Herr Heiland und das Geheimnis der vergessenen Bücher - Johann Simons - E-Book

Herr Heiland und das Geheimnis der vergessenen Bücher E-Book

Johann Simons

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Folge 17 - Herr Heiland liest Spuren: Durch Zufall stößt die Leiterin der Sonntaler Grundschule, Jenny Jessen, auf die alten Bestände der Bücherei "Lesegrube", die vergessen im Schulkeller lagern. Könnte die Bücherei reaktiviert werden? Bürgermeister Mindenfeld ist wenig begeistert. Das nötige Geld aus der Gemeindekasse würde er viel lieber in eine Virtual-Reality-Spielhalle investieren. Doch als auf dem Campingplatz in Sonntal ein Toter gefunden wird und alles auf einen heimtückischen Mord hindeutet, wendet sich das Blatt. Denn bei dem Verstorbenen handelt es sich um den ebenso erfolgreichen wie öffentlichkeitsscheuen Schriftsteller Falko vom Stein, dessen Tod in Sonntal ein regelrechtes Lesefieber auslöst. Doch warum wurde er ermordet? Pfarrer Heiland und Polizist Kern ermitteln ...

Über die Serie: Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin, dem überambitionierten Bürgermeister und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen ...

Herr Heiland - ein himmlischer Wohlfühl-Krimi für alle Fans von gemütlichen Ermittlungen.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeHerr Heiland – Die SerieTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Über den AutorWeitere Titel des AutorsImpressum

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Über diese Folge

Herr Heiland liest Spuren: Durch Zufall stößt die Leiterin der Sonntaler Grundschule, Jenny Jessen, auf die alten Bestände der Bücherei »Lesegrube«, die vergessen im Schulkeller lagern. Könnte die Bücherei reaktiviert werden? Bürgermeister Mindenfeld ist wenig begeistert. Das nötige Geld aus der Gemeindekasse würde er viel lieber in eine Virtual-Reality-Spielhalle investieren. Doch als auf dem Campingplatz in Sonntal ein Toter gefunden wird und alles auf einen heimtückischen Mord hindeutet, wendet sich das Blatt. Denn bei dem Verstorbenen handelt es sich um den ebenso erfolgreichen wie öffentlichkeitsscheuen Schriftsteller Falko vom Stein, dessen Tod in Sonntal ein regelrechtes Lesefieber auslöst. Doch warum wurde er ermordet? Pfarrer Heiland und Polizist Kern ermitteln …

Herr Heiland – Die Serie

Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin Fräulein Dimpel, dem überambitionierten Bürgermeister Moritz Mindenfeld und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen …

JOHANN SIMONS

Kapitel 1

Wer kann es ergründen?

Blut, überall Blut!

Klaas Heiland stand in der offenen Tür und konnte den Blick nicht abwenden. Wie gelähmt kam er sich vor – unfähig, den Kopf von dem Panorama des Grauens abzuwenden. Fast schon magnetisch hing seine gesamte Aufmerksamkeit an den Spuren des Verbrechens, die sich vor ihm erstreckten. An dem Blut, das sich in langsam trocknenden Lachen auf den Bodenfliesen sammelte. Und an dem Gesicht.

Der Mann hatte die Augen noch immer geöffnet. Leer und starr glotzten sie zur Decke des Waschhauses, als fänden sie dort oben zwischen den flackernden Neonröhren die Antwort auf unausgesprochene Fragen. Sein grau meliertes Haar klebte ihm blutverschmiert am Hinterkopf, seine dick umrandete Brille hing ihm schief auf der Nase. Selbst der rote Schal, den er künstlerhaft zu Tweed-Sakko und Rollkragen trug, und das kleine Notizbuch, das aus seiner Sakkotasche ragte, waren besudelt.

Überall war Blut.

Klaas Heiland war froh, als er es endlich schaffte, die Augen zu schließen. Hinter seinen Lidern wartete die erlösende Schwärze. Er nutzte sie für ein schnelles Gebet.

Erst danach begann er zu ermitteln.

Wenige Stunden zuvor

»Und was meint die Bibel mit dieser Textstelle? Na, wer kann es mir sagen?«

Abwartend schaute Pastor Klaas Heiland in die fünfundzwanzig jungen Mienen vