Heimat-Roman Treueband 20 - Rosi Wallner - E-Book

Heimat-Roman Treueband 20 E-Book

Rosi Wallner

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.

Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 178: Die Bettelhochzeit
Bergkristall 259: Sie durften einander nicht lieben
Der Bergdoktor 1713: Die vollen Tage des Lebens
Der Bergdoktor 1714: Geduldig trug sie ihr Leid
Das Berghotel 115: Ein kleiner Wirbelwind in St. Christoph

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 608

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2014/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © Michael Wolf/Bastei Verlag ISBN 978-3-7325-9251-7 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Rosi Wallner, Marianne Burger, Andreas Kufsteiner, Verena Kufsteiner

Heimat-Roman Treueband 20 - Sammelband

Inhalt

Rosi WallnerAlpengold - Folge 178Wie Katz und Maus sind sie, die hübsche Kronthaler-Verena und der fesche Martin Buchauer, und kein Dorffest kommt ohne einen lautstarken Streit der beiden aus. So sehen die jungen Leut von Niedermosingen jeder Geburtstagsfeier und jeder Kirchweih mit Besorgnis entgegen, denn die Streithähne des Tals verderben ihnen jede Freude. Da erscheint Martins Freunden die Idee des Bürgermeisters, zur allgemeinen Belustigung wie in alten Zeiten eine Bettelhochzeit aufzuführen, wie ein Wink des Schicksals - und gleich steht für sie fest, wer das streitende Brautpaar spielen soll: Martin soll die schöne Braut und Verena den kauzigen Bräutigam geben! Mit einer kleinen List bringen sie die zwei dazu, die Rollen tatsächlich anzunehmen! Doch bei der Aufführung der Bettelhochzeit kommt es vor aller Augen ganz anders als geplant - und das, was ein Versöhnungsfest und eine große Gaudi werden sollte, endet in argen Herzensturbulenzen ...Jetzt lesen
Marianne BurgerBergkristall - Folge 259"Ich habe nichts gegen dich persönlich, Roswitha", beginnt der alte Fürholzer und sieht die junge Sennerin traurig an. "Mich stört es auch net, dass du arm bist und dass deine Mutter net verheiratet war ..." Anton Fürholzer wischt sich den Schweiß von der Stirn. Seine nächsten Worte werden das Lebensglück seines einzigen Sohnes zerstören, das weiß er. Dennoch darf er nicht länger schweigen. Hoch aufgerichtet steht Markus vor ihm, schützend den Arm um seine Liebste gelegt, die sich an ihn schmiegt und den alten Bauern bang aus ihren schönen, rehbraunen Augen anblickt. Es sind Magdalens Augen, die Augen ihrer Mutter - jener Frau, die Anton Fürholzer vor langer Zeit verraten hat, um eine reiche Hoftochter zu heiraten. "Ich kann euch den Segen zu eurer Hochzeit wirklich net geben", beginnt der Fürholzer-Bauer schweren Herzens. "Denn der Markus ist dein Halbbruder, Roswitha."Jetzt lesen
Andreas KufsteinerDer Bergdoktor - Folge 1713Welch eine Freude! Benno und Walburga Egger sind in Kürze fünfzig Jahre miteinander verheiratet und wollen ihre goldene Hochzeit an dem Ort feiern, an dem sie sich einst ineinander verliebt haben: in St. Christoph. Es soll ein fröhliches Fest werden, an dem alle Sorgen vergessen sind. Denn leicht haben es Benno und Walburga im Leben nicht gehabt. Den Unfalltod ihres einzigen Sohnes haben sie nie verwunden, genauso wenig wie die Tatsache, dass Alexander, ihr Enkel, nach einem heftigen Streit den Kontakt zu ihnen abgebrochen hat. Ihn noch einmal wiederzusehen und in die Arme zu schließen, wäre ihr größter Wunsch! Und dann taucht ein junger, sehr attraktiver Mann während des Dankgottesdienstes auf. Es ist Alexander - aber will er wirklich Frieden schließen?Jetzt lesen
Der Bergdoktor - Folge 1714Die Brandnarben auf ihrem Körper lassen keinen Zweifel daran, dass Lissi Helminger in ihrem jungen Leben bereits schweres Leid erfahren hat. Sie war gerade fünfzehn, als mitten in der Nacht das Feuer auf dem Hof ihrer Eltern ausbrach und alle im Schlaf überraschte. Keiner überlebte - nur sie selbst. Verzweifelt hat Lissi anfangs mit ihrem Schicksal gehadert und sich gewünscht, auch tot zu sein. Doch dank Dr. Burgers Beistand hat sie ganz allmählich ihren Frieden gefunden und sieht nun wieder hoffnungsvoll in die Zukunft. Erst vor Kurzem ist Lissi mit ihrem Freund zusammengezogen und träumt von einer Hochzeit und Kindern... Da wird sie eines Nachts von der Sirene der Feuerwehr geweckt - und ein orangefarbener Lichtschein erhellt ihre Kammer. Es brennt!Jetzt lesen
Verena KufsteinerDas Berghotel - Folge 115Die quirlige Greta freut sich auf den Urlaub im Zillertal. Gemeinsam mit ihrer Mutter Nele wird sie ein paar Tage im Berghotel verbringen. Insgeheim hofft sie, dass ihre Mama dort wieder glücklicher aussehen wird. Seit Gretas Papa die Familie vor einigen Jahren verlassen hat, schaut Nele oft traurig aus. Im Hotel angekommen, versprüht das bezaubernde Madel überall seinen mitreißenden Charme, aber schnell wird dem Hotelpersonal klar, dass Greta ein wahrer Wirbelwind ist, der einige Flausen im Kopf hat. So kommt es immer wieder zu unverhofften Überraschungen, die den Erwachsenen mehr als einmal den Atem stocken lassen. Als Greta beobachtet, dass Nele einen der männlichen Gäste sehr nett zu finden scheint, schmiedet das Madel einen Plan: Sie will ihrer Mama endlich wieder zu einem neuen Liebesglück verhelfen! Zuerst schaut auch alles so aus, als würde ihr Vorhaben gelingen, doch dann sieht sie ihre Mutter weinen. Diesmal ist Gretas sorgfältig ausgeklügelte Idee wohl nach hinten losgegangen ... oder?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Die Bettelhochzeit

Vorschau

Die Bettelhochzeit

Bezaubernder Roman um alte Traditionen und junge Gefühle

Von Rosi Wallner

Wie Katz und Maus sind sie, die hübsche Kronthaler-Verena und der fesche Martin Buchauer, und kein Dorffest kommt ohne einen lautstarken Streit der beiden aus. So sehen die jungen Leut von Niedermosingen jeder Geburtstagsfeier und jeder Kirchweih mit Besorgnis entgegen, denn die Streithähne des Tals verderben ihnen jede Freude. Da erscheint Martins Freunden die Idee des Bürgermeisters, zur allgemeinen Belustigung wie in alten Zeiten eine Bettelhochzeit aufzuführen, wie ein Wink des Schicksals – und gleich steht für sie fest, wer das streitende Brautpaar spielen soll: Martin soll die schöne Braut und Verena den kauzigen Bräutigam geben!

Mit einer kleinen List bringen sie die zwei dazu, die Rollen tatsächlich anzunehmen! Doch bei der Aufführung der Bettelhochzeit kommt es vor aller Augen ganz anders als geplant – und das, was ein Versöhnungsfest und eine große Gaudi werden sollte, endet in argen Herzensturbulenzen …

»Meinst du, dass die Verena noch kommt?«, fragte Sabine Manz ihre Freundin Miri mit gedämpfter Stimme.

Miri Buchauers Blick flog geschwind zu ihrem Cousin Martin hinüber, doch der war so in ein angeregtes Gespräch mit seinen beiden Freunden vertieft, dass er nicht auf die Mädchen achtete. Eben lachten sie laut auf, anscheinend hatte Simon Bach, der ein überaus freches Mundwerk besaß, wieder einmal eine seiner boshaften, aber meistens auch zutreffenden Bemerkungen gemacht.

Auch Gundel Erler, die entfernt mit den Buchauers verwandt und mit Miri und Martin aufgewachsen war, stimmte in das Gelächter mit ein. Sie saß neben Simmerl, wie Simon allgemein genannt wurde, und hing wie immer an seinen Lippen. Sie war ein eher reizloses Mädchen. Auch wenn ihre Züge nicht unschön waren, so neigte sie doch zu starkem Übergewicht, und selbst das neue Dirndl saß bereits wieder viel zu eng.

Doch sie hatte ein heiteres Gemüt und strahlte ungebrochene Lebensfreude aus. Da sie gegen ihre Freundinnen äußerlich so sehr abfiel, hatte sie sich ein kumpelhaftes Verhalten angewöhnt, was ihr den Umgang mit den jungen Männern erleichterte. Jedenfalls war sie überall gern gesehen, und so war sie auch zu Martins Geburtstagsfeier eingeladen.

»Das kannst dir doch denken, dass die Verena sich heut net blicken lässt«, erwiderte Miri etwas gereizt. »Ich treff mich morgen eh mit ihr in der Kreisstadt. Wir wollen uns einen Film ansehen.«

»Weißt du noch, wie sich die Verena und der Martin auf unserem Schultreffen über den Weg gelaufen sind und sich sofort wieder in den Haaren lagen? Beinahe hätten sie die ganze Stimmung verdorben, das werd ich nie vergessen«, sagte Sabine. »Ein Glück, dass du sie wieder zur Vernunft gebracht hast.«

»Leider nur für kurze Zeit«, meinte Miri, denn kurz darauf hatte es einen ähnlichen Auftritt bei einem Vereinsfest gegeben, der darin gipfelte, dass Verena Kronthaler Martin heftig ins Gesicht geschlagen hatte, ehe sie wie eine Furie aus dem Saal gerannt war.

