten zu müssen. Er stieg hoch und legte sich auf die Matratze auf dem Sonnendeck. Er sah zum inzwischen nächtlichen Himmel und betrachtete das Band der Milchstraße, das sich über das Firmament erstreckte. Dieser Anblick beruhigte ihn und er schloss die Augen, in der Hoffnung auf einen traumlosen Schlaf.

Die Straße vor ihm war steinig und Staub segelte durch die Luft. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie nieder. Die Hitze im Truck war fast unmenschlich und die Luft war stickig. Hinter ihm fuhr der Lastwagen mit den Medikamenten für das Krankenhaus, das sich circa hundertfünfzig Kilometer nordwestlich von Kandahar befand. Sie fuhren im Konvoi. Er bildete mit Danny die Vorhut, hinter ihnen folgten die beiden Lastwagen und Alec und die anderen waren die Rückendeckung.

Das Kribbeln in seinen Nervenenden und Eingeweiden nahm explosiv zu. Noch ehe er seine Männer über Funk vor der drohenden Gefahr warnen konnte, schlugen auch schon zwei oder drei Granaten ein.

Er verlor das Bewusstsein und kam erst wieder zu sich, als Danny ihn aus dem Wagen zerrte. „Sean! Beweg deinen verfluchten Arsch! Wir müssen in Deckung gehen. Die Taliban reißen uns sonst in Stücke …!“

Der Schmerz war grausam und er drohte zu verbluten … die Schüsse zerrissen die Nacht und ließen seine Ohren klingeln … dann sah er, wie Ian in die Knie ging …

„Ich habe etwas gefunden.“

Sean zuckte zusammen und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Ach ja, das Boot und Alec. Afghanistan war weit weg … „Entschuldige, was hast du gesagt?“ Sean spürte, wie ihm der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Es war immer dasselbe. Die ewig gleiche Leier, wenn ihn der Schlaf übermannte.

„Ich habe etwas über die Frau gefunden.“

Noas Schädel brummte und ihr war schwindlig. Dennoch musste sie im Oberzimmer für eine Gruppe Schlipsträger tanzen. Sie hatten mehrere Mädchen bestellt. Drei davon waren gerade dabei, den Kerlen einen zu blasen.

Noa zwang sich ein laszives Lächeln aufs Gesicht und versuchte, sich in sich selbst zu verkriechen. Ihr Gesicht tat weh. Unter einem gefühlten Zentimeter Schminke hatte sie ein riesiges Hämatom. Wahrscheinlich war ihr Jochbein angeknackst.

Gomez war stinksauer gewesen. Er hatte sie zweimal heftig geschlagen. Als erzieherische Maßnahme, wie er gemeint hatte. Danach hatte er sie zum katastrophalen Ausgang von Ramirez’ Geschäftstreffen befragt. Ramirez war für Gomez ein wichtiger Geschäftspartner gewesen, der viele Kontakte hatte. Es wurde sogar gemunkelt, dass Ramirez’ Finger bis ins Weiße Haus gereicht hatten.

Zu Noas Unglück hatte sie Gomez’ Fragen nicht beantworten können, da sie, kaum hatte sie die Schüsse gehört, die Flucht ergriffen hatte. Gomez hatte sie nach der Befragung zum Dienst im Spezialzimmer geschickt. Er wusste ganz genau, wie sie die kranken Spiele, die hier immer abgingen, verabscheute. Anscheinend hatte man sie explizit bestellt und er erfüllte diesen Wunsch natürlich liebend gern.

„Hey, Flittchen“, grölte sie einer dieser sogenannten feinen Herren an. „Komm da runter und sei etwas nett zu mir.“

Sie erschauderte, als sie den Typen mit der Halbglatze und dem Bierbauch genauer anschaute. Sie wusste jetzt schon, was der von ihr wollte. Sie sollte in seinem Schoß tanzen und sich dabei an ihm reiben. Sie zögerte und warf dabei einen unsicheren Blick auf Gomez’ Schläger, der im Schatten an der Tür stand. Er nickte ihr auffordernd zu und es blieb Noa nichts anderes übrig, als sich zu überwinden.

Sie ging mit wiegenden Hüften zu dem Kerl, der sich locker im Sessel zurücklehnte. Die Selbstzufriedenheit drang ihm stinkend aus jeder Pore. Noa musste unwillkürlich an Jabba den Hutten aus Star Wars denken und wurde von Ekel geschüttelt.

Sie war nackt. Alles, was sie trug, waren ihre roten High Heels. Je näher sie kam, desto breiter grinste Jabba. Seine Knopfaugen wanderten an ihrem Körper auf und ab, dabei fasste er sich in den Schritt, was nicht gerade zu Noas Wohlbefinden beitrug.

„Ja, Kätzchen, zeig mir deinen geilen Körper. Ich will alles von dir sehen.“ Während er das sagte, sammelte sich Spucke als weiße Ablagerung in seinen Mundecken. „Oh, dein Arsch ist so scharf, der gehört verboten.“ Er unterstrich seinen Kommentar mit einem schwungvollen Klaps auf ihre Hinterbacke. Sie musste sich zusammenreißen, damit sie dem Saftsack nicht eine schmierte. Hier oben im „Chambre Séparée“ war alles erlaubt: anfassen, benutzen, alle möglichen und unmöglichen Perversitäten. Es war schon vorgekommen, dass Frauen nach dem Dienst in diesem Zimmer ins Krankenhaus gebracht werden mussten.

