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In diesem e-book findest du meine Duftarbeit über mittelalterliche Pflanzengeschichte. Es ist die Serie, die ich für das Magazin Miroque in den Jahren 2010 - 2014 und für zwei Sonderausgaben geschrieben habe. Den Miroque und VK Histomedia Verlag gibt es seit 2021 nicht mehr und dennoch besteht das Herbarium des Mittelalters weiter. Erst auf meiner Webseite www.satureja.com und nun in dieser Form. Es erfreut seit 2010 sehr viele Duftfreunde, die etwas tiefer in die mittelalterliche Pflanzengeschichte eintauchen möchten. Auf meiner Webseite bekommst du einen kleinen Themeneinblick in die einzelnen Duftgeschichten. Was Dich an Inhalt erwartet: Die Rose von Jericho Bernstein - das Gold des Nordens Samhain - die Pflanzen der Ahnen Weihrauch - der Atem der Göttlichkeit Die alchemistische Medizin Die Pflanzen des Capitulare de Villis Die Rose - eine Königin unter den Düften Die Flugsalben der Hexen Tabak - Fluch und Genuss aus der neuen Welt Die Myrrhe - ein antikes Allheilmittel Das Vermächtnis der Hildegard von Bingen Der mittelalterliche Handel mit Düften und Aromen Die Alraune - die magischste aller Pflanzen Die mittelalterliche Wundversorgung mit Pflanzen Der Holunder Yggdrasil und die heiligen Haine Der Paradiesgarten Die heiligen Nächte der Wintersonnenwende Keltische Fruchtbarkeitsfeste: Sommersonnenwende und Beltane Düfte sind meine Leidenschaft. Lass Dich mit meiner Duftarbeit inspirieren und entdecke die Möglichkeiten, wie Du mit den kostbaren Pflanzendüften deinen Körper unterstützen, deine Seele zum Strahlen und deinen Geist fokussieren oder erweitern kannst. Du wirst feststellen, dass Düfte der magische Schlüssel zur Verbesserung der Lebensqualität sind und wir mit unseren Lebensaufgaben besser zurecht kommen. Ich wünsche Dir magische Momente beim Entdecken der wunderbaren Düfte.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die Rose von Jericho - die mystische Pflanze der Kreuzritter
Bernstein – das Gold des Nordens
Samhain - die Pflanzen der Ahnen
Weihrauch - Der Atem der Göttlichkeit
Die alchemistische Medizin
Die Pflanzen des Capitulare de villis
Die Rose - eine Königin unter den Düften
Die Flugsalben der Hexen - Rauschgift oder pharmakologische Wunderwerke?
Tabak - Genuss und Fluch aus der neuen Welt
Die Myrrhe - ein antikes Allheilmittel
Das Vermächtnis der Hildegard von Bingen
Der mittelalterliche Handel mit Düften und Aromen
Die Alraune - die magischste aller Pflanzen
Angelika - ein Engel in Pflanzengestalt
Die mittelalterliche Wundversorgung mit Pflanzen
Der Holunder
Yggdrasil und die heiligen Haine
Der Paradiesgarten
Die heiligen Nächte der Wintersonnenwende
Keltische Fruchtbarkeitsfeste: Sommersonnenwende und Beltane
Urheberrecht
Impressum
Es war einmal an einem sonnigen Nachmittag als ich von Klaudia von der Duftmanufaktur Wiegner angesprochen wurde, ob ich keine Lust hätte, die Kräuterseiten im mittelalterlichen Magazin Miroque zu schreiben. Wie der Zufall es so will, waren die Magazinmacher mit ihrem Stand auf einem Mittelaltermarkt in Nähe zu Klaudia’s Stand und wenn sich die Gedanken dann noch in mittelalterlicher Kräuterkunde verlieren..