»Ich versteh auch net, dass die beiden net ihren Frieden miteinander machen können. Die Verena und der Martin sind doch im Grund genommen vernünftige Leut. Und was damals geschehen ist, liegt doch schon so lang zurück«, sagte Sabine seufzend.

»Was meinst du, wie ich schon auf die beiden eingeredet hab, schließlich sitz ich immer zwischen den Stühlen.«

»Ja, du bist net zu beneiden. Auf der einen Seite die Freundin, auf der anderen die Familie«, gab Sabine zu.

»Dieser dumme Streich vom Martin hat eben schlimme Folgen gehabt, und es ist kein Wunder, dass die Verena danach nimmer dieselbe war«, erwiderte Miri.

Ihre Gedanken schweiften in die Vergangenheit zurück, in die unbeschwerte Kindheit, die sie mit Verena, die immer wie eine Schwester für sie gewesen war, verbracht hatte. Bis zu dem unseligen Ereignis, das das Leben Verenas aus der Bahn geworfen und ihre Freundschaft auf eine schwere Probe gestellt hatte.

Denn Martin Buchauer war immerhin ihr Cousin von der Vaterseite her, und Familienbande galten bei den traditionsbewussten Gebirglern im Allgemeinen noch mehr als fest gefügte Freundschaften.

»Sollen wir noch ein paar Rostbratwürste auf den Grill werfen?«, unterbrach Martin ihre Erinnerungen.

Die jungen Leute hatten sich darauf geeinigt, sich mittags auf einem Grillplatz zu treffen und abends beim Postwirt im Nachbardorf weiterzufeiern, wo es an den Wochenenden besonders hoch herging.

»Ein Weißes könnt ich auch noch gebrauchen«, fügte Simmerl hinzu, nachdem alle Martins Vorschlag zugestimmt hatten.

Dann murmelte er noch etwas vor sich hin, das Gundel erst erröten und dann aufkichern ließ. Wahrscheinlich hatte er wieder einmal eine seiner Anzüglichkeiten, um die er nie verlegen war, von sich gegeben.

Simmerl wurde ein kleines Weißes zugestanden, und Miri fügte mahnend hinzu: »Mehr gibt es net. Sonst kannst dich am End nimmer auf den Beinen halten, vom Tanzen ganz zu schweigen.«

»Hast du eine Ahnung, was ich noch alles kann, auch wenn ich …«

»Simmerl!«, unterbrach ihn Miri scharf.

»Jesses! Ihr seid ja schlimmer als der Landfrauenverein und das Kränzchen der Pfarrköchin zusammen«, stichelte er, aber seine Augen strahlten sie an.

Und Miri bot auch einen erfreulichen Anblick mit ihrem hübschen herzförmigen Gesicht und den haselnussbraunen Locken. Sie trug ein blau-weiß gestreiftes Dirndl mit einem viereckigen Ausschnitt, das ihre gut gewachsene Figur betonte. Martins Spezis, Simmerl und Ferdl, machten keinen Hehl daraus, wie sehr ihnen Miri gefiel, doch da Martin etwas eigen war, was seine Cousine anbelangte, hielten sie sich wohlweislich zurück.

Später, beim Tanz, wenn Martin anderweitig beschäftigt wäre, würde ihre Chance schon noch kommen …

Später gesellten sich noch weitere Burschen hinzu, denn Martin Buchauer war sehr beliebt und Mitglied zahlreicher Vereine. Dass er im Rathaus einen höheren Verwaltungsposten innehatte und schon als der nächste Bürgermeister im Gespräch war, trug zudem dazu bei, dass er immer von einem Kreis von Freunden umgeben war. Dazu gehörten auch die Kronthalers, die beiden älteren Brüder Verenas, auch wenn er mit ihr seit Jahren verfeindet war.

Seine Cousine, die um einige Jahre jünger war, bewegte sich durch ihn ebenfalls in diesem seit Langem bestehenden Freundschaftskreis. Heute, an Martins Geburtstag, feierte Miri selbstverständlich mit, aber auch Gundel und Sabine, die sich von Kind an bei den Buchauers wie zu Hause gefühlt hatten, waren willkommene Gäste.

Nur Verena, ihre engste und liebste Freundin, fehlte.

Es wurde immer lauter und ausgelassener auf dem Grillplatz, doch sobald es dunkelte, brachen die jungen Leute auf und fuhren übermütig hupend die kurze Strecke zum Nachbarort. Dort beim Postwirt war der Tanz erst etwas zögerlich in Gang gekommen, aber nachdem die Burschen von Niedermosingen den geräumigen Festsaal gestürmt hatten, herrschte bald beste Feierstimmung.

Miri genoss den Tanz, auch wenn sie Simmerl, der sie einmal heftig an sich zog, streng zur Ordnung rufen musste. Doch das tat der guten Laune keinen Abbruch, denn Simmerl wusste kleine Niederlagen immer ins Heitere zu verkehren. Außerdem war er felsenfest davon überzeugt, dass er Miri doch noch für sich gewinnen konnte. Dass sie sich so sperrte, erhöhte den Reiz für ihn nur noch.

»Meine süße Haselnuss, wann gibst mir den ersten Kuss?«, sang er ihr übermütig ins Ohr.

»Davon kannst nur träumen«, gab sie zurück, aber er wirbelte sie herum und lachte nur siegesgewiss.

Sabine tanzte mit einem der jungen Kronthalers, die Brüder waren ein wenig später dazu gestoßen. Sie waren zwei lebensfrohe Männer. Quirin, der Ältere, der bereits den Hof übernommen hatte, wirkte schon etwas gestanden, obwohl er zum Ärger seiner Eltern keine Anstalten machte, sich eine Bäuerin ins Haus zu holen.

Sein jüngerer Bruder Thomas studierte noch in München, kam aber fast jedes Wochenende nach Hause, denn die Kronthalers waren nun einmal sehr bodenständige Leute.

Sie sahen sich so ähnlich, dass man sie fast für Zwillinge hätte halten können. Beide waren hochgewachsen und hatten lockiges dunkelblondes Haar und markante Gesichtszüge. Quirin war allerdings durch die bäuerliche Arbeit etwas breiter und massiger, was ihm aber gut stand. Sie trugen enge Lederhosen wie alle Burschen im Tal, dazu helle Hemden mit einem roten Spenzer darüber.

Die »schmucken Kronthaler-Buben« nannte man sie im Dorf, aber keiner fügte hinzu, dass ihre Schwester ihnen in nichts nachstand. Denn diese Zeit war schon lange vorbei, und Verena wurde vor allem wegen ihrer Geschäftstüchtigkeit gerühmt.

Auch Gundel konnte sich nicht beklagen, obwohl sie sich oft wie ein Mauerblümchen vorkam. Doch trotz ihrer beträchtlichen Fülle konnte sie erstaunlich anmutig tanzen, und ihre gute Laune riss einfach jeden mit.

Der Abend verlief ungetrübt, die Dorfjugend gab sich ganz dem Tanzvergnügen hin. Erste zarte Bande wurden geknüpft, die oft nur kurze Zeit, manchmal aber auch ein ganzes Leben lang hielten.

Als das Fest zu Ende ging, und als der Wirt seine Gäste nach Mitternacht vor die Tür setzte, waren alle der Meinung, dass Martins Geburtstag doch eine rechte Gaudi gewesen wäre.

***

Für Verena Kronthaler war der Tag keineswegs angenehm verlaufen. Am Morgen gab es geschäftlichen Ärger, denn eine Lieferung war nicht rechtzeitig erfolgt, was sie zu Rechtfertigungen gegenüber ihrer Kundschaft zwang. Außerdem zweifelte sie an der Qualität der letzten Abfüllung ihres viel gepriesenen Rhabarbernektars, und sie grübelte vergeblich darüber nach, an was es liegen mochte.

Denn der Rhabarber stammte wie alles, was sie in ihrem Bioladen verkaufte, aus dem eigenen Garten, und sie vergewisserte sich immer, dass er frisch geerntet und verarbeitet wurde. Ihr Blick schweifte über die Regale, die mit kleinen Flaschen und Gläsern in aufwendiger Aufmachung vollgestellt waren. Vor der Tür standen zudem Horten mit Gemüse- und Blumensetzlingen, die Lisbeth Kronthaler, ihre Mutter, selbst gezogen hatte.

An bestimmten Tagen gab es auch selbst gebackenes Brot, denn auch darauf verstand sich die Altbäuerin, genauso wie auf Tees aus Kräutern, die sie in der freien Natur sammelte. Das Wissen darum war von den Vorfahren weitergegeben worden.

Eigentlich war der einstige Bio-Laden, der sich in einem geräumigen Anbau des Kronthaler-Hofes befand, inzwischen schon eher ein Betrieb. Ihre Obstsäfte, besonders der Apfelsaft, der aus Früchten von den Streuobstwiesen hinter dem Hof stammte, erfreuten sich immer größerer Beliebtheit. Dazu Schlehen- und Holundersaft, alles in hübsch verzierten handlichen Flaschen, denn Verena war bemüht, das Sortiment immer mehr auszuweiten.

Auch ihre verschiedenen Marmeladensorten, aus dem Bauerngarten ihrer Mutter gewonnen und in Gläser mit rustikaler Stoffabdeckung angeboten, fanden Anklang, genauso wie der Wiesenhonig, der einen ganz besonderen Geschmack hatte.

