Heiße Grenze - Jonny Ringo - E-Book

Heiße Grenze E-Book

Jonny Ringo

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Beschreibung

Western Helden – Die neue Reihe für echte Western-Fans! Harte Männer, wilde Landschaften und erbarmungslose Duelle – hier entscheidet Mut über Leben und Tod. Ob Revolverhelden, Gesetzlose oder einsame Reiter auf der Suche nach Gerechtigkeit – jede Geschichte steckt voller Spannung, Abenteuer und wilder Freiheit. Erlebe die ungeschönte Wahrheit über den Wilden Westen Es sieht aus, als ob der Berg drüben die Mondsichel verschlänge. In Wirklichkeit sind sie nur tief im Tal des Terlingua Creek. Der Mond verschwindet hinter der Mesa Aguila und dem Tinaja Blanca Creek. Sie reiten so leise wie Nachtfalken. Und im Augenblick weiß Angus Haley, dass er auch nichts anderes ist als ein Nachtfalke. Er erinnert sich, während die anderen halten und ohne ein Wort zu reden, in die Nacht hineinlauschen, an die sorglosen Tage in Alpine. Aber die Sorglosigkeit ist dann jäh unterbrochen worden. Sein linker Arm, kaum geheilt, schmerzt noch immer. Er denkt an das Fieber, an jene Leute, die ihn aufgenommen haben und denen er Dankbarkeit schuldet. »Nichts«, sagt Scipio vor ihm und spuckt wie immer aus, wenn er etwas besonders bekräftigen will. »Es rührt sich niemand, sie werden schlafen. Wenn wir einen Monat nicht mehr zu Besuch gekommen sind, dann lässt alles nach, auch die Wachsamkeit.« »Du schwatzt zu viel, Scipio.« Der Mann ganz vorn sieht sich um. Unter den breitrandigen Hut fällt etwas Mondlicht. Sein dunkles Gesicht mit dem wirren Bart, in dem der Staub klebt, wendet sich Scipio zu. »Warum? Niemand hört uns!«, fragt Scipio verwundert.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Western Helden – 22 –Heiße Grenze

Jonny Ringo

Es sieht aus, als ob der Berg drüben die Mondsichel verschlänge. In Wirklichkeit sind sie nur tief im Tal des Terlingua Creek. Der Mond verschwindet hinter der Mesa Aguila und dem Tinaja Blanca Creek.

Sie reiten so leise wie Nachtfalken. Und im Augenblick weiß Angus Haley, dass er auch nichts anderes ist als ein Nachtfalke. Er erinnert sich, während die anderen halten und ohne ein Wort zu reden, in die Nacht hineinlauschen, an die sorglosen Tage in Alpine. Aber die Sorglosigkeit ist dann jäh unterbrochen worden.

Sein linker Arm, kaum geheilt, schmerzt noch immer. Er denkt an das Fieber, an jene Leute, die ihn aufgenommen haben und denen er Dankbarkeit schuldet.

»Nichts«, sagt Scipio vor ihm und spuckt wie immer aus, wenn er etwas besonders bekräftigen will. »Es rührt sich niemand, sie werden schlafen. Wenn wir einen Monat nicht mehr zu Besuch gekommen sind, dann lässt alles nach, auch die Wachsamkeit.«

»Du schwatzt zu viel, Scipio.«

Der Mann ganz vorn sieht sich um. Unter den breitrandigen Hut fällt etwas Mondlicht. Sein dunkles Gesicht mit dem wirren Bart, in dem der Staub klebt, wendet sich Scipio zu.

»Warum? Niemand hört uns!«, fragt Scipio verwundert. »Das geht heute einfach. Und merkt euch: Bloß nicht schießen, wenn es sich vermeiden lässt. Sie werden denken, wir wären Mexikaner.«

»Wenn sie dich sehen, dann denken sie es bestimmt.«

Der Mann macht darauf eine hastige Bewegung zurück, er kennt Scipios Zorn und sieht auch schon die Peitsche hochkommen.

»Ruhig, ihr Narren.«

Sie streiten sich dauernd, denkt Angus bitter, sie machen mehr Lärm, als gut ist. Wenn man sie hört, dann ist die Hölle los. Da vorn ist schon die Hütte, dort werden sich sicher Männer aufhalten!

Einen Moment lang hat er das verflixte Gefühl, beobachtet zu werden, aber es bleibt keine Zeit zum Nachdenken.

»Also weiter«, sagt Jackson seltsam dumpf. »Es sind elf Meilen bis zur Grenze. Und nur, wenn wir leise sind, kommen wir unbemerkt davon! Haley, nervös?«

»Warum sollte ich?«, erwidert Angus Haley ruhig. »Ich würde gerade jetzt keinen Streit anfangen, wie die anderen es tun. Der Lärm …«

»Da habt ihr es«, meint Clay Jackson hart. »Er sagt es und denkt nicht anders als ich. Also, vorwärts und leise sein. Beobachte die Hütte, Scipio.«

Jackson reitet an, er hat nicht einmal sein Gewehr über den Schenkeln. Ein Mann wie Jackson ist sicher, wenn er etwas unternimmt. Sie haben lange genug gewartet und die Augen aufgehalten. Das Vieh dort steht still, es grast am Hang.

Vor Angus ist jetzt Bernardo. Zwei von ihnen sind Mischlinge, der dritte Amerikaner wie Angus und Jackson. Zusammen sind sie sechs Mann, nur der sechste Mann ist reinblütiger Mexikaner, ein hagerer, säbelbeiniger Mann mit dem klangvollen Namen Felipe des San Marcos.

Jetzt kommen sie hintereinander und in weitem Abstand unten in das Tal auf die Weide, die nahe am Terlingua Bach liegt.

Morgen früh, denkt Angus, wird Dryden Augen wie Mühlräder machen, wenn er merkt, dass seine Rinder Flügel bekommen haben. Nun gut, immer langsam.

Scipio starrt auf die Hütte, die etwa achthundert Schritt über ihnen liegt. In dieser Hütte sind meist ein oder zwei Cowboys, heute zwei, das haben sie vorhin an den Spuren gesehen. Schließlich ist Jackson nicht der Narr, der heranreitet und vorher gar nichts unternimmt, um sich zu sichern.

Jetzt sind sie am Zaun, und Bernardo greift in die Satteltasche.

»Halte den Draht, Mann!«

Es ist Felipe, der den Draht zwischen den eingewundenen Stacheln anfasst, während Bernardo sich herabbeugt. Jetzt ist die Zange am Draht, Bernardo drückt die Schenkel der Zange zusammen. Es klickt einmal.

Der erste Draht ist los, Felipe reitet leise zur Seite und legt ihn vorsichtig hin, damit er nicht zurückschnellt und an die anderen beiden Drähte schlägt.

»Beeilung«, zischt Jackson scharf. »Das ist doch keine Panzertür.«

Es dauert vielleicht zwei, drei Minuten, dann haben sie den Zaun zerschnitten. Felipe aber bleibt an den drei Enden Draht hocken und wickelt einige andere kurze Enden, die er aus seiner Satteltasche nimmt, um den Draht.

Später wird er den Draht wieder anbinden. Und wer dann nicht ganz genau hinsieht, der findet den Draht um die Weide in Ordnung. Das hilft oft und macht den Vorsprung länger, der zwischen ihnen und etwaigen Verfolgern liegen kann.

Jackson reitet mit Scipio schon durch den Zaun. Sie haben alle Stricke mit, und Haley hört Jackson sagen:

»Die Gescheckte da am Wasser … nimm die beiden anderen, Scipio.«

»In Ordnung.«

Es ist, denkt Haley, als wenn sie bestelltes Vieh abholen. Dabei braucht man sie nur zu erwischen, dann …

An das, was dann passieren kann, daran denkt er nicht gern. Man sieht sich selbst ungern an einem Strick hängen, auch wenn es nur in Gedanken ist.

Die anderen verteilen sich jetzt. Es ist die Aufgabe von Angus, aufzupassen. Er sieht nichts, sooft er auch auf die Büsche am Bachsaum blickt und die Hütte beobachtet.

Nichts rührt sich.

Vier Mann sind jetzt dicht am Wasser. Und jeder holt sich, ohne dass die Tiere mehr brüllen als sonst, zwei Rinder. Dann kommt Jackson, zwei Stricke in der Hand. An jedem Strick hat er ein Rind.

»Halte sie«, sagt er knapp zu Angus. »Felipe bekommst auch noch zwei. Das sind auf jeden vierzig Dollar, der Lohn eines Monats, wenn du arbeiten würdest. Und du verdienst es hier in zwei Stunden.«

»Vier, denke ich«, erwidert Angus ruhig. »Der Rückweg …«

»Du rechnest zu viel«, brummt Jackson und dreht um, weil er noch zwei Rinder holen muss. »Du musst nie rechnen.«

Dann ist er fort, und Angus fragt sich, ob es richtig gewesen ist, mit ihnen zu reiten. Er hat schon oft auf seinen früheren Arbeitsstellen hier und da ein Maverick eingefangen, das keinen Brand getragen hat. Schließlich haben sie das alle getan. Niemand hat sich etwas dabei gedacht. Hier nun sieht die Sache anders aus, es sind Rinder, wenn auch die Arbeit fast die gleiche ist.

Vielleicht ist es eine Portion Leichtsinn, die ihn diesen Ritt mitmachen lässt. Vielleicht ist es, aber auch das Bewusstsein, kein Geld mehr zu haben und erst nach seiner Genesung zurückkehren zu können. Dazu braucht er Geld, denn Lanson ist nicht der Mann, der leicht zu finden sein wird. Es ist schließlich Lanson gewesen, der in Alpine den Streit angefangen und dann die Lampe zerschossen hat. Obwohl Angus Haley nun seit zwei Jahren mit Lanson zusammen gewesen ist – er hat ihn nicht erkannt, viel weniger richtig gekannt, aber er hat sich das einige Zeit eingebildet. Genau bis zu dem Tag, an dem sie beide nach Alpine gekommen sind. In seinem angetrunkenen Zustand hat Syd Lanson sich hingesetzt, gespielt und verloren.

Erst zu dieser Zeit hat Angus gemerkt, dass Lanson nie verlieren kann. Er hat Mühe gehabt, Lanson mit sanfter Gewalt nach draußen zu befördern. Aber kaum haben sie h der Bodega im Bett gelegen, und er war eben erst eingeschlafen, als er aufgeschreckt ist, um festzustellen, dass Lanson verschwunden war.

»Träumst du?«

Er sieht hoch und zuckt leicht zusammen. In seinen Gedanken ist er schon bei der Schießerei gewesen.

Scipio hält vor ihm, gibt ihm zwei weitere Leinen und schüttelt heftig den Kopf.

»Du kannst jetzt ruhig träumen, Mann«, sagt er heiser. »Es kann dich den Hals kosten, wenn du nicht aufpasst. He, Felipe, die Rinder.«

Felipe ist mit dem Drahtflicken fertig und kommt hastig heran. Er nimmt die Rinder mit, bindet sie an sein Pferd und wartet.

Jetzt sind auch die anderen so weit Und wenn sich auch nichts zeigt … es ist Angus in diesem Augenblick so, als wenn sie jemand die ganze Zeit beobachtet. Das Gefühl hat er auch damals in Apine gehabt.

Damals ist Lanson kurz vor ihm in den Spielsaloon gegangen und hat von der Tür aus die Lampen zerschossen. Irgendwie hat Lanson wohl seine Wut abreagieren müssen, aber wenn, dann hat sie seinem Partner Haley nichts als eine Kugel und eine Menge Ärger eingebracht. Wahrscheinlich, denkt Angus, als er die Hütte wieder im Blickfeld hat, wissen meine Leute nun, dass ich in Alpine keine fünfzehn Meilen von zu Haus entfernt gewesen und nicht zu ihnen gekommen bin. Nun ja, ich werde nie mehr nach Hause gehen, nie mehr …

Er muss unwillkürlich schlucken. Immerhin leben seine Eltern noch. Und wenn ihn auch sein Vater einen nichtswürdigen Herumtreiber und Revolverhelden genannt hat – seine Mutter wird oft an ihn gedacht haben und manche bittere Träne … Es ist wohl mit allen Müttern so auf dieser Welt.

Jackson kommt und schnalzt mit der Zunge, ein Zeichen, dass sie fertig sind. Auch Angus wendet jetzt. Er hat rechts und links ein Rind. Das ist immerhin ein gewisser Schutz gegen eine Kugel.

»Was ist mit dir los, Angus?«, fragt Jackson heiser. »Du siehst aus, als wenn du über etwas angestrengt nachdenkst. Gibt es einen Grund …«

»Nein«, erwidert Angus, der gerade durch die Zaungasse reitet. »Was für einen Grund sollte es geben?«

Es ist gut, dass er Jackson nun mehr als fünfzehn Jahre kennt. Einmal ist Clay Jackson ein kleiner, schmutziger Bengel in den Straßen von Marfa gewesen, einer Stadt, in der auch die Haleys oft zu Besuch gewesen sind. Sie haben sogar einige Zeit dieselbe Schule besucht. Und Jackson hat schon damals, er ist noch keine dreizehn gewesen, gestohlen wie ein Rabe. Wenn sie sich noch nicht gekannt hätten – Angus bezweifelt, dass irgendwer sonst in Mexiko ihn aufgenommen haben würde. Einen fiebernden, nicht mehr reit- und gehfähigen Mann, den plündert man aus, bringt ihn unter Umständen um und leert ihm die Taschen.

Unwillkürlich fasst Angus nach seiner Armkugel. Die Kugel damals hat den Arm hoch oben getroffen. Er hat den vergeblichen und schmerzhaften Versuch gemacht, sie zu entfernen, und vor Fieber und Schwäche Feuerräder vor den Augen gesehen. Irgendwo, jenseits des Rio Grande, auf seiner Flucht vor dem Gesetz ist er dann zusammengebrochen und von Jackson gefunden worden.

Er sieht sich um, Felipe spannt den Draht wieder und lacht dabei leise. Er spricht auch, ein seltsames Gemisch aus spanischen und amerikanischen Brocken, das sich belustigend anhört, obwohl ihre Situation sicher alles andere als belustigend ist.

»Werde sie haben el dolor de muelas … Zahnschmerzen«, sagt Felipe kichernd. »Sie sehen keine vaca, keine Rind. Und doch sein das Zaun heil, höhö!«

»Lach noch lauter«, sagt Bernardo mürrisch. »Komm schon, wir müssen weg, Ignacio wartet auf schöne, fette Kühe, für seine Schlachterei. Also – kommst du bald?«

»Immer drängeln«, sagt Felipe beleidigt. »Immer hastig und niemals Ruhe. Du hast doch Großmutter aus Mexiko, warum bist du so wild auf Arbeit wie Gringo, he?«

»Sag noch mal Gringo, dann hau ich dir eine in die …«, meldet sich Jackson brummend. »Siehst du was, Angus? Bleib hinten und pass auf, aber schieß nicht, hörst du?«

»Du meinst, ich bin zu schnell mit dem Schießeisen bei der Hand?«

»Das meine sicher nicht nur ich«, erwidert Clay Jackson träge. »Ich erinnere mich nur zu gut an den Tag, an dem du gerade neunzehn gewesen bist und Marton auf deinen Bruder losgegangen ist.«

»Ich habe nicht zuerst gezogen«, sagt Angus mit jener Verbissenheit, die schon seit damals in ihm ist. »Das hat schon ein anderer vor dir gesagt.«

»Ich weiß, dein Vater. Du wirst ihm das wohl nicht vergessen können, wie?«

»Nein«, sagt Angus scharf. »Lass mich in Ruhe, Clay, die Sache regt mich auf.«

»Das merkt ein Blinder, aber – immerhin bist du aus der Art geschlagen, wie? Angus, ich möchte wirklich nicht mit dir Streit bekommen.«

»Dann sei still und lass mich in Ruhe, sonst bekommst du ihn.«

Er kann sich das leisten, so zu reden. Obwohl er sonst mit seiner linken Hand schneller schießen kann – er ist mit der rechten fast genauso gut. Die Erfahrung einiger rastloser Jahre hat ihn gelehrt, beidhändig zu schießen. Damals allerdings hat er Steve Marton mit der linken Hand erschossen. Es mag der Schock gewesen sein, dass ein Mann auf ihn mit dem Revolver losgegangen ist, aber niemand hat von ihm verlangen können, dass er zusieht, wenn man seinen älteren Bruder niederschlägt.

Sein Vater allerdings hat das nie begriffen und ihn einen Mörder und Strauchdieb genannt. Mit diesen Worten, die auch die Letzten gewesen sind, die Angus jemals von ihm vernommen hat, hat er ihn aus dem Hause und von der Ranch gejagt.

Angus bleibt jetzt zurück. Er weiß, dass sie nur eine halbe Meile zu reiten brauchen, dann können sie die Rinder zu einem Block treiben und vor sich herjagen. Wenn seine Beteiligung an dieser Sache sich auch nur auf den Transport beschränkt, ist es dasselbe, als wenn er selbst gestohlen hätte. Dieser Gedanke beunruhigt ihn etwas, doch sagt er sich, dass er Geld braucht, um Lanson zu finden. Ein Mann, der Auskunft gibt, wird die linke Hand aufhalten und mit der rechten die typische Bewegung machen, die einen Geldschein in die linke Hand befördert. Er muss Lanson finden, denn Lanson hat den Mann schwer verletzt.

Wahrscheinlich haben die Leute ihn, Angus Haley, mit dem Revolver auf der Straße gesehen, als Lanson die Lampen zerschossen hat. Dann ist Wagner, der Rauswerfer des Saloons, mit einem Gewehr auf die Straße gestürzt, während Lanson an Haley vorbeigelaufen ist, um in der Gasse zu verschwinden.

Ganz ohne Grund hat Wagner auf Angus angelegt. Und Angus hat sich so schnell zu Boden werfen müssen, dass die Kugel, die sonst seinen Kopf getroffen hätte, nur seinen Oberarm erwischt hat. Auf der Straße liegen und dem verrückten Wagner zwei Kugeln um die Ohren schießen, das ist die Sache eines verzweifelten Mannes gewesen. Den dritten Schuss muss dann Lanson abgefeuert haben. Wagner ist zusammengebrochen, und jemand hat geschrien:

»Angus Haley hat Wagner niedergeschossen!«

Nun hat Angus ganz sicher gehofft, dass sich Lanson stellen und auf ihn warten würde. Mit wilden Schmerzen im Arm ist Angus durch die Gasse gerannt. Und die Leute, aus lauter Furcht vor seinem Namen, sind ihm nicht nachgekommen. Er hat sein Pferd holen können, jedoch Lanson nicht mehr gesehen. Syd Lanson, dieser feine Bursche, hat sein Heil in der Flucht gesucht und sich den Teufel um das gekümmert, was er angerichtet hat.

Angus blickt sich um, hinter ihnen kommt nichts. Sie sind nun eine halbe Meile von der Weide fort. Jackson hebt seinen Arm vorn hoch, hält, und bedeutet den anderen, die Rinder auf einen Fleck zu treiben. Dann winkt er Angus und sagt kurz:

»Ich denke, die anderen können treiben. Das ist keine Arbeit für uns beide. Wir passen auf, sie kennen den Weg ganz genau. Komm, Angus. He, Scipio, treibt sie schnell, es kann nur besser sein. Die zehn Meilen schaffen wir in drei Stunden, was?«

»Na, ich denke, es kann auch weniger sein«, brummt Scipio und steckt sich eine Zigarre an. »Haltet da hinten die Augen auf.«

Angus nimmt schweigend sein Pferd herum. Er muss etwas zu heftig mit dem linken Arm dabei ziehen und spürt sofort wieder das Stechen im Oberarm. Zwar ist das Loch geheilt, aber viel bewegen kann er den Arm nicht, dazu ist die Verletzung noch zu frisch.

»Schmerzen?«, fragt Jackson heiser. »Angus, ich verstehe dich nicht. An deiner Stelle würde ich …«

»Halt den Mund«, sagt Angus barsch. »Was ich sollte und hätte, das brauchst du mir nicht zu sagen, das weiß ich schließlich selbst. Frage du dich nur, was ein so guter Schüler, der nur so entsetzlich faul gewesen ist, hätte werden können, dann hast du genug mit dir zu tun, du Viehdieb. Komm hier herauf!«

Er lenkt nach links, Jackson sieht ihn grinsend, aber neugierig an und fragt halblaut:

»Warum links hoch?«

»Sag mal, willst du ein Viehdieb sein?«

»Weshalb? Bin ich vielleicht keiner?«

»Hör zu«, erwidert Angus trocken. »Ich kenne die Gegend hier schließlich auch, wie? Und ich meine, dass man links über dem Tal schneller vorankommt. Darum reite ich oben. Und du kommst mit.«

Einen Augenblick lang schweigt Jackson, dann sagt er seufzend:

»Ich verstehe dich nicht. Du bist der angesehene Sohn eines reichen Randlers, der Geld genug hat. Ich sage dir, ich würde an deiner Stelle zu meinen Leuten zurückgehen, als solch ein Leben zu führen. Dein Bruder wird die Harfield-Tochter heiraten, da kommt noch mehr Geld in eure Familie. Und du bist das schwarze Schaf, was? Du bist ein Idiot, ich würde zurückgehen und ganz kleine Tortillas backen.«

»Du … ich nicht. Lass mich damit in Frieden, pass lieber auf, wir sehen alles hinter uns. Wenn ich Lanson erwische, ich sage dir, ich schleife ihn nach Alpine, dort soll er reden.«

»Ich denke, Lanson ist ein schneller Mann, was? Der wird sich kaum wegschleppen lassen, um sich selbst des versuchten Totschlags anzuzeigen. Du musst nicht so viel träumen, Angus, das Leben kennst du doch. Und es ist hart … Himmel, wie hart!«

»Er ist zwar schnell, aber – er kennt mich«, sagt Angus finster. »Er wird wissen, dass ich ihn suchen werde, wie lange es auch immer dauert. Ich habe Wagner nicht mal gestreift. Über seinen Kopf hinweg habe ich geschossen. Die Kugeln müssen in der Wand des Hauses stecken.«

»Ja, ich glaube dir«, meint Jackson, »nur die anderen werden dir nicht glauben wollen. Siehst du was?«

Er blickt nach hinten, auch Angus sieht sich um, aber es kommt nichts. Der Viehdiebstahl muss unbemerkt geblieben sein.

Diese Gegend hier wimmelt seit Jahren von Viehdieben. Und wenn es auch Ranger hier gibt – die Ranger können nicht überall sein. Vor allen Dingen nicht an der Mesa de Anguila, deren Südflanke steil zum Rio Grande abfällt.

Obwohl Angus nichts sieht, hat er ein unruhiges Gefühl und blickt sich immer wieder um.

»Hast du was?«, fragt Jackson schließlich, dem dieses dauernde Umsehen auf die Nerven geht. »Warum siehst du immer nach hinten.«

»Ich weiß selbst nicht, aber ich fürchte, jemand könnte uns folgen.«

»Unsinn, die Burschen haben geschlafen, Angus.«

»Ihr habt vor einem Monat sechzehn Rinder dort gestohlen«, erwidert Angus kurz. »Wenn sie nicht ganz und gar leichtsinnig sind, dann stehen sie in der Nacht einige Male auf und sehen nach den Rindern.«

»Sie sind faul und schlafen!«

»Du meinst, wenn du faul bist, dann müssen sie es auch sein, Clay? Die Sache gefiel mir nicht, das weißt du. Ich muss Geld haben, darum bin ich mitgeritten. Eine verflixt schäbige Art, sich Geld zu verschaffen, aber – wie soll ich anders etwas bekommen?«

Sie müssen jetzt gut zweieinhalb Meilen fort sein, und Angus sieht sich erneut um.

In derselben Sekunde redet er auch schon nicht mehr weiter und bringt durch sein Schweigen Jackson zu einem schnellen Blick nach hinten.

»Was sage ich, es ist nichts«, sagt Jackson zufrieden. »Sie haben geschlafen und wälzen sich noch auf den Pritschen.«

»So?«, fragt Angus knapp und scharf. »Siehst du wirklich nichts, Clay?«

»Was … siehst du etwa … wo?«

Angus Haley blickt auf den schmalen Einschnitt über dem tiefen Tal des Terlingua Creeks hinter ihnen. Der Einschnitt mag gute anderthalb Meilen entfernt sein. Und genau dort sind sie heraufgeritten.

Jetzt steht links am Einschnitt, hochgeweht von dem Wind aus dem tiefen Tal, eine kleine, silbrig erscheinende Wolke.

»Der Einschnitt«, sagt Angus trocken, und die Unruhe ist mit einem Schlage fort. »Wir sind dort heraufgeritten … sieh genau hin.«

Clay Jackson starrt entgeistert auf die schmale Stelle weit hinten und wird steif vor Schreck.

»Mein Gott«, sagt der keuchend. »Die Wolke … . Was ist das für eine Wolke?«