Der Kontakt zum Miroque kam schnell zustande und ich bekam eine Doppelseite zugesichert, gerne auch noch eine Seite mehr. Keine Vorgaben über was ich an Pflanzen schreibe, die Themen sollten nur zu Zeit und Themen des Heftes passen. Das mittelalterliche Miroque-Magazin gab es von 2010 – 2014 und für alle Ausgaben habe ich das Herbarium geschrieben. Denn das Herbarium des Mittelalters war der Titel der Pflanzenseiten des Magazins und erschien dreimal im Jahr und es gab einige Sonderausgaben. Es war eine große Freude, in diesen Jahren in die mittelalterliche Pflanzenkunde einzutauchen.
Den Miroque und VK Histomedia Verlag gibt es seit 2021 nicht mehr und dennoch besteht das Herbarium des Mittelalters weiter. Erst auf meiner Webseite www.satureja.com und nun in dieser Form. Es erfreut seit 2010 sehr viele Duftfreunde, die etwas tiefer in die mittelalterliche Pflanzengeschichte eintauchen möchten.
Denn mittelalterliche Pflanzenkunde ist ein Puzzlespiel, da es in diesen Zeiten noch keine botanischen Namen gab, wenig Aufzeichnungen über Anwendung, Zubereitungen und es gab nur wenig fundiertes medizinisches Wissen. Es ist kein Wunder, dass viele Pflanzen in eine regelrechte Verklärung kamen und mit Legenden, Sagen und Mythen belegt wurden.
Ich nehme dich nun mit in eine Zeitreise durch verschiedene mittelalterliche Epochen und hab viel Freude beim Entdecken der mittelalterlichen Pflanzengeschichten.
Gabriela Stark
Eine der seltsamsten Pflanzen dieser Welt ist die Rose von Jericho. Sie ist klein, kugelig, strohig und vertrocknet. Kein Funken Leben mehr scheint dieser Pflanze innezuwohnen. Ihre Wurzeln sind nur ganz schwach mit dem Boden verbunden, und wenn der Wind an der Pflanze zerrt, reißt er sie los und fegt sie über den Wüstensand wie einen kleinen Ball. Doch wenn sie mit Wasser in Berührung kommt, tritt sie aus dem Schattenreich des Todes und erblüht zum Leben. Ihre Zweige öffnen sich, werden saftig und Ergrünen in einem satten Dunkelgrün.
“Auferstehungspflanze” nannten die Kreuzritter und mittelalterlichen Pilger diese Pflanze. Der Blühvorgang erinnerte sie an das Sterben Christi am Kreuz und dessen Auferstehung in den Himmel. Sie mussten staunend vor dieser Pflanze gestanden haben; und es war für sie ein göttliches Wunder, was sich vor ihren Augen vollzog.
Erklären konnten sich die mittelalterlichen Menschen diesen Vorgang nicht. Wissenschaftliche Methoden zur Untersuchung von Pflanzen, moderne Geräte und biochemische Zusammensetzungen waren in diesen Zeiten unbekannt.
Es ist kein Wunder, dass die Kreuzritter diese Pflanze als besonderen Schatz aus dem gelobten Land mit nach Hause brachten. Sie wurde in eigens kunstvoll angefertigten Kästchen aufbewahrt. Was wir heute für wenige Euro auf einem Mittelaltermarkt erstehen, war in den Kreuzzugszeiten wertvoller als Gold. Die Rose von Jericho avancierte sogar zu einer begehrten Reliquie und gehörte zu den Dom- und Kirchenschätzen neben anderen Kostbarkeiten und verehrungswürdigen heiligen Gegenständen. Wie andere heilige Reliquien wurde auch sie den Gläubigen gezeigt und rituell zum Leben erweckt.
Sie gehörte zu den begehrten Souvenirs für jeden mittelalterlichen Pilger und Kreuzritter, die das gelobte Land auch tatsächlich besuchten. Zur Zeit der Kreuzzüge war die Rose von Jericho keine Handelsware, die auf europäischen Märkten angeboten wurde. Wer kein Geld für eine Rose von Jericho hatte, nahm einfach nur Wasser aus dem Jordan mit nach Hause. So ist nicht verwunderlich, dass die Rose von Jericho von Generation zu Generation vererbt wurde. Etwas so Einzigartiges und Seltenes hat natürlich ebenso einen hohen Symbolgehalt als Glücks-, Reichtums- und Lebenssymbol. Die Rose von Jericho wurde zur Pflanze, die Unheil bannen konnte, vor Krankheiten schützte und ewiges Leben versprach.
