Heimat-Roman Treueband 2 - Rosi Wallner - E-Book

Heimat-Roman Treueband 2 E-Book

Rosi Wallner

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!


Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.

Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 160: Hanna Waldeggers stille Hoffnung
Bergkristall 241: Gitti - süßes Sorgenkind
Der Bergdoktor 1677: Ein geheimer Ort zum Träumen
Der Bergdoktor 1678: Hast du ein Herz aus Stein, Bauer?
Das Berghotel 97: Drei Schwestern und ihr Plan vom Glück

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 606

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © Michael Wolf/Bastei Lübbe ISBN 978-3-7325-8226-6

Rosi Wallner, Toni Eibner, Andreas Kufsteiner, Verena Kufsteiner

Heimat-Roman Treueband 2 - Sammelband

Inhalt

Rosi WallnerAlpengold - Folge 160Nach einem Sommer voller Glück blieb ihr nur die Sehnsucht. Als die Blasmusik erklingt, springen sie auf, die Burschen und Madln, und strömen lachend dem Tanzboden zu. Dies ist der Moment, auf den auch die hübsche Waldegger-Hanna gewartet hat. Heimlich und von ihrem Vater unbemerkt, folgt sie ihrem Schatz, dem feschen Christian, aus der Gaststube und hinauf auf den einsamen Waldegger-Hof, um allein mit Christian zu sein. Noch einmal will sie ihm gehören und mit ihm glücklich sein, denn morgen schon heißt es Abschied nehmen! Dann kehrt Christian für eine Weile in die Stadt zurück, um erst in einigen Wochen für immer zu ihr zurückzukehren... Aber eine Lüge aus Eifersucht zerstört Hannas Glauben in den geliebten Burschen und zutiefst verletzt schreibt sie ihm einen Abschiedsbrief! Erst Jahre später wird Hanna wieder einem Mann vertrauen - doch die stille Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Christian, die stirbt in ihrem Herzen nie ...Jetzt lesen
Toni EibnerBergkristall - Folge 241Eine neue Welt tut sich Irene Saller auf, seit sie im abgelegenen Rosenau Lehrerin ist: Wälder und Felder, Berge und Almen machen diese Welt aus und natürlich die Menschen, die hier leben, die so eigenwillig und dennoch liebenswert sind. Irene lernt sie schnell kennen, mit all ihren Stärken und Schwächen, und manche lernt sie auch lieben. Besonders einem Mädchen in ihrer Klasse, der kleinen Gitti, fliegt ihr Herz zu, und es schmerzt sie, dass gerade die sich auffallend zurückhaltend, ja, geradezu abweisend verhält. Was hat sie nur? Was quält sie? Trotz der Warnung ihres Vorgesetzten, sich nicht in die Angelegenheiten anderer einzumischen, lassen diese Fragen Irene keine Ruhe. Heimlich forscht sie nach und findet schließlich heraus, was Gitti das kleine Herzl so schwer macht ...Jetzt lesen
Andreas KufsteinerDer Bergdoktor - Folge 1677"Ich hab Angst", flüstert Selina in die Dunkelheit. Doch diese Angst erfüllt sie nicht, weil sie ganz allein mitten in der Nacht am Seerosenteich sitzt und es überall im Gebüsch raschelt und knistert. Das Madel hat Angst vor der Diagnose, die Dr. Burger stellen wird! Seit einiger Zeit schon hat Selina Schmerzen in den Gelenken, die einfach nicht verschwinden wollen. Außerdem fühlt sie sich ständig müde und erschöpft, und ihr ist übel. Selina kennt die Symptome, und wenn es stimmt, was sie vermutet, dann wird dies ihr letzter Sommer sein. Dann kann ihr auch der Bergdoktor nicht mehr helfen...Jetzt lesen
Der Bergdoktor - Folge 1678Warum ein Mann seine Frau wie eine Fremde behandelte Für Antje ist jeder Gang ins Dorf ein Spießrutenlauf. "Giftmischerin! Mörderin!", tuscheln die Leute hinter her, denn natürlich hat es sich in Windeseile herumgesprochen, dass ihr Mann an einer vergifteten Kräutersoße, die sie zubereitet hat, fast gestorben wäre. Noch immer liegt Hannes auf der Intensivstation - aber er will sie nicht sehen! Hat er etwa Angst vor einem neuen "Anschlag"? Antje ist am Boden zerstört. Sie liebt ihren Mann doch und kann sich nicht erklären, wie das Gift in die Soße gekommen ist. Doch sie muss unbedingt die Wahrheit herausfinden, bevor Hannes nach Hause zurückkehrt ...Jetzt lesen
Verena KufsteinerDas Berghotel - Folge 097Als bei Paula in New York und bei Maria an der Nordsee das Telefon klingelt und ihre Schwester Tanja sie mit tränenerstickter Stimme bittet, sich mit ihr zu einem Urlaub im Zillertal zu treffen, stimmen die beiden sofort zu. Grund für Tanjas Verzweiflung ist die Trennung von ihrem langjährigen Freund Manuel. Jetzt braucht sie den Trost ihrer beiden Schwestern. Doch während Paula und Maria jede Stunde in dem wunderschönen Ambiente des Berghotels genießen und schon bald von Verehrern umringt sind, bleibt Tanja untröstlich. Da laden die Kastlers die drei Madeln zu ihrem Sommerfest ein, das unter dem verheißungsvollen Motto "Sommernachtstraum" steht. Es wird eine Nacht voller Magie und Überraschungen ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Hanna Waldeggers stille Hoffnung

Vorschau

Hanna Waldeggers stille Hoffnung

Nach einem Sommer voller Glück blieb ihr nur die Sehnsucht

Von Rosi Wallner

Als die Blasmusik erklingt, springen sie auf, die Burschen und Madln, und strömen lachend dem Tanzboden zu. Dies ist der Moment, auf den auch die hübsche Waldegger-Hanna gewartet hat. Heimlich und von ihrem Vater unbemerkt, folgt sie ihrem Schatz, dem feschen Christian, aus der Gaststube und hinauf auf den einsamen Waldegger-Hof, um allein mit Christian zu sein. Noch einmal will sie ihm gehören und mit ihm glücklich sein, denn morgen schon heißt es Abschied nehmen! Dann kehrt Christian für eine Weile in die Stadt zurück – um erst in einigen Wochen für immer zu ihr zurückzukehren …

Aber eine Lüge aus Eifersucht zerstört Hannas Glauben in den geliebten Burschen – und zutiefst verletzt schreibt sie ihm einen Abschiedsbrief! Erst Jahre später wird Hanna wieder einem Mann vertrauen – doch die stille Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Christian, die stirbt in ihrem Herzen nie …

»Was meinst du, wie er ausschaut? Hoffentlich ist er ein stattlicher Bursch, damit uns die Zeit hier oben net so fad wird«, sagte Lissi Hettinger und schlang kichernd die Arme um ihre Cousine Hanna.

»Das kann uns doch gleich sein. Hauptsache, er geht uns ein bisserl zur Hand«, gab Hanna Waldegger zur Antwort.

»Ja, da hast schon recht. Hoffentlich ist er kein eingebildeter Städter, der keinen Finger rührt, weil das unter seiner Würde ist! Oder der sich am End noch bedienen lässt. Aber da lernt er mich kennen, das sag ich dir!« Lissis blaue Augen blitzten kriegerisch, und sie warf den Kopf zurück, dass ihre goldblonden Locken nur so tanzten.

»Vielleicht hat er sogar Angst vor Kühen«, fügte Hanna hinzu.

Die beiden Mädchen brachen in Gelächter aus, als sie sich vorstellten, wie der junge Mann, der den Sommer über bei ihnen auf der Almhütte verbringen sollte, vor Afra, der sanftmütigen Milchkuh, die Flucht ergriff.

»Wie ist dein Vater eigentlich darauf gekommen?«, fragte Lissi, als sie wieder zu Atem gekommen waren.

Hanna, im Gegensatz zu ihrer Cousine dunkelhaarig, seufzte.

»Ach, du weißt doch, er hat als Bürgermeister so viele Spezis bis nach München hoch, von denen er Vorteile hat. Aber manchmal muss er auch mal einem einen Gefallen tun, und so ist das zustande gekommen. Dieser Christian will einen Sommer auf der Alm leben und darüber einen langen Artikel schreiben, um sich damit bei einer Zeitung zu bewerben. Genaueres weiß ich net. Lassen wir uns halt überraschen!«

Lissi biss sich nachdenklich auf die hübsche Unterlippe, sie schien angestrengt über etwas nachzudenken. »Du, Hanna …«

Die Angesprochene sah die Cousine misstrauisch an. Schon als Kind hatte Lissi so ausgesehen, wenn sie sich einen Streich ausgedacht hatte, für den meistens Hanna hatte büßen müssen. »Hast wieder etwas vor?«

Als könnte sie jemand belauschen, beugte Lissi sich herüber und flüsterte Hanna etwas ins Ohr, das die Cousine nach anfänglicher Abwehr schließlich doch erheiterte.

»Das wär doch eine Gaudi. Sei net fad und mach mit!«, forderte Lissi Hanna auf.

Auch Hanna stand inzwischen der Übermut ins Gesicht geschrieben, und ihre hellgrauen Augen funkelten. »Aber wir dürfen es net zu weit treiben«, gab sie zu bedenken.

»Ich weiß schon. Sonst ist er der Onkel Kajetan wieder mal fuchsteufelswild«, sagte Lissi, und in ihrer Stimme schwang Bedauern mit.

Sie mochte ihre Cousine um ihren künftigen Reichtum beneiden, aber sie war froh, dass Kajetan Waldegger nicht ihr Vater war. Waldegger war ein herrschsüchtiger Mann, dessen Zornesausbrüche gefürchtet waren. Keiner wagte, sich ihm zu widersetzen, aber da er auch ungemein tüchtig war, blieb er in seinem Amt als Bürgermeister unangefochten.

Hanna gab darauf keine Antwort, aber ein Schatten flog über ihre schönen, regelmäßigen Züge. »Wir müssen uns auch darauf vorbereiten. Viel Zeit haben wir nimmer; der Bursch kommt schon morgen in der Früh an.«

»Das heißt, wenn er sich net auf dem Weg hierher verirrt und nie wieder auftaucht«, warf Lissi ein.

»Net auszudenken!«

Der Weg zu der abgelegenen Almhütte war tatsächlich voller Tücken, es gab plötzliche Abzweigungen, manchmal war er streckenweise auch zugewachsen, und der letzte Teil bestand aus einem steilen, felsigen Anstieg.

»Wenigstens weiß er dann schon, was ihn erwartet«, meinte Lissi trocken.

Die beiden Mädchen. die vor der Almhütte gesessen hatten, um den Sonnenuntergang zu genießen, standen auf, denn es wartete noch Arbeit auf sie. Im Stall musste noch einmal nach dem Rechten gesehen werden, und Hanna stieg in die kleine Kammer unter dem Dach hinauf, wo der künftige Mitbewohner schlafen würde. Sie bezog das Bett frisch und überzeugte sich, dass alles ordentlich aussah. Es war ein schlichter Raum unter einer Dachschräge mit nur einem kleinen Fenster, aber er wirkte durch die weißen Vorhänge und den bunten Flickenteppich doch sehr anheimelnd.

Dann kehrte sie wieder ins Erdgeschoss zurück, um das Geschirr abzuwaschen und für morgen den Frühstückstisch zu decken.

»Da, schau mal! Ich hab oben in einer Truhe zwei altmodische Dirndlkleider gefunden. Wie wär’s denn damit«, wurde sie von Lissi unterbrochen, die mit zwei langen Kleidern aus dunklem Stoff über dem Arm die Küche betrat. Lissi hielt sich eines der Kleider an und wurde von Hanna kritisch begutachtet. Es handelte sich offensichtlich um eine Art Arbeitsgewand mit langen Ärmeln und hochgeschlossenem Mieder.

»Das sieht ja wie aus dem vorletzten Jahrhundert aus. Schön sind die Kleider schon – auf ihre Art, aber aus einer anderen Zeit«, meinte Hanna.

Die beiden Mädchen wechselten Blicke und kicherten dann. Jede schlüpfte in eines der Kleider, und sie stellten überrascht fest, dass ihnen die Dirndl passten. Bei Hanna war die Taille etwas zu weit, aber das ließ sich durch die Schürze kaschieren.

»Eigenartig. Aber auch irgendwie …«

Lissi fand die richtigen Worte nicht, doch Hanna verstand, was sie sagen wollte. Als wäre eine Erinnerung zurückgekehrt, die Erinnerung an jene Zeiten, als die Sennerinnen hier oben in der Gebirgseinsamkeit hatten ausharren müssen, abgeschnitten von der Welt und ohne die Hilfsmittel, die den Menschen jetzt zur Verfügung standen.

»Zöpfe sollten wir uns noch flechten«, schlug Lissi vor.

»Das können wir morgen noch machen. Jetzt sollten wir zuschauen, dass wir ins Bett kommen«, sagte Hanna.

Sie zogen die Kleider wieder aus und hängten sie an die Luft, damit der leicht modrige Geruch, der ihnen anhaftete, verschwand. Dann gingen sie in ihre Kammer, wo sie sich ein breites Bett teilten, denn Hanna und Lissi standen sich von Kindesbeinen an so nah wie Schwestern.

Während Lissi bald einschlief, lag Hanna noch lange wach. Die Ankunft des unbekannten jungen Mannes beflügelte ihre Fantasie, und sie stellte sich jemanden vor, der ihren jungmädchenhaften Träumen entsprach.

Aber am wichtigsten ist doch, dass er verträglich ist und den Frieden auf der Almhütte nicht stört, ging ihr durch den Sinn, dann sank auch sie in einen tiefen Schlaf.

***

Christian Stettner blieb stehen und schöpfte Atem. Er ließ den Rucksack, in den er viel zu viele Sachen eingepackt hatte, von der Schulter gleiten und setzte sich dann auf eine morsche alte Bank, die neben einem Marterl stand. Obwohl er noch eine längere Wegstrecke zu der Almhütte der Waldeggers vor sich hatte, fühlte er sich bereits völlig erschöpft, denn er hatte die Kraft der Gebirgssonne unterschätzt.

Seine Haut brannte, denn er war leichtsinnig genug gewesen, sein Hemd abzustreifen, weil er so erhitzt war. Er hatte es zwar nach einiger Zeit wieder angezogen, aber er hatte bestimmt einen heftigen Sonnenbrand auf dem Rücken davongetragen. An den Füßen trug er nur Sandalen, gewiss nicht das »derbe Schuhwerk«, zu dem man ihm geraten hatte. An seinen Fersen hatten sich Blasen gebildet, und ihm grauste vor dem Rest des Weges, der sogar noch in einen steilen Anstieg einmünden sollte.

Die beiden Sennerinnen würden ihn für den typischen Städter halten, der sich hochnäsig über alle Ratschläge hinweggesetzt hatte, wenn er in einem derartigen Zustand auf der Almhütte oben ankam.

Überhaupt ein sonderbares Unterfangen, den Sommer mit zwei jungen Frauen auf einer einsamen Hütte zu verbringen, wenn man es recht bedachte. Zudem kannte Christian keine von ihnen, er wusste nur, dass die eine die Tochter des einflussreichen Waldegger, eines alten Spezis seines Onkels, war.

Der Schrei eines Raubvogels, der über dem Tal kreiste, schreckte ihn auf, und zum ersten Mal nahm er seine Umgebung bewusst wahr. Eine wunderbare Aussicht bot sich seinen Augen – die zerklüfteten schiefergrauen Felswände des Gebirgsmassivs, dessen Gipfel mit Schnee bedeckt waren. Das tief eingeschnittene Tal wirkte dagegen freundlich und idyllisch mit seinen Almen und Streuobstwiesen. Um das kleine Dorf, aus dem die Kirche mit dem Zwiebelturm hervorstach, erhoben sich vereinzelte Gehöfte.

Christian, der von Kind an die Hektik und Umtriebigkeit der Großstadt gewohnt war, wurde von der Stille und dem Frieden dieser Landschaft gefangen genommen. Auch ein Gefühl der Befreiung überkam ihn plötzlich, wie er es noch nie zuvor gekannt hatte. Und mit einem Mal verstand er, weshalb die Bergler in Jodler und Juchzer ausbrachen, worüber er sich im Stillen immer lustig gemacht hatte.

Es fiel ihm schwer, sich loszureißen, doch dann nahm er seufzend seinen Rucksack wieder auf.

»Sakra«, murmelte er schmerzerfüllt vor sich hin, als er mit den Zehen an einen Felsbrocken anstieß. Er nahm sich zusammen und schritt verbissen weiter. Der Bergpfad wurde immer steiler, manchmal musste Christian buchstäblich felsige Hänge emporklettern, sodass ihn Schwindel ergriff und er immer wieder keuchend innehielt.

Endlich jedoch erreichte er ein Bergplateau, und die Hütte kam in Sicht. Eigentlich war es mehr ein Berghof mit einem massiven Wohnhaus und Anbauten, in denen sich wohl die Stallungen und die Käserei befanden.

Er verhielt den Schritt und ließ den Blick über die Berghütte schweifen, gleichzeitig versuchte er, sich die Haare zu glätten und die Kleidung zu ordnen, denn er wollte den Sennerinnen nicht unmanierlich entgegentreten. Seine Ankunft war nicht unbemerkt geblieben. Er hörte Geräusche aus dem Haus, und gleich darauf traten zwei Mädchen vor die Tür.

Christian konnte seinen Augen kaum trauen, er fühlte sich, als wäre er in eine andere Zeit zurückversetzt worden. Die beiden jungen Frauen trugen Dirndlkleider, wie man sie wohl im vorletzten Jahrhundert getragen hatte, sittsam hochgeschlossen mit langen Ärmeln und Schultertuch. Während die Dunkelhaarige eine Flechtkrone auf dem Kopf trug, hatte das blonde Mädchen lange kräftige Zöpfe. Sie hielt außerdem eine altertümliche Heugabel oder Ähnliches in der Hand, was ihn irgendwie beunruhigte.

Aber beide waren überwältigend schön, trotz der schlichten Kleidung, und Christians Herz hob sich.

»Gott zum Gruß«, sagten beide im Chor.

Christian stammelte eine Erwiderung, stellte sich vor und setzte seinen Rucksack ab. Alles um ihn herum schien zu verschwimmen, war so unwirklich …

»Ich bin die Hanna«, sagte das beinahe schwarzhaarige Mädchen und reichte ihm die Hand. Die andere tat es ihr gleich und nannte auch ihren Namen.

»Ich bin die Lissi, die Lissi Hettinger«, sagte sie und sah ihm so tief in die Augen, dass ihm wieder schwindlig wurde.