Noa tanzte zum Takt der Musik, rieb ihren Po und auch ihre Brüste an dem Mistkerl. Sie versuchte dabei, alle Gefühle auszublenden und die Machenschaften um sich herum zu ignorieren. Sie verschloss sich vor den Geräuschen und den Gerüchen in diesen vier Wänden.

Ihr Kunde packte sie roh am Busen und kniff sie brutal in die Brustwarzen. „Ja, du Schlampe. Das gefällt dir so gut wie mir, was?“, keuchte er. Ihr Kopfkino ließ Bilder von Kastrationen mit schmutzigen Messern entstehen.

Noa spürte die harte Erektion in seiner Hose. Sie wollte das Ganze so schnell wie möglich hinter sich bringen und setzte sich auf seinen Schoß, sie gab sich kühn. Sie ließ rhythmisch ihr Becken kreisen und erzeugte dadurch noch mehr Reibung in seinem Schritt. Er ließ den Kopf nach hinten fallen, beobachtete sie jedoch weiterhin mit seinen Schweineaugen.

„Oh ja, Kätzchen. Das war gut. Wie heißt du? Du hast dir gerade einen Stammkunden dazuverdient.“ Auch das noch. Der sollte lieber schauen, dass er sich trocken legte. Noa beschloss, ihn links liegen zu lassen und wollte gerade weggehen, als er sie rüde am Arm packte. „Ich habe dich was gefragt, Hure.“

Sie riss sich los und wollte ihm gerade Schimpf und Schande sagen, als Gomez’ Schläger drohend den Zeigefinger hob. Zeichen genug für Noa, sich zu fügen. Sie hatte an diesem Tag schon genug Schläge einstecken müssen.

„Entschuldige bitte“, sagte sie leise, „ich habe dich nicht gehört. Es ist etwas laut hier.“ Das schien ihn zu besänftigen.

„Ich habe dich nach deinem Namen gefragt, damit ich bei meinem nächsten Besuch wieder deine Dienste in Anspruch nehmen kann.“ Er ließ dabei seine Finger über die Innenseite ihres nackten Oberschenkels nach oben gleiten.

Noa schluckte. „Angelina. Man nennt mich Angelina. Und wer bist du?“ Sie nannte ihm ihren Künstlernamen.

Er lächelte gierig. „Dass du mich nicht kennst, enttäuscht mich ein wenig. Aber wir werden genug Zeit mit einander verbringen, damit ich dir Nachhilfe geben kann. Ich bin Senator Bill Stanton.“ Dann ließ er sie los und sie eilte in Richtung Toilette davon. Ein Senator? Scheinheilige Brut.

Sie wollte sich anziehen, diese juckende blonde Perücke in den Müll schmeißen und gefühlte fünf Stunden duschen. Sie musste das Gefühl dieser ekelhaften Finger loswerden.

„Deine Schicht ist noch nicht zu Ende.“ Na toll. Der hirnlose Gorilla vom Chef machte noch nicht einmal vor dem Damenklo Halt.

„Das weiß ich auch, Klugscheißer. Ich musste mal, das ist ja wohl erlaubt.“

„Klar, aber jetzt ist genug gepisst. Die Herren warten auf deinen Einsatz an der Stange. Und danach will einer dich durchficken. Er hat schon dafür bezahlt.“

Konnte es noch schlimmer werden? Nein.

Als Noa so gegen vier Uhr morgens von ihrer Schicht nach Hause kam, stellte sie sich als erstes unter die Dusche, wo sie heulend zusammenbrach. Sie würde nicht mehr lange durchhalten. Es ging einfach nicht mehr. Würgend übergab sie sich und auch als ihr Magen schon leer war, zog sich ihr Zwerchfell immer noch krampfartig zusammen. Sie konnte nicht mehr.

Thorpe verließ einigermaßen zufrieden Gomez’ Etablissement. Er hatte sich erstens gut amüsiert und zweitens hatte er das Mädchen, welches er für seine Sache rekrutieren wollte, genau beobachtet. Erfreut hatte er feststellen können, dass sie seinen Kriterien entsprach. Sie hatte einen guten Körperbau, wirkte gesund und robust.

Für den nächsten Tag war ein Termin mit Gomez arrangiert, um das Geschäftliche zu regeln. Er wusste, dass er sie für einen guten Preis bei Gomez freikaufen konnte. Derart beflügelt stieg er in seinen Wagen und fuhr zur Klinik. Er musste alles für die neue Stute herrichten und er wollte unbedingt noch einmal nach Nummer 35 sehen. Bald war es so weit.

Austausch

Sean las aufmerksam Alecs Bericht über die hübsche Fremde. Noa De Wit, geboren und aufgewachsen in Amsterdam, vor circa vier Jahren als Touristin in die USA gekommen. Sie hätte nach Rio weiterreisen sollen, wo sie in einem Jugendzentrum ein Praktikum hätte absolvieren sollen. Sie hatte Psychologie studiert und stammte aus einer wohlhabenden Familie.