Wie die Rose von Jericho zu den Pilgern kam, erfahren wir in dem “Reisehandbuch ins Heilige Land” des Ludolf von Suchen, der 1336 - 1341 das gelobte Land besuchte. Aus seinem Bericht erfahren wir, dass sie von Beduinen gesammelt und an Pilger verkauft wurde. Er berichtet über die Gefahren der Wüste, von der Unbequemlichkeit, der Wärme, dem Sand und den vielen Gefahren wie giftigen Schlangen, Löwen und Drachen, die die Wüste bevölkerten. Mit diesen Geschichten wurden alle Fremden davon abgehalten, die Wüste zu erforschen und die wahren Schätze des Landes zu entdecken. Ebenso berichtet er über die heilige Geschichte von Maria, die mit ihrem Kind Jesus von Jerusalem nach Ägypten floh. Unter der Last und der Anstrengung soll die Rose von Jericho aus den Fußspuren Mariens entstanden sein.
So führt uns die Geschichte der Rose von Jericho nach Ägypten. Denn dort ist sie bekannt unter dem Namen “Kaff maryam”, was “Hand der Maria” bedeutet und nach der Islamisierung der koptischen Ägypter wurde sie in “Id fatma bint e nabi” - “Hand der Fatima” umbenannt. Ihrer ethnobotanischen Geschichte kam Renate Germer, Ägyptologin und Botanikerin, auf die Spur. Im antiken Ägypten war die Rose von Jericho eine magische Symbolpflanze für Gebärende. Ihre Fähigkeit, aus dem Nichts und in ziemlicher Schnelligkeit Leben zu erzeugen, sollte den Frauen eine schnelle und leichte Geburt garantieren. Dazu wurde eine Rose von Jericho zum Leben erweckt und der Gebärenden das Wasser zu trinken gegeben. Bis heute gilt sie als magisches Mittel für Gebärende bei den ägyptischen Beduinenfrauen.
In Antinoe, einer Ausgrabungsstätte einer antiken römischen Stadt in Ägypten wurde sogar eine Frauenmumie aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. gefunden, die eine Rose von Jericho in der Hand hielt. Die Forscherin geht davon aus, dass die Regenerationsfähigkeit der Rose von Jericho nach dem Tode mit dem Wiederauferstehungsglauben der Ägypter in Beziehung stand. Den Pflanzen in Grabbeigaben wird von der Wissenschaft bis heute nur wenig Beachtung geschenkt.
Die hier beschriebene Art ist Anastatica hierochuntica, die zur Pflanzenfamilie der Cruciferae - Kreuzblütler gehört. Ihr Verbreitungsgebiet reicht von Nordafrika bis Vorderasien. Das Besondere an der Pflanze ist ihre nur einjährige Lebensdauer. In diesem einen Jahr bildet die Pflanze ihre Samen aus. Stirbt sie, bevor ihre Samen einen fruchtbaren Boden zur Keimung erreicht haben, kann ihr Wiederbelebungseffekt die Samen so lange schützen.
Dieser Wiederbelebungseffekt lässt sich mit einem Schwamm vergleichen. Wie der Schwamm das Wasser aufsaugt und prall wird, saugen sich ihre Pflanzenzellen mit Wasser voll. Die Rose von Jericho ergrünt und breitet ihre Zweige aus. Trotz allem ist kein Leben mehr in der Pflanze. Es ist ein rein physikalischer Vorgang, der unbegrenzt wiederholt werden kann.
Dieses Phänomen rückt sie heute in den Blickpunkt der modernen Forschung. Dabei stehen die kosmetischen Begriffe “Hautalterung” und “Feuchtigkeitsanreicherung” im Vordergrund. Denn die Pflanze ist ein absoluter Überlebenskünstler in einer feindlichen Umgebung. Die Rose von Jericho schafft es, in ihrer Lebenszeit mehrere Monate ohne Wasser auszukommen, und übersteht ebenso ein vollständiges Austrocknen. Kommt sie wieder mit Wasser in Berührung, bindet sie das Wasser in ihren lebenden oder toten Zellen und erblüht zum Leben. Diese Eigenschaften versuchen Forscher der Universität Freiburg zu ergründen, um die Welt der Kosmetik mit einem neuen Wirkstoff zu bereichern, der der Haut Feuchtigkeit spendet und bindet.
Die Sorte Anastatica hierochuntica wird seit letztem Jahr in einem Projekt bei Jericho kultiviert und wahrscheinlich bald wieder käuflich zu erwerben sein. Denn was wir auf den Mittelaltermärkten erstehen, ist die Variante der Rose von Jericho aus der neuen Welt. Sie nennt sich Selaginella lepidophylla und ist ein Moosfarn. Sie kommt aus den südlichen Gebieten der USA, Mexiko und El Salvador. Da diese Pflanze nicht kultiviert wird, sondern wild gesammelt der Natur entnommen wird, steht sie bereits im Anhang D des Washingtoner Artenschutzabkommens. Dies bedeutet, dass Lieferungen des Moosfarns überwacht werden, um rechtzeitig die Pflanze unter Schutz zu stellen, sollte der Bestand übermäßig abnehmen.
In Mexiko ist die Pflanze unter dem Namen Doradilla bekannt. Das bedeutet übersetzt “die kleine Vergoldete”. Christian Rätsch beschreibt sie als eine Pflanze, die die peruanischen Curanderos und Schamanen als Zauberpflanze bei nächtlichen Ritualen verwendeten. In der mexikanischen Volksmedizin wird sie als Aphrodisiakum und gegen Impotenz verwendet. Erstmalig wird sie im “Libellus de Medicinalibus Indorum Herbis” des aztekischen Kräuterbuches von Martin de la Cruz als Mittel gegen Impotenz erwähnt. Er schrieb 1552 sein Wissen über aztekischen Heilpflanzen nieder. Hier wird sie unter dem Namen “Texochitl” beschrieben und in einem alten Stich abgebildet, wobei ihre “Auferstehungskräfte” symbolisch mit dem Ergrünen und Aufrichten der Pflanze auf die sexuellen Kräfte übertragen wurden, denn Inhaltsstoffe, die ein solch wirksames Aphrodisiakum rechtfertigen würden, sind von der Pflanze nicht bekannt.
Immer wieder findet sich in der Literatur der Hinweis auf das “Blühwunder” zu Weihnachten und das Bauernorakel. Doch hier handelt es sich eben nicht um die Rose von Jericho, sondern um die Christrose (Helleborus niger). Die Christrose galt schon immer als ein Symbol des Lebens, da ihre weißen Blütenköpfe den Schnee durchbrechen und genau um die Weihnachtszeit blühen. Eine solche Pflanze wurde natürlich mit allerlei Magie umgeben. Das Bauernorakel besagte, dass wenn die Blüte zu Weihnachten eintraf, das kommende Jahr fruchtbar sein würde.
Das Wunder und die Faszination, die die Kreuzritter im Mittelalter erlebten, kannst du auch heute noch bestaunen. Um die Rose von Jericho zum Erblühen zu bringen, nimmst du die vertrocknete Kugel und stellst sie in einen Essteller mit wenig Wasser. Zuviel Wasser darfst du ihr nicht zumuten, denn sie schimmelt sehr schnell. Bereits nach einigen Minuten breitet sie ihre Zweige aus und ergrünt. Bis der ganze Vorgang abgeschlossen und du eine grünende Rose von Jericho hast, dauert es allerdings einige Stunden. Du darfst die Rose von Jericho allerdings nur wenige Tage bis max. eine Woche blühen lassen. In dieser Zeit solltest du das Wasser jeden Tag erneuern. Denke daran, nur wenig Wasser geben! Danach stellst du die Pflanze an einen trockenen und warmen Ort. Sie schließt ihre Zweige wieder zu einem kugeligen Ball und trocknet aus. Jetzt benötigt sie eine Ruhepause von mehreren Wochen. Danach kann sie wieder zum Leben erweckt werden.