»Hier ein Willkommenstrunk. Selbst gebrannt.« Hanna bot ihm ein Stamperl mit einer dunkelgrünen Flüssigkeit an, die er widerstrebend entgegennahm.

Erst zögerte er, doch die beiden Mädchen lächelten ihn auffordernd an, und Lissi sagte: »Wir nehmen nur, was in der Natur vorkommt.«

Auch Tollkirsche und Bilsenkraut kommen in der Natur vor, dachte Christian, doch dann ermannte er sich und leerte das Glas in einem Zug.

Erschrocken keuchte er auf, er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, und Tränen traten in seine Augen.

»Das ist etwas für richtige Männer«, ließ sich Lissi vernehmen.

Christian hustete, alles in ihm schien zu brennen, und Hanna klopfte ihm auf den Rücken, dass er aufschrie.

»Ja mei! Hast dir einen Sonnenbrand geholt? Lass sehen!«

Ohne Umschweife wurde er von seinem Hemd befreit und in die Stube geführt, wo er auf einen geschnitzten Stuhl niedersank.

»Das schaut ja sauber aus! Da wirst heut Nacht kein Auge zutun. Aber die von der Stadt wissen ja alles besser«, meinte Lissi nicht ohne Genugtuung.

»Was ist das?«, fuhr Christian auf, als Hanna eine Schüssel herbeibrachte, deren Inhalt er nicht sehen konnte.

»Keine Angst, das ist Quark. Er lindert den Schmerz.«

Mit sanften Bewegungen verteilte sie den Quark auf seinem stark geröteten Rücken, was eine Wohltat war. Er saß ganz still, ließ alles mit sich geschehen und genoss die Nähe des Mädchens, das so einen eigenartig erdhaften Geruch ausströmte.

Lissi brachte ihm ein Glas kalte Buttermilch, die er dankbar hinunterstürzte, dann ließen die Mädchen von ihm ab und betrachteten ihn nachdenklich. Trotz seines nicht gerade heldenhaften Auftritts fanden beide, ohne dass sie sich darüber verständigen mussten, dass Christian Stettner ein ausnehmend gut aussehender junger Mann war.

Er war schlank und hochgewachsen und hatte markante Züge. Sein Gesicht wurde von graugrünen Augen beherrscht, die einen eigentümlichen Gegensatz zu seinen schwarzbraunen Locken bildeten, die ihm ungebärdig in die Stirn fielen.

»Sollen wir dir alles zeigen, oder willst dich noch ausruhen?«, fragte Hanna.

»Ich glaub, ich bleib noch eine Weile hier sitzen. Mir ist irgendwie schwindlig«, gestand er widerwillig ein.

»Das ist die Höhenluft, das geht vorüber. Dann bleibst halt besser hier«, befand Hanna und machte sich mit Lissi auf, die Kühe von der Hochalm herunterzuholen.

Christian blieb zurück und haderte mit sich. Die beiden Mädchen mussten ihn für einen Schwächling halten, so wie er sich aufgeführt hatte. Anstatt ihnen behilflich zu sein, ließ er sich verhätscheln wie ein verwöhnter Junge aus der Stadt. Vielleicht war er das ja auch in gewisser Hinsicht, denn mit den Härten des Landlebens war er noch nie in Berührung gekommen. Die Ausflüge mit seinen Eltern auf das Land waren jedenfalls immer sehr angenehm verlaufen und hatten in irgendeinem Landgasthof geendet, wo es herrlichen Kaiserschmarren mit Zimt und Kompott gegeben hatte.

Wie zart und einfühlsam die Hände von Hanna waren, und welche Verlockung in Lissis blauen Augen lag … Christian Stettner war völlig verstört.

Als er sich wieder etwas gefasst hatte, begann er, sich umzusehen. Er befand sich in einem kleinen Gastraum, wo wohl Bergwanderer eine Rast einlegen konnten und mit einem Imbiss versorgt wurden. An einer Seite zog sich eine lange Bank hin, die rustikalen Tische und Stühle waren handgeschnitzt. An den vertäfelten Wänden hingen Geweihe in verschiedenen Größen, eine Wanduhr tickte leise.

Wieder fiel ihm auf, wie ruhig es war, und seine innere Anspannung löste sich. Gleich darauf aber wurde die Stille durch die Rufe der Mädchen unterbrochen, die eine offenbar störrische Kuh in den Stall trieben. Ein Hund bellte böse auf, etwas fiel scheppernd zu Boden, und eine scheltende Stimme erklang.

Plötzlich schoss ein großes, zottiges Ungetüm von einem Hund in den Raum, den Christian keiner bestimmten Rasse zuordnen konnte. Knurrend näherte er sich dem unbekannten Eindringling, der hilflos Befehle ausstieß, die er von Hundebesitzern gehört hatte. Nur dass der Hund völlig unbeeindruckt davon war und sich immer bedrohlicher gebärdete.

»Aber geh, Xaver, mach net so einen Aufstand!«

Die milde Stimme Hannas hatte sofort eine besänftigende Wirkung auf den Hund, und er streckte sich unter einem der Tische aus, von wo aus er Christian wachsam im Auge behalten konnte. Als Christian sich bewegte, knurrte er.

»Der Xaver ist halt ein bisserl eifersüchtig«, lachte Hanna, »aber er tut dir nichts.«

»So, er will nur spielen«, gab Christian spöttisch zur Antwort und warf Xaver einen scheelen Blick zu.

»Tagsüber ist er als Hütehund bei den Kühen auf der Hochalm, aber wenn er abends nach Hause kommt, will er dort keine fremden Männer sehen. Aber er wird sich schon an dich gewöhnen«, fügte Lissi hinzu, die nachgekommen war.

Die Mädchen waren erhitzt und rot im Gesicht, einzelne Haarsträhnen hatten sich aus ihren Flechten gelöst, was ihnen ein etwas verwildertes Aussehen verlieh. Er verspürte sofort ein schlechtes Gewissen, weil er hier nutzlos herumsaß, anstatt sie bei ihrer schweren Arbeit zu unterstützen.

»Morgen helf ich euch aber«, beteuerte er schuldbewusst.

»Du musst dich erst mal an alles hier gewöhnen. Nur nichts überstürzen«, meinte Hanna und ging in die Küche.

Lissi deckte einen Ecktisch und forderte Christian auf, Platz zu nehmen.

»Gibt es Kaffee?«, fragte er.

Lissi lachte. »Nein, Abendbrot, nichts Besonderes.«

»Aber es ist doch noch so früh am Tag«, wandte er nach einem bezeichnenden Blick auf die Uhr ein.

»Wir gehen halt auch früh ins Bett und stehen mit den Hühnern wieder auf. Das weiß doch ein jeder, dass es auf dem Land so ist. Dann werden die Kühe gemolken und wieder auf die Hochalm getrieben.«

»Das wird schon eine Umstellung«, erwiderte Christian, der selten vor zwölf zu Bett ging und gerne ausschlief.

»Magst auch einen Radi?«, fragte Hanna, die mit einem Tablett aus der Küche kam.

»Ja, sicher«, murmelte er.

Das Abendbrot war mehr als schlicht, und ein verwöhnter Städter hätte es noch nicht einmal als ländlichen Genuss bezeichnet. Das Brot war zwar frisch und knusprig, doch Lissi presste den runden Laib gegen ihren Busen und schnitt eine Scheibe ab, die so dick war, dass es Christian den Appetit verdarb. Sie schmierte klumpig Butter darauf und legte einen riesigen weißen Radi daneben. Dazu gab es aus einem bauchigen Glaskrug kühle Milch.

Sonst stand nur noch ein Teller mit Geselchtem auf dem Tisch, furchtbar fett, wie Christian fand, der sehr gesundheitsbewusst lebte. Der Hund erhob sich träge, kam zu ihnen und schob seinen mächtigen Kopf auf die Tischplatte.

Es kam Christian so vor, als blinzelte er ihm tückisch zu.

»Net auf den Tisch, Xaver! Wie oft soll ich dir das noch sagen?«, murmelte Hanna, und Xaver machte es sich zu ihren Füßen bequem.

Sie schnitt ein Stück von dem Geselchten ab und warf es unter dem Tisch Xaver zu, der genüsslich zu schmatzen begann. Obwohl Christian plötzlich heftigen Hunger verspürte, nahm sein Appetit sofort wieder ab.

Messer und Gabel gab es nicht, die Mädchen hielten in der einen Hand das riesige Brotstück, in der anderen den Radi, von dem sie herzhaft abbissen, dass es nur so knirschte. Hin und wieder tranken sie von der Milch, und Lissi hatte einen niedlichen kleinen Bart auf der Oberlippe.

»Magst nichts essen?«, fragte Hanna schließlich.

»Doch, eigentlich nein«, stammelte er.

»Wie jetzt?«

»Ich bin halt gewohnt, später zu essen …«

»Später gibt’s nichts mehr«, wies ihn Lissi schroff zurecht.

Ergeben führte Christian das Butterbrot zum Mund und stellte fest, dass es vorzüglich schmeckte. Der Radi war zu scharf, denn Christian litt noch unter den Nachwirkungen des Willkommenstrunks und beschränkte sich daher auf das Brot und die Milch.

»Gut ist’s«, brachte er zwischendurch hervor, und die beiden Mädchen nickten.

»Einen Schlafplatz für dich haben wir auch. Auf Hütten ist es ja üblich, dass alle beisammen schlafen, besonders wenn es zur Nacht schon kühler wird«, erläuterte Lissi mit harmlosem Lächeln.

