Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Fitzpatricks sind eine kunterbunte Familie aus Boston, die nicht nur mit irischem Temperament gesegnet ist, sondern die auch in ein Liebeschaos nach dem anderen stolpert. Immerhin haben die fünf Geschwister allesamt eigene Vorstellungen von Beziehungen - meistens zum Leidwesen ihrer Mom, die ihre Kinder nur allzu gerne in festen Händen sähe. Zwischen Familienreibereien, Dramen und sonntäglichen Familienessen verlieben sich die Brüder Heath, Shane, Ryan und Kyle sowie die einzige Schwester Kayleigh nach und nach, jedoch stehen ihnen allen diverse Verwicklungen im Weg. Wie es die Feuerwehrmänner, Polizisten und Ärzte schaffen, ihr Liebesglück zu finden, ist in diesem Sammelband zu lesen. Der Sammelband enthält folgende Romane: "Brandheiße Küsse", "Draufgängerische Küsse", "Chaotische Küsse", "Prickelnde Küsse" und "Charmante Küsse"
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 1360
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Title Page
Brandheiße Küsse (Band 1)
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Epilog
Draufgängerische Küsse (Band 2)
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Epilog
Chaotische Küsse (Band 3)
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Epilog
Prickelnde Küsse (Band 4)
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
Epilog
Charmante Küsse (Band 5)
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
Epilog
Exklusive Leseprobe aus „Geheimzutat Liebe“
Weitere Romane von Poppy J. Anderson
Impressum
Liebesroman
Heldenhafte Küsse
Poppy J. Anderson
Sammelband
1. Auflage Dezember 2016
Copyright © 2016 by Poppy J. Anderson
Covergestaltung: Catrin Sommer rausch-gold.com
Unter Verwendung von © YurkaOmmortal – shutterstock.com © KoQ Creative – shutterstock.com ©Nejron Photo – shutterstock.com © Oxlock – shutterstock.com © GooDAura – fotolia.com © Minerva Studio – fotolia.com © Aila Images – shutterstock.com © VladFree – shutterstock.com
Korrektorat: SW Korrekturen e.U
www.poppyjanderson.de
Besuchen Sie mich auf Facebook:
www.facebook.com/pages/Poppy-J-Anderson
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.
Heath Fitzpatrick öffnete mühsam die Augen und bereute dies im gleichen Moment, als gleißendes Tageslicht seine Pupillen zum Explodieren zu bringen schien. Stöhnend vergrub er das Gesicht in seinem Kopfkissen, das nach einer Mischung aus schalem Bier, übelkeitserregendem Tequila und Sangria roch, die ihm, kaum dass er daran gedacht hatte, die Speiseröhre wieder hochzukommen schien.
Während sein Schädel dröhnte und er darum betete, in ein Koma zu fallen, damit er weder diese grauenvolle Übelkeit noch alle anderen Symptome des schlimmsten Katers seines Lebens erdulden musste, klingelte es wieder Sturm an seiner Tür.
Genervt drehte er sich auf den Rücken, stach sich dabei die Fernbedienung in die Nieren und presste sich das Kopfkissen vors Gesicht. Bewegungslos und schnaufend blieb er auf seiner Klappcouch liegen und dachte darüber nach, dass sowohl er als auch das gammelige Sofa eine ordentliche Wäsche gebrauchen konnten. Jedenfalls stanken sie beide zum Himmel und mussten einer wie der andere einen miserablen Eindruck machen.
Da das herrische Klingeln kein Ende zu nehmen schien, warf er das Kissen beiseite und kämpfte sich hoch. Beinahe wäre er auf einer alten Pizzaschachtel ausgerutscht, als er barfuß und unter Schmerzen durch das Ein-Zimmer-Apartment trottete, das glücklicherweise nicht weit entfernt von seinem Arbeitsplatz lag. Unglücklicherweise war das Haus, in dem sich sein Apartment befand, in der unmittelbaren Nähe der Hauptstraße und der Bahngleise gelegen, so dass er neben dem ständigen Geruch von Curry aus dem indischen Restaurant unter seiner Wohnung auch noch permanenten Krach ertragen musste.
Vor allem jetzt hallte die Geräuschkulisse von der Straße unangenehm in seinem Kopf wider, obwohl die Fenster geschlossen waren. Die geschlossenen Fenster waren auch ein Grund für den furchtbaren Gestank in der winzigen Bude, die er seit einigen Wochen bewohnte. Im Vergleich zu dem schönen Haus, das er in den vergangenen zwei Jahren mühsam restauriert hatte, konnte das grauenvolle Apartment nur verlieren. Nicht, dass er sich darum kümmern würde. Ihm war schon seit einiger Zeit alles egal. So war auch der Krach, dem er tagtäglich ausgesetzt war, lediglich ein unbedeutender Störfaktor. Da Heath abends den Fernseher auf volle Lautstärke stellte und sich volllaufen ließ, wenn er am nächsten Morgen keine Schicht hatte, störte ihn das Geräuschchaos überhaupt nicht.
Erschöpft rieb er sich über das Gesicht, entfernte die Türkette und starrte mit finster zusammengezogenen Augenbrauen in besorgte blaue Augen, die er allzu gut kannte.
Zu der Übelkeit, die er seinem Alkoholkonsum zuzuschreiben hatte, kam nun das Gefühl hinzu, dass jemand ihm die Luft abschnürte und ihm einen Faustschlag in den Magen verpasste. Seit drei Monaten wiederholte sich nun das Spiel, sobald sich diese blauen Augen auf ihn richteten.
Mit einer grauenvoll heiseren Stimme fragte er düster: „Was willst du hier?“
„Dumme Frage.“ Die blauen Augen verdrehten sich, bevor die Besitzerin des hübschen Augenpaares sich einfach an ihm vorbei in die Wohnung quetschte. „Himmel! Wie sieht es denn hier aus?“
Heath antwortete nicht, sondern warf die Wohnungstür zu und folgte seinem ungebetenen Besuch in das einzige Zimmer seiner Wohnung. Im Gegensatz zu ihm sah sie frisch, sauber und überhaupt nicht verkommen aus. Adrett wie eh und je hielt sie ihre Tasche vor ein rot-weiß gemustertes Kleid, sah sich in seiner katastrophalen Bude um und schnitt eine Grimasse, die dem hübschen Ausdruck ihres Gesichts jedoch nicht schadete. Er riss sich von ihrem Anblick los, ignorierte das perfekt frisierte blonde Haar und achtete nicht auf das schmerzhafte Ziehen in seiner Brust.
„Willst du ein Bier?“
„Heath, so kann das doch nicht weitergehen.“
„Also kein Bier.“ Er zuckte mit der Schulter und wandte sich der Kochnische zu, um dort die Kühlschranktür zu öffnen und eine Flasche Wasser herauszunehmen, nachdem er bemerkt hatte, dass kein Bier mehr da war. Den letzten Sechserpack hatte er zusammen mit einer halben Flasche Tequila am letzten Abend vernichtet. Die nun leere Tequilaflasche lag auf dem fleckigen Teppich neben dem Klappsofa und verströmte einen widerlichen Geruch. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass seine Wohnung aussah, als hätte er eine sechsköpfige Rockband zu Gast gehabt, schließlich schüttelte sie unmerklich den Kopf und presste die Lippen aufeinander.
Er lehnte sich gegen die wackelige Spüle, öffnete die Flasche und trank den Inhalt in beinahe einem Zug aus. Die ganze Zeit über war er sich bewusst, dass sie ihn musterte, wie er verkatert, nur in Boxershorts bekleidet und mit zerzaustem Haar vor ihr stand.
Sobald er die Flasche absetzte und sah, wie sie sich bückte, um die leere Pizzaschachtel sowie einen dreckigen Teller aufzuheben, runzelte er finster die Stirn. „Was tust du da, Hayden?“
„Es sieht hier aus wie in einem Schweinestall. Das bist doch nicht du.“
„Ich wüsste nicht, dass ich dich nach deiner Meinung gefragt hätte.“
„Das musst du auch nicht.“ Sie schüttelte unglücklich den Kopf, was in Heath den Wunsch auslöste, beschämt den Blick zu senken und gleichzeitig mit der Faust gegen die fleckige Wand neben sich zu schlagen. Er wollte Hayden nicht hier haben, er wollte sie nicht sehen, nicht ihre Stimme hören und nicht an sie denken. Er wollte überhaupt nicht mehr denken – an nichts. Seit drei Monaten bemühte er sich darum, alles zu vergessen, was passiert war, aber wie sollte das funktionieren, wenn Hayden bei ihm auftauchte und ihn so verdammt verständnisvoll und mitleidig mit ihren blauen Augen ansah?
Er räusperte sich. „Was tust du eigentlich hier? Müsstest du nicht bei der Arbeit sein?“
„Es ist Sonntag“, erwiderte sie mit einem eindeutigen Blick. „Du warst schon wieder nicht in der Kirche, Heath. Pater Brady hat nach dir gefragt ...“
Dass sich selbst der Pastor ihrer Gemeinde um sein Seelenheil sorgte, rang ihm ein amüsiertes Lächeln ab, auch wenn ihm nicht wirklich zum Lachen zumute war.
Hayden schien dies ganz ähnlich zu sehen. „Das ist nicht komisch, Heath. Deine Mom macht sich furchtbare Sorgen um dich ... Ich mache mir furchtbare Sorgen.“
„Mir geht’s blendend. Siehst du das nicht?“
„Nein, das sehe ich nicht“, widersprach sie und legte die Pizzaschachtel sowie den dreckigen Teller auf einen Beistelltisch, auf dem sich Zeitschriften sowie eine leere Essenspackung vom Chinesen tummelten. „Du siehst grauenvoll aus, du lebst in einer Absteige und selbst deine Brüder haben seit Ewigkeiten nichts von dir gehört! Nicht einmal mit Kayleigh sprichst du mehr.“
„Ich habe zu tun.“ Angriffslustig schob er das Kinn nach vorne.
Aufgebracht ließ sie ihre Handtasche auf die schmuddelige Klappcouch fallen, bevor sie hilflos die Hände hob. „Erzähl doch keinen Mist, Heath. Seit Wochen hast du dich weder beim Bowlen noch beim Basketball blicken lassen, stattdessen verbringst du deine Zeit bei O’Rearys und lässt dich dort volllaufen ...“
„Spionierst du mir etwa nach?“
„Wie soll ich dir nachspionieren, wenn deine Freunde auch meine Freunde sind? Alle fragen mich, was mit dir los ist, und erzählen mir, dass sie dich betrunken im Pub gesehen haben. Auch deine Familie ruft mich an, weil sie dich nie erreichen können.“
„Hayden, wir sind getrennt“, antwortete er mit lahmer Stimme. „Ich brauche weder deine Sorge noch deine Hilfe. Du musst auch nicht den Telefondienst für mich spielen.“
„Du verdammter Idiot“, brach es aus ihr heraus. „Denkst du etwa, ich wüsste nicht, was du durchmachst? Joseph war auch mein ...“
„Nein, du weißt gar nichts!“ Wütend fiel er ihr ins Wort und ballte beide Hände zu Fäusten. „Könnt ihr mich nicht alle in Ruhe lassen?“
„Deine Familie macht sich Sorgen um dich!“
„Meine Familie erstickt mich. Du erstickst mich, Hayden!“ Er biss die Zähne zusammen. „Deshalb brauche ich Abstand, aber das scheint niemand von euch zu verstehen!“
Ihr bleiches Gesicht sprach Bände. „Du machst dich noch kaputt. Sollen wir etwa tatenlos zusehen, wie du dich zugrunde richtest?“
„Ich habe es dir schon vor zwei Monaten gesagt, Hayden“, entgegnete er mühsam beherrscht. „Wir sind getrennt und mein Leben geht dich nichts mehr an.“
Sie ging nicht einmal auf seinen Kommentar ein. „Du steckst in einer Krise, dafür haben wir alle Verständnis ...“
Mit einem abfälligen Schnauben fragte er: „Auch Shane? Ich habe nicht den Eindruck, dass er für mich Verständnis hätte.“
Hayden fasste sich ins Gesicht, während sie unglücklich hervorbrachte: „Deinem Bruder geht es ebenfalls miserabel. Dass er sich neben all dem Kummer auch noch Sorgen um dich machen muss, nimmt ihn mit, Heath. Wieso sprichst du nicht mit ihm?“
„Weil er nicht mit mir sprechen will.“
Sie knirschte mit den Zähnen. „Die Fitzpatricks sind verdammt sture Idioten! Ihr alle miteinander. Ich habe keine Ahnung, wie es deine Mutter geschafft hat, vier derart widerspenstige Söhne und eine nicht weniger sture Tochter zu ertragen.“
„Wenn das alles war, was du mir sagen wolltest ...“
„Ich bin noch lange nicht fertig.“ Ihr Gesicht wirkte entschlossen. „Seit zwei Monaten will ich mit dir sprechen, aber du blockst immer ab.“
Kopfschüttelnd verschränkte er die Arme vor der nackten Brust. „Es gibt auch nichts mehr zu bereden, Hayden.“
„Dann versteh doch wenigstens, welche Sorgen wir uns machen.“
„Niemand von euch muss sich Sorgen um mich machen“, ächzte er erbost.
„Wir sind eine Familie – natürlich machen wir uns Sorgen um dich! Wir würden uns auch um Kayleigh oder die Zwillinge Sorgen machen, Liebling ...“
„Hör auf.“ Grimmig schüttelte er den Kopf und war nahe dran, irgendetwas gegen die Wand zu werfen. „Lass mich endlich in Ruhe und nenn mich nicht Liebling!“
Unbeherrscht machte sie zwei Schritte auf ihn zu und ohrfeigte ihn. „Du bist unglücklich ... Das verstehe ich! Ich bin auch unglücklich. Die ganze Familie ist unglücklich, aber du kannst nicht einfach abhauen und so tun, als wäre es in Ordnung. Weißt du eigentlich, was du uns allen antust?“
Er rieb sich die Wange und sagte sich, dass ihr aufgebrachtes Gesicht, ihre feuchten Augen und ihr lieblicher Geruch ihn nicht berührten. Er wollte allein sein und sie nicht mehr sehen. „Ich weiß nur, dass ich mich von dir getrennt habe, Hayden.“
„Lass mich für dich da sein“, flüsterte sie und wollte nach seiner Hand greifen.
Heath schüttelte den Kopf und versteifte sich, während er ihr die Hand entzog. „Es ist vorbei.“
„Aber ... aber das meinst du nicht ernst“, erklärte sie mit brüchiger Stimme. „Wir sind Heath und Hayden ... seit der ersten Klasse ein Paar. Wir lieben uns doch.“
Beinahe hätte er seiner eigenen Stimme nicht getraut, weil seine Kehle plötzlich furchtbar trocken war. Gleichzeitig schmerzte sein Magen, als hätte er Gift zu sich genommen. „Hayden, ich habe meine Sachen gepackt, bin ausgezogen und habe die Hochzeit abgesagt. Wie kannst du da noch glauben, dass wir immer noch ein Paar sind?“
Als sich immer mehr Tränen in ihren Augen bildeten, hätte er sie am liebsten an sich gezogen und getröstet, stattdessen blieb er stumm.
„Ich weiß, dass du es nicht ernst meinst, Heath.“
„Doch, das tue ich.“ Auch wenn er sich lieber die Pulsadern aufgeschnitten hätte, als ihr weh zu tun, hoffte er, dass sie seine Lüge glaubte, und erklärte mit fester Stimme: „Ich liebe dich nicht mehr, Hayden. Seit ich ausgezogen bin, treffe ich mich mit anderen Frauen und habe Sex mit ihnen ...“
Anscheinend konnte er mittlerweile besser lügen als mit zehn Jahren, als er ihr hatte weismachen wollen, dass seine Eltern ihm erlaubt hätten, den Terminator im Kino zu sehen, da sie mit einem erstickten Schluchzen ihre Tasche von der Klappcouch riss und aus der Wohnung rannte.
Nun konnte Heath seinem Drang nachgeben und schlug seine Faust gegen die Wand.
Hayden erkannte Kayleighs Auto sofort, als sie in die ruhige Straße des Bostoner Stadtteils Charlestown einbog, und unterdrückte ein Seufzen, denn gerade jetzt wollte sie eigentlich allein sein und konnte auf Besuch gut verzichten. Ein Blick in den Rückspiegel sagte ihr, dass ihre Augen geschwollen waren und ihre Nase leuchtend rot aus ihrem Gesicht schien. Ihre Freundin würde sofort erkennen, dass sie geweint hatte, und musste nicht einmal eins und eins zusammenzählen, um zu wissen, dass ihr eigener Bruder dahintersteckte. Auf diese Diskussion hatte Hayden wirklich keine Lust, aber ihr war auch klar, dass sich Kayleigh nicht so einfach verscheuchen lassen würde, schließlich war sie eine Fitzpatrick und als diese für ihren Starrsinn bekannt.
Dass es als Familienmitglied der Fitzpatricks nicht möglich war, auch nur ansatzweise für sich zu sein und seine Ruhe zu haben, wusste Hayden nur zu gut, schließlich kannte sie die Familie seit ihrem fünften Lebensjahr. Alle vier Söhne der Familie besaßen einen ausgeprägten Sturkopf, während ihnen ihre Schwester Kayleigh in nichts nachstand.
Der Gedanke, dass Hayden im Grunde kein Mitglied dieser Familie mehr war, schnürte ihr für einen Moment die Kehle zu und sie krampfte die Finger um das geflochtene Lenkrad ihres Vans. Die Tatsache, dass Heath und sie das Auto erst vor einem halben Jahr zusammen gekauft hatten, weil sie sich in weiser Voraussicht auf ihre Hochzeit und auf Babys ein Familienauto hatten anschaffen wollen, weckte in ihr nun pure Verzweiflung. Wie hatte alles derart aus den Fugen geraten können?
Sie lebte allein in einem Haus, das Heath vor zwei Jahren für sie beide gekauft und renoviert hatte, fuhr einen Wagen, der für ihre Kinderschar gedacht gewesen war, und trug noch immer den Verlobungsring, welchen Heath ihr im Beisein der ganzen Familie über den Finger geschoben hatte, während er nun allem Anschein nach nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Eigentlich hätten sie bald heiraten sollen, doch den Termin beim Standesamt und die Zeremonie in ihrer Kirche hatte Heath bereits abgesagt, auch wenn seine Mutter und seine Brüder auf ihn eingeredet hatten, es nicht zu tun. Hayden konnte nicht in Worte fassen, wie schrecklich sie sich fühlte.
Der Anblick des Einfamilienhauses mit der renovierten Fassade und der neu geteerten Einfahrt ließ sie bittere Magensäure schlucken. Sie konnte hier nicht weiter wohnen und dieses Auto fahren, während Heath in jener Absteige hauste und irgendwo eine alte Schrottkarre aufgetrieben hatte, mit der er nun durch die Gegend kurvte. Als er von heute auf morgen mit ihr Schluss gemacht hatte, hatte er zwar darauf bestanden, dass sie das Haus und das Auto behielt, aber da war Hayden auch davon ausgegangen, dass die Trennung lediglich eine Kurzschlussreaktion von ihm gewesen war. Da sie ihn seit dreiundzwanzig Jahren kannte, war sie sich sicher gewesen, dass sie die Situation in den Griff bekamen. Etwas anderes war ihr absolut abwegig erschienen. Seit drei Monaten redete sie sich ständig ein, dass Heath bald einsehen würde, dass er sie brauchte, und dass er bald zurück zu ihr käme, um nun zu erkennen, dass dies ein großer Trugschluss war.
Sein Beharren auf ihrer Trennung und ihre Begegnung vor wenigen Minuten sprachen eine eindeutige Sprache. Es war aus.
Es war tatsächlich aus.
All die Beschönigungen und Ausreden, die sie für seinen Gemütszustand drei Monate lang gefunden hatte, waren nichts als verzweifelte Versuche gewesen, der Wahrheit zu entgehen. Ihr Verlobter hatte sich verändert und wollte sie nicht mehr heiraten. Das Wieso spielte dabei keine Rolle, denn seine Entscheidung schien unumstößlich zu sein.
Hayden fuhr in die Einfahrt und schaltete den Motor aus, während sie für einen Moment die Augen schloss und tief durchatmete.
Wie sollte sie weiterhin hier wohnen? Hier, in dem Haus, das sie zusammen ausgewählt und bewohnt hatten? Wie sollte sie jeden Tag mit diesem Auto zur Arbeit fahren? Und wie sollte sie weiterhin Teil der Fitzpatricks sein, wenn sie es nicht mehr war? Sie verstand Heath und wusste, dass er trauerte, schließlich tat sie das auch. Deshalb hatte sie auch für ihn da sein wollen, doch er hatte sie einfach von sich geschoben und zutiefst verletzt. Der Gedanke, dass er andere Frauen ...
Das schreckliche Magengefühl verstärkte sich, daher schob sie jedes Aufblitzen solcher Bilder aus ihrem Kopf. Nur daran zu denken, dass er andere Frauen küsste, anfasste und mit ihnen schlief, ließ sie beinahe durchdrehen. Doch die Tatsache blieb: Sie hatte nicht nur ihren Verlobten verloren, sondern auch ihren ältesten und besten Freund.
Dumpf fragte sie sich, wie es bloß weitergehen sollte, und stieg wie in Zeitlupe aus. Normalerweise war sie kein Trauerkloß, aber seit Wochen stand sie völlig neben sich und hatte Schwierigkeiten, sich für das Nötigste aufzuraffen. Auch wenn ihr Job sie tagsüber davon abhielt, zu viel nachzudenken und zu grübeln, half dies nicht gegen ihre Gedanken, sobald sie das Schulgebäude verließ und keine lärmende Schülerschar mehr um sich hatte.
Apropos lärmend ... Als sie die drei Stufen zur Veranda des Hauses hochstieg, wurde sie bereits von dem Lärm begrüßt, den Kayleigh veranstaltete. Ihre Freundin hatte die Musikanlage – Heaths Musikanlage – so laut aufgedreht, dass Hayden befürchtete, gleich Besuch von der Polizei zu bekommen. An und für sich hätte das kein Problem sein sollen, schließlich waren gleich zwei Söhne der Fitzpatricks Polizisten, aber auf Ärger mit ihren Nachbarn konnte sie verzichten.
Sobald sie das Haus betrat, legte sie ihre Jacke und Handtasche auf das Sofa, drehte die Musik leiser und erntete dafür einen missbilligenden Blick der dunkelhaarigen Frau, die den Kopf aus der Küchentür steckte und sich mit vollem Mund beschwerte. „Hey! Ich liebe diesen Song.“
„Ich liebe eine friedliche Koexistenz mit meinen Nachbarn.“ Hayden schüttelte den Kopf und schlüpfte gleichzeitig aus ihren Schuhen, bevor sie barfuß in die Küche lief, ihre Freundin freundlich vom Kühlschrank vertrieb und sich eine kleine Flasche Wasser schnappte. Obwohl sie heute Morgen die Küche blitzeblank geschrubbt und den Abwasch erledigt hatte, sah es leider so aus, als wäre ein Tornado durch den Raum gefegt. Ein Tornado mit dem Namen Kayleigh, der jetzt seelenruhig auf einem Stuhl saß und einen Joghurt in sich hineinlöffelte.
Da Kayleigh eine Nachtschicht hinter sich hatte und gerade erst aus dem Krankenhaus gekommen sein musste, hatte sie nicht nur den sonntäglichen Gottesdienst verpasst, sondern trug noch immer ihre Arbeitskleidung, auch wenn sie den weißen Kittel sowie das Stethoskop ausgezogen hatte. Die junge Notärztin hatte zwar dunkle Ringe unter den Augen, wirkte dennoch putzmunter, was vielleicht auch daran lag, dass sie Haydens halben Kühlschrank aufgefuttert hatte, während die bei Heath gewesen war.
„Wo kommst du her?“ Grüne Augen blitzten unter einem dunkelbraunen Pony auf und erinnerten Hayden schlagartig an Kayleighs um zwei Jahre älteren Bruder. Alle Fitzpatricks sahen sich unglaublich ähnlich, doch vor allem die drei ältesten Kinder, Heath, Shane und Kayleigh, die jeweils im Abstand von knapp einem Jahr zur Welt gekommen waren, glichen sich ungemein. Sie alle hatten das dunkelbraune Haar ihres Vaters, doch Heath und Kayleigh besaßen zudem die gleichen grünen Augen, die sie ebenfalls von ihrem Vater geerbt hatten. Da war es kein Wunder, dass Hayden sofort an Heath denken musste, wenn sie Kayleigh ins Gesicht sah.
„Ich war bei Heath“, erklärte sie mit belegter Stimme.
Augenblicklich zog ihre Freundin beide Augenbrauen in die Höhe, auch wenn von ihrer Miene ansonsten keine Gefühlsregung abzulesen war. „Wie geht es ihm?“
„Nicht gut.“ Mit einem Kloß im Hals setzte sie sich auf einen Stuhl und strich geistesabwesend eine Falte der Tischdecke glatt, während sie auf den glänzend polierten Fußboden starrte.
„Du kennst ihn doch“, drang die tröstende Stimme ihrer Freundin an ihr Ohr. „Er fängt sich schon wieder.“
Hayden schüttelte tonlos den Kopf.
„Er braucht nur etwas Zeit.“
„Das habe ich auch gedacht, aber ...“ Sie brach kurz ab, räusperte sich und sagte aufgebracht: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie er aussieht, Kayleigh. Wenn er so weitermacht, bringt er sich selbst ins Grab.“
„Heath ist doch kein Idiot“, entgegnete ihre Freundin fest, auch wenn ihr die Sorge um den Bruder anzumerken war. Hayden hatte bereits in den vergangenen Monaten bemerkt, dass weder Kayleigh noch ihre drei Brüder offen über Heaths Problem sprachen, sondern ihren Bruder dies lieber allein mit sich ausmachen ließen. Allein ihre Mutter Ellen wirkte angesichts der Verfassung ihres ältesten Sohnes besorgt und gab dies auch offen zu.
„Er war völlig verkatert, seine Wohnung wirkte wie eine Müllhalde und überall lag Abfall herum. Ich weiß nicht, wie viele leere Flaschen Alkohol bei ihm zu finden sind ...“
Gespielt scherzhaft unterbrach Kayleigh sie, auch wenn sie nicht so sorgenfrei klang, wie sie wirken wollte. „Nun ja, immerhin ist er Ire.“
„Das ist nicht lustig“, antwortete Hayden leise.
„Ich weiß.“ Kayleigh seufzte. „Aber was soll ich tun? Mit mir redet er darüber nicht.“
„Er schläft mit anderen Frauen.“ Zitternd presste Hayden die Worte heraus und erschrak über ihre eigene Aussage. Es auszusprechen, machte es unerträglich real.
Selbst aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie sich ihre Freundin steif aufrichtete, und konnte hören, dass sie nach Luft schnappte. „Hayden ...“
„Er ... er hat es mir selbst gesagt.“
„Das ist doch Unsinn. Heath ist total verrückt nach dir und liebt dich.“
Auch wenn es gut tat, dass Kayleigh dies sagte, war Hayden nicht mehr sicher, was denn nun stimmte. Sie wollte nicht glauben, dass Heath sie nicht mehr liebte, aber sein abweisendes Verhalten und sein schroffer Ton hatten sie vom Gegenteil überzeugt.
„Kayleigh ... dein Bruder hat die Verlobung gelöst und die Hochzeit abgesagt.“
„Aber doch nur, weil er völlig durch den Wind ist! Das wird sich wieder geben, Hayden. Bald sieht er ein, dass er einen Fehler gemacht hat.“
„Nein.“ Sie verschränkte die zitternden Finger in ihrem Schoß. „Er ... er meinte es völlig ernst. Was soll ich denn nun tun? Ich liebe ihn und mache mir Sorgen, aber er hat Schluss gemacht und ... und er hat Sex mit anderen Frauen …“ Sie brach ab.
„Wenn er mit anderen Frauen geschlafen hätte, wüsste ich davon.“
„Woher solltest du das wissen?“, fragte Hayden mit tränenerstickter Stimme.
Kayleigh verdrehte die Augen. „Weil ich seine Schwester bin und mich sofort irgendjemand darauf angesprochen hätte, wenn Heath mit anderen Frauen gesehen worden wäre. Hast du vergessen, wo wir wohnen? In Charlestown kennt uns jeder.“
Es stimmte zwar, dass die Familie Fitzpatrick im irischen Stadtteil Charlestown so bekannt wie ein bunter Hund war, aber für Hayden war dies nur ein schwacher Trost.
„Er hätte auch woanders hinfahren und dort eine Frau treffen können“, gab sie mit zittriger Stimme zu bedenken.
„Heath ist nicht der Typ, der in fremde Betten springt, Hayden. Er war schon in dich verliebt, als ihr sechs Jahre alt wart!“
Kreuzunglücklich fuhr sie sich über das Gesicht. „Er hat sich verändert und lässt mich nicht mehr an sich heran.“
„Ich bin mir sicher, dass er nichts mit anderen Frauen hat.“
„Warum sollte er mir dann so etwas sagen? Will er mir absichtlich weh tun?“ Es war verdammt schwer, sich diese Frage zu stellen. Heath hatte sich ihr gegenüber niemals gedankenlos oder in irgendeiner Form verletzend verhalten, daher wusste Hayden nicht, wie sie damit umgehen sollte, dass er sie anlog, um sie absichtlich zu verletzen.
Eigentlich kannte sie ihn besser als jeden anderen Menschen auf der Welt – jedenfalls hatte sie das geglaubt. Doch nun stand ihre Welt Kopf.
„Heath würde dir niemals weh tun, Hayden.“
„Aber er hat es getan.“ Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und richtete sich auf. „Seit Monaten geht er mir aus dem Weg, und jetzt erzählt er mir, dass er andere Frauen trifft. Es ist ... Es ist aus.“
Kayleigh schien zu zögern. „Er leidet noch immer unter ...“
„Ich weiß das“, unterbrach Hayden sie scharf. „Das wissen wir alle, aber Heath ist nicht der Einzige, der trauert, Kayleigh. Wie soll es deiner Mom denn gehen? Oder dir? Glaubst du etwa, dass mich Josephs Tod kaltlässt?“ Ihr kamen die Tränen. Um nicht in unbeherrschtes Weinen auszubrechen, biss sie sich so fest auf die Unterlippe, dass sie den metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge schmeckte. „Ich wollte für ihn da sein, aber das ließ er nicht zu.“
Ihre Freundin erhob sich und stellte die Müslischüssel in die Spüle, bevor sie neben Haydens Stuhl trat und ihr eine Hand auf die Schulter legte. Der Geruch von Desinfektionsmitteln und Joghurt stieg Hayden in die Nase, während sie für einen kurzen Moment die brennenden Augen schloss.
„Ich habe keine Ahnung, was mit meinem Bruder los ist“, erklärte Kayleigh weich. „Und es tut mir entsetzlich leid, dass sein Verhalten dir weh tut, aber ich weiß, dass Heath das nicht absichtlich tut. Ihr beide gehört zusammen wie Erdnussbutter und Marmelade ...“
Die Mischung aus einem Schnauben, einem Lachen und einem Schluchzen drang aus Haydens Mund. „Kayleigh ...“
„Ernsthaft. Wenn ihr beide nicht glücklich miteinander werden könnt, wer soll es denn dann schaffen?“
Leise widersprach sie: „Dein Bruder will mich nicht mehr heiraten.“
„Mein Bruder flippt gerade aus, aber er fängt sich schon wieder. Du darfst nicht aufgeben.“
Das hatte sie sich zwar auch die ganze Zeit eingeredet, war mittlerweile jedoch realistischer als Kayleigh. Leise, aber entschlossen erklärte sie: „Ich werde mit ihm wegen des Hauses sprechen müssen.“
„Wegen des Hauses?“ Verblüfft hielt ihre Freundin inne.
Hayden nickte. „Und wegen des Autos. Außerdem stehen hier auch noch seine Möbel. Wir müssen unseren Besitz trennen.“
„Bist du nicht etwas zu voreilig?“
„Nein.“ Sie senkte den Blick, um nicht in das störrische Gesicht ihrer Freundin zu blicken. „Wenn eine Trennung das ist, was er will, müssen wir das regeln.“
„Heath will, dass du hier wohnst und das Auto fährst. Das bedeutet, dass du ihm am Herzen liegst.“
„Es bedeutet, dass ihm sein Leben egal ist“, flüsterte sie heiser. „Mit mir muss das nichts zu tun haben.“
Das sonntägliche Abendessen war fester Bestandteil der Familientradition im Hause Fitzpatrick. Auch wenn Hayden heute lieber daheim geblieben wäre, brachte sie es nicht übers Herz, Ellen abzusagen oder gar ihren Brotpudding, auf den die Zwillinge so versessen waren, nicht vorbeizubringen. Daher betrat sie Heaths Elternhaus mit einer Auflaufform in beiden Händen, nickte Kayleigh zu, die in kurzen Hosen und T-Shirt auf dem Sofa im Wohnzimmer lag und irgendeine Sportsendung schaute, und lief durch den kleinen Flur des typischen Arbeiterhauses aus den frühen Zwanziger Jahren in Richtung Küche. Neben den vertrauten Gerüchen, die ihr entgegenschlugen, knarrte das Holz unter ihren Füßen, als sie über eine bestimmte Stelle lief.
An dem alten Holztürrahmen fanden sich heute noch die Markierungen wieder, die Ellen dort jedes Jahr hinterlassen hatte, um die Körpergröße ihrer Kinder festzuhalten. Auch Haydens Name war dort neben den Namen der fünf Fitzpatrick-Kinder zu finden. Schwach konnte sie sich daran erinnern, wie sie sich alle hintereinander an den Türrahmen hatten stellen müssen und gespannt darauf gestarrt hatten, wer wie groß geworden war. Hayden war immer kleiner als Heath, Shane oder Kayleigh gewesen und selbst die Zwillinge, die fünf Jahre jünger als sie waren, hatten sie ziemlich schnell eingeholt. Die Fitzpatricks waren alle sehr groß – selbst Kayleigh als einziges Mädchen unter vier Brüdern war mit knapp einem Meter achtzig sehr viel größer als der Durchschnitt und reichte dennoch nicht an ihre Brüder heran. Unter ihnen hatte sich Hayden stets wie ein Zwerg gefühlt und tat es heute noch oft.
Auch jetzt, als sie die Küche betrat, in der Ellen mit Kyle stand und Salat klein schnitt, fiel ihr auf, wie groß der dreiundzwanzigjährige Kyle war, der seiner Mom problemlos auf den Kopf schauen konnte. Auch wenn er wie sein eineiiger Zwilling Ryan blond war, erkannte man auf den ersten Blick die Familienähnlichkeit der Geschwister. Bis auf Kayleigh besaßen alle vier Söhne äußerst markante Gesichtszüge, schmale Wangen, ein stures Kinn sowie einen breiten Mund, der die Sonne aufgehen ließ, wenn er sich zu einem Lächeln verzog.
Haydens Mom hatte bereits vor Jahren prophezeit, dass die Fitzpatrick-Jungen alle Mädchen und jungen Frauen ganz Bostons in den Wahnsinn treiben würden, womit sie nicht einmal Unrecht gehabt hatte. Seit Jahren konnte Hayden beobachten, dass sich diverse Frauenköpfe umdrehten, sobald einer der Kerle einen Raum betrat. Alle vier auf einmal bedeuteten ein heilloses Chaos. Gutaussehende Männer, die teilweise Uniformen trugen und sehr charmant sein konnten, übten auf das weibliche Geschlecht nun einmal eine besonders starke Anziehung aus. Als Bostoner irischer Abstammung waren die Kinder der Fitzpatricks zwar katholisch erzogen worden und gingen brav in die Kirche sowie zur Beichte, jedoch hieß dies nicht, dass sie sich in irgendeiner Weise weltfremd benahmen. Die Zwillinge flirteten seit ihrer Pubertät mit allen Frauen, die ihnen über den Weg liefen, Kayleigh war für ihr verdorbenes Mundwerk bekannt und ließ selten etwas anbrennen, Shane hatte zum Missfallen seiner Eltern mehr Exfreundinnen als Hugh Hefner und Heath ...
Innerlich seufzend gestand sich Hayden ein, dass Heath seinen Eltern auf diesem Gebiet die wenigsten Sorgen bereitet hatte, denn er hatte bislang nur eine Freundin gehabt – nämlich sie selbst.
Als Fünfjährige war Hayden mit ihren Eltern nach Boston gekommen. Ihr Dad war Josephs neuer Arbeitskollege gewesen, der gleich in der ersten Woche mit der ganzen Familie bei den Fitzpatricks zum Essen eingeladen worden war. So hatte Hayden den gleichaltrigen Heath kennengelernt. Von Stund an waren sie ein Herz und eine Seele gewesen – Heath und Hayden. Nicht für einen Tag waren sie getrennt gewesen. Auch nicht während ihrer Studienzeit, da Hayden das Community-College besucht hatte, um in seiner Nähe zu bleiben. Trotz ihrer katholischen Erziehung waren sie bereits vor einer Ehe zusammengezogen, hatten zuerst eine winzige Wohnung gemietet und dann ein Haus gekauft. Vor einem Jahr hatte er ihr dann die alles entscheidende Frage gestellt. Auch wenn Heath es niemals ausgesprochen hatte, wusste Hayden, dass er mit einer Hochzeit hatte warten wollen, bis er sich ein Haus für sie hatte leisten können. Da sie immer damit zufrieden gewesen war, einfach nur mit ihm zusammen zu sein, hatte es sie nicht gestört, noch nicht mit ihm vor den Altar getreten zu sein. Er hatte sie geliebt und sie hatte ihn geliebt – das war genug gewesen.
Rasch schüttelte sie diese Gedanken ab, setzte ein hoffentlich überzeugendes Lächeln auf und räusperte sich laut.
„Hallo! Störe ich?“
„Du vielleicht, aber dein Brotpudding nicht“, erklärte Kyle, nahm ihr die Auflaufform aus den Händen und gab ihr gleichzeitig einen Kuss auf die Stirn.
„Sei still, du Frechdachs.“ Ellen Fitzpatrick rümpfte ihre Nase und schenkte Hayden kurz darauf einen weichen Blick. „Schön, dass du da bist, mein Liebling. Du hättest doch nichts mitzubringen brauchen.“
„Ach, das mache ich gerne.“ Sie winkte ab, legte ihren Autoschlüssel auf den Küchentisch und nahm sich einen Löffel aus der obersten Schublade, um Ellens fantastische Rosmarinsauce zu probieren.
Gleichzeitig ertönte hinter ihr ein Schnauben. „Mom, setz ihr bloß keine Flausen in den Kopf. Ich liebe ihren Brotpudding.“
„Danke.“ Lächelnd begegnete sie Kyles Blick, während ihr warm ums Herz wurde, als er aufmunternd nickte. Sie konnte sich denken, dass Kayleigh ihrem jüngeren Bruder bereits von Haydens Zusammenstoß mit Heath berichtet hatte, da in dieser Familie nie etwas wirklich geheim blieb. Noch sehr lebhaft erinnerte sie sich an das Barbecue, als Ellen der Familie verraten hatte, dass Kayleigh ihre erste Periode bekommen hatte. Der Wutanfall der dreizehnjährigen Tochter sowie Shanes Kommentare dazu klangen noch heute in Haydens Ohren. Im Grunde wurde alles innerhalb der Familie besprochen, ob es nun das Urlaubsziel eines Familienmitglieds, neue Vorhänge für das Badezimmer oder die erste Periode der einzigen Tochter war. Die Jungs konnten froh sein, dass sie niemals beim Masturbieren erwischt worden waren, denn das wäre sicherlich ebenfalls Thema des allabendlichen Essens gewesen.
„Schätzchen, magst du nach den Karotten schauen?“
Hayden tätschelte Ellens Rücken und bemerkte, dass die ältere Frau viel zu dünn geworden war. Sorgenvoll dachte sie darüber nach, dass Heaths Mom in den vergangenen drei Monaten wie ein Spatz gegessen hatte und mittlerweile viel zu viel Gewicht verloren haben musste. Während sie die Karotten probierte, beschloss sie, mit Kayleigh darüber zu reden, schließlich war die Ärztin und sollte sich in Zukunft mehr Gedanken um den Gesundheitszustand ihrer Mutter machen.
Um sich ein wenig abzulenken, fragte sie gespielt gelassen: „Wo stecken Ryan und Shane?“
„Shane schaut in der Garage nach Moms Auto und Ryan hatte bis gerade eben noch Dienst, kommt aber gleich“, gab Kyle zur Auskunft.
Ellen strich sich das ergraute blonde Haar zurück und blickte ihren Sohn auffordernd an. „Kyle, könntest du mit deiner Schwester den Tisch decken?“
Obwohl der blondhaarige Luftikus sein Leben lang genörgelt hatte, wenn er zur Hausarbeit verdonnert worden war, verzog er keine Miene und kam der Aufforderung seiner Mutter sofort nach. Seit ganz genau drei Monaten rissen sich ihre Kinder buchstäblich ein Bein aus, um ihrer Mutter behilflich zu sein. Seit drei Monaten gab es weder Zank noch laute Diskussionen oder einen Tag, an dem Ellen nicht jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde. Ryan hatte sogar sein WG-Zimmer in der Nähe seiner Wache gekündigt und war wieder zuhause eingezogen, um bei seiner Mom zu sein.
Auch wenn diese Harmonie sicherlich wünschenswert war, lag das bedrückende Gefühl der Trauer über der Familie und schaffte es nicht, dass man zurück in den Alltag fand. Hayden ertappte sich selbst dabei, dass sie wie auf Eierschalen um Ellen herum tanzte und sich darum bemühte, alle Probleme oder Sorgen von ihr zu schieben. Das war auch ein Grund, weshalb sie mit ihrer früheren Schwiegermutter in spe nicht über Heath sprach.
Ellen schien dies ganz ähnlich zu sehen, da sie seufzte, sobald ihr hochgewachsener Sohn die Küche verlassen hatte, und Hayden einen durchdringenden Blick schenkte. „Deine Augenlider sind geschwollen, Schätzchen.“
Hayden schluckte und zuckte mit der Schulter.
„Hältst du es nicht endlich für an der Zeit, mir von dir und Heath zu erzählen?“
„Du weißt doch schon, dass er ausgezogen ist“, erwiderte sie leise.
Ellen seufzte laut auf. „Keiner von euch hat mir ein Wort gesagt. Ich musste es Wochen später von Mrs. Murphy hören, als ich bei der Post war. Sogar Kayleigh hat mir nichts verraten, obwohl sie sonst nie etwas für sich behalten kann.“
„Das wollten wir nicht.“ Unsicher, was sie Ellen sagen sollte, murmelte sie: „Wir wollten dir einfach nicht weh tun.“
„Das weiß ich, Schätzchen, aber trotzdem möchte ich doch wissen, was in der Familie los ist.“
Bei dem Wort Familie wäre sie beinahe zusammengezuckt. Hayden war immer Teil dieser Familie gewesen, aber die Trennung von Heath bedeutete doch auch, dass sie nicht mehr zu den Fitzpatricks gehörte, oder nicht?
„Du solltest dir um uns keine Sorgen machen, Ellen.“
„Wenn mein Sohn dich zum Weinen bringt und sich kaum noch bei mir blicken lässt, kann ich nicht anders, als mir Sorgen zu machen.“
Hayden wünschte sich plötzlich, doch daheim geblieben zu sein. Stattdessen holte sie tief Luft. „Kayleigh denkt, dass Heath einfach Zeit für sich braucht.“
„Und was denkst du?“
Unentschlossen hob sie beide Hände. „Ich weiß nicht, was ich denken soll, Ellen.“
„Möchtest du mir nicht endlich erzählen, was hinter seinem Auszug steckt?“
Plötzlich kratzte ihr Ringfinger, an dem sie noch immer den Verlobungsring trug, den Heath ihr vor über einem Jahr geschenkt hatte. Sie wollte Ellen nicht mit ihren Problemen belasten, aber anlügen konnte Hayden sie erst recht nicht.
„Heath möchte mich nicht mehr heiraten“, erklärte sie mit gefasster Stimme, auch wenn sie innerlich bebte. „Erst dachte ich, dass ... dass es nur vorübergehend wäre, aber das ist es nicht.“
„Ach, Schätzchen ...“
„Schon gut.“ Hayden lächelte zittrig. „Ich brauche einfach nur etwas Zeit.“
„Soll ich mit ihm sprechen?“
Der Vorschlag war sehr lieb gemeint, aber Hayden hielt es für keine gute Idee, wenn sich auch noch Ellen um die Beziehung ihres Sohnes Gedanken machen musste. Heaths Entscheidung schien unumstößlich zu sein, also würden selbst hundert Gespräche mit seiner Mutter nichts daran ändern. „Ich fürchte, das wird nichts ändern, Ellen, aber ich danke dir für den Vorschlag.“
„Was wirst du jetzt tun?“
Eine gute Frage. Mit klopfendem Herzen und äußerlich gefasst fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. „Wir sollten uns über einen Hausverkauf einigen und ich muss mir eine Wohnung suchen.“
Ellen stieß einen tiefen Seufzer aus. „An so etwas möchte ich gar nicht denken. Was ist nur in den Jungen gefahren?“
Am liebsten hätte sie geantwortet, dass sie es selbst gerne wissen wollte, stattdessen trocknete sie sich die Hände an einem Handtuch ab und öffnete die Tür zum Garten. „Ich werde Shane Bescheid geben, dass wir gleich essen.“
„Mach das, Liebling.“
Während sie den Garten durchquerte und in Richtung Garage lief, atmete sie kurz durch und hoffte, dass niemand der Fitzpatricks auf die Idee kam, dieses Thema noch einmal bei Tisch anzusprechen. Außerdem tat es ihr in der Seele weh, dass Heath schon wieder nicht am Abendessen der Familie teilnahm. Es war absolut untypisch für ihn, sich derart rar zu machen. Er war immer der vorbildliche älteste Sohn gewesen, der vorbeigekommen war, um seinem Dad bei Arbeiten am Haus zu helfen, der seiner Mutter die Einkäufe ins Haus getragen und der keinen Gottesdienst verpasst hatte, weil er wusste, wie wichtig das seiner Mom war. Sein jetziges Verhalten passte nicht zu ihm und jeder wusste das.
Sie war noch völlig in Gedanken versunken, als sie die Garagentür öffnen wollte und stattdessen Zigarettenqualm roch. Naserümpfend ließ sie die Türklinke los und schlenderte den kleinen Kiesweg hinter die Garage entlang, wo sie Shane entdeckte, der sich an die Wand lehnte und gedankenverloren eine Zigarette rauchte.
„Hey.“
Wie ein ertappter Sünder zuckte er zusammen und entspannte sich augenblicklich, was Hayden darauf zurückführte, dass er erkannt haben musste, dass nicht seine Mom, sondern nur sie ihn beim Rauchen erwischt hatte.
„Hey.“ Shane nickte ihr zu und nahm noch einen Zug. „Alles okay bei dir?“
„Wie man es nimmt.“ Sie zuckte mit der Schulter und schabte unbeteiligt mit ihren Sommerschuhen über den feinen Kiesweg hinweg, der unbedingt vom Unkraut befreit werden musste, wie sie erkannte. Das Knirschen des Kieses überdeckte das Schnarchen des Nachbarn, der hinter der Hecke anscheinend ein Schläfchen in der Hängematte machte. Als Kinder hatten sie in der gleichen Hängematte gespielt und waren ständig herausgeplumpst, was ein Heidenspaß gewesen war.
„Kayleigh hat mir erzählt, was der Idiot dir gesagt hat.“
Wer der Idiot sein musste, brauchte Hayden erst gar nicht zu fragen. Gespielt scherzhaft wollte sie wissen: „Bleibt in dieser Familie eigentlich nichts geheim?“
„Soll ich ihn für dich verprügeln?“
„Er ist dein Bruder, Shane“, wies sie ihn leise zurecht. „Mir wäre sehr viel wohler, wenn du dich mit ihm aussöhnen würdest.“
„Wie kommst du darauf, dass das meine Aufgabe ist?“ Er ließ die Zigarette fallen und trat sie mit seinem Schuh aus.
Tadelnd verzog sie den Mund und betrachtete sein störrisches Gesicht. Bis auf die hellbraunen Augen sah er Heath zum Verwechseln ähnlich, auch wenn seine Nase einen Knick zur rechten Seite aufwies, den er sich bei einer Prügelei mit einem Kollegen eingehandelt hatte. Das war ungefähr zwei Jahre her und hatte ihm einen Monat unbezahlten Urlaub eingebrockt, was eine relativ leichte Strafe gewesen war. Shane war von allen Fitzpatricks der größte Hitzkopf, der sich bereits auf der Polizeiakademie ständig Ärger mit seinen Vorgesetzten eingehandelt hatte. Joseph war immer der Meinung gewesen, dass Shane lieber Rechtsanwalt anstatt Polizist geworden wäre, weil er als Anwalt nicht Gefahr liefe, jemanden im Streit mit seiner Dienstpistole zu erschießen. Zwar gab er einen guten Polizisten ab, doch das bedeutete auch, dass er sein hitzköpfiges Temperament unterdrücken musste, was ihm nicht immer leicht fiel.
„Denkst du nicht, dass es für die Familie leichter wäre, wenn Heath und du das Kriegsbeil begrabt?“
„Welches Kriegsbeil?“
Ironisch fragte sie nach: „Warum redet ihr dann seit drei Monaten nicht mehr miteinander?“
„Bevor ich mit ihm rede, soll er mir erst einmal genau erklären, was sich in jener Nacht abgespielt hat, Hayden.“
Kurz schloss sie die Augen. „Du hast doch den Bericht gelesen ...“
„Ich möchte das aus seinem Mund hören.“
Der Tag hätte nicht schlimmer werden können, stellte sie fest, während sich ein Klumpen in ihrem Magen bildete. „Shane ... weißt du eigentlich, was du da sagst? Du kannst Heath nichts vorwerfen – er hat nichts falsch gemacht, trotzdem leidet er darunter und sollte von dir unterstützt werden.“
„Ausgerechnet du verteidigst meinen Bruder?“
„Ja“, erwiderte Hayden mit belegter Stimme. „Dein Bruder hat sich von mir getrennt, aber das heißt nicht, dass er mir nicht mehr am Herzen liegt, Shane.“
„Oh Gott!“ Er verdrehte die Augen. „Wieso musst du immer so eine Märtyrerin sein, Hayden? Du darfst wütend auf ihn sein, weißt du?“
Wortlos drehte sie sich um und wollte verschwinden, als er ihre Hände packte. „Es tut mir leid ... okay?“
Langsam drehte sie sich wieder zu ihm und deutete mit verschlossenem Gesicht auf die ausgetretene Zigarette. „Deine Mom wird den Rauch riechen.“
„Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt.“
„Trotzdem versteckst du dich beim Rauchen hinter der Garage.“
Angesichts seiner genervten Miene hätte sie beinahe gelächelt. Beinahe. Stattdessen räusperte sie sich und sagte mit klarer Stimme: „Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich bin nicht wütend auf Heath, sondern unglücklich über die gesamte Situation. Wie es scheint, kann ich ihm nicht helfen, aber vielleicht könntest du das.“
„Hayden ...“
„Könntest du nicht wenigstens mit ihm reden? Du hast keine Ahnung, wie schlecht es ihm geht.“
Nun verschloss sich auch sein Gesicht. „Wenn sich mein Bruder wie ein Arsch aufführt, ist das sein Problem, aber nicht meins.“
Niedergeschlagen folgte sie ihm wenig später zurück ins Haus und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen, als sie die beiden freien Stühle am Esszimmertisch sah.
„Fitzpatrick! Der Chief will dich sehen!“
Heath drehte den Kopf zur Seite und nickte Marty zu, während er einem anderen Kollegen ein Zeichen gab, die Inspektion der Drehleiter zu beaufsichtigen. Als Chef des Löschfahrzugs lag die ordnungsgemäße Wartung in seinem Aufgabenbereich, und er war gerne dabei, wenn die Gerätschaften inspiziert wurden, aber da alles gut aussah und ihr letzter Einsatz lediglich der Rettung eines Kätzchens von einem Baum gegolten hatte, ging er nicht davon aus, dass es Schwierigkeiten mit der Drehleiter beim nächsten Einsatz geben könnte.
Er verließ die Fahrzeughalle, lief durch den Aufenthaltsraum der Feuerwehrwache, in der gerade das Mittagessen gekocht wurde, während andere Kollegen Poker spielten, und bewegte den Kopf von links nach rechts. Gleichzeitig gähnte er und hoffte, die Müdigkeit und Verspannung seines Nackens zu vertreiben. Seine Schicht war noch nicht zu Ende, trotzdem war er schon wie gerädert. Die Einsätze, zu denen sie in den vergangenen vierzehn Stunden gerufen worden waren, hatten es in sich gehabt. Es war immer das Gleiche, wenn eine Schicht ruhig begann und man hoffte, den Tag ohne größere Zwischenfälle überstehen zu können. Anschließend hatte man nicht einmal die Zeit, um einen Happen zu essen, weil ständig der Alarm ging und man zu einem Einsatz gerufen wurde.
Neben einer abgebrannten Turnhalle, bei dem der Hausmeister eine Rauchvergiftung erlitten hatte und von ihm und seinen Männern herausgetragen werden musste, waren sie zu einem Verkehrsunfall gerufen worden, bei dem zehn Autos ineinander gefahren waren und bei dem sie die Insassen aus den teilweise brennenden Trümmern befreien mussten, bevor sie zu einem Bürogebäude gerufen worden waren, von dem ein gerade gefeuerter Angestellter hatte springen wollen. Das kleine Kätzchen, das seiner Besitzerin entwischt und auf einen Baum geklettert war, von dem es nicht mehr hatte runterkommen können, während seine Besitzerin, eine annähernd hundert Jahre alte Oma, schluchzend auf der Veranda gestanden hatte, war der mit Abstand netteste Einsatz gewesen, schließlich hatte die ältere Dame die ganze Mannschaft zum Dank mit Keksen versorgt, die mittlerweile schon verputzt waren.
Der Rettungssanitäter Owen jedenfalls schien in einem Zuckerkoma zu liegen, da er es sich ausgestreckt auf einem der abgetragenen Sofas bequem gemacht hatte und schlief. Heath beneidete ihn darum und hätte sich selbst gerne kurz aufs Ohr gehauen, doch ihn erwartete nach dem Gespräch mit seinem Chief noch ein Haufen Papierkram, den er lieber erledigte und dabei das hausgemachte Chili seines Kollegen Collum verputzte. Außerdem wollte er sich die Hydraulik der Löschpumpe ansehen und die Ausrüstung kontrollieren. Schlafen konnte er, wenn seine Schicht in ein paar Stunden beendet war.
„Hey, Heath! Du musst mal langsam deinen Urlaub eintragen.“ Sam, der Leiter des HazMat-Teams, warf ihm aus seinem Sessel einen ungeduldigen Blick zu. „Der Chief will die Urlaubsverteilung bis Ende der Woche haben.“
„Moira will den Urlaub buchen“, beklagte sich auch Marty, Feuerwehrmann seit zwanzig Jahren. „Sie liegt mir ständig in den Ohren.“
„Ich will im Winter mit den Kindern zu meinen Eltern nach Arkansas fahren.“ Sam legte seine Zeitung beiseite und runzelte die Stirn. „Gnädigerweise rückt meine Ex sie raus. Wenn ich wegen dir meinen Urlaub nicht bekomme, Fitzpatrick ...“
Ungeduldig legte Heath den Kopf zurück. „Tragt mich einfach irgendwo ein.“
„Wenn das so ist, will ich an Halloween freihaben. Mein Neffe spielt in einer Schulaufführung mit“, ließ sich Jesse vernehmen, der Chef eines anderen Löschtrupps war, und erhob sich sofort, um den Urlaubsplaner von der Pinnwand zu nehmen.
„Heath.“ Greg O’Sullivan steckte seinen Kopf aus dem Mannschaftsraum heraus und hielt ihn auf, bevor er das Büro seines Chiefs erreicht hatte. „Ich will mich ja nicht einmischen, aber du solltest dir unbedingt Urlaub nehmen.“
„Dann misch dich auch nicht ein.“ Heath zuckte mit der Schulter und ging an seinem älteren Kollegen vorbei, bevor er an die Tür des Chiefs klopfte und eintrat.
„Sie wollten mich sprechen, Chief?“
„Kommen Sie rein und setzen Sie sich.“ Der Chief of Department winkte ihn grimmig herein und legte einen Stapel Papiere beiseite.
Heath schloss die Tür hinter sich, runzelte die Stirn und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, der über und über mit Papieren bedeckt war. Einerseits hatte sich der Raum in den vergangenen drei Monaten kaum geändert, doch andererseits war dies nun das Büro von Chief Brody und erinnerte ihn kaum noch an seinen Dad. Jedes Mal, wenn er den Raum betrat, hatte Heath ein verdammt bedrückendes Gefühl und starrte an die getäfelte Holzwand, an der Fotos der Familie Fitzpatrick gehangen hatte, seit Heath ein Teenager gewesen und sein Dad zum Chief ernannt worden war.
„Wenn es um den Urlaubsplan geht, Chief ...“
Sein Vorgesetzter winkte ab und schüttelte den Kopf, als er eine Mappe über den Tisch schob. „Es geht nicht um den Urlaub, Heath.“
Innerlich atmete er ein, griff einen Augenblick später nach der Mappe und schlug diese auf, auch wenn er bereits gewusst hatte, worum es ging, wenn der Chief eine derart ernste Miene aufsetzte. Es mochte zwar sein, dass er den Mann erst seit drei Monaten kannte, aber als Feuerwehrmann verstand es Heath ziemlich gut, ernste Situationen zu erkennen. Er überflog den Brief, schob das Kinn nach vorne und schenkte seinem Vorgesetzten einen bemüht lakonischen Blick.
„Bin ich suspendiert?“
„Davon ist überhaupt keine Rede.“ Der ergraute Chief öffnete den obersten Knopf seines blütend weißen Uniformhemdes, an dem unzählige Bandschnallen befestigt waren, die erkennen ließen, wie viele Auszeichnungen und Orden der Chief während seiner Laufbahn bereits verliehen bekommen hatte. Sein Dad hatte nicht weniger besessen, bis ihm vor drei Monaten ein weiterer Verdienstorden verliehen worden war – posthum.
„Wie soll ich denn sonst diesen Brief verstehen, Chief?“
„Hören Sie, Heath.“ Sein Vorgesetzter seufzte auf. „Sie kennen doch die Bürokraten ...“
„Mache ich meinen Job nicht gut?“
Einen Augenblick wartete der Chief, bevor er ruhig gestand: „Sie machen Ihren Job außerordentlich gut. Vielleicht sogar zu gut, wenn ich die Umstände bedenke. Eine Auszeit täte Ihnen gut. Ein wenig Urlaub.“
Heath knirschte mit den Zähnen. „Für mich klingt das nach Suspendierung.“
„Wenn ich Sie suspendieren wollte, hätte ich Sie nicht als nächsten Anwärter für eine Beförderung zum Captain vorgeschlagen. Die Verwaltung hat mich nur darauf hingewiesen, dass Sie noch immer nicht mit dem Psychologen gesprochen haben, Heath. Sie kennen doch die Vorschriften.“
Natürlich kannte er die Vorschriften. Eigentlich hätte man ihm längst auf die Füße treten müssen, doch weil Joseph Fitzpatrick sein Vater gewesen war und der neue Chief Gnade vor Recht walten ließ, hatte er bis jetzt seinen Dienst ausüben dürfen, ohne den Psychologen aufzusuchen, der ihm eine Unbedenklichkeitsbestätigung ausstellen musste.
Ein Psychologe musste sofort erkennen, wie kaputt er war, weshalb er sich mit Händen und Füßen dagegen wehren würde, sich auf eine Couch zu legen und dem Quacksalber sein Herz auszuschütten.
„Die Vorschriften sind für den Arsch“, entgegnete er mit typischem Fitzpatrick-Unmut. „Chief, ich brauche keinen Psychologen, der mich nach meiner Kindheit fragt und mir irgendwelche Fotos mit Klecksen zeigt, um meinen Geisteszustand zu untersuchen!“
Sein Vater hätte jedem seiner Männer in den Hintern getreten, wenn dieser derart respektlos mit ihm gesprochen hätte, aber Chief Brody schenkte ihm einen geduldigen Blick und gab ihm somit das Gefühl, sich wie im Kindergarten zu benehmen.
„Vorschriften sind Vorschriften, Heath. Daran kann ich nichts ändern, aber ich will verdammt sein, wenn einer meiner besten Männer aus dem Dienst ausscheiden muss, weil er sich weigert, den Psychologen aufzusuchen.“
„Aber ...“
„Sie hätten bereits vor drei Monaten schon zu einer psychologischen Beratung gehen müssen“, unterbrach der Chief ihn. „Wegen Joe haben wir alle ein Auge zugedrückt, aber nach allem, was ich in letzter Zeit höre und sehe, kann ich die Schreiben der Verwaltung nicht länger ignorieren, Heath.“
Aufgebracht lehnte er sich vor und ballte die Hände zu Fäusten, die er in den Taschen seiner Diensthose vergrub. „Was meinen Sie damit? Halten Sie mich für dienstuntauglich?“
„Ich denke, dass die Tatsache, dass Sie gleich nach dem Tod Ihres Vaters wieder zum Dienst angetreten sind, für sich spricht.“
Er holte Luft und presste zwischen den Zähnen hindurch: „Es spricht dafür, dass ich meinen Job liebe und verantwortungsbewusst bin, Chief.“
„Das hat auch niemand in Frage gestellt.“
„Was wollen Sie mir denn dann sagen?“
Der Chief hob beide Hände in die Höhe und ließ sie zurück auf die Lehne seines Sessels fallen. „Was war das heute für eine Kamikaze-Aktion bei dem Brand der Turnhalle?“
Heath versteifte sich und presste die Lippen zusammen, bevor er mit hohler Stimme erklärte: „Beim Löschen des Brandes hat das Infrarot den bewusstlosen Hausmeister in einer Umkleidekabine entdeckt, den wir in Sicherheit bringen konnten. Glücklicherweise handelte es sich nur um eine Rauchvergiftung.“
„Das habe ich nicht gemeint, Heath. Das Rettungsteam war bereits auf dem Weg, den Verletzten zu evakuieren. Sie sollten den Brandherd bekämpfen. Die Rettung des Verletzten gehörte nicht zu Ihren Aufgaben. Ihnen sollte doch klar sein, dass Sie damit den ganzen Einsatz gefährdet haben.“
„Hätte ich den Mann sterben lassen sollen?“
Anstatt ihm darauf eine Antwort zu geben, erklärte der ältere Mann gefasst: „Ich kenne Ihre Akte, Heath. Bisher kam es zu keinem Vorfall, bei dem Sie irgendwelche Befehle missachtet hätten, aber seit ich der Chief der Wache bin, sind Sie mir schon ein paar Mal aufgefallen, weil Sie ganz konkrete Vorschriften oder Anweisungen missachtet haben. Da ich Joe gekannt habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass er Ihre Akte frisiert hat.“
„Natürlich hat er das nicht!“, platzte es aus Heath heraus.
Betont ruhig fragte ihn sein Vorgesetzter: „Liegt der Grund Ihrer plötzlichen Insubordination dann darin, dass Sie keinen Respekt vor mir haben?“
Heath schnaubte auf. „Nein.“
„Dann sollten wir uns darauf einigen, dass Sie dem Psychologen in nächster Zeit einen Besuch abstatten sollten.“ Der Chief setzte sich aufrecht hin und klang endgültig.
Mochte Chief Brody auch noch so gelassen und freundlich wirken, aber sein stahlharter Wille war nicht zu übersehen. Dennoch versuchte Heath es noch einmal. „Hören Sie, Chief ...“
Der ältere Mann nickte der Tür zu. „Ich gebe Ihnen zwei Wochen, dann möchte ich die Bescheinigung des Psychologen sehen, Leutnant.“
Zwar gab ihm Heath keine Antwort, aber er schätzte, dass der Chief seine Stimmung auch an der scheppernden Tür, die er wütend hinter sich zuschlug, erkennen konnte.
Müde schob Heath den Einkaufswagen durch den Supermarkt, der nur zwei Blocks von seiner Wohnung entfernt lag und vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet hatte. Glücklicherweise war seine restliche Schicht relativ ruhig verlaufen, und er hatte sogar eine Portion Chili essen können, bevor er zu seinem letzten Einsatz gerufen worden war. Der kleine Küchenbrand war relativ schnell gelöscht worden und hatte ihm und seinem Trupp kaum Arbeit abverlangt.
Da in seinem Kühlschrank gähnende Leere herrschte, hatte er wohl oder übel auf dem Heimweg noch einen Zwischenstopp im Supermarkt einlegen müssen. Normalerweise duschte er nach Schichtende auf der Wache und zog sich Zivilkleidung an, aber nach dem Gespräch mit seinem Chief war er zu aufgebracht gewesen und hatte gleich nach Hause fahren wollen. Das Ergebnis war, dass er nach Rauch roch, sich schmutzig fühlte und mit dem nicht zu übersehenden Emblem seiner Feuerwache auf dem Shirt durch die langen Gänge des Supermarktes schlich.
Obwohl er kein großer Fan von Tiefkühlkost war, hatte er keine Lust, die winzige Kochnische in seiner Wohnung fürs Kochen zu benutzen, und verlegte sich daher meistens auf ein Gericht aus der Mikrowelle oder aß einen Happen im Pub, den er mittlerweile öfter aufsuchte als seine eigenen vier Wände. Auch heute wäre er normalerweise im Pub aufgetaucht, um sich dort ein Feierabendbier oder auch zwei zu genehmigen, aber da die Boston Red Sox gegen die New York Yankees spielten, war der Pub sicherlich brechend voll, und Heath hätte vermutlich einen seiner Brüder, wenn nicht sogar alle drei, sowie seine Schwester getroffen.
Und wo seine Schwester war, war Hayden meistens nicht weit entfernt. Als großer Baseballfan verpasste Kayleigh kaum ein Spiel der Red Sox und hätte sicherlich Hayden im Schlepptau, die zwar Basketball lieber schaute, aber selbstverständlich auch Anhängerin des lokalen Baseballteams war.
Auf so eine Begegnung konnte er für heute verzichten. Das Aufeinandertreffen mit ihr vor zwei Tagen hatte ihm gereicht. Ständig liefen sie sich über den Weg, was sich kaum vermeiden ließ, auch wenn er sich alle Mühe gab, ihr nicht zu begegnen. Zwar lebten sie in Boston, doch das Stadtviertel, in dem sie beide zusammen aufgewachsen waren und immer noch wohnten, war so etwas wie ein Mikrokosmos. Dass sie beide den gleichen Freundeskreis und die gleichen Interessen hatten, bedeutete, dass Heath kaum vor die Tür gehen konnte, ohne auf Hayden angesprochen zu werden oder ihr zu begegnen. Daher hielt er es für besser, sich nirgends mehr blicken zu lassen und den Kontakt zu seinen Freunden und seiner Familie auf ein Minimum zu beschränken. Hayden um sich zu haben, hielt er kaum aus. Das schlechte Gewissen, das ihm ständig und überall gemacht wurde, half ihm nicht besonders, sie aus seinen Gedanken zu verbannen. Insbesondere seine Geschwister hielten mit ihren Meinungen nicht hinterm Berg, was seine Beziehung zu Hayden betraf.
Da war es fast ein Glück, dass Shane nicht mehr mit ihm sprach. Sein Bruder, der lediglich ein knappes Jahr jünger war, verstand sich dank seiner Polizeiausbildung und diversen Schlägereien sehr gut im Nahkampf. Zwar hatten sie beide sich niemals miteinander geprügelt, aber Heath war mehrmals Zeuge gewesen, wie Shane anderen die Zähne ausgeschlagen hatte. Auch wenn er selbst kein Schwächling war und es mit seinem Bruder sicherlich hätte aufnehmen können, war er nicht besonders scharf auf eine Prügelei mit ihm.
Noch während er an Shane dachte und aus den Gefrierschränken des Supermarkts gleich mehrere Pakete Tiefkühllasagne nahm, erklang hinter ihm ein Räuspern.
„Wenn Mom wüsste, dass du so einen Schrott in dich hineinstopfst, würde sie einen Anfall bekommen.“
Wunderbar! Heath schnitt eine Grimasse. Da blieb er absichtlich dem Pub und den hausgemachten Burgern fern, weil er seinen Brüdern nicht begegnen wollte, und lief einem von ihnen im Supermarkt über den Weg.
„Hey, Ryan.“ Er ließ die Lasagne-Pakete in seinen Einkaufswagen plumpsen und drehte sich seinem jüngsten Bruder zu, der in seiner Polizeiuniform und mit einer Flasche Gatorade in der Hand vor ihm stand. „Wie geht’s, Officer?“
„Besser als dir.“ Sein Babybruder setzte einen ernsten Ausdruck auf und deutete auf Heaths Einkaufswagen, in dem sich neben den Fertiggerichten vor allem Bier befand.
Auch wenn sich Ryan sehr erwachsen geben wollte und unter seiner dunklen Schirmmütze die ernste Miene eines Polizeibeamten aufgesetzt hatte, der ein Kilo Heroin bei einem Dealer gefunden hatte, nahm sich Heath davon wenig an, immerhin hatte er den Kleinen bereits trösten müssen, als Ryan in der Grundschule einen Frosch seziert und anschließend gekotzt hatte.
„Die Truppe weiß schon, dass sie im Dienst nicht trinken darf, oder?“
Heath verschränkte die Arme vor der Brust und schaute seinen kleinen Bruder scharf an. „Irre ich mich oder bist du erst vor vier Monaten von der Polizeiakademie gekommen, kleiner Bruder?“
„Willst du mir sagen, dass das ganze Bier für dich sein soll?“, fragte Ryan stattdessen. „Du kannst dich doch nicht besaufen, wenn du im Dienst bist, Heath.“
„Mach mal halblang“, erwiderte Heath ruhig. „Was ich tue, geht dich gar nichts an. Außerdem ist meine Schicht beendet und ich habe jetzt achtundvierzig Stunden frei.“
„Dann solltest du bei Mom vorbeischauen, anstatt dir die Kante zu geben.“
Seufzend schüttelte er den Kopf. „Könntest du mich bitte in Ruhe lassen?“
„Vielleicht weißt du es noch nicht, aber ich wohne wieder zuhause, um Mom zu unterstützen. Das tun wir alle, nur du glänzt durch Abwesenheit.“
„Versuchst du mir ein schlechtes Gewissen zu machen?“, fragte er finster und verlagerte das Gewicht auf das andere Bein.
„Mal ehrlich, Heath. Mom möchte dich öfter sehen.“
Anstatt darauf einzugehen, nickte Heath in Richtung Ausgang. „Wie ist das Leben als Streifenpolizist?“
Ryan verdrehte zwar die Augen, antwortete jedoch gelassen: „Gut so weit. Was macht die Truppe?“
„Alles in Ordnung.“
Naserümpfend musterte er ihn ausgiebig. „Hayden hat erzählt, dass du mit anderen Frauen schläfst.“
Obwohl er seit achtundzwanzig Jahren wusste, dass die Fitzpatricks mit der Tür ins Haus fielen, war Heath dennoch ein wenig vor den Kopf gestoßen und fassungslos, dass Ryan ausgerechnet dieses Thema zur Sprache brachte – mitten im Supermarktgang, umgeben von Tiefkühllasagne und Toilettenpapier. Seine Finger schlossen sich um die Stange des Einkaufswagens. „Was?“
„Wir haben es beim Sonntagsessen erfahren ...“
Augenblicklich wurde seine Kehle trocken. „Willst du mir etwa sagen, dass Hayden mit euch beim Essen darüber geredet hat?“
„Sei kein Arsch. Hayden hat es Kayleigh anvertraut, als sie völlig aufgelöst nach eurem Gespräch nach Hause kam. Kayleigh wiederum hat es erst Shane und dann Kyle erzählt, der mir davon berichtet hat. Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?“
Nachdem er sich gefangen hatte, pöbelte er los: „Das geht dich einen Scheiß an.“
„Wenn du deine Hose nicht anbehalten kannst, solltest du wenigstens genügend Verstand besitzen, es Hayden nicht brühwarm zu erzählen. Hast du eigentlich eine Ahnung, was sie gerade durchmacht?“
Wieder spürte er, wie ihm ein kalter Schauer über das Rückgrat fuhr. Bei allem, was ihm heilig war, aber Hayden zu verletzen, war so ungefähr das Letzte, was er wollte. Was dachten seine Brüder denn, warum er den ganzen Aufwand betrieb und sich von ihr und seiner Familie fernhielt? Er tat es nicht, um Hayden weh zu tun, sondern um ihr so viel Kummer wie möglich zu ersparen.
„Du kannst dir deine Ratschläge sonst wohin stecken, Ryan. Lass mich in Ruhe.“ Am liebsten hätte er seinem kleinen Bruder eine verpasst, begnügte sich jedoch damit, ihn wütend anzustarren.
„Und wenn wir schon einmal beim Thema sind ...“