Nun kannst du bestimmt den unglaublichen Eindruck nachvollziehen, den dies auf die ersten Kreuzritter machte. Nach Strapazen des Reisens und des Kampfes war es ein unerklärbares und magisches Wunder, das mit nichts zu vergleichen war.
Christian Rätsch – Weihnachtsbaum und Blütenwunder AT-Verlag 2003, 183 S. ISBN 978-3-855-02802-3
Renate Germer - Die Heilpflanzen der Ägypter Artemis & Winkler 2002, 184 S. ISBN 978-3-538-07144-5
Ludolf von Suchen - Reisehandbuch ins Heilige Land BiblioBazaar 2009, 94 S. ISBN 978-0-559-9178-9
Miroque - Lebendige Geschichte Nr. 1 - II/2010, Verlag VK Histomedia GmbH
Lange vor unserer Zeitrechnung, dem Bewusstsein der ersten Menschen und Millionen von Jahren nach den Dinosauriern, gab es eine Zeit genannt Eozän. In dem Zeitgefüge unserer Erde liegt das Eozän 58 Millionen Jahre zurück. Die Welt des Eozän war so, wie wir heute von Wissenschaftlern die schlimmste vorstellbare globale Klimaerwärmung präsentiert bekommen. Die Pole waren geschmolzen und eisfrei. Es gab in der Arktis Palmen, und im Meer schwammen subtropische Meeresalgen. Während es auf der einen Seite zu einem Massensterben von Lebewesen kam, gilt das Eozän als die Geburtsstätte der Säugetiere.
In diesem Zeitgefüge entstanden riesige Waldflächen, die den gesamten nordeuropäischen Raum einnahmen. Es war trotz der Wärme ein Wald, der aus Kiefern bestand. Sie gehören zu den ältesten Bäumen dieser Erde, die direkt dem Zeitalter des Eozän entstammen. Hier fand die Entstehung des europäischen Bernsteins statt. Die Bäume sonderten eine Unmenge von Harz ab, in dem auch Pflanzen und Tiere eingeschlossen wurden. Als Inklusen (Einschlüsse) sind sie heute sehr begehrt.
Dieser Wald war durchzogen von Flüssen. Das Wasser bot dem Harz Schutz vor Zersetzung und gab ihm das durchscheinende Aussehen. Der nordeuropäische Bernsteinwald beherrschte die Zeit des Eozän über 10 Millionen von Jahren und aus ihm ging der baltische Bernstein hervor. Aus diesem Bernsteinwald entstand noch ein anderes Produkt, das wir bis heute abbauen und zur Energiegewinnung benötigen: Braunkohle. Kurios ist die Geschichte der Braunkohlegewinnung bei Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Denn dort wurde jahrelang Braunkohle gefördert, bis sehr große Mengen an Bernstein gefunden wurden. Von 1975 - 1993 wurde der Braunkohleabbau komplett eingestellt und nur noch Bernstein abgebaut, und das in einer Größenordnung bis zu 50 Tonnen pro Jahr.
Bernstein ist der mythische und archaische Stein der Erdgeschichte und begleitet die Menschen von Anfang an. Er erzählt von Stein und Zeit, bot magischen Schutz vor allerlei Zauber und war ein ebenso beliebtes Tausch- und Zahlungsmittel. Bis in die heutige Zeit genießt er in der Steinheilkunde und der Homöopathie große Bedeutung.
Ihm haben wir eine der ältesten Handelsrouten unserer alten Welt zu verdanken - die Bernsteinstraße. Sie existierte bereits, lange bevor das Römische Reich anfing, die bekannte Welt zu erobern. Sie verband Nordeuropa mit dem Mittelmeerraum und dem angrenzenden Orient und ist über 4.000 km lang; wobei du dir unter der Bernsteinstraße keine einzige Straße vorstellen darfst, sondern vielmehr ein verzweigtes Netz unterschiedlicher Straßen. Dieses Straßennetz reichte von der Nord- und Ostsee angrenzenden Ländern bis zum heutigen St. Petersburg in Russland. Vom Norden zog sich das Straßennetz über die Alpen nach Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland und über das Mittelmeer bis nach Ägypten und in den Iran.
Bernstein gehörte schon immer zu den wichtigsten Handelsgütern der nordeuropäischen Völker. Seit der Jungsteinzeit sind Bernsteinfunde belegt, und in der Bronzezeit wurde baltischer Bernstein bis nach Italien transportiert. Die antiken Zentren Griechenlands und Rom sagten dem Bernstein eine göttliche Herkunft nach. Er war die zu Stein gewordenen Tränen der Götter.
Die Griechen nannten ihn Elektron, denn durch Reibung (z.B. an der Kleidung) lässt sich der Bernstein elektrostatisch aufladen. Die Herkunftsländer des baltischen Bernsteines nannten sie Elektriden. Jahrhunderte später beschäftigte sich William Gilbert, Leibarzt der Königin Elisabeth I., 1650 mit der elektrostatischen Aufladung des Bernsteins. Er nannte diese Kraft “vis electrica” und leitete damit die Lehre der Elektrizität ein. Aufgeladene größere Bernsteine ziehen Stofffasern, Wollfussel oder Papierschnitzel wie ein Magnet magisch an. Damit ließ sich problemlos die Echtheit feststellen, da er in den antiken Zeiten bereits gefälscht wurde.
Seine elektrostatische Aufladung nutzen heutzutage erfolgreich Hunde- und Katzenbesitzer. Die Bernsteine sind an der Innenseite des Halsbandes befestigt; durch das ständige Reiben beim Tragen lädt sich das Fell des Tieres elektrostatisch auf. Dies bewirkt, dass das Tier zeckenfrei bleibt.
Die Römer vermuteten richtig, dass die Tränen der Götter aus einem Baumharz entstanden. Sie nannten ihn succinum, das lateinische Wort für “Saft”. Succinit ist bis heute die Bezeichnung für den baltischen Bernstein. Im Römischen Reich war er wertvoller als Gold, und zu Plinius Zeiten gab es als Gegenwert für eine kleine Bernsteinfigur bereits einen Sklaven.
Der Bernstein gehörte zur Zeit der Wikinger zu den Exportschlagern, der in alle bekannten Winkel der damaligen Welt geliefert wurde. Die Wikinger schätzten ihn als leicht zu bearbeitendes Material, aus dem Alltagsgegenstände wie Spindeln, Spielbrettfiguren und Würfel für den Zeitvertreib, wertvolle Schmuckstücke und magische Amulette hergestellt wurden.
Ein ganz besonderes Schutzamulett stellte Thors Hammer dar, der zusätzlich mit Runen, Drachen oder magischen Mustern verziert wurde. Der Gott Thor hatte die Gewalt über Donner, Blitz und Sturm. Mit seinem Hammer trieb er die Donnerkeile zwischen die heraufbeschworenen Regenwolken, so dass Gewitter erst möglich wurden. Naturphänomene, wie schwere Unwetter oder See, Elmsfeuer und Nordlichter entstammten direkt den jeweils erzürnten Göttern. Bernstein bot hier magischen Schutz, da er aufgrund der elektrostatischen und magnetischen Eigenschaften gottgleiche Eigenschaften aufwies.
Den Wikingern stand er in so großen Mengen zur Verfügung, dass er einfach zum Anheizen und Betreiben der Herdfeuer verwendet wurde. Darauf bezieht sich sein Beiname “Brennstein”; dies kommt vom niederdeutschen Wort “börnen” für brennen. Bernstein ist nicht nur leicht entzündlich, er brennt sehr gut und sehr lange.
Einige Jahrhunderte nach der Herrschaft der Nordmänner begann der Goldrausch auf den Bernstein. Ausschlaggebend war der Deutsche Orden, der sich direkt auf den ersten Kreuzzug zurückverfolgen lässt. Die Ritter unterwarfen im Jahr 1283 die baltischen Völker an der Ostseeküste und gründeten das erste Bernsteinmonopol, das sogen. “Bernsteinregal”. Das Sammeln und der Besitz von Bernstein waren ab sofort unter Todesstrafe verboten.