Heiße Nächte in Colorado - Sherryl Woods - E-Book

Heiße Nächte in Colorado E-Book

SHERRYL WOODS

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Beschreibung

Eigentlich muss Lindsay nur beruflich nach Denver. Doch dann begegnet sie im Flugzeug einem faszinierenden Fremden, der ihr charmant sein Interesse zeigt. Spontan lässt Lindsay sich auf den heißen Flirt ein …

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Seitenzahl: 210

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Sherryl Woods

Heiße Nächte in Colorado

Roman

Aus dem Amerikanischen von Dorothee Halves

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Come Fly With Me

Copyright © 1987 by Sherryl Woods

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V.\S.à r.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Harlequin Books S.A., Andrew_mayovskyy / Thinkstock

ISBN eBook 978-3-95649-995-1

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. Kapitel

Lindsay griff zögernd nach der Tafel Schokolade, hielt dann aber inne und überlegte, ob sie nicht doch lieber die Schachtel mit den kandierten, schokoladenüberzogenen Mandeln nehmen sollte. Oder das Studentenfutter daneben? Es sah ebenfalls sehr verlockend aus.

Unschlüssig ließ sie den Blick über das reich bestückte Süßwarenregal des Flughafenkiosks wandern. Dafür, dass sie es gewohnt war, schnelle Entscheidungen zu treffen, schien dieser vergleichsweise einfache Fall sie hoffnungslos zu überfordern.

Kein Wunder, denn Lindsay war nicht nur erschöpft und überarbeitet, sondern ausgesprochen schlecht gelaunt Sie hatte eine anstrengende und ergebnislose Geschäftsreise hinter sich, einen zermürbenden Arbeitstag mit endlosen, einschläfernden Sitzungen und aufreibenden Gesprächen, und nun stand ihr auch noch dieser Wochenendtrip ins winterliche Denver bevor, von dem sie jetzt schon wusste, dass nichts dabei herauskommen würde.

Allein für dieses Unternehmen hätte Trent Langston ihr eine Gehaltserhöhung geben müssen. Eine gewaltige Gehaltserhöhung, wenn nicht gar eine Beförderung.

Da dies aber nicht geschehen war, musste zumindest sie selbst sich belohnen. Lindsay streckte die Hand nach den in Goldfolie verpackten Mandeln aus…

„Nun greifen Sie schon zu!“, ertönte plötzlich eine rauchige männliche Stimme, in der ein belustigter Unterton mitschwang. „Nehmen Sie doch beides, wenn Ihnen die Entscheidung so schwerfällt.“ Eine Hand griff Lindsay über die Schulter, nahm beide Packungen aus dem Regal und hielt sie ihr vor die Nase.

„Sie haben gut reden“, erwiderte Lindsay, ohne sich nach dem Unbekannten umzusehen. „Sie müssen ja die Kalorien nicht zählen.“

Ein leises, amüsiertes Lachen war die Antwort, ein Lachen mit einem unerhörten Sex-Appeal. „Um Ihre Figur zu ruinieren, bedarf es wohl etwas mehr als eines Stückchens Schokolade“, sagte die verführerische Stimme.

Das eindeutige Kompliment, das in dieser Bemerkung enthalten war, tat Lindsay ungemein wohl und machte sie neugierig auf denjenigen, der es ausgesprochen hatte. Sie drehte sich um und blickte in ein Paar sehr dunkle Augen, in denen unzählige Lichtfünkchen tanzten. Trotz des liebevollen Spotts, der in diesen Augen lag, schienen sie Lindsay zärtlich zu liebkosen.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und die schlagfertige Antwort, die sie sich zurechtgelegt hatte, erstarb ihr auf den Lippen. Sie löste den Blick von den Augen des Fremden und musterte ihn diskret. Er war hochgewachsen, breitschultrig und schmal in den Hüften, sein Aufzug sportlich-lässig und einfach. Die imposante Erscheinung hätte Lindsay beinahe ein bewunderndes „Oh!“ entlockt.

Der Mann sah aus, als sei er einem Reklamefoto entsprungen, das einen kernigen, athletischen und keine Gefahr scheuenden Naturburschen darstellt: blau kariertes Flanellhemd, zerschlissene Jeans, markante, entschlossene Gesichtszüge, die innere Stärke und einen festen Charakter verrieten, schwarzes dichtes Haar, das etwas länger als bei einem ordentlichen Bürger, aber dennoch gepflegt war, und eine gebräunte Gesichtsfarbe – die für die Jahreszeit ziemlich ungewöhnlich erschien.

Der braune Teint des Fremden ließ auf lange Sonnenstunden an den Stränden Hawaiis oder auf den Hängen der Rocky Mountains schließen. Seine Kleidung sprach eher für die letztere Vermutung. Lindsay war fast sicher, dass ihr ein schneebegeisterter Skiläufer gegenüberstand.

Sonderbar – eben noch war ihr beim bloßen Gedanken an die raue Bergwelt Colorados ein Schauer des Grauens über den Rücken gelaufen, und nun dachte sie plötzlich an den Duft von Kiefern und frisch gebrühtem Kaffee, der in einer abgestoßenen Emaillekanne über dem Lagerfeuer zubereitet wurde.

Wenn noch mehr solche Männer die Bergkulissen Colorados bevölkerten, dann würde sie dieses gefürchtete Wochenende vielleicht doch noch genießen.

Lindsay wunderte sich über sich selbst. Ihre ungewöhnlich heftige Reaktion auf die sinnliche Ausstrahlung dieses Unbekannten irritierte sie, und sie ertappte sich dabei, dass sie ihn noch immer mit klopfendem Herzen anstarrte. Schnell blickte sie zur Seite.

Ihre Gedanken aber machten weiterhin wilde Sprünge. Die Tatsache, dass ihre kleine, wohlgerundete Figur vor den Augen dieses Mannes bestanden hatte, versetzte sie in einen Zustand prickelnder Erregung. Etwas Angenehmeres hätte ihr in diesem Moment der Frustration und Unlust nicht widerfahren können. Ausnahmsweise haderte sie einmal nicht mit ihrem Schicksal, das ihr die Idealfigur eines hochgewachsenen, langbeinigen Mannequins versagt hatte.

Wortlos griff Lindsay nach der Tafel Schokolade, und ihre fast instinktive Geste wurde mit einem breiten, zustimmenden Lächeln quittiert. Die tiefen Grübchen, die auf den Wangen des charmanten Fremden erschienen, machten ihn noch anziehender. Lindsay konnte sich lebhaft vorstellen, dass allein dieses hinreißende Lächeln auch bei anderen Frauen außergewöhnliche Gefühle und Wünsche weckte.

Er lächelte noch immer, als er ihr die Schokolade in die Hand drückte. Ihre Hände berührten sich nur für den Bruchteil einer Sekunde, und doch fühlte Lindsay sich wie elektrisiert.

Ehe sie etwas sagen konnte, hatte der Mann sich umgewandt und ging wortlos davon. Und dann war er verschwunden – wie ein flüchtiger Traum. Nur der leichte Duft von Eau de Toilette, der noch in der Luft schwebte, bewies, dass Lindsay keinem Trugbild aufgesessen war. Sie war einem hinreißenden, außergewöhnlichen Mann begegnet Für einen winzigen Moment hatte sie sich lebendig und leicht, beinahe glücklich gefühlt Und nun spürte sie voller Beunruhigung, wie sich unvermittelt eine Leere in ihr ausbreitete – das quälende Gefühl eines Verlusts.

So etwas Verwirrendes hatte sie noch nie erlebt Sie hatte mit diesem Mann nur wenige Blicke und noch weniger Worte getauscht, und doch fühlte sie sich ohne ihn einsam. Ihr war, als hätte ein sehr vertrauter Mensch sie allzu plötzlich und unvorbereitet verlassen.

Eine Sekunde lang erwog sie, die Schokoladentafel zurückzulegen und auf die Suche nach dem schönen Fremden zu gehen, als sei er eine Art Märchenprinz, der den Schlüssel zum ewigen Glück besaß.

„Lächerlich!“, murmelte sie leise und wandte sich entschlossen dem Kioskverkäufer zu, der ungeduldig darauf wartete, dass sie endlich ihre Einkäufe bezahlte.