»Beisammen?«, wiederholte Christian töricht.

Er stellte sich vor, wie er zwischen Hanna und Lissi lag und sich die Mädchen Wärme suchend an ihn kuschelten. Einfach herrlich …

»Was hast denn, warum bist denn plötzlich so rot im Gesicht?«, fragte Hanna.

»Der Sonnenbrand weitet sich anscheinend aus …«, stammelte Christian.

»Aha. Die Hanna und ich schlafen in einem Bett beisammen, aber du hast deine eigene Kammer. Ganz so streng halten wir uns doch net an alte Sitten und Gebräuche«, sagte Lissi und lächelte ihn an, dass er noch mehr errötete.

Beinahe wäre ihm ein »Schade« über die Lippen gekommen, aber er konnte es gerade noch verhindern.

»Ich zeig dir, wo du schlafen kannst. Nimm deinen Rucksack und pass auf, die Treppe ist ein bisserl eng!«, sagte Hanna.

Sie stiegen die knarrenden Stufen hoch, bis sie unter das Dach kamen, wo Hanna eine versteckte Holztür öffnete. »So, das ist dein Reich.«

Die Kammer war ansprechender, als er zu hoffen gewagt hatte, Das Licht der Abendsonne flutete herein und ließ den Raum heller und geräumiger erscheinen, als er in Wirklichkeit war. Erleichtert atmete Christian auf und sah seinem Aufenthalt in der Bergeinsamkeit mit etwas mehr Gelassenheit entgegen.

»Hier lässt sich’s aushalten«, meinte er und setzte seinen Rucksack ab.

»Also dann, eine gute Nacht. Träum schön!«

Er wollte noch nach dem Bad fragen, aber Hanna hatte sich schon umgewandt und eilte die Treppe hinunter. Christian räumte schnell seine Sachen in den schmalen Schrank und ließ sich dann vorsichtig seitlich auf dem Bett nieder, denn sein Rücken hatte wieder angefangen zu schmerzen.

Plötzlich befiel ihn bleierne Müdigkeit, und er schlief fast sofort ein. Er träumte, dass er ein Mädchen umarmte, das ihn verführerisch anlachte. Es war Lissi, und er küsste sie lange und leidenschaftlich. Doch dann verwandelte sie sich mit einem Mal in Hanna, die ihn ernst ansah und seinen Blicken entschwand, auch als er verlangend die Arme nach ihr ausstreckte.

Lissi und Hanna, die sich immer noch ein wenig im Bett unterhielten, bevor eine von ihnen einschlief, waren heute überraschend wortkarg. Lissi meinte nur kurz, dass Christian richtig »süß« sei, aber Hannas Herz pochte ungestüm, wenn sie an ihn dachte.

***

Als Christian aufwachte, war ihm sofort klar, dass der Morgen schon fortgeschritten war, was ihm ein Blick auf seine Armbanduhr auch bestätigte. Eine Verwünschung entfuhr ihm, denn er hatte früh aufstehen wollen. Die Mädchen würden ihn nun wirklich für einen nutzlosen Städter halten, der morgens nicht aus den Federn fand.

Mit einem Ruck wollte er aus dem Bett springen, doch sein Kopf schmerzte, und ihm wurde schwindlig. Die Höhenluft, natürlich! Und die Haut auf seinem Rücken spannte schmerzhaft.

Vorsichtig verließ Christian in einem zweiten Anlauf das Bett und lauschte in den Flur hinunter. Es war völlig still, das Haus war leer und verlassen. Er begann, auf der Suche nach dem Bad die Räumlichkeiten zu erkunden, und stieß schließlich auf ein Waschbecken, wo er sich gründlich wusch.

Als er sich im Spiegel betrachtete, war er fassungslos. Nase und Stirn waren ebenfalls von der Sonne verbrannt, was ihm, wie er fand, ein lächerliches Aussehen verlieh. Schließlich hielt er auch noch den Kopf unter das Wasser und rieb sich die Haare trocken, in der Hoffnung, mit frisch gewaschenen Haaren den Gesamteindruck zu verbessern.

Sonst war er nie so eitel.

Er trat vor das Haus und bewunderte einmal mehr die Gebirgslandschaft, die von einmaliger Schönheit war. Und darüber spannte sich ein seidenblauer Himmel, an dem pudrig weiße Wölkchen schwammen. Sein Herz weitete sich, und zum ersten Mal empfand er, was das Wort »Heimat« eigentlich bedeutete.

»Da bist du!«

Er schrak zusammen, als er Lissis Stimme hörte, und wandte sich ihr zu. Sie hatte wieder dieses altmodische Dirndlkleid an, aber heute hatte sie die langen Ärmel hochgestreift, und am Hals war ein Knopf geöffnet. Ihre blonden Zöpfe waren in Auflösung begriffen. Auch Hanna, die inzwischen ebenfalls um das Haus herumgekommen war, machte einen etwas mitgenommenen Eindruck.

»Ich wollt euch helfen, aber ich hab verschlafen. Es tut mir leid«, stammelte er und senkte den Blick.

»Das passt schon. Ist dir immer noch schwindlig?«

»Ein wenig, ja«, gab Christian zu.

»Deswegen sollst dich net gleich anstrengen. Und wie geht es deinem Rücken?«

Lissi machte sich an seinem Hemd zu schaffen, und er versuchte, ihr auszuweichen.

»Stell dich net so an! Ich hab drei Brüder.«

Er ergab sich, und die beiden Mädchen betrachteten seinen Rücken.

»Sauber«, meinte Lissi beinahe anerkennend, »da hast noch eine Weile was davon. Die Hanna holt dir eine Salbe.«

»Alles aus der Natur«, sagte Hanna, die mit einem großen Salbentiegel zurückkam.

»Jessas«, murmelte Christian erschrocken, denn er musste unwillkürlich an den grünen Trunk denken, den man ihm aufgenötigt hatte.

Doch Hanna trug eine wunderbar kühlende Salbe auf seinem Rücken auf, mit sanften, streichelnden Bewegungen, sodass er unwillkürlich die Augen schloss. Dann versetzte sie ihm zum Abschluss einen kleinen Klaps, dass er zusammenzuckte.

»Das Schlimmste ist jetzt überstanden«, erklärte sie dann.

»Habt ihr zwei eigentlich ein Bad oder wenigstens eine Dusche?«, wagte Christian endlich zu fragen.

Die beiden Mädchen sahen sich viel sagend an.

»Ein Bad? So etwas brauchen wir hier net.«

Christian sah Lissi, die ihm das recht schroff eröffnet hatte, hilflos an.

»Aber ich tät mich halt wenigstens gern duschen …«

»Wir halten uns an die Natur. Wozu haben wir einen kühlen, frischen Bergsee ganz in der Näh? Da springen wir nackert hinein und fühlen uns hernach wie neugeboren. Etwas Besseres gibt es net.«

»Nackert?«, kam es ungläubig von seinen Lippen.

»Wie die Natur uns erschaffen hat.«

Die beiden Mädchen wandten sich abrupt um, und da er bemüht war, seine Fassung wiederzuerlangen, entging ihm, dass ihre Schultern vor unterdrücktem Lachen bebten.

»Du kannst uns begleiten, denn den Weg findest net allein.«

»Das muss net sein …«

»Jetzt halten wir erst mal Mittag«, sagte Hanna, und er folgte den Mädchen ins Haus, wo es angenehm kühl war.

Es gab heiße Suppe und Brot dazu, beides schmeckte köstlich. Die Mädchen aßen schlürfend, was Christian sehr störte, aber er sah ein, dass sie eben schlicht und ungebildet waren, auch wenn ihre äußere Erscheinung ihn völlig für sie eingenommen hatte. Wider besseres Wissen fragte er neugierig: »Was habt ihr eigentlich so gemacht bisher? Ich mein, beruflich.«

»Beruflich?«, echote Lissi und starrte ihn irritiert an.

»Nun ja, ihr seid ja bestimmt auf irgendeine Schule gegangen und habt danach eine Ausbildung begonnen, oder?«

»Ja, schon, auf die Klippschul im Dorf.«

Klippschul! Dass es so etwas noch gibt!, ging es ihm durch den Kopf. »Und dann?«

Hanna zuckte verständnislos mit den Schultern. »Auf dem Hof ist viel zu tun, und im Sommer sind wir auf der Alm, die Lissi und ich. Wir sind ja Cousinen.«

»Aber ihr müsst doch irgendein Berufsziel haben«, sagte Christian beinahe verzweifelt.

»Berufsziel, wie das klingt! Wir haben ein gutes Leben hier, schau dich doch um in der schönen Natur! Wir brauchen kein Berufsziel«, sagte Hanna und tunkte einen Brotkeil in ihren Suppenteller.

Dem hatte er nichts entgegenzusetzen, und er aß schweigend weiter.

»Und dann suchen wir uns ein stattliches Mannsbild und bekommen ein Dutzend Kinder«, fügte Lissi hinzu.

Christian verschluckte sich, und Lissi schlug ihm so kräftig auf den sonnenverbrannten Rücken, dass er beinahe aufschrie.

»Natürlich«, brachte Christian mit Mühe hervor, nachdem er sich von seinem Hustenfall erholt hatte.

»Und jetzt zeigen wir dir die Käserei«, kündigte Hanna an, nachdem die Mahlzeit beendet war und sie das Geschirr zusammengestellt hatte.

Sie gingen zu den rückwärtigen Anbauten, und vor Christians staunenden Augen tat sich ein weitläufiger Raum auf, wo auf Holzgestellen große goldgelbe Käselaibe der Vollendung entgegenreiften.

»Da steckt sicher viel Arbeit drin«, sagte Christian beeindruckt.

»Da kannst recht haben.« Hanna hielt einen detaillierten Vortrag über den langwierigen Prozess der Käsezubereitung, und für einen Augenblick wunderte er sich darüber, wie fließend sie sprach und wie genau sie sich ausdrücken konnte. »Das wär mal das Erste«, schloss sie.

Dann schritten sie zu dem angrenzenden Garten mit der Obstwiese hinüber, wo die Gemüsebeete von Rabatten gesäumt waren und Büsche, Himbeer- und Brombeerhecken einen natürlichen Zaun bildeten. Die knorrigen alten Apfelbäume auf der Wiese dahinter beugten sich unter der Last rot glänzender Früchte.

»Da ist viel Unkraut zu jäten, die Käserei lässt uns net viel Zeit für den Garten. Die Brombeeren und die Äpfel sind auch bald reif; das kannst alles ernten, Christian. Es geht nichts über einen richtigen Apfelmost«, sagte Hanna.

Er sah schon, dass es mehr Arbeit für ihn gab, als er sich hatte vorstellen können. Doch er hätte es nicht gewagt, Einwände zu erheben, indem er den eigentlichen Zweck seines Aufenthalts auf der Almhütte vorschob.

»Und jetzt nehmen wir ein kleines Bad im See, bevor es wieder an die Arbeit geht. Das wolltest du doch, oder?«

Er nickte stumm und folgte ihnen einen schmalen Pfad entlang, der in den nahen Bergwald führte. Vom hellen Sonnenlicht tauchten sie in eine Schattenwelt ein. Vereinzelte Lichtbalken, die durch das dichte Gehölz fielen, ließen die Moospolster in hellem Grün aufleuchten. Ihre Schritte wurden durch eine dicke Schicht von Kiefernadeln gedämpft, nur das Rascheln und die Laute der Tiere des Waldes durchbrachen die Stille.

Dann tat sich eine Lichtung auf, in deren Mitte wie ein dunkles Auge ein kleiner Bergsee lag. Felsen und knotige Weidenbüsche säumten ihn, doch es gab auch eine Stelle, von der aus man leicht zum Wasser gelangen konnte.

Es war ein verwunschener Ort.

Die Mädchen begannen unverzüglich, ihre Mieder aufzuknöpfen, und Christian entfloh ins Gebüsch, um sich auch seiner Kleider zu entledigen. Seine Wangen brannten, denn er war ein sehr schüchterner junger Mann, auch wenn er es meistens zu überspielen wusste.

Schließlich wagte er es, vorsichtig durch das Gebüsch zu lugen. Hanna und Lissi planschten übermütig im Wasser herum, kicherten und schrien. Und – sie trugen Badeanzüge, wie er erleichtert feststellte.

»Ich hab gedacht, ihr badet nackert?«, rief er ihnen zu.

»Das ist nackert für uns. Was hast du denn gedacht?«, gab Lissi zurück, und die Mädchen brachen in Gelächter aus.

Christian schüttelte den Kopf, aber dann musste er auch lachen und beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er zog hastig seine kurze Hose wieder an, dieses Opfer musste er eben bringen, und stürzte sich ins Wasser.

Für einen Augenblick blieb ihm der Atem weg, so eiskalt war es, und am liebsten wäre er wieder ans Ufer geflüchtet. Doch dann gewöhnte er sich daran und fand es wunderbar erfrischend nach der Sommerhitze. Langsam schwamm er auf die Mädchen zu, und bald darauf entspann sich zwischen ihnen eine übermütige Wasserschlacht.

Nur widerstrebend verließen sie das kühlende Nass wieder und machten sich auf den Rückweg, Christian in triefenden Hosen, worüber niemand ein Wort verlor. Rasch verschwand er nach oben, um sich umzuziehen, denn er sollte den Mädchen mit den großen Milchbottichen in der Käserei behilflich sein.

»Der ist net uneben«, meinte Lissi leise, »jedenfalls nimmt er es net gleich übel, wenn man ihm einen Streich spielt.«

»Ich glaub schon, dass wir mit ihm auskommen. Ich hoff nur, dass er ein bisserl anstellig ist und net zwei linke Händ hat«, sagte Hanna, als sie den Anbau betraten.

Doch Christian bewährte sich. Anfangs stellte er sich ziemlich ungeschickt an, aber dann rührte er kraftvoll in dem Milchbottich und hob weitere Käselaibe auf das Gestell. An den durchdringenden Geruch der Salzlake, mit der die Laibe behandelt wurden, musste er sich allerdings erst gewöhnen.

Nach einer kurzen Unterbrechung begleitete er Lissi auf die abgelegene Hochalm, wo die Kühe tagsüber weideten. Er wunderte sich, wie die Tiere, die ihm so massig und ungelenk vorkamen, es schafften, den steilen, holprigen Pfad, der sich nach oben wand, zu bewältigen. Er stolperte mehrmals, und Lissi, die sich sicher und anmutig wie eine Gams bewegte, sah zu ihm zurück und schürzte spöttisch die vollen Lippen.

Die Tiere standen friedlich wiederkäuend in einer Gruppe zusammen, Afra hatte sich etwas entfernt niedergelassen und schien wenig gewillt, sich zu erheben. Xaver knurrte, als er Christian erspähte, beruhigte sich aber auf einen scharfen Zuruf Lissis wieder.

Von hier aus hatte man fast noch einen besseren Blick über das Tal, die Almen schienen im Hitzedunst zu wogen, und die Abendsonne verlieh den Gletschern der Berggipfel einen roten Strahlenkranz. Ein dünnes Läuten kam vom Dorf unten, das der leichte Wind immer wieder zerriss.

»Schön, jeder Maler …«

»Hilf mir lieber mit der Kuh!«, wurde er von Lissi barsch unterbrochen.

Zögernd trat er zu Afra, die eine unmutige Bewegung mit dem Kopf machte, sodass er erschrocken zur Seite sprang und einen abschätzigen Blick Lissis erntete.

»Die ist harmlos. Zieh sie halt hoch!«

Schließlich gab Afra nach und stand auf ihren vier Füßen. Sie setzte sich an die Spitze der kleinen Herde, die Tiere trotteten bergab und überwanden auch die felsigen Abschnitte, ohne Xavers wütendes Gebell zu beachten.

Wie am Tag zuvor gab es wieder ein frühes Abendessen, Brot und Käse, und Christian verschlang achtlos ein dick belegtes Brot und schüttete ein Glas Milch hinunter. Dann erhob er sich, taumelte leicht und sagte mit krächzender Stimme: »Ich will mir in aller Ruhe Notizen machen.«

»Vergiss net, den Wecker zu stellen!«, sagte Lissi, aber es schien sich kein Vorwurf hinter ihren Worten zu verbergen.

»Was hast eigentlich geträumt in der ersten Nacht, die du hier oben verbracht hast?«, fragte Hanna plötzlich.

Heiß brandete es in Christian empor, und er wandte das Gesicht ab. Nie im Leben würde er das verraten! »Ich kann mich nimmer entsinnen«, sagte er undeutlich.

»Deswegen brauchst aber net rot zu werden.«

Das Kichern der Mädchen verfolgte ihn, als er die steile Treppe hochstolperte und aufatmend die Tür hinter sich schloss. Dann ließ er sich auf das Bett fallen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.

Aber er fühlte sich so gerädert, dass er nicht mehr klar denken konnte. Seine Beinmuskeln schmerzten, sein Rücken brannte, und er schien sich an den schweren Bottichen verhoben zu haben.

Doch das war nicht zu vergleichen mit dem Aufruhr, der in seinem Inneren herrschte. Hanna und Lissi – die beiden, so unterschiedlich sie auch waren, hatten es ihm angetan. Wenn ihn Lissi verführerisch anlächelte, hätte er sie am liebsten an sich gerissen, doch in Hannas Nähe erfüllte ein beglückendes Gefühl sein Herz.

Christian Stettner war verliebt wie noch nie zuvor in seinem Leben – doch in zwei Frauen gleichzeitig.

Schließlich ging er zu Bett und nahm sich vor, einige seiner Eindrücke zu Papier zu bringen. Bald aber verwirrten sich seine Gedanken, der Stift glitt aus seiner Hand, und Christian sank in einen tiefen Schlaf.

***

Langsam gewöhnte sich Christian an das Leben auf der Alm. Das Schwindelgefühl ließ nach, sein Sonnenbrand klang ab, und der veränderte Tagesrhythmus machte ihm nichts mehr aus. Bald war sein Gesicht tief gebräunt, was ihm ausnehmend gut stand, und er stieg nun genauso mühelos zu der Hochalm, um die Kühe zu holen, wie die beiden Mädchen.

Er arbeitete unermüdlich. Für Hanna und Lissi bedeutete es gerade in der Käserei eine große Erleichterung, und er nahm ihnen auch sonst vieles ab. Der Garten war vom Unkraut befreit, die Büsche und Hecken zurückgeschnitten, und bald würde er damit anfangen, das Streuobst einzusammeln.

Sie lebten in Einsamkeit und Stille auf der Berghütte. Hin und wieder kam ein Wanderer vorbei, der nach einem Imbiss verlangte und sich ein wenig Ruhe gönnte. Selten geschah es, dass jemand bei ihnen in den Gästezimmern übernachtete.