Nachdem der ältere Bruder den Hof übernommen hatte, konnte sich ihr Vater ganz seinem Steckenpferd, der Imkerei, widmen, die er ganz hinten auf der Streuobstwiese betrieb, wohin sich selten jemand verirrte. Und sein köstlicher Honig fand überraschend schnell Liebhaber, was Ambros Kronthaler mit nicht geringem Stolz erfüllte.

Verenas Mutter wiederum ging völlig in der Gartenarbeit auf, und ihr war es eigentlich zu verdanken, dass Verenas Wirkungsstätte überhaupt entstanden war. Denn Lisbeth hatte immer Obst oder Gartenerzeugnisse im Überfluss, sodass sie eines Tages auf den Gedanken kam, an der Landstraße in der Nähe des Hofes einen Verkaufsstand zu errichten. Sogar Vesperbrote hatte es gegeben, sodass viele Autofahrer, die auf der Landstraße unterwegs gewesen waren, eine Unterbrechung einlegten. Verena hatte es als Kind Spaß gemacht, dort mitzuhelfen, und das gab letztendlich den Anstoß für ihre spätere berufliche Laufbahn.

Als gelernte Betriebswirtin hatte sie das, was als Verkaufsstand anfing, zu einem erfolgreichen kleinen Familienunternehmen ausgeweitet. Ein Anbau war entstanden, und sie beschäftigte inzwischen schon etliche Hilfskräfte, um den Wünschen eines Kundenkreises, der sich immer weiter vergrößerte, nachkommen zu können.

Sie konnte stolz auf das sein, was sie trotz ihrer Jugend bereits geleistet hatte. Das bekam sie von allen Seiten zu hören, und doch nagte beständige Unzufriedenheit an ihr. Und immer wieder flogen ihre Gedanken zu jener Zeit zurück, als ihre Zukunftshoffnungen in eine ganz andere Richtung gegangen waren.

Verenas große Leidenschaft war das Skifahren gewesen, und bald war man auf ihr Talent aufmerksam geworden. Sie wurde gefördert, nahm an zahlreichen Wettbewerben teil, und zuletzt ging es um die Juniorenmeisterschaft im Slalom. Das war ihr höchstes Ziel, und niemand zweifelte daran, dass sie auf dem Siegertreppchen stehen würde. Verena trainierte jeden Tag verbissen, um die in sie gesetzten Hoffnungen nicht zu enttäuschen.

Bei den jungen Leuten im Tal war es Brauch, zu Fasching verkleidet Skirennen zu veranstalten, was als große Gaudi gefeiert wurde. Verena lief auf einer Übungsstrecke ziemlich weit von dem ganzen Getümmel entfernt und verschwendete auch keinen Gedanken daran, sodass sie nicht darauf gefasst war, was sich gleich darauf ereignen sollte.

Martin Buchauer, der Cousin ihrer Freundin Miri, war schon immer ein übermütiger Bursch gewesen, und besonders gern neckte er die hübsche Verena. Vielleicht war er damals sogar heimlich verliebt in sie gewesen. Und so verfiel er auf den verhängnisvollen Gedanken, sich eine besonders erschreckende Faschingsmaske über den Kopf zu stülpen und Verena aufzulauern, als sie ihr Training absolvierte.

Unvermittelt brach er aus dem Gebüsch hervor, als sie näherkam, und stieß einen unheimlichen Laut aus. Verena erschrak so, dass sie in schnellem Lauf die Kontrolle über ihren Körper verlor und stürzte. Heute noch träumte sie manchmal davon, wie sie ohne jeden Halt über den Schnee schlitterte, bis es dunkel um sie wurde.

Verena war in eine Baumgruppe geschleudert worden und hatte ein Schädeltrauma davongetragen. Schlimmer jedoch war die Knieverletzung. Erst nach mehreren Operationen erhielt sie ihre volle Bewegungsfähigkeit zurück und konnte gehen, ohne in ein Hinken zu verfallen. Aber sie durfte nie mehr auf ihre geliebten Skier steigen.

In ihren Träumen hatte sich Verena schon auf den berühmtesten Slalomstrecken gesehen, eine Zukunft voller Triumphe hatte vor ihr gelegen. Und mit einem Mal, durch einen törichten Streich, war alles zerstört, was sie sich erhofft hatte.

Neben ihrer Familie war es vor allem Miri gewesen, die ihr zur Seite gestanden und sie immer wieder aufgemuntert hatte. Denn Verena konnte sich nicht mit dem Verlust ihrer Karriere abfinden, ihr Leben kam ihr nach dem Unfall leer und öde vor. Und dass sie überhaupt nicht mehr Ski fahren durfte, traf sie nicht minder hart.

Und es war auch Miri, die sie auf den Gedanken mit dem Hofladen gebracht hatte, sodass sich wieder eine neue Perspektive vor ihr auftat. Aber trotz des Erfolges, der das kleine Unternehmen bald zu verzeichnen hatte, war Verena Kronthaler ein unglücklicher Mensch.

Vielleicht lag es auch daran, dass Verena bei dem Unfall nicht nur ihre körperliche Unversehrtheit, sondern auch ihre Schönheit eingebüßt hatte. Die Abschürfungen, die sie im Gesicht davongetragen hatten, waren verschwunden, doch die Kopfwunde unterhalb des Haaransatzes war schlecht verheilt, und die hässlich geröteten Vernarbungen zogen alle Blicke auf sich.

Verena fühlte sich für immer entstellt, verschloss sich jeder weiteren Behandlung und trug von da an das Haar straff aus dem Gesicht gekämmt und zu einem Zopf geflochten. Sie nahm ab, sodass sie ausgezehrt und eckig wirkte, und trug nur jene Art von praktischer Kleidung, die selbst ein uneitles Mädchen als unvorteilhaft empfunden hätte.

Doch so sehr sich Miri auch darum bemühte, dass ihre Freundin wieder mehr Wert auf ihr Äußeres legte, an Verenas Einstellung war nicht zu rütteln. Genauso wenig wie sich ihre Feindseligkeit gegenüber Martin Buchauer änderte, obwohl ihr der junge Mann anfangs mehr als einmal Abbitte geleistet hatte.

Heute war Verena besonders unruhig und missgestimmt. Das lag nicht nur an den geschäftlichen Missgeschicken, sondern vor allem daran, dass sie wusste, dass sich die Dorfjugend heute traf, um zu feiern. Natürlich wollte sie nicht mit Martin Buchauer zusammentreffen, aber dennoch fühle sie sich einmal wieder ausgeschlossen.

Die Vorstellung, dass er, der das Unglück ihres Lebens war, auch noch Bürgermeister werden sollte, war ihr unerträglich. Das durfte einfach nicht geschehen, und sie steigerte sich immer mehr in ihren Hass hinein.

»Verena! Willst du net zum Abendbrot kommen?«

Die Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihren unangenehmen Überlegungen, und sie ging langsam zum Wohnhaus hinüber. Die Kronthalers waren eine alteingesessene Bauernfamilie, und früher war Verena immer auf Wohlstand und Ansehen ihrer Familie heimlich stolz gewesen. Der stattliche Bauernhof mit den hölzernen Balustraden und der aufwendigen Schindelverkleidung ließ manchen vorbeikommenden Wanderer innehalten, damit er den idyllischen Anblick in sich aufnehmen konnte.

Hängegeranien in verschiedenen Rottönen quollen von den Balustraden herab, auch vor den Fenstern mit den Holzläden standen üppig bepflanzte Blumenkästen. Der Hofbrunnen plätscherte leise; über allem lag ein Frieden, der in manchem Städter die Sehnsucht nach dem Landleben weckte.

Doch Verena nahm dies alles nicht wahr. Missmutig betrat sie das Wohnhaus, wo sie auf dem Flur die vertrauten Gerüche nach gutem Essen, Lavendel und anderen Kräutern umfingen. In der Stube mit den dunkel gebeizten Balken war der große, runde Esstisch schon gedeckt, obwohl sie heute nur zu dritt waren. In der Mitte stand ein bemalter irdener Krug mit sommerlichen Wiesenblumen.

Lisbeth Kronthaler war eine wunderbare Köchin. Eine Vesperplatte mit Aufschnitt und Geselchtem lud zum Zugreifen ein, frisch gebackenes krosses Brot duftete verführerisch, und auch verschiedene Säfte und das Weiße für den Vater durften nicht fehlen.

Verena nahm sich eine Scheibe Brot, belegte sie mit Wurst und kaute lustlos darauf herum, was ihr einen besorgten Seitenblick ihrer Mutter eintrug. Denn sie kannte die Stimmungen ihrer Tochter, ahnte auch meistens, was der Grund dafür war.

Auch Ambros Kronthaler, ein kräftiger, breitschultriger Mann Ende fünfzig, der jedoch genau wie seine immer noch ansehnliche Lisbeth wesentlich jünger wirkte, entging nicht, dass seine Tochter nicht bester Laune war. Anders jedoch als bei seiner Frau löste diese Feststellung nicht Besorgnis, sondern nur Verärgerung aus.

»Wie kommt’s eigentlich, dass du heut zu Hause herumsitzt? Zu meiner Zeit war ein Madel in deinem Alter tanzen oder hat sonst etwas unternommen. Die meisten waren aber damals schon unter der Haube …«

»Vater!«

»Das muss doch einmal gesagt sein, oder?«, erwiderte Ambros und reckte angriffslustig das Kinn vor.

»Zu deiner Zeit war manches anders. Aber natürlich war alles besser als heut«, erwiderte Verena giftig.

»Wenn ich dich so anschaue, ganz bestimmt. Die Madeln waren net so griesgrämig wie du und haben ihre Zeit genutzt.«

»Hört sofort auf, ihr zwei! Wir setzen uns doch net gemeinsam an den Tisch, nur um zu streiten!« Doch niemand achtete auf Lisbeths Einwurf, der es im Herzen wehtat, dass die beiden Menschen, die sie liebte, so uneins waren.

»Willst damit sagen, dass ich ein nutzloses Leben führe, nur weil ich net heiraten mag?«, schleuderte ihm Verena mit funkelnden Augen entgegen.

»So weit ist es also schon, dass du überhaupt net heiraten willst! Gut, dass ich das weiß! Eine spinnerte alte Jungfer willst werden. Aber weit davon bist eh nimmer entfernt mit deinen ständigen Launen«, hielt ihr der Vater, von dem Verena unbezweifelbar ihr Temperament geerbt hatte, aufgebracht entgegen.

Verena liebte ihre Eltern, den Vater ganz besonders, auch wenn sie es nicht zeigte. Doch jetzt fühlte sie sich in dem Raum mit der niedrigen Decke plötzlich beengt, und sie glaubte ersticken zu müssen. Heftig schob sie ihren Teller zurück.

»Ich halt das einfach nimmer aus mit euch«, stieß sie hervor und stürmte aus dem Raum.

Ihre Eltern blieben zurück, über Lisbeths Wangen rannen Tränen.

»Warum hast sie net in Ruh lassen können? Sie hat es doch eh net leicht«, brachte sie anklagend hervor.

Ambros, der im Grunde gutherzig war, hatte es noch nie ertragen können, wenn seine geliebte Liesbeth weinte. »Aber du musst doch zugeben, dass es besser für sie wär, wenn sie einen vernünftigen Mann finden tät«, sagte er kleinlaut.

»Das ist net so leicht, wie du dir das vorstellst«, wandte Lisbeth ein.

»Ach so? Zu meiner Zeit …«

»Das will ich nimmer hören«, fuhr Lisbeth ungewohnt heftig auf. »Zu unserer Zeit sind viele Ehen nur zustand gekommen, weil die Madeln keine Ausbildung hatten und ihnen gar nichts anderes übrig blieb. Und die Eltern haben auch eine viel größere Rolle gespielt als heutzutag, viele Ehen wurden schon von vornherein von ihnen eingefädelt. Dann haben sich die jungen Frauen halt dreingeschickt und waren froh, wenn sie einen Hochzeiter hatten, der verträglich war und für die Familie sorgen konnte.«

Ambros Kronthaler, der immer geglaubt hatte, alles von seiner Frau zu wissen, starrte sie an, als wäre sie plötzlich ein fremdes Wesen. »Aber bei dir war es doch net so?«, wagte er schließlich, stockend zu fragen, und seine Stimme klang geradezu flehentlich.

»Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als dich zu heiraten«, sagte seine Eheliebste in gespieltem Ernst.

»Lisbeth!«

Die Bäuerin verbiss sich nur mühsam ein Lachen, als sie die fassungslose Miene ihres Mannes sah. »Ach, Tschapperl! Ich hab dich heiraten müssen, weil ich so verliebt in dich war, dass ich zugrund gegangen wär, wenn ich dich net bekommen hätt. So war das«, gestand sie ein und errötete wie ein junges Mädchen.

»So war es bei mir auch. Keine andere als meine Lisbeth«, sagte er, und das Feuer längst vergangener Tage glomm wieder in seinen Augen auf. »Und das gilt auch noch für heut, nach all den Jahren.«

Verena und ihre Brüder wären sehr verwundert gewesen, wenn sie Zeuge davon geworden wären, wie sich ihre Eltern wie ein junges Liebespaar umfingen. Später jedoch kam Lisbeth wieder auf ihre Tochter zu sprechen.

»Und was die Verena angeht …«

»Ich halt von jetzt an meinen Mund«, beteuerte er schnell.

»Weißt, die Verena hat das mit dem Unfall nie verwunden, auch wenn sie sich nach außen hin wie eine tüchtige Geschäftsfrau gibt, die nichts erschüttern kann. Aber innerlich ist sie unsicher, denn sie fühlt sich seitdem hässlich und entstellt …«

»So ein Schmarren!«, polterte Ambros.

»Was meinst du, wie oft ich schon versucht hab, ihr das auszureden! Und die Miri auch, das kannst mir glauben. Sie kann sich net vorstellen, dass sie so geliebt wird, wie sie ist, ich mein, äußerlich. Und über ihren Groll gegen den Martin kann sie halt net hinwegkommen, ich hab sogar den Eindruck, dass es immer schlimmer wird. Denn in ihm sieht sie die Ursache allen Übels«, sagte Lisbeth bekümmert.

»Ein ordentlicher Hochzeiter müsst halt her«, meinte Ambros.

Lisbeth zuckte mit den Schultern. »Das ist net so leicht. Die Verena ist halt tüchtig und unabhängig, und das mögen die Mannsleut bekanntlich net so.«

Ambros stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Es sind net alle so.«

Dazu hätte Lisbeth noch viel sagen können, aber sie seufzte nur.

Die Kronthalers beschlossen, noch einen Rundgang über die Felder zu machen, bevor es dunkel wurde. Hand in Hand schritten sie einträchtig dahin, ein Paar, das die Klippen der Ehe umschifft hatte und einem erfüllten Lebensabend entgegensteuerte.

***

Doch am nächsten Morgen schon war der Familienfrieden wieder dahin. Wie jeden Sonntag hatte sich Lisbeth besondere Mühe mit dem Mittagessen gegeben. Ein leckerer Rollbraten, dessen Füllung ein Familiengeheimnis war, bildete den Mittelpunkt des mit weißem Leinen und dem ererbten Geschirr gedeckten Tisches. Gemüse aus dem Garten und nicht zuletzt eine köstliche Süßspeise vervollständigten das Festmahl.

Verena hatte wie üblich ihrer Mutter bei den Vorbereitungen geholfen und saß dann mit verschlossener Miene an ihrem Platz. Ihre Brüder ließen noch auf sich warten, und schließlich rief Lisbeth so lautstark nach ihnen, dass es durch das ganze Haus schallte.

»Dass die Buben sonntags nie aus den Federn kommen!«, schimpfte sie dann, aber in ihrer Stimme lag mütterliche Zuneigung.

»Die sind halt jung und müssen sich die Hörner abstoßen«, sagte Ambros Kronthaler begütigend und lachte. Er übernahm an Sonntagen gewöhnlich den Stalldienst, um den Söhnen die Möglichkeit zu geben auszuschlafen.

Verena schwieg, aber ihr Gesichtausdruck sprach Bände.

Schließlich kamen ihre Brüder heruntergepoltert, ungekämmt und übernächtigt, und ließen sich auf die Stühle fallen.

»Und wie war’s gestern?«, fragte ihr Vater.

»Eine rechte Gaudi, kann ich nur sagen. Bis nach Mitternacht haben wir gefeiert. Drüben beim Postwirt ist halt immer etwas los, und ein gutes Bier haben sie auch«, sagte Quirin und reckte sich gähnend. Sein jüngerer Bruder, der sichtlich unter den Folgen des Alkoholgenusses litt, hing dagegen wie benommen auf seinem Stuhl.

Verena musterte ihre Brüder voller Abscheu. »Ja, das riecht man …«

»Das ist ja wahrhaftig kein Wunder, dass du kein Verständnis dafür hast, wenn andere Leut ein bisserl Freud am Leben haben«, fuhr Quirin auf. Schlafmangel in Verbindung mit Alkohol ließen ihn immer sehr reizbar werden, außerdem störte ihn zunehmend die ganze Art seiner Schwester, die er als altjüngferlich und selbstgerecht empfand.

»Was willst denn damit sagen?«, fauchte Verena.

»Dass du halt keine Freud am Leben hast. Du sitzt daheim herum und führst Reden wie eine vertrocknete Betschwester«, gab Quirin zurück.

»Du weißt ganz genau, warum ich gestern net mitgekommen bin«, erwiderte Verena mit zorngerötetem Gesicht.

»Das ist uns allen sattsam bekannt. Kannst dich net endlich wieder mit dem Martin vertragen? Ihr müsst ja keine Busenfreunde werden …«

»Das verstehst du net«, fiel ihm Verena heftig ins Wort.

»Doch, ich versteh, dass das damals eine schlimme Sach für dich war. Aber du doch net deswegen bis zum Ende aller Tage wie das Leiden …«

»Du sollst den Namen des Herrn net leichtfertig in den Mund nehmen«, wurde er dieses Mal von seiner Mutter, die von großer Frömmigkeit war, unterbrochen.

»Ist ja schon gut«, wehrte Quirin ab.

»Gar nichts verstehst«, wiederholte Verena erbittert. »Schließlich werde ich ausgeschlossen, sobald sich der Martin bei euch blicken lässt, obwohl er derjenige ist, der die Schuld an allem trägt. Soll ich das etwa gerecht finden?«

»Der Martin hat gestern Geburtstag gehabt, davon hätten wir ihn ja wohl net ausschließen können. Wenn du dich net immer so aufführen tätst, wenn er in der Nähe ist, dann hätt doch niemand was dagegen, wenn du …«

»Zu viel der Gnade«, stieß Verena wütend hervor.

»Dir fehlt ganz einfach nur ein Mann, das ist alles. Das ist der eigentliche Grund, warum du so unzufrieden und unleidlich bist. Aber wer will schon eine, die nur darauf aus ist, es jemandem heimzuzahlen, und die keine Ruhe gibt?«

Verena erbleichte nun buchstäblich vor Wut, und sie begann am ganzen Körper zu beben. Quirin schob seinen Stuhl etwas zurück, denn seine Schwester sah ihn auf eine Weise an, dass er befürchtete, dass sie handgreiflich werden wurde.

»Das musst du nur sagen! Wann bringst du denn eine Bäuerin ins Haus? Darauf können wir sicher lang warten, denn du hast ja ein Gspusi nach dem anderen! Und net nur mit ledigen Frauen, oder meinst, ich wüsst net Bescheid? Ein anständiges Madel tät dich auch gar net erst nehmen, so einen Schürzenjäger, der keine Ehr im Leib hat! Und du willst mir vorschreiben, was ich zu tun hab!«

»Quirin!«, fuhr Lisbeth entsetzt auf, und ihre Hand fuhr zum Herzen. »Sag, dass das net stimmt!«

»Du Z’widerwurzen! Du bist ja nur neidisch, weil dich keiner will«, rief Quirin, und für einen Augenblick sah es aus, als wollte er über den Tisch hechten.

Ambros Kronthaler schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass alle zusammenzuckten und verstummten. »Seid still!

Selten hatte man ihn so fassungslos gesehen, es war ihm, als hätte sich innerhalb seiner Familie ein Abgrund aufgetan. Doch wenn er auch inzwischen der Altbauer war, so hatte seine Stimme immer noch Gewicht.

»Ich will net, dass diese leidige Sach weiter Unfrieden in die Familie bringt, hast gehört, Verena?«, sagte er.

»Ja, sicher, das ist nur eine leidige Sach, wenn es um deine Tochter geht. Schließlich soll der Buchauer ja einmal Bürgermeister werden.« Damit stand sie auf und schlug die Tür so heftig hinter sich zu, dass ihre beiden Brüder schmerzgepeinigt das Gesicht verzogen.

»Ich glaub, ich leg mich wieder hin«, sagte Quirin gepresst und erhob sich ebenfalls.

»Mir geht es auch net gut«, murmelte Thomas und tat es ihm nach.

»Wir sprechen uns noch, Quirin«, rief Ambros seinem Ältesten nach.

»Der schöne Braten. Ihr habt’s ja gar nichts gegessen, Burschen«, jammerte Lisbeth ratlos und war nahe daran, die Hände zu ringen.

»Wärm es halt heut Abend auf«, gab Quirin zurück, ehe er mit seinem Bruder im Gefolge ziemlich eilig verschwand.

»Was ist das denn für ein Sonntagessen? Dabei hab ich mir so viel Müh gegeben. Der Braten ist jetzt sicher kalt«, klagte Lisbeth.

Ambros, der an diesem Tag alles andere als zufrieden mit seiner Nachkommenschaft war, nahm sich entschlossen eine dicke Bratenscheibe und häufte sich mehr als reichlich Beilagen auf den Teller.

»Das ist noch alles warm. Setz dich nieder, Lisbeth, wir lassen uns doch den Sonntag net verdrießen. Die beiden sind bald wieder nüchtern, und die Verena kommt auch wieder zur Vernunft«, tröstete er seine Frau, obwohl er an Letzterem zweifelte.

Lisbeth begann widerstrebend mit der Mahlzeit, und nach einer Weile fand sie es zwar ungewöhnlich, aber doch schön, allein mit ihrem Mann am Tisch zu sitzen. Und ihm schien es genauso zu gehen.

***

Verena hatte in dem Anbau eine kleine Wohnung, in die sie sich zurückziehen konnte, was sie in letzter Zeit immer häufiger tat. Früher war ihre Familie stets ein Hort der Geborgenheit für sie gewesen, doch jetzt fühlte sie sich zunehmend ausgegrenzt und unverstanden. Besonders mit Quirin kam sie kaum noch aus.

Sie hatte sogar schon öfters darüber nachgedacht, wegzuziehen und ihr kleines Unternehmen in eine andere Ortschaft zu verlegen, aber andererseits konnte sie nicht auf die Mitarbeit ihrer Mutter verzichten. Und vor allem nicht auf all das, was der Kronthaler-Hof in Hülle und Fülle zu bieten hatte.

Sie aß ein paar Kekse, die sie in einer angebrochenen Packung gefunden hatte, weil sie nach dem verschmähten Sonntagsessen hungrig war. Sie schmeckten abscheulich, und Verena überlegte, ob sie in der Stadt an einem Imbissstand noch etwas zu sich nehmen sollte, ehe sie mit Miri ins Kino ging.

Verena öffnete noch einmal den Kühlschrank und entdeckte zwei Eier, die sie bei ihrer ersten Suche übersehen hatte. Daraus bereitete sie sich ein Kräuteromelett, aß ein Butterbrot dazu und trank ein Glas frische Milch, das musste genügen.

Dann aber musste sie sich beeilen, denn Miri war immer sehr pünktlich, wenn sie sie abholte. Verena machte sich jedoch nur wenig Mühe mit ihrem Äußeren. Sie fuhr sich glättend über das kastanienbraune Haar, das sie wie üblich straff nach hinten gekämmt und zu einem dicken Zopf geflochten hatte. Sie nahm ein hochgeschlossenes Dirndl in gedecktem Blau aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Dann war sie bereit, kaum dass sie sich im Spiegel gemustert hätte.

Wenig später erklang auch schon die Hupe, die Miri gern übermütig betätigte, nicht gerade zur Freude derer, die sich gerade zu einem Mittagsschlaf anschickten. Dann sprang sie aus dem kleinen grünen Flitzer, um Verena entgegenzueilen.

Als Miri der Freundin ansichtig wurde, verspürte sie eine Mischung aus Mitleid und Verärgerung. Wie konnte man sich nur so unvorteilhaft und nachlässig herrichten! Schon allein die Frisur, von der sie sich einfach nicht abbringen ließ! Neben Verena fühlte sich Miri wie herausgeputzt, als wäre sie ein eitles Dorfganserl.

Dabei trug sie nur ein hübsches Dirndl mit Rosenstickerei am Mieder und einer weißen Bluse, die haselnussbraunen Locken hatte sie aufgesteckt. Ein wenig Lippenstift und Puder auf der Nase – das war alles. Und doch fiel Verena stark gegen sie ab, was auch dem verdrossenen Ausdruck, der auf ihrem Gesicht lag, geschuldet war.

Sie umarmte die Freundin, ohne sich über ihren Aufzug zu äußern, dann wendete sie den kleinen Wagen, dass der Kies nur so aufspritzte, und steuerte ihn auf einem unbefestigten Weg geschickt der Landstraße zu.

»Ein Glück, dass du net in dem gleichen Zustand bist wie meine Brüder!«, entfuhr es Verena unwillkürlich.

»Ja, da wurde lang gefeiert gestern Nacht! Und deine Brüder haben nichts ausgelassen«, erwiderte Miri lachend.

»Das kann man wohl sagen.« Verenas Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die Miri erkennen ließ, dass etwas vorgefallen war.

»Habt ihr euch wieder in den Haaren gelegen, du und der Quirin?«

»Es ist halt kein Aushalten mehr zu Hause. Alle tun so, als müsst ich mich unbedingt mit dem Martin versöhnen, als wär ich es, die etwas verbrochen hat. Außerdem behandeln sie mich, als wär ich eine sitzen gebliebene alte Jungfer, die mit ihren Launen allen das Leben schwer macht«, brach es aus Verena hervor.

»Da soll der Quirin mit seinen Gspusis doch erst einmal vor seiner eigenen Tür kehren. Und was den Martin betrifft …« Miri verstummte. Es war schwer, die Dinge in Worte zu fassen, ohne die empfindliche Freundin zu kränken.

»Ich bin net dran schuld, dass sich die Gruber-Anni von ihm getrennt hat. Und wenn er es hundert Mal behauptet«, sagte Verena erbittert.

Martin und die hübsche Anni Gruber, Tochter des jetzigen Bürgermeisters, waren ein Paar gewesen, und jeder im Dorf hatte geglaubt, dass bald die Hochzeitsglocken für sie läuten würden. Sie hatten ausnehmend gut zueinandergepasst und waren unzertrennlich – bis zu jenem Tag, als Verena auf den Plan getreten und es auf einem Dorffest zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen ihm und Verena gekommen war.

Martin hatte völlig die Beherrschung verloren und musste von seinen Spezis zurückgehalten werden. Kurz darauf hatte Anni mit Martin gebrochen und das Dorf verlassen.

»Und es stimmt auch net, dass ich ihn bei der Anni schlechtgemacht hab, sodass sie deshalb nichts mehr von ihm wissen wollt.«

»Wie auch immer, der Vater von der Anni unterstützt den Martin jetzt nicht mehr bei der nächsten Bürgermeisterwahl«, sagte Miri bedeutungsvoll.

»Wenn er verliert, dann hat er ja wenigstens mich als Sündenbock.«

»Ich glaub net, dass es so weit kommt«, meinte Miri mit erzwungenem Gleichmut.

Verena zog es vor zu schweigen, außerdem fuhren sie gerade in die Kreisstadt ein, und Miri musste sich auf den Straßenverkehr konzentrieren.

»Wir kommen gerade noch rechtzeitig zu dem Film«, sagte Miri und parkte geschickt ein.

Das Kino war nicht weit von ihrem Parkplatz entfernt, und bald darauf verfolgten sie die Handlung einer geistreichen Komödie, die sie immer wieder in befreiendes Gelächter ausbrechen ließ. Gelöst und immer noch vor sich hin kichernd, verließen sie schließlich den Zuschauerraum, um in die Wirklichkeit zurückzukehren.

Der Film hatte selbst Verena in gute Laune versetzt und ließ sie völlig verändert erscheinen, wie Miri feststellte. Ihre Wangen waren gerötet, eine Strähne hatte sich aus ihrer strengen Frisur gelöst und fiel ihr in die Stirn, sodass die auffällige Narbe verdeckt war. Der verdrossene Ausdruck, der ihrem Gesicht jeglichen Reiz nahm, war verschwunden, und Miri staunte, wie schön Verena nun wirkte.

Sie beschlossen, einen Gang durch die historische Altstadt zu machen. Die engen Gassen mit den gut erhaltenen Häusern boten viele idyllische Winkel und erinnerten an die wechselhaften Geschicke des Ortes während des Mittelalters. Eine wichtige Handelsstraße nach Süden hatte einstmals viele Fremde hierher gebracht, und die prächtige Stadtkirche verriet heute noch das Wirken italienischer Künstler.

Schließlich ließen sich die beiden Mädchen in ihrem Lieblingscafé nieder, von wo aus sie einen ungehinderten Blick in den Stadtpark hatten. Das sanfte Grün der hohen Bäume, die tanzenden Sonnenflecke auf dem Kies und die sonntägliche Stille ließen Verena und Miri in eine träumerische Stimmung versinken.

»Ein schöner Tag. Ich hab mich selten so glücklich gefühlt«, sagte Verena schließlich gedankenvoll.

»Das Glück fällt einem auch net in den Schoß. Manchmal muss man mit der Vergangenheit abschließen …«

Sofort erschien wieder der missmutige und angespannte Ausdruck auf Verenas Gesicht, und der Zauber des Augenblicks, den Miri hatte nutzen wollen, war verflogen. Wieder war ein Versuch fehlgeschlagen, in Verena die Bereitschaft zur Veränderung zu erwecken. Doch Miri ließ sich nicht so leicht entmutigen.

»Und heut hast so hübsch ausgesehen. Du hast wahrhaftig keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen und dich zu verstecken«, fuhr sie fort.

Sofort strich Verena mit der Hand die widerspenstige Strähne zurück, sodass die Narbe wieder sichtbar wurde. Und sie schloss auch den obersten Knopf des Dirndlkleides wieder, das in seiner schmucklosen Schlichtheit eher einer älteren Frau angestanden hätte als einem Mädchen Mitte zwanzig.

Miri spürte, wie Ärger in ihr emporwallte. »Ich kann einfach net verstehen, dass du dich so verunstaltest«, brach es aus ihr hervor, ehe sie es verhindern konnte.

»Ich bin verunstaltet«, gab Verena hart zurück.

»Da bist auch selbst dran schuld, weil du jede Nachbehandlung abgelehnt hast. Heutzutage kann man mit Laser viel ausrichten. Eine andere Frisur tät sogar schon genügen.«

»Es ist, wie es ist.«

»Nein, man ist, was man aus sich macht, Verena. Und du läufst wie die leibhaftige Anklage herum, nur damit der Martin zeitlebens ein schlechtes Gewissen haben soll. Das ist wahrhaftig nichts, auf das du stolz sein kannst, damit setzt du dich höchstens selbst ins Unrecht. Am End bist nichts weiter als eine verschrobene Gestalt …«

Miri hielt inne, sie war selbst erschrocken über ihre Worte. Noch nie hatte sie Verena so schonungslos offenbart, dass sie ihr Verhalten missbilligte.

»Jetzt redest du auch schon so daher wie alle anderen. Dabei hab ich immer geglaubt, dass du zu mir hältst, wir waren doch immer beste Freundinnen«, sagte Verena, die offensichtlich mit den Tränen kämpfte.

Sofort wurde die gutherzige Miri von Reue ergriffen.

»Es tut mir leid, Verena, ich wollt dich net kränken. Aber ich wär auch eine schlechte Freundin, wenn ich dir net sagen tät, dass es so net weitergehen kann. Wie lang ist der Unfall denn schon her! Und du kannst doch mit deinem Geschäftserfolg wirklich zufrieden sein! Niemand in unserem Dorf hat es so weit gebracht wie du.«

Doch Verena schien ihre Worte gar nicht wahrzunehmen.

»Es ist ja klar, dass du net auf meiner Seite bist, schließlich ist der Martin dein Cousin. Blut ist halt doch dicker als Wasser! Und dann ist er wohl auch noch der zukünftige Bürgermeister. Mit dem soll man es sich schon gar net verscherzen«, erwiderte sie bissig.

»Der Martin war damals jung und dumm! Das, was geschehen ist, kann man ihn net bis ans Ende seiner Tage abbüßen lassen. Und ich hab’s net nötig, mich bei ihm einzuschmeicheln, wenn es das ist, was du mir sagen willst.«

Nun war auch Miri beleidigt, und die beiden Mädchen schwiegen, bis der Wagen vor dem Kronthaler-Hof zum Stehen kam. Mit einem Blick auf den alten klapprigen Lieferwagen, den Verena immer benutzte, sagte Miri: »Willst dir net endlich ein vernünftiges Auto kaufen? Die alte Mühle fällt eh bald ganz auseinander.«

»Das schaut nur so aus. Aber in Zukunft brauchst mich nimmer herumzukutschieren«, stieß Verena hervor und eilte grußlos zu ihrer kleinen Wohnung.

»Verena! So hab ich das doch net gemeint!«, rief ihr Miri nach, doch Verena hatte schon die Tür hinter sich zugeschlagen.

Quirin war vor das Haus getreten und verfolgte das Geschehen. Bis jetzt hatten die beiden Mädchen immer wie Pech und Schwefel zusammengehalten; es war das erste Mal, dass sie uneins waren.

Er trat neben Miris Wagen und grinste, wie sie fand, unverschämt. Allerdings musste sie zugeben, dass er trotz der Schatten unter seinen Augen umwerfend gut aussah.

»Na, hast du’s nun auch mit ihr verdorben?«, fragte er.

»Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit, das kommt halt mal vor. Warum fragst das eigentlich?« Miri lehnte sich zurück und sah ihn herausfordernd an.

»Weil die Verena halt mit jedem Streit anfängt, sogar mit uns …«

»Weißt was«, fiel sie ihm schnippisch ins Wort, »vielleicht wär das alles besser mit ihr, wenn sie mehr Rückhalt in der Familie hätt. Aber wenn sie die eigenen Brüder schon als alte Jungfer abstempeln, dann ist das grad kein Trost.« Sie ließ den Motor aufheulen und wendete so schroff, dass Quirin mit einem Fluch zurückspringen musste.

»Zefix! So ein Weiberleut!«, stieß er hervor und sah ihr nach.

Ein schönes Madel war sie, die Miri. Aber Haare auf den Zähnen, das hatte sie. Überhaupt schienen alle Madeln heutzutage Haare auf den Zähnen zu haben.

Sein Kopf fing wieder an zu schmerzen, und er kehrte ins Haus zurück, um sich in seiner Kammer zu verkriechen.

Als Miri nach Hause kam, traf sie auf ihren Cousin Martin, der gerade mit seinem Onkel eine Vereinsangelegenheit besprochen hatte. Auch er war noch von Spuren der durchfeierten Nacht gezeichnet, doch seine Augen leuchteten auf, als er Miri erblickte.

Von Kind an hatten sich die beiden gut verstanden, und später hatte er oft im Scherz gesagt, dass er am liebsten die Miri heiraten würde, nur sei sie halt leider seine Cousine. Das war, bevor er die Gruber-Anni kennengelernt hatte.

Er bemerkte sofort, dass sie in schlechter Stimmung war, denn für gewöhnlich hatte Miri keine Launen und war von beneidenswerter Ausgeglichenheit.

»Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragte er in neckendem Tonfall.

»Ach, es ist nichts.« Denn sie wollte auf keinen Fall, dass Martin erfuhr, dass sie sich mit Verena gestritten hatte. Verena, zu der sie immer unbeirrbar gehalten hatte, was einige aus der Verwandtschaft nicht gerade guthießen.

Martin sah sie nachdenklich an. »Die Tante hat gesagt, dass du mit der Verena unterwegs wärst.«

Miri verspürte einen plötzlichen Ärger auf ihre Mutter, mit der sie sich sonst immer sehr gut verstand. Dass sie aber auch nie den Mund halten konnte und alles, ob es von Belang war oder nicht, ausplaudern musste!

»Ja, so ist es. Manchmal gibt es eben auch einen schlechten Tag«, sagte sie daher ziemlich abweisend.

Martin lachte auf, aber es klang keineswegs herzlich.

»Ich kann mir einen guten Tag mit der Verena überhaupt net vorstellen.«

»Und warum wundert dich das?«

Martin war zusammengezuckt, eine feurige Lohe breitete sich auf seinem gut geschnittenen Gesicht aus. »Es wär besser, du hättest keinen Umgang mit ihr. Ihre Art färbt ja richtig auf dich ab«, erwiderte er scharf.

»Von dir lass ich mir noch lang net sagen, was gut für mich ist.«

Sie ging schnell an ihm vorbei, wobei sie peinlichst darauf achtete, nicht mit ihm in Berührung zu kommen, was ihm erneut die Röte in die Wangen trieb. Dann eilte sie die Treppe hoch, und die Tür ihrer Kammer schlug hinter ihr zu.

»Miri!« Kopfschüttelnd verließ er das Haus und fuhr davon. Es konnte doch nicht sein, dass er sich wegen Verena auch noch mit seiner Lieblingscousine überworfen hatte!

Bei dem Gedanken an Verena Kronthaler verdüsterte sich sein Gesicht. Seit diesem dummen Streich, den er wohl bis ans Ende seiner Tage bereuen würde, schien sie wie ein Verhängnis in sein bis dahin unbeschwertes Leben eingebrochen zu sein. Wie oft hatte er sie um Verzeihung gebeten, doch sie hatte sich hartnäckig geweigert, ihm zu vergeben, und ihn in immer größere Schuldgefühle hineingetrieben, die die folgenden Jahre überschattet hatten. Eigentlich war er seitdem nie wieder richtig froh gewesen.

Sie gab keine Ruhe, ließ keine Gelegenheit aus, ihn in ein schlechtes Licht zu setzen, selbst Miri schien oft gegen ihn eingenommen zu sein. Und er ließ sich nicht ausreden, dass Verena in einer Weise gegen ihn intrigiert hatte, dass Anni, seine große Liebe, sich gegen ihn gewandt und das Dorf verlassen hatte.

Sein geliebte Anni …

Gewaltsam riss er sich von diesen beklemmenden Gedanken los und konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn. Aber irgendwie hatte er keine rechte Lust, in die Einsamkeit seiner Wohnung zurückzukehren, und so hielt er den Wagen in einer Haltebucht an und stieg aus. Mit geschmeidigen Schritten – Martin war sehr sportlich – stieg er einen Bergpfad, der von der Landstraße abging, hoch und gelangte an eine kleine Kapelle.

Sie war malerisch auf einem Bergplateau erbaut worden, und ihr Inneres barg zahlreiche Votivtafeln, die von der Frömmigkeit der Gebirgler kündeten. Hauptsächlich die Dankbarkeit über Heilung von schwerer Krankheit oder endlich erfolgtem Kindersegen fand auf den aufwendig verzierten Tafeln ihren Ausdruck. Martin betrat das halb dunkle Gewölbe und las die Inschriften, was eine eigenartig beruhigende Wirkung auf ihn hatte.

Gestärkt und innerlich gelöst war er nun bereit, wieder in sein Alltagsleben zurückzukehren.

***

Bürgermeister Gruber war immer noch sehr rührig, obwohl sich seine letzte Amtszeit dem Ende zuneigte. Sein besonderes Interesse galt dem Fremdenverkehr, denn das kleine Dorf besaß kein Gewerbegebiet, und so blieben lediglich die Touristen als Einnahmequelle. Durch seine Weltabgeschiedenheit und seine idyllische Lage war es jedoch gerade für diejenigen, die Ruhe und Entspannung suchten, der ideale Urlaubsort.

Auch für Bergwanderer und alpine Kletterer war Niedermosingen ein beliebtes Ziel, da von hier aus zahlreiche Wanderwege ins Gebirge führten. Manche begnügten sich allerdings schon mit einem Aufenthalt auf der Berghütte und genossen von der Hochalm aus die herrliche Aussicht über das Tal.

Doch Egid Gruber war schon immer der Meinung gewesen, dass es einer besonderen Veranstaltung bedurfte, um mehr Touristen in den Ort zu locken. Denn augenblicklich hatte Niedermosingen in dieser Hinsicht wenig zu bieten. Der Kirmes auf der kleinen Festwiese fieberten nur die Kinder entgegen, und zum Tanz erschienen höchstens die jungen Leute aus den benachbarten Gemeinden.

Nun war Gruber aber auf einem Treffen des Touristikverbandes gewesen und hatte von dort neue Anregungen mitgebracht, die er unbedingt mit dem Gemeinderat teilen wollte. Nach seiner Rückkehr berief er ihn unverzüglich zu einer außerordentlichen Sitzung ein, die von größter Dringlichkeit sei.

Egid Gruber wartete schon im Sitzungssaal des Rathauses, als die ersten Gemeinderäte eintrafen. Er war eine beeindruckende Erscheinung, massig und immer noch kraftstrotzend, obwohl er schon auf die sechzig zuging. Sein kantiger Kopf war von weißgrauen Haaren, die vorne etwas abstanden, gekrönt, und der Blick seiner eisblauen Augen wirkte selbst auf die aufmüpfigen jüngeren Gemeinderäte einschüchternd.

Er hatte vor sich einen Stapel von Unterlagen aufgeschichtet, außerdem lagen an den Plätzen schon Kopien bereit. Gruber verabscheute moderne technische Hilfsmittel und hatte selbst Schwierigkeiten damit, ein Videogerät zu bedienen. Dass man im Rathaus darüber spottete, war ihm gleichgültig.

»Was gibt es denn so Wichtiges, Egid?«, polterte Ambros Kronthaler unwirsch, als er den Raum betrat.

»Wart’s nur ab, Ambros, wart’s nur ab«, kam es von Gruber zurück, und er rückte wichtigtuerisch die Papiere zurecht.

Kronthaler nahm mit einem Schnauben Platz, denn das Treffen kam ihm zeitlich mehr als ungelegen, da er sich mitten in den Erntearbeiten befand. Und die Schönwetterphase würde voraussichtlich nicht mehr sehr lange anhalten.

Martin Buchauer setzte sich wortlos hin und studierte angelegentlich die Unterlagen, um nicht die Aufmerksamkeit Grubers zu erregen. Seitdem er bei dem Bürgermeister in Ungnade gefallen war, weil dieser ihm die Schuld daran gab, dass seine Jüngste alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte, vermied er es geflissentlich, in irgendeiner Weise aufzufallen.

Schließlich waren alle versammelt, und der Rektor der Dorfschule beschwerte sich sofort über den unpassenden Termin.

»Das tut mir ja von Herzen leid, dass ich dich in deinen Ferien stör«, erwiderte Gruber mit beißendem Spott.

»Ich hab jetzt eher an diejenigen gedacht, für die nun Erntezeit ist und die todmüde vom Feld gekommen sind«, setzte sich Schnablinger zur Wehr, was Egid Gruber nicht sonderlich beeindruckte.

»Es war mir doch schon immer ein Anliegen, unseren Fremdenverkehr zu beleben. Nun war ich auf einem Treffen des Touristikverbandes …«

»Sag doch gleich, dass hier eine Skipiste entstehen soll, die wertvolles Weideland zerstört«, warf Schnablinger aufgebracht ein.

»Oder ein mehrstöckiges Wellnesshotel samt Erlebnispark mit scheußlichen Attraktionen«, wurde er von Seppi Hilsner unterstützt.

Seppi betrieb einen Biohof und sah sich in besonderem Maße als Naturschützer an. Er verfolgte daher die Vorhaben des Bürgermeisters mit größtem Argwohn und schon die Erwähnung des Begriffs »Touristik« bewirkte, dass sich seine flammend roten Haare und sein Bart, der ihm bis auf die Brust reichte, zu sträuben schienen.

»Jetzt lasst mich doch erst einmal ausreden, Zefix! Das ist ja mit euch wie im Kindergarten«, rief Gruber mit donnernder Stimme und schlug auf den Tisch.

Sofort kehrte Ruhe ein.

»Nichts von der Art, da könnt ihr ganz beruhigt sein. Nein, es geht um die Wiederbelebung alten Brauchtums hier in unserer Mitte.«

»Vielleicht soll ein historisches Schauspiel aufgeführt werden. Am End noch über diese Hexenverbrennung«, mutmaßte Schnablinger und fing an, in den vor ihm liegenden Papieren zu blättern.

Die Legende, dass in dem Dorf in dunklen Zeiten eine Hexenverbrennung stattgefunden hatte, war hartnäckig weitergegeben worden, obwohl es dafür keinerlei Beweise gab. Jedenfalls sagte die Dorfchronik, die sorgfältig geschrieben und aufbewahrt worden war, nichts über ein derartiges Ereignis aus.

»Diese Hexenverbrennung hat es nie gegeben«, sagte Gruber auch sofort und warf Schnablinger einen finsteren Blick zu. »Aber mit ›historisch‹ liegst du ausnahmsweise schon einmal gar net so falsch.«

»Nun spann uns net so auf die Folter, Bürgermeister!«, knurrte Ambros unwillig.

»Hier steht etwas von einer Bettelhochzeit. Was hat das denn zu bedeuten?«, ließ sich Schnablinger wieder vernehmen.

»Willst du eine Art Landshuter Hochzeit im Dorfformat einführen?«, krähte Seppi Hilsner gehässig dazwischen.

»Jetzt hört euch erst einmal an, was ich dazu zu sagen hab! Zu Hause könnt ihr die Einzelheiten noch nachlesen. Bei besagtem Treffen kam auch ein ganz besonderer Brauch zur Sprache, der in einigen Dörfern wieder aufgenommen worden ist und regen Anklang gefunden hat. Ganze Besucherströme soll es da auch in kleine Ortschaften gegeben haben, was ganz schön Geld in die Kassen gespült hat.«

»Das ist ja das Wichtigste für dich, Bürgermeister«, erklang ein Zuruf, den Gruber allerdings nicht beachtete.

»Kannst das mal ein bisserl genauer erläutern, um welchen Brauch es sich dabei handelt?«, wollte Schnablinger wissen.

»Bei der sogenannten Bettelhochzeit handelt sich um einen alten Faschingsbrauch, der in früheren Zeiten von den Dienstleuten und den armen Dörflern hochgehalten worden ist, die kein Geld für Faschingsbälle hatten. Stattdessen feierten sie eine Art Hochzeit, bei der die Rollen vertauscht sind, also ein Mann ist die Braut und der Bräutigam ist ein Madel …«

»Wie furchtbar! Das ist wider die Natur!«, rief der alte Finsterhölzl, der auch im Kirchenvorstand war, erschrocken aus.

»Es handelt sich ja auch nur um ein Rollenspiel«, erklärte Egid Gruber mit leidlicher Geduld, was Finsterhölzl keineswegs zu beruhigen schien. »Wie gesagt, alles ist irgendwie verkehrt, die Trauung findet auf einem Misthaufen statt, der Pfarrer hält eine derbe Rede über die Eigenheiten des Brautpaars, dann gibt es Kesselfleisch und eine Mordsgaudi. Der Hochzeitszug zieht vorher durch den ganzen Ort, alle sind furchtbar kostümiert, möglichst mit uralten Kleidern, die vom Speicher stammen …«

»Ich glaub net, dass Hochwürden bei so einer Sach mitspielt«, hatte Finsterhölzl einmal mehr einzuwenden.

»Damit ist auch net Hochwürden gemeint, sondern jemand ist als Pfarrer verkleidet und braucht deswegen auch kein Blatt vor den Mund zu nehmen«, erläuterte Gruber und wandte sich dem nächsten Fragesteller zu.

»Das wird aber ein kurzer Hochzeitszug durch unsere Dorfstraße. Da können sich die Touristen net anschließen«, meinte Ambros Kronthaler.

»Ja, da hast recht. Deswegen hab ich auch schon mit dem Bürgermeister von Hochbrunn gesprochen. Die Nachthochzeit, mit der die Bettelhochzeit eingeleitet wird, denn alle sollen möglichst verkatert sein, fängt dort drüben beim Postwirt an. Dann bewegt sich der Hochzeitszug samt Musikern mit großem Trara über die Landstraße und die Trauung sowie das übrige Fest finden hier statt.«

»Ist der Postwirt net irgendwie mit dir versippt?«

Auf diesen Einwurf ging Gruber wohlweislich nicht ein.

»Und wie lang soll denn die ganze Gaudi dauern?«, fragte Kronthaler und machte eine zweifelnde Miene.

»Um Mitternacht ist die Hochzeit vorbei und der Rollentausch auch. Wer dann noch weiterfeiern will …« Gruber machte eine vielsagende Geste.

»Und das kommt gut an, meinst?«

»In Emmering bei Fürstenfeldbruck und in Wackersberg in der Nähe von Bad Tölz hat man die alte Tradition wieder aufgenommen, und es wird feuchtfröhlich gefeiert. Das ist eine Riesengaudi und inzwischen bei den Touristen sehr beliebt. Ihr könnt auch alles ganz ausführlich ihm Internet finden, Text samt Bildern, und dort werden wir genau wie die rechtzeitig Werbung dafür machen«, erklärte Gruber.

»Ach so«, murmelte Finsterhölzl wenig überzeugt.

Der Bürgermeister wandte sich nun ruckartig Ambros Kronthaler zu, den das sichtlich unangenehm war. »Sag mal, Ambros, studiert dein Jüngster net Informatik in München? Ich hab da so was läuten hören.«

»Ja, das stimmt«, meinte Kronthaler zögernd.

»Dann ist er ja der Richtige, um die Ankündigung unserer Bettelhochzeit im nächsten März ins Netz zu stellen«, rief Gruber freudig aus.

»Da muss ich ihn erst fragen, ob …«

»Ja, und dann schickst ihn zu mir«, fiel ihm Gruber ins Wort.

»Wir haben noch net über die ganze Sach abgestimmt, falls dir das entgangen ist«, meinte Schnablinger säuerlich.

»Ich fasse das Ganze noch einmal zusammen, und anschließend habt ihr auch noch eine Bedenkzeit«, erklärte Gruber mühsam beherrscht. Er wiederholte danach erneut die Vorteile einer solchen Veranstaltung und hob besonders hervor, dass es ein traditionelles Fest sei, was bei den Touristen ja ganz besonders gut ankäme, auch bei den Großkopferten.

Es gab hier und da unterdrücktes Murren, dann hörte man nur noch das Rascheln von Papier, und hin und wieder las Finsterhölzl einen schwierigen Ausdruck halblaut vor, als müsste er sich mit ihm vertraut machen.

»Aber ich frag mich nur eins«, durchbrach Seppis ein wenig zu hohe Stimme schließlich das Schweigen.

»Was fragst dich?« Gruber warf ihm einen eisblauen Blick zu, den andere als der unerschütterliche Seppi Hilsner als Drohung empfunden hätten.

»Ich frag mich, welcher Bursch im Dorf die Braut spielen will«, sagte er langsam, und ein listiges Glitzern erschien in seinen Augen.

Plötzlich redeten alle durcheinander, lautes Gelächter brandete auf.

»Aber ich besteh darauf, dass das Brautkleid einen ganze tiefen Ausschnitt hat«, gackerte einer der Gemeinderäte.

»Und was ist, wenn die Braut einen Schnurrbart trägt? Muss er den dann opfern?«, rief ein anderer dazwischen.

»Das macht nichts aus, das soll doch eh alles drunter und drüber gehen«, beschied Egid Gruber, der sich sonst nicht gerade durch besonderen Humor auszeichnete.

Wieder trat Schweigen ein, man schien allgemein zu überlegen, wer als Bräutigam wohl infrage kommen könnte.

Martin Buchauer, der bislang still an seinem Platz verharrt und jede Wortmeldung vermieden hatte, fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich. Obwohl noch niemand von den Sitzungsmitgliedern einen dementsprechenden Vorschlag gemacht hatte, befiel ihn plötzlich das Gefühl, dass er im Mittelpunkt des Interesses stand.

Und das verstärkte sich noch, als er geradezu körperlich spürte, dass Egid Grubers Blick auf ihn zugekrochen kam.

»Nein«, kam es unwillkürlich von seinen Lippen, und auf seiner Stirn begannen sich Schweißperlen zu bilden.

»Oh, doch.« Ein hämisches, rachsüchtiges Grinsen umspielte Egid Grubers schmalen Mund, der wie eingekerbt wirkte.

»Von allen Burschen schaust am meisten wie ein Madel aus. Noch net mal einen Schnurrbart hast und sicherlich auch keine Haare auf der Brust, dafür aber üppige Locken auf dem Kopf. Mit ein bisserl Schminke gehst glatt als eine Dorfschönheit durch, wahrscheinlich könntest sogar einen kurzen Rock tragen.«

Martin konnte zu seinem Schrecken nicht verhindern, dass sich brennend heiße Röte über sein Gesicht ergoss.

»Und rot werden kann er auch wie ein gschamiges Madel! Eine bessere Braut können wir gar net finden«, spottete Gruber mitleidlos.

»Lasst mich in Ruh …« Doch seine Worte gingen im allgemeinen Gelächter unter.

»Wirst doch kein Spielverderber sein«, hieß es zuletzt, und vorerst gab er sich geschlagen.

»Und einen passenden Bräutigam wüsst ich auch schon für ihn«, erhob Seppi wieder seine Stimme und warf einen boshaften Blick in Ambros Kronthalers Richtung.

Seitdem sich Ambros einmal nach ein paar Weißen abschätzig über seinen Biobetrieb geäußert hatte, bestand zwischen den Kronthalers und den Hilsners nicht mehr die beste Beziehung. Seppi versuchte unverdrossen, es den Kronthalers heimzuzahlen, und nun schien einmal wieder die Gelegenheit für gekommen.

»Wie wär’s, Kronthaler? Deine Verena wär doch der richtige Bräutigam! Ein Paar, das sich narrischer aufführt als die beiden, kann man sich ja gar net ausdenken!«

Wieder erhob sich lautes Gelächter, und dieses Mal war es Ambros Kronthaler, der zornrot war und sich nur mühsam beherrschte.

»Wart nur, du Bürscherl«, murmelte er erbost vor sich hin, zwang sich aber zu einer gelassenen Miene.

Aber ein Gutes hatte die allgemeine Erheiterung, wie Gruber befriedigt feststellte. Man kam schnell zu einer Abstimmung, und das Ergebnis fiel so aus, wie der Bürgermeister es sich erhofft hatte. Mit nur drei Gegenstimmen – und Gruber konnte sich schon vorstellen, wer dagegengestimmt hatte – war der Gemeinderat damit einverstanden, nächstes Jahr zu Fasching die sogenannte Bettelhochzeit als Traditionsfest wieder einzuführen.

»So, und jetzt geht’s rüber ins Ratsbräu, damit wir den Beschluss feierlich begießen«, sagte Gruber, nachdem er die Sitzung aufgehoben hatte.

»Manchmal, Bürgermeister, fällt sogar dir etwas Vernünftiges ein«, meinte Finsterhölzl, der wenigstens einer irdische Freude nicht abgeneigt war.

Martin Buchauer war schnell aus der Tür verschwunden, eilte den langen Rathausflur entlang und verließ das Gebäude aus einem Hinterausgang, für den er einen Schlüssel besaß. Vielleicht war diese Flucht feige, aber im Augenblick konnte er die Vorstellung nicht ertragen, im Ratsbräu noch einmal mit Häme übergossen zu werden.

Und dann dieser Vorschlag vom Hilsner-Seppi, dass Verena Kronthaler die Rolle des Bräutigams übernehmen sollte! Ihn schauderte.

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Die Kronthaler-Buben, Miri und ihre Freundinnen und auch Simmerl und seine Spezln trafen sich am Wochenende häufig auf der Berghütte oberhalb von Niedermosingen, die auch gerne von Wandergruppen angesteuert wurde.