Lindsay zückte ihr Portemonnaie und zeigte auf die Tageszeitungen, Zeitschriften und das Wirtschaftsmagazin, die sie ausgewählt hatte. Ein schneller Griff, und zu der Tafel Schokolade gesellte sich die Schachtel mit den Mandeln. „Was macht das, bitte?“

Während Lindsay langsam zu der Abflughalle für den Flug nach Denver schlenderte, musste sie fortwährend an ihre flüchtige traumartige Begegnung denken. Noch nie hatte ein Mann sie in einem so kurzen Zeitraum derartig fasziniert und gefangen genommen.

Sie sah seine dunklen lachenden Augen vor sich, die vor Unternehmungslust sprühten und einfache harmlose Vergnügungen versprachen, die in der Hektik der Großstädte entweder arrogant belächelt wurden oder in Vergessenheit geraten waren.

Auch Lindsay hatte sich den gefühlsarmen Trends der modernen Karrierewelt verschrieben und sich in all den vergangenen Jahren erfolgreich eingeredet, dass ihr in ihrem Leben nichts fehlte. Dieser Mann aber hatte verschüttete Sehnsüchte in ihr geweckt, die sie längst überwunden glaubte.

Als Anwältin einer großen Filmgesellschaft hatte sie tagein, tagaus mit Männern zu tun, die zwar intelligent, geistreich und auf ihre Weise nicht minder attraktiv waren als der ominöse Fremde. Aber die meisten dieser Herren waren egozentrische Kindsköpfe, die ständig nach Aufmerksamkeit verlangten und uneingeschränkt vergöttert werden wollten. Kein einziger von ihnen hatte je auch nur einen Funken jener erotischen Ausstrahlung ausgestrahlt, mit der dieser eher raubeinig wirkende Fremdling Lindsay verzaubert hatte. Ein Blick von ihm hatte genügt, um Empfindungen in ihr wachzurufen, die sie noch nie in ihrem Leben verspürt hatte. Eine einzige flüchtige Berührung hatte es vermocht, sie mit einem schmerzlichen sinnlichen Begehren zu erfüllen.

Es war, als meldeten ihr Körper und ihre Weiblichkeit nach neunundzwanzig Jahren disziplinierten, strikt durchorganisierten und erfolgsgekrönten Lebens urplötzlich und fordernd ihre Rechte an, die bisher vernachlässigt wurden.

Lindsay war ihrem Traummann begegnet. Einem Traum-Mann im wahrsten Sinne des Wortes. Denn war er nicht aus ihrem Leben verschwunden, kaum dass sie ihm begegnet war? Sie stieß einen resignierten Seufzer aus.

Tabor! schalt sie sich im Stillen. Deine Tagträume sind gefährlich! Wahrscheinlich leidest du unter akutem Schlafmangel – sonst würden deine Gedanken nicht verrücktspielen. Traummann – das ist doch absurd …!

Die pausenlose Fliegerei schadet offensichtlich meiner Gesundheit, dachte Lindsay, als sie die Wartehalle betrat. Allein in der letzten Woche war sie zweimal quer über den Kontinent geflogen. Vermutlich konnte sie wegen der schlechten Sauerstoffversorgung auf den Langstreckenflügen nicht mehr vernünftig denken …

Sie lächelte in sich hinein. Vielleicht waren ihre Sinne nur noch fähig, auf starke Reize wie nachtschwarze Augen und erotisierende Wangengrübchen zu reagieren …

Kein allzu schreckliches Schicksal, dachte sie, wenn es mit so angenehmen Gefühlen verbunden ist. War es nicht tausendmal erfreulicher, einem Phantom in Jeans und kariertem Holzfällerhemd nachzuträumen, als einem exaltierten Verrückten hinterherzujagen, der nicht den geringsten Wert auf ihren Besuch legte?

Aber unseligerweise wurde sie nun einmal für diesen Job und nicht für ihre Tagträumereien bezahlt. Sie musste ihre Mission erfüllen, ob sie wollte oder nicht.

„Schade!“, murmelte Lindsay ziemlich laut. Dann suchte sie sich einen Platz und entfaltete seufzend das „Wall Street Journal“.

Lindsay hatte alle Mandeln verzehrt, sich die Hälfte der Schokolade einverleibt und sich durch die erste Seite ihrer Zeitung gearbeitet, als eine Lautsprecherstimme verkündete, dass die Maschine nach Denver sich wegen Nebels erheblich verspäten würde.