Was Christian jedoch immer mehr bedrängte, waren die widersprüchlichen Empfindungen, die er Hanna und Lissi entgegenbrachte. Es schien ihm oft, als führten die beiden in seiner Gegenwart eine Art Rollenspiel auf. Sie sprachen dann einen fast unverständlichen Dialekt, gebrauchten derbe Ausdrücke und waren darauf aus, als unbedarfte Landmädchen dazustehen.

Besonders Lissi tat sich damit immer mehr hervor, und es schien sie zu erheitern, wenn sie einmal wieder eine Wissenslücke offenbarte, die ihn in Erstaunen versetzte. Hanna dagegen hielt sich zurück, auch wenn sie in solchen Situationen ihr Lächeln nicht unterdrücken konnte.

Das war umso eigenartiger, da Christian durch Zufall belauscht hatte, dass die Mädchen sich völlig anders äußerten, wenn er nicht anwesend war. Dann klangen sie wie gut erzogene, gebildete junge Frauen, die ihren Platz im Leben finden würden.

Außerdem gewann er den Eindruck, dass Hanna und Lissi, die sich immer gut vertragen hatten, über etwas uneins waren. Einmal ertappte er sie sogar bei einem hitzigen Wortwechsel, der aber rasch verstummte, als er sich ihnen näherte. Etwas stimmte nicht mit ihnen, und früher oder später würde er dahinterkommen.

Immer noch fühlte er sich zu beiden hingezogen, war oft nahe daran, der verführerischen Lissi zu erliegen, aber dann suchte er wieder die Nähe Hannas. Langsam aber fand er Lissis Gebaren zu aufgesetzt, und ihre derben Anzüglichkeiten setzten ihn nicht nur in Verlegenheit, sondern stießen ihn manchmal sogar ab.

Einmal traf er sie wieder dabei an, wie sie lebhaft über etwas diskutierten. Hanna sprach auf Lissi ein, doch die Vorhaltungen schienen an ihrer Cousine abzuprallen. Sie saßen an einem der Tische vor der Hütte, die für Besucher aufgestellt waren, und Christian setzte sich kurz entschlossen zu ihnen.

»Was geht hier eigentlich vor sich? Ihr beiden Madln habt euch doch nie gestritten, und jetzt plötzlich scheint ihr euch nimmer zu vertragen. Und ich weiß schon längst, dass ihr mir etwas vormacht«, sagte er angriffslustig.

»Wie meinst denn das«, fragte Lissi verstockt.

Hanna sagte nichts dazu, sie senkt den Blick, und Christian hatte den Eindruck, dass sie beschämt war.

»Dass ihr Theater spielt und euch auf meine Kosten lustig macht, das mein ich. Aber auf die Dauer ist das halt nimmer spaßig.«

Lissi stand auf. »Ich glaub, du warst zu lange in der Sonne. Komm, Hanna!«

Die Angesprochene zögerte einen Augenblick, warf Christian einen sonderbaren Blick zu, doch dann folgte sie der Cousine ins Hausinnere.

Christian seufzte und verweilte noch etwas vor der Hütte, denn er bedauerte es jeden Tag aufs Neue, so früh zu Bett gehen zu müssen, da er doch die Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit am schönsten fand. Wenn die Strahlen der Abendsonne das Tal mit einem sanften goldenen Hauch überzogen und helle Dunstschleier wie tanzende Feengestalten über den Wiesen schwebten.

Bist ja ein richtiger Romantiker geworden, verspottete er sich selbst.

Doch die Atmosphäre der Berghütte, die von einer herrlichen Landschaft umgeben war, nahm ihn immer mehr gefangen, und er wehrte sich nicht dagegen. Allerdings musste er sich eingestehen, dass sein Projekt keine Fortschritte machte, er hatte immer noch lediglich ein paar verstreute Notizen vorzuweisen.

Und er würde auch heute Abend nicht weiterkommen, denn plötzlich verspürte er eine bleierne Müdigkeit, und er stand auf, um in seine Kammer hochzusteigen. Hanna und Lissi befanden sich in der Küche, und als er ihnen beim Durchqueren der Gaststube einen Gruß zurief, unterbrachen sie ihre Unterhaltung.

Noch nie hatten sich Hanna und Lissi so erbittert gestritten wie an diesem Abend. Hanna bestand darauf, dass sie Christian reinen Wein einschenkten, doch Lissi war dagegen.

»Ich weiß net, was du hast! Schließlich hast du die ganze Zeit über auch mitgemacht«, sagte Lissi trotzig.

»Aber inzwischen ist er dahintergekommen, und damit ist halt der Punkt erreicht, dass es nimmer so witzig ist. Schließlich hat er uns die ganze Zeit sehr geholfen, obwohl es ihm bestimmt net immer leichtgefallen ist Er hat es net verdient, dass wir …«

»Du willst mir nur den Spaß verderben«, erwiderte Lissi feindselig.

»Das ist kein Spaß mehr.«

Aus Lissis Gesicht war alle Freundlichkeit gewichen, und sie starrte ihre Cousine aus schmalen Augen an.

»Oder gibt’s dafür einen anderen Grund? Willst vor dem Christian in einem besseren Licht dastehen, weil du dich in ihn verliebt hast?«

»Schmarren!«, stieß Hanna hervor, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr tiefe Röte in die Wangen stieg.

»Meinst, er ist dir dann dankbar?«, sagte Lissi boshaft.

»Sei still, Lissi, hörst dich an wie eine Giftnocken. Und ich mag mich auch net mit dir streiten«, gab ihr Hanna mühsam beherrscht zur Antwort.

»Ich mich auch net. Daher lassen wir es einfach so, wie es ist.«

Sie wartete Hannas Antwort erst gar nicht ab, sondern ließ ihre Cousine in der Küche zurück. Hanna räumte flink auf und ging dann ebenfalls zu Bett. Lissi lag von ihr abgewandt und gab vor, schon zu schlafen. Obwohl sie übermüdet war, lag Hanna noch längere Zeit grübelnd wach, doch dann war ihr Entschluss gefasst.

Am übernächsten Tag war Hanna an der Reihe, abends die Kühe von der Hochalm hinunterzutreiben. In einem unbeobachteten Augenblick forderte sie Christian auf, sich vor ihr auf den Weg zu machen. Er war sofort einverstanden und verschwand, denn es war nichts Ungewöhnliches, dass er den Mädchen dabei half. Da die lammsanfte Afra immer träger wurde, war es recht beschwerlich geworden, die kleine Herde auf Trab zu bringen. Selbst Xaver konnte mit seinem wilden Kläffen nicht viel ausrichten.

Als Christian oben anlangte, stellte er fest, dass eine der jüngeren Kühe sich etwas von der Herde abgesondert hatte und sich in gefährlicher Nähe eines Abhangs befand, wo sie genüsslich weidete. Xaver rannte aufgeregt hin und her, und Christian war für einen Augenblick ratlos, was er tun sollte.

Doch Hannas Ankunft erlöste ihn aus dieser Situation. Mit einer Gerte, die sie bei sich trug, versetzte sie der streunenden Kuh ein paar leichte Schläge auf die Flanke, sodass sie wieder zurück zu ihrer Herde trottete.

»Ich hab Angst gehabt, sie weicht vor mir zurück und stürzt hinunter«, versuchte sich Christian zu rechtfertigen.

Dann fasste er Hanna genauer ins Auge. Sie trug einen kurzen Dirndlrock mit einer luftigen weißen Bluse. Ihr in der Mitte gescheiteltes Haar fiel ihr wie ein dunkler Mantel den Rücken hinab, was sie völlig veränderte.

»Ich erkenn dich gar net wieder …«, stammelte er und konnte den Blick kaum von ihr lassen, so schön fand er sie.

Hanna hatte sich auf einem Felsbrocken niedergelassen und bedeutete ihm, neben ihr Platz zu nehmen, was er auch tat.

»Ich muss dir etwas gestehen, das heißt, die Lissi und ich haben dir etwas zu sagen«, begann sie.

»Ich kann’s mir schon denken. Ihr habt euch einen Spaß mit mir erlaubt«, sagte Christian, doch er klang keineswegs beleidigt.

»Ja. Wir haben dir die einfältigen Bauernmadln vorgespielt, die von nichts eine Ahnung haben«, gestand Hanna ein.

»Aber sehr überzeugend habt ihr das getan, Respekt! Ich bin euch lang genug auf den Leim gegangen«, meinte Christian.

»Wir wollten dich net kränken. Doch jetzt ist es genug. Du bist uns so eine große Hilfe gewesen in der letzten Zeit«, fügte sie hinzu.

»Aber ich hab mich so ungeschickt angestellt«, wandte er ein, obwohl ihre Worte ihn mit Stolz erfüllten.

»Nur am Anfang, das war ja schließlich alles neu für dich. Wie kommst eigentlich mit deinem Artikel voran?«

Christian zuckte mit den Schultern. »Net so gut. Aber das ist net das Wichtigste.«

Ihre Blicke verfingen sich, und beide drehten hastig den Kopf weg. Wie immer, wenn er in Hannas Nähe war, durchströmte ihn ein eigenartiges Gefühl, das er nicht beschreiben konnte. Er war davon überzeugt, dass sie darauf bestanden hatte, dass dem Spiel, das die Mädchen mit ihm getrieben hatte, ein Ende gesetzt wurde. Genauso wie er glaubte, dass Lissi die treibende Kraft gewesen war, es in Szene zu setzen.

Von den beiden Mädchen war es Hanna, die Herzenswärme und Mitgefühl besaß, und das zog ihn noch mehr zu ihr hin als ihre Schönheit.

»Die Lissi studiert Betriebswirtschaft, und ich werde auch bald auf eine landwirtschaftliche Fachhochschule gehen«, sagte Hanna kleinlaut.

Christian konnte nicht anders, er lachte aus voller Kehle. »Ihr seid mir noch zwei Herzerln!«

»Bist uns net gram?«

»Nein. Langweilig ist es jedenfalls net mit euch beiden.«

Christian verließ seinen unbequemen Sitz auf dem Felsen, und Hanna tat es ihm gleich, denn es war an der Zeit zurückzukehren. Mit vereinten Kräften brachten sie Afra dazu aufzustehen und kamen glücklich bei der Hütte an.

Lissi sah mit einem Blick, was geschehen war.

»Er weiß also Bescheid«, sagte sie mit flacher Stimme.

Hanna nickte und befürchtete schon einen erneuten Zornesausbruch ihrer Cousine. Doch Lissi meinte nur: »Dann geh ich jetzt die Kühe melken und reiß mir danach das alte Gelump vom Leib.«

Hanna deckte ansprechend den Tisch und bereitete dann in der Küche einen leckeren Kaiserschmarren mit Zucker und Zimt zu. Dazu gab es hausgemachtes Pflaumenkompott, das großzügig darüber verteilt wurde.

Christian seufzte glücklich angesichts dieser Köstlichkeiten, und als Lissi wieder auftauchte, war er noch mehr beeindruckt. Sie trug ein leichtes Sommerkleid in heiteren Farben, das ihre schlanken Beine zur Geltung brachte. Ihre blonden Locken umgaben schmeichelnd das hübsche Gesicht.

»Jetzt sieht man erst richtig, was für saubere Madln ihr seid«, rief er aus.

Und Lissi, die für Komplimente sehr empfänglich war, lächelte geschmeichelt und sah Christian tief in die Augen. Hanna atmete erleichtert auf, denn mit einer übellaunigen Lissi zusammenzuhausen, war wahrhaftig kein Vergnügen.

Dass Christian nicht nachtragend war und auch nicht versuchte, es den beiden Mädchen auf irgendeine Weise heimzuzahlen, dass sie ihn so lange zum Besten gehalten hatten, nahm Hanna noch mehr für ihn ein. Immer mehr glich er nicht nur äußerlich dem Mann, den sie sich in ihren Träumen an ihrer Seite vorstellte.

Nun begann eine unbeschwerte Zeit für die drei jungen Leute. Wann immer die Arbeit Zeit dafür ließ, plauderten sie miteinander, tauschten Meinungen aus und kamen einander freundschaftlich näher. Manchmal gingen sie zu dem einsamen Bergsee, wo sie Kühlung nach der Sommerhitze fanden, und sich träge im Wasser treiben ließen.

Das war ihr geheimer Ort.

Hanna genoss dieses Zusammensein, auch wenn sie sich vor Sehnsucht nach Christian verzehrte. Doch sie war zu scheu und unerfahren, um ihm ihre Gefühle zu zeigen, stattdessen wartete sie auf ein Zeichen von ihm. Auch wenn sie manchmal glaubte, unverhüllte Zuneigung in seinen Augen zu lesen, wurde dieser Eindruck wieder dadurch zerstört, dass er bereitwillig auf Lissis Flirtversuche einging.

Sie ahnte nicht, dass er ähnlich empfand. Seine Zuneigung zu Hanna war inzwischen so stark, dass er sie sogar zu verbergen versuchte, indem er Lissi mehr Aufmerksamkeit schenkte. Denn er hielt Hannas Zurückhaltung für mangelndes Interesse an ihm und hatte Angst vor einer Zurückweisung.

Lissi jedoch missverstand die Situation gründlich. Sie galt als umschwärmte Dorfschönheit und hielt es für selbstverständlich, dass man sie hofierte. Noch nie hatte sich ein junger Mann ihrem Charme entziehen können, wenn sie es auf ihn abgesehen hatte. Und so war sie felsenfest davon überzeugt, dass auch Christian ihr früher oder später erliegen würde. Denn von allen Männern, die sie bisher kennengelernt hatte, gefiel er ihr am besten.

Wenn Christian Hannas Gegenwart suchte und sich angeregt mit ihr unterhielt, glaubte sie, dass er sie damit nur eifersüchtig machen wollte. Keinen Augenblick kam sie auf den Gedanken, dass er sich ernsthaft in ihre Cousine, die sie trotz ihrer Schönheit für verklemmt hielt, verliebt haben könnte.

Einmal, als Lissi erst später zu dem See nachkommen wollte, schwammen Christian und Hanna ruhig nebeneinander her. Durch Zufall trafen sich ihre Hände, und unwillkürlich lächelten sie sich an.

»Hanna«, flüsterte Christian.

Ihre Körper strebten einander zu, doch dann hielten sie inne und schwammen in verschiedene Richtungen davon. Als Lissi schließlich ankam, plätscherte Hanna in einer kleinen Bucht herum, während Christian nachdenklich auf einem der Felsen am Ufer saß. Lissi versetzte Christian einen spielerischen Stoß, dass er wieder im See landete. Darauf entwickelte sich ein heftiges Wassergefecht, an dem sich auch Hanna beteiligte.

Danach kehrten sie erfrischt und lachend zur Berghütte zurück, Christian in der Mitte, rechts und links ein Mädchen eingehängt. Doch Hanna ging nicht aus dem Sinn, wie er ihren Namen geflüstert hatte, so voller Liebe und Verlangen.

Und Christian wünschte sich, er hätte mehr Mut gehabt, als er mit Hanna allein war. Was war es, das ihn immer wieder zögern ließ?

***

So verrann die Zeit auf der Waldegger-Hütte, und die Vorboten des Bergwinters nahten. Die Lärchen inmitten des Nadelgehölzes färbten sich goldgelb, der Bergahorn glühte rot, als stünde er in Flammen. Die Zeit des Viehabtriebs war gekommen, denn schon Anfang Oktober konnte der Winter mit aller Macht hereinbrechen.

Die Mädchen entfalteten eine rege Geschäftigkeit, bei der sie Christian unterstützte. Das Haus musste winterfest gemacht werden, und Christian kletterte auf das Dach, um die Schindeln zu überprüfen. Die Mädchen reinigten das ganze Häuserl, bevor sie es verließen. Die Käserei wurde eingestellt, und die Bottiche wurden ausgewaschen. Die Laibe würden auf einem Wirtschaftsweg ins Tal geschafft werden.

Christian verfolgte diese Vorbereitungen mit bangem Herzen, bedeuteten sie doch, dass er von der Berghütte und damit auch von den beiden Mädchen Abschied nehmen musste. Noch immer nicht war es ihm gelungen, mit Hanna die klärenden Worte zu sprechen. Vergeblich wartete er auf eine Gelegenheit, mit ihr allein zu sein, da die beiden Mädchen jetzt unermüdlich Hand in Hand arbeiteten.

Als das Gröbste bewältigt war, flochten sie aus angedrahteten Gebirgsblumen, Beeren und Fichtenzweigen ein kunstvolles Gesteck, das sich zu einer Krone erhob, mit dem Afra, die »Kranzkuh«, geschmückt werden sollte. Nur wenn die ganze Herde die Zeit auf der Alp unversehrt überstanden hatte, durfte die Leitkuh bekränzt werden

Nach dem Almabtrieb wurde im Dorf gewöhnlich ein großes Fest gefeiert, auf das sich die Mädchen schon sehr freuten.

»Du bleibst doch noch so lange da?«, wollte Lissi wissen. »Das ist eine echte Gaudi, das darfst net verpassen.«

»Auf jeden Fall«, gab Christian zur Antwort, und er sah, dass ein Lächeln über Hannas Gesicht huschte.

»So recht dazupassen tust ja net, denn dann tragen alle Tracht. Aber das macht nichts, es kommen auch etliche Städter dazu, weil sie sich das Schauspiel net entgehen lassen wollen«, plauderte Lissi weiter.

So gab es für ihn also noch einen Aufschub, und er nahm sich vor, ihn zu nutzen. Er hatte allzu viel Zeit verstreichen lassen, und wahrscheinlich hatte ihn auch Lissis Gegenwart gehemmt. Nun musste er endlich seinen ganzen Mut zusammennehmen. Er malte sich gerne aus, wie er sich bald mit Hanna ungestört und unbeobachtet in München treffen würde, dann konnten sie endlich ihre Liebe leben.

Ob sie wohl einen Schatz hat, der im Dorf auf sie wartet?, ging es ihm plötzlich durch den Sinn. Der Gedanke, dass Hanna deshalb so zurückhaltend war, weil sie schon an einen anderen Mann gebunden war, schnürte ihm die Kehle zusammen. Doch dann verwarf er ihn wieder, denn sonst wäre das gewiss irgendwann zur Sprache gekommen, vor allem von Lissi. Denn die Hettinger-Lissi war auf keinen Fall ein Kind von Traurigkeit. Das wäre auch einem weniger aufmerksamen Beobachter rasch aufgefallen.

Auf dem Fest würde er mit Hanna tanzen und ihr alles offenbaren, was ihm schon lange auf der Zunge lag.