„Verehrte Fluggäste – wir bedauern diese unvorhergesehene Verzögerung und bitten Sie um Ihr Verständnis. Sobald der Flugplatz von Denver wieder geöffnet wird, geben wir die neue Abflugzeit bekannt. Bitte achten Sie auf die Lautsprecherdurchsagen.“

Lindsay stöhnte auf. Oh nein! Nicht schon wieder – bitte nicht! Flugverspätungen waren bei Leuten, die geschäftlich viel unterwegs waren, zwar an der Tagesordnung, doch Lindsay konnte sie noch immer nicht gelassen hinnehmen. Störungen dieser Art bedeuteten nicht nur Zeitverlust und nervtötendes Warten – sie weckten vor allem stets von Neuem Lindsays mühsam verdrängte Angst vorm Fliegen.

Diesmal war sie besonders aufgebracht. Eine Flugverspätung fehlte ihr noch zu ihrem ohnehin verpatzten Wochenende. Sie verfluchte nachhaltig ihren Chef, der ihr diese völlig sinnlose Reise zumutete.

Denver. Das bedeutete Schnee, Eis und Kälte. Und es bedeutete, mit einem gesprächsunwilligen Exzentriker zu verhandeln, der klar und deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass er von dem Angebot ihrer Firma nichts wissen wollte. Wie ihr vor diesem Mann graute!

Wieso bildete sich Trent Langston eigentlich ein, dass ausgerechnet sie David Morrow zu einem Vertragsabschluss überreden könne, wenn es nicht einmal dessen eigenem Agenten gelungen war?

Langston schien sich tatsächlich Erfolg von diesem unangekündigten Hausbesuch zu versprechen, während sie, Lindsay, nicht die geringste Chance sah, zumal Morrow auf seinem eigenen Grund und Boden in einer weitaus stärkeren Position war.

„Wir verschwenden nur unsere Zeit“, hatte sie zu protestieren versucht.

„Unsinn! Sie werden ihn umstimmen“, hatte der Chef im Brustton der Überzeugung erklärt. „Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen, Lindsay.“

„Wie und womit soll ich ihn denn umstimmen?“, hatte sie aufgebracht entgegnet. „Er hat sämtliche Angebote ausgeschlagen, wie Sie wissen. Weder will er mehr Geld, noch ist er an einer Limousine mit Chauffeur interessiert. Auch mit der Luxus-Suite am Drehort inklusive weiblicher Betreuung rund um die Uhr konnten Sie ihn nicht locken.“

„Sie meinen: inklusive einer persönlichen Sekretärin“, hatte Langston sie korrigiert.

„Okay – also eine Sekretärin“, hatte Lindsay grimmig eingeräumt „Wie dem auch sei – der Vertragsentwurf für Mister Morrow ist ein Zuckerstückchen, nach dem sich jeder andere Autor die Finger lecken würde. Aber die entscheidende Klausel fehlt, und auf die hat der Mann es vermutlich abgesehen. Wenn Sie Morrow nicht die künstlerische Kontrolle über den Film überlassen, Trent, dann sehe ich keine Chance für einen Abschluss. Wie soll ich den Mann denn herumkriegen?“

„Mit Ihrem Lächeln, Lindsay. Sie müssen viel lächeln.“

„Vielen Dank für den Tipp!“, hatte sie Langston ärgerlich angefaucht. „Diese Methode, für die ich übrigens kein Jurastudium gebraucht hätte, habe ich bereits bei Morrows Agenten ausprobiert. Mit dem Ergebnis, dass der Kerl mir seine signierten Picasso-Drucke zeigen wollte. In seiner Wohnung in Monte Carlo, wohlgemerkt.“

„Es wäre bestimmt eine hübsche Reise geworden …“

„Ach Trent, gehen Sie zum Kuckuck!“

„Nur, wenn Sie nach Denver fahren.“ Trent Langston hatte sie mit seinem bohrenden Blick angesehen. „Ich will, dass Morrow dieses Drehbuch für uns schreibt, Lindsay!“

Sie hatte sich schließlich ins Unvermeidliche gefügt. Und nun saß sie hier auf dem Flughafen von Los Angeles fest, an einem kostbaren Freitagabend, wo andere Leute ausgingen und sich amüsierten. Wie hatte sie sich darauf gefreut, ihre müden Glieder in ein duftendes Schaumbad zu tauchen, ihren erschöpften Körper ausgiebig zu verwöhnen und ein Wochenende voller Nichtstun zu genießen!

An Tagen wie diesem bereute sie es manchmal, dass sie ins Showgeschäft gegangen war, statt in einer ruhigen Anwaltskanzlei in der Provinz einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Aber zum Glück waren solche Momente der Reue selten. Meistens fand sie es aufregend und interessant, in der Unterhaltungsindustrie zu arbeiten, und auch diesen unangenehmen Auftrag würde sie irgendwie hinter sich bringen.

Noch mindestens eine Stunde Wartezeit! Seufzend raffte Lindsay ihre Zeitungen zusammen und machte sich auf den Weg zum Flughafencafé. Jetzt erst, nachdem sie ein Weilchen gesessen hatte, merkte sie, wie sehr ihre Füße schmerzten.

Kein Wunder – nach diesem nervenaufreibenden Sechzehnstundentag, in dessen Verlauf sie in den weitläufigen Etagen des Bürohochhauses von Langston GmbH und auf dem Gelände der Filmstudios etliche Kilometer zurückgelegt hatte. Und das in nicht allzu bequemen Pumps.

In der Cafeteria setzte Lindsay sich in die erstbeste freie Nische und streifte sich sofort die Schuhe von den Füßen. Welch eine Wohltat, was für ein himmlisches, befreiendes Gefühl! Sie schloss die Augen und lehnte sich aufatmend zurück.

„Stehen Sie auf“, befahl eine Stimme, die ihr merkwürdig bekannt vorkam. Ihr Herz begann zu rasen. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie öffnete die Augen. Er war es.

„Stehen Sie auf“, sagte er noch einmal, diesmal allerdings in wesentlich sanfterem Ton. Seine Aufforderung war von einem Lächeln begleitet, das einen Kinosaal voller Frauen schwach gemacht hätte.

„Seien Sie vorsichtig!“, warnte sie. „Sie wissen nicht, was Sie sagen.“

„Wieso?“

„Weil meine Füße wahrscheinlich abfallen würden und Sie mich notgedrungen zu meiner Maschine tragen müssten.“

Er maß sie mit einem kurzen abschätzenden Blick und grinste. „Kein Problem“, lautete sein Kommentar.

„Komisch – ich dachte mir, dass Sie das sagen würden“, brummte Lindsay, die sich natürlich nicht von ihrem Platz rührte. In Gedanken malte sie sich aus, wie der Fremde in der Bergeinsamkeit von Colorado Holzstämme von der Stelle bewegte, die dreimal größer und schwerer waren als sie.

„Aber ganz davon abgesehen würde mich interessieren, weshalb ich aufstehen soll.“

„Weil ich gern sehen möchte, ob die Schokolade großen Schaden angerichtet hat .Sie haben sie sicher schon verputzt, oder nicht?“

„J … ja, fast“, gab Lindsay verschämt zu.

„Und? Hat sie geschmeckt?“

„Und ob! Jeder Bissen war die Sünde wert.“

Sein Blick schweifte über die leere Tischfläche. „Und nun scheinen Sie sich durch strenges Fasten zu bestrafen. Habe ich recht?“

Lindsay lachte. „Nein. Ich habe mich mit letzter Kraft in diesen Stuhl fallen lassen und konnte mich noch nicht aufraffen, ans Buffet zu gehen und mir eine Tasse Kaffee zu holen.“

„Wie möchten Sie ihn? Mit Milch und Zucker oder schwarz?“

„Schwarz“, antwortete Lindsay abwesend.

„Dachte ich mir’s doch! Bleiben Sie sitzen, ich bin gleich wieder da.“ Im ersten Moment wollte Lindsay protestieren und ihn zurückhalten. Sie griff in ihre Handtasche, um ihr Portemonnaie hervorzuholen und dem Mann zumindest Geld mitzugeben.

Unsinn! dachte sie dann. Man durfte es mit der Emanzipation nicht übertreiben, schon gar nicht in einer Situation wie dieser. Zudem war sie sicher, dass dieser Mann ungeachtet ihrer Proteste auf seinem Kavaliersdienst bestanden hätte. Er hatte anscheinend beschlossen, sie unter seine Fittiche zu nehmen.

Lindsay nutzte seine Abwesenheit, um sich unauffällig die Füße zu massieren und sie dann wieder in die Schuhe zu zwängen. Die wenigen Minuten unerwarteter Freiheit hatten ihre Füße so stark anschwellen lassen, dass sie kaum noch in die schmalen Pumps passten.

Ich werde auf Strümpfen zum Flughafen laufen, dachte sie, oder mich von meinem ritterlichen Helden tragen lassen.

„Sie schmunzeln – was gibt es denn so Komisches?“, drang die Stimme des Fremden wie aus weiter Feme zu ihr.

Lindsay errötete. „Nichts. Gar nichts.“

„Jedenfalls nichts, was Sie für mitteilenswert halten“, berichtigte er. Er stellte das Tablett auf den Tisch und setzte sich ihr gegenüber.

„So ist es“, stimmte sie ihm zu. „Vielen Dank übrigens für den Kaffee.“

„Oh, nichts zu danken. Hoffentlich bringt er Sie wieder auf die Beine.“

Lindsay lachte und beobachtete mit wachsendem Staunen, wie der Fremde eine Zuckertüte nach der anderen aufriss und in seine Tasse leerte. Sosehr sie Schokolade liebte, so heftig verabscheute sie puren Zucker. Die Geschmäcker waren eben verschieden.

Nachdem er sein Gemisch gründlich umgerührt und den ersten Schluck getrunken hatte, sah er Lindsay mit dem ihr nun schon vertrauten liebevoll-spöttischen Lächeln an. „Verraten Sie mir eins: Verbringen Sie Ihre Freitagabende immer in Flughafenhallen?“

„Sooft ich kann“, erwiderte sie trocken. „Ich sehe für mein Leben gern Flugzeuge starten und landen.“

„Ein sehr interessanter Zeitvertreib“, bemerkte er mit unbewegter Miene. „Darf ich Ihnen einen bescheidenen Rat geben?“

„Selbstverständlich.“

„Nehmen Sie einen Platz am Fenster. Dort hätten Sie einen etwas besseren Blick.“

Mit gespielter Überraschung sah Lindsay ihn an. „Donnerwetter! Dass ich darauf noch nicht von selbst gekommen bin!“

„Nun geben Sie es schon zu – Sie sind hier, um sich einen attraktiven Herrn zu angeln und sich zum Wochenende an einen exotischen Ort einladen zu lassen.“

„Verflixt! Woher wissen Sie das?“ Lindsay riskierte einen verführerischen Augenaufschlag. „Darf ich fragen, wohin Sie reisen?“

„Nach Hause.“

„Nehmen Sie mich mit?“

Sein langer weicher Blick sprach Bände. „Das ist ein sehr verlockender Vorschlag“, sagte er leise. Der warme Klang seiner Stimme umhüllte Lindsay wie eine intime zärtliche Liebkosung.

Lindsays Puls raste. Das Blut brannte wie Feuer in ihren Adern. Ein harmloses Spielchen war plötzlich in Ernst umgeschlagen. Eben noch hatten sie herumgealbert – und nun…

Ja, was denn eigentlich? Wie kam sie darauf, dass sich etwas geändert haben sollte? Zwei Menschen vertrieben sich die Wartezeit mit einem nichtssagenden Wortgeplänkel – das war alles.

Wo gab es das, dass wildfremde Reisende, die sich zufällig über den Weg liefen, beschlossen, zu einem der beiden „nach Hause“ zu fliegen?

Lindsay fühlte den Blick des Fremden auf sich gerichtet Als sie das Gesicht hob und in seine dunklen, unglaublich weichen und schönen Augen blickte, wurde sie unsicher. War es vielleicht doch kein Spiel?

„Sie trinken Ihren Kaffee ja gar nicht“, sagte er ruhig. Lindsay griff geistesabwesend nach ihrer Tasse. Ihre Hand zitterte leicht.

Wenn er darüber auch nur eine einzige Bemerkung macht, bekommt er den Kaffee ins Gesicht geschüttet! dachte sie wütend. Wie kam er dazu, sich derart aufdringlich in ihr Leben zu drängen!

Aber ihn trifft doch keine Schuld! gestand sie sich ein. Konnte er etwas dafür, dass sie sich in einem alarmierenden nervlichen Zustand befand? Dass sie müde, erschöpft, mit den Nerven am Ende war? Nein, dieser Mann war vollkommen unschuldig.

Lindsay überlegte, seit wann sie sich so merkwürdig fühlte. Konnte es an der Schokolade oder an den Mandeln liegen? Vielleicht waren sie nicht mehr frisch gewesen.

Nein! Die sonderbare Veränderung hatte sich just in dem Moment vollzogen, als sie zum ersten Mal in diese fremden schwarzen Augen geblickt hatte.

Es lag also doch an ihm, dass ihre Sinne sich binnen einer Stunde auf bedenkliche Weise verwirrt hatten. Einen Vorwurf konnte sie ihm jedoch kaum machen.

„Wann geht Ihr Flug?“, fragte Lindsay, voller Hoffnung auf einen baldigen Abschied.

„Noch lange nicht. Wir haben genug Zeit, um uns über die guten alten Zeiten zu unterhalten und Erinnerungen aufzuwärmen.“

„Gute alte Zeiten? Erinnerungen?“, wiederholte sie perplex. Sie verstand überhaupt nichts mehr! War sie im Begriff, verrückt zu werden, oder hatte sie in der gefühlsarmen und vernunftbetonten Welt der Bilanzen, Produktionsziffern und Wirtschaftstrends verlernt, die feineren und manchmal poetischen Zwischentöne zu verstehen?

Auf jeden Fall hatte sie Schwierigkeiten, den Gedankengängen ihres Gegenübers zu folgen.

„Nun – wir haben uns eine Ewigkeit nicht gesehen“, erklärte er. „Wie ist es Ihnen in der letzten Stunde ergangen? Was haben Sie erlebt?“

Lindsay sah ihn unsicher an und fragte sich, ob er unter einer ähnlichen nervlichen Störung litt wie sie selbst. In seinem Gesicht konnte sie keine ungewöhnlichen Anzeichen entdecken. Sie blickte in Augen, die sie wach und ruhig, ein wenig amüsiert und – sehr interessiert ansahen.

„Haben Sie mich vermisst?“, fragte er lächelnd.

„Nicht im Geringsten“, erwiderte Lindsay kühl. Seine bestürzte Miene jedoch ließ ein Gefühl der Reue aufkommen. „Entschuldigung“, hörte sie sich sagen, „ich wollte Sie nicht kränken.“ Sie nippte an ihrem Kaffee. „Und Sie – haben Sie mich vermisst?“, fragte sie, ohne sich etwas dabei zu denken. Aber kaum hatte sie diese belanglosen Worte ausgesprochen, merkte sie zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie seiner Antwort entgegenfieberte.

„Ja. Ich habe Sie schrecklich vermisst“, sagte er voller Ernst.

Ehe Lindsay in spöttisches Lachen ausbrechen konnte, begegnete sie seinem Blick, und ihre Heiterkeit verwandelte sich unvermittelt in ein Gefühl prickelnder Erregung. Da war es wieder – jenes beunruhigende Kribbeln in der Magengrube, dieses nagende Verlangen, dieser Schmerz tief in ihrem Innern, der sich wie eine Welle in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Wieder klopfte ihr Herz wie wild.

Der Mann war zu viel – einfach zu viel…

Oder reagierte sie nur deshalb übermäßig heftig, weil die Warterei auf das Flugzeug an ihren Nerven zerrte und sie frustriert war?

War es vielleicht mehr als nur das Warten auf den Flug? War ihr ganzes Leben eine einzige Frustration? Hatte sie das Wesentliche versäumt?

Dieser Verdacht brach so unvermittelt in ihr auf, dass es ihr den Atem nahm. Sie hob zögernd den Blick und sah schnell wieder zur Seite, denn er fixierte sie noch immer.

Diese magischen schwarzen Augen …

Undeutlich hörte Lindsay eine Lautsprecherdurchsage, die sie zum Vorwand nahm, sich davonzumachen. „Mein Flug“, sagte sie und stand hastig auf. „Ich glaube, mein Flug ist aufgerufen worden.“

Sie streckte ihm die Hand hin. „Nochmals vielen Dank für den Kaffee.“

Sein warmer Händedruck, der lächelnde Mund, die hinreißenden Grübchen, die dunklen Augen mit dem spöttischen Funkeln … Lindsay wurde von einem Taumel ergriffen, als sie sich von dem Fremden verabschiedete. Es müsste sein. Jetzt und für immer.

„Gern geschehen, Rotschopf“, sagte er zärtlich und ließ nach zwei endlosen Sekunden ihre Hand los.

Lindsay stürmte hinaus, zwang sich, ihre Konzentration auf die Sache zu lenken, derentwegen sie hier war: auf ihren Flug nach Denver. Kopflos rannte sie den Gang entlang, als wäre der Teufel hinter ihr her.

„Hey …!“

Sie blieb stehen und drehte sich um. Dort stand er, lächelnd, die Hand zum Gruß erhoben. Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu. Allein dieses lässige, charmante, unverwechselbare Zwinkern hätte genügt, um jede Frau aus der Fassung zu bringen.

„Bis zum nächsten Mal, Rotschopf“, rief er, „dann essen wir in aller Ruhe den Kuchen.“

2. Kapitel

„Was sagen Sie da? Sie haben keinen Platz mehr auf einer anderen Maschine?“

Die Angestellte hinter dem Buchungsschalter schüttelte bedauernd den Kopf, doch um Lindsay ihren guten Willen zu beweisen, befragte sie noch einmal ihren Computer. „Nein, Miss Tabor, tut mir leid.“

„Ich muss aber unbedingt morgen früh geschäftlich in Denver sein“, erklärte Lindsay und bemühte sich diesmal um einen höflicheren Ton. Was konnte die arme Person dafür, dass der Flug annulliert war? Es war unfair, dass sie ihre schlechte Laune ausgerechnet an ihr ausließ. Schließlich stand noch eine lange Schlange anderer Fluggäste hinter ihr, die alle dasselbe Problem hatten wie sie und die junge Frau gleichfalls ins Schwitzen bringen würden.

„Heute Abend geht nur noch eine Maschine nach Denver“, sagte die Angestellte, „aber die Touristenklasse ist total ausgebucht.“

Lindsay horchte auf. „Haben Sie denn in der ersten Klasse noch etwas frei?“, fragte sie hoffnungsvoll. Normalerweise gestattete sie sich diesen Luxus nie. In ihren Augen war es absolute Geldverschwendung, erster Klasse zu fliegen, obwohl die Langston GmbH reich genug gewesen wäre, um sich eine eigene Luftflotte zu leisten. Dies aber war ein Ausnahmefall, der noch dazu auf das Konto von Trent Langston ging. Sie dachte nicht daran, für ihren Chef zu sparen.

Und außerdem – warum sollte sie sich nicht einmal verwöhnen lassen? Dies würde ihr fünfter Flug in einer Woche sein. Seit Tagen hatte sie nicht mehr richtig geschlafen oder vernünftig gegessen. Das letzte Mal, dass sie gepflegt gespeist hatte, war vor fünf Tagen gewesen – in einem der besten italienischen Restaurants von New York.

Aber nicht einmal jenen Abend hatte sie genießen können, denn die plumpen Annäherungsversuche von Moris Samuels hatten ihr den Genuss der vorzüglich zubereiteten Pasta verleidet. David Morrows’ Agent hatte sie mit dem anzüglichen Spiel seiner Knie und Hände so bedrängt, dass sie vor lauter Verteidigungsmanövern kaum einen Bissen von den Spaghetti Primavera genossen hatte. Seitdem hatte sie sich hauptsächlich von Sandwiches und Kaffee ernährt. Und von Schokolade … Ein Lächeln huschte über Lindsays Gesicht, denn unwillkürlich schweiften ihre Gedanken wieder zu dem mysteriösen Traummann im Holzfällerhemd. Plötzlich fühlte sie sich heiter und gelöst.

Als die Angestellte vom Monitor ihres Computers aufsah, strahlte Lindsay sie freundlich an. „Nun, wie sieht es aus?“

„Ein Platz ist noch frei.“ Auch die Stimme der Angestellten klang erleichtert.