Schließlich war der 21. September, der Matthäustag, gekommen, an dem die Tiere, die schon Milch gaben, von der Alp ins Tal getrieben wurden. Hanna führte die bekränzte Afra an einem blau-weißen Strick von der Hochalm herab. Um Afras Hals war eine große Glocke aus Schwarzblech gegurtet, auch die anderen Kühe, die folgten, trugen Schellen, sodass das Geläute weithin zu hören war.

Hanna und Lissi hatten die feierliche Festtagstracht der Gebirgler an, in der sie nicht mehr wie unbeschwerte junge Mädchen wirkten, sondern schon die würdigen Bäuerinnen, die aus ihnen einmal werden sollten, ahnen ließen. Auch der Blumenstrauß vorne am Mieder wurde nach altem Brauch nicht vergessen, und die Mädchen hatten sich gegenseitig die Haare geflochten und sie zu einer stolzen Krone oben auf dem Kopf festgesteckt.

»Schön schaut ihr aus«, sagte Christian überwältigt, und die Mädchen dankten ihm mit einem anmutigen Nicken.

Christians Bedenken, dass die Kühe den felsigen Abstieg nicht bewältigen würden, zerstreuten sich. Langsam, aber stetig ging es vorwärts, und bald war der schlimmste Teil des Pfads überwunden. Nur Christian war ausgeglitten und schlitterte ein Stück den Abhang hinunter, sodass alle warten mussten, bis er wieder das Gepäck mühsam zusammengeklaubt und emporgeklettert war.

Endlich gelangten sie auf dem Viehscheidplatz an, wo einige der Herden, die den Sommer gemeinsam auf der Alp verbracht hatten, aufgeteilt und wieder an ihre Besitzer zurückgegeben wurden. Dort herrschte bereits Festtagsstimmung.

Die Dörfler standen lachend und schwatzend beisammen, nachdem sie die Tiere begutachtet hatten, und es gab Bier und Brezen.

Christian gelang es, sich zu Hanna vorzudrängen. »Ich möchte heut Abend gern mit dir tanzen. Bist einverstanden?«, flüsterte er kaum hörbar an ihrem Ohr.

Hanna wandte nicht den Kopf nach ihm um, aber sie nickte kaum merklich.

Kajetan Waldegger trat hervor und hielt in seiner Eigenschaft als Bürgermeister eine Rede, die mit viel Beifall aufgenommen wurde. Christian fand den hochgewachsenen Mann, der Durchsetzungskraft und Willensstärke ausstrahlte, einschüchternd, und ihm wurde klar, dass er Hannas Wesen entscheidend geprägt hatte.

Doch die Worte, die Waldegger mit viel Nachdruck von sich gab, rauschten an Christians Ohren vorbei, ohne dass er ihren Sinn verstand. Denn innerlich jubelte er vor Freude, weil er endlich die Gelegenheit für gekommen sah, sich Hanna zu offenbaren.

Im Jägerbräu, dem Wirtshaus des kleinen Dorfes, wurde weitergefeiert. Christian fühlte sich fehl am Platz unter den Männern, die stolz ihre ererbten Hirschledernen mit der kunstvollen Stickerei trugen. Die meisten der älteren Bauern prunkten mit Goldmünzen und Ansteckern, die die Bedeutung ihrer Träger hervorhoben. Auch Christian wurde von vielen befremdeten Blicken gestreift, und einmal hörte er, wie ihn einer der Dorfburschen spöttisch den »Hilfssenner der Waldegger-Alm« nannte.

Christian musste neben Waldegger am Honoratiorentisch Platz nehmen, und ihm wurde noch unbehaglicher zumute. Zu seiner Linken saß Hanna, auch sie schien sich in der Nähe ihres Vaters nicht besonders glücklich zu fühlen. Jovial begann sich Waldegger mit dem jungen Mann zu unterhalten, und Christian merkte bald, dass es eher ein Kreuzverhör war.

Er erkundigte sich eingehend nach dem Bericht und danach, wann er veröffentlicht werden sollte. Christian hatte Mühe, ausweichende Antworten zu finden, ohne dass Kajetan Waldegger misstrauisch wurde.

»Es dauert noch eine Weile, bis alles fertig ist, ich muss noch daran feilen«, sagte er schließlich und versprach ihm, ihn zu informieren, sobald es so weit sei.

Zu Christians Erleichterung stimmten die Musiker ihre Instrumente, denn der Höhepunkt, dem besonders die jungen Leute entgegengefiebert hatten, war der Tanz in dem großen Festsaal im Jägerbräu. Zuerst stellten sich die Paare, die sich zusammengefunden hatten, zur Bayernpolka auf, was nicht ohne Gelächter und Getöse abging.

»Und ihr? Wollt’s ihr net miteinand tanzen?«, wandte sich Waldegger an Christian und Hanna. »Ihr müsst ja net den ganzen Abend bei uns alten Krauterern sitzen.«

»Ich tät lieber einen Walzer tanzen, da geht’s net gar so wild her«, meinte Hanna, und Christian nickte zustimmend.

»Na, viel Temperament hast ja nie gehabt«, meinte ihr Vater, und was als Scherz gemeint war, klang doch auf eine Weise abschätzig, dass Hanna errötete.

»Dafür hat Ihre Nichte Temperament für zwei«, konnte sich Christian nicht enthalten zu sagen, denn es erboste ihn, wie Waldegger seine Tochter behandelte.

Nach einem kurzen Blick auf die Tanzfläche, wo Lissi mit roten Wangen laut juchzend mit den Füßen aufstampfte, war Kajetan klar, dass Christian ihm indirekt einen Seitenhieb versetzte. Denn Lissi, so schön und herausgeputzt sie auch war, wirkte in ihrer Ausgelassenheit fast ein wenig gewöhnlich.

Da schau her, dem gefällt die Hanna anscheinend! Aber daraus wird nichts, Bürscherl, dachte er bei sich. Aber er ließ sich wie meistens nichts von seinen Gedanken anmerken und erhob sich, um den Bürgermeister vom Nachbarort zu begrüßen. Hanna schämte sich fast, so erleichtert war sie, von der bedrückenden Gegenwart ihres Vaters befreit zu sein. Christian und Hanna rückten näher zusammen, und sie sagte leise: »Mir steht heut gar net der Sinn nach Tanzen.«

»So geht es mir auch. Wenn ich denk, dass ich dich bald nimmer seh …«

Christian stockte, und Hanna sah den Schmerz in seinen Augen, was sie mit einem Mal mutiger machte.

»Ich tät mich so gern allein von dir verabschieden.«

»Ja. Aber wie fangen wir das an?«, fragte er.

»Wir könnten auf unseren Hof gehen, da ist heut niemand.«

Um von ihrem Vorhaben abzulenken, tanzten sie den nächsten Walzer, und Waldegger, der einmal kurz zur Tanzfläche blickte, wandte sich wieder seinen Spezis zu und blieb in dem Glauben, dass seine Tochter in guter Hut war.

Nach einer Weile schlüpfte Hanna hinaus in den Biergarten, dann durch ein Türchen im hinteren Bereich, der zu einem schmalen Weg führte. Christian kam ihr bald darauf hinterher, und Hanna fragte besorgt: »Hat dich auch niemand gesehen? Du kannst dir ja denken, wie das ist auf dem Land, da wird immer gleich getratscht.«

»Und ich glaub auch net, dass deinem Vater das gefallen tät«, meinte Christian und lachte, froh, dem ganzen Getümmel entronnen zu sein.

»Da sagst was«, meinte Hanna und seufzte.

»Vergiss es, denk nur an uns!«

Mit schnellen Schritten folgten sie dem Weg, der sich hinter Anbauten und Gärten durch das Dorf wand, und Hanna atmete erleichtert auf, als sie die Landstraße erreichten, ohne dass ihnen jemand begegnet war. Dann schlug Hanna eine Abkürzung zum Waldegger-Hof ein. Der Mond war hell genug, dass sie jede Unebenheit des Weges erkennen konnten.

Nun wagte es Christian endlich, den Arm um Hanna zu legen, und eng aneinandergeschmiegt, aber noch zu schüchtern, um zu sprechen, gingen sie nebeneinander her. Ihre Herzen hämmerten, Verlangen, aber auch unbestimmte Furcht brandete in ihnen hoch.

Schließlich wuchs der Hof vor ihnen auf, und Christian bekam eine Vorstellung davon, wie reich die Waldeggers waren. Das stattliche Wohnhaus mit Lüftlmalerei, die weitläufigen Stallungen und zahlreiche weitere Nebengebäude wiesen das Anwesen als den Besitz eines wohlhabenden Großbauern aus.

Hanna öffnete die geschnitzte Tür und zog Christian hinter sich her durch den Flur und dann die Treppe hoch.

»Das ist mein Kammerl«, sagte Hanna leise.

Sie hatte die Vorhänge zugezogen und eine Lampe angemacht, sanfter Lichtschein erhellte den gemütlichen Raum mit den hellen Möbeln aus Birkenholz. Bücher standen auf Wandregalen, das Bild einer lächelnden Frau, wahrscheinlich ihrer Mutter, stand, mit Blumen geschmückt, auf dem Tisch unter dem Fenster. Es war das Zimmer eines jungen, unschuldigen Mädchens, und Christian fühlte sich plötzlich wie ein Eindringling.

Hanna setzte sich auf die Bettkante und zog Christian neben sich. Hand in Hand saßen sie da, lächelten sich glücklich an und gaben sich dem seligen Gefühl hin, endlich für sich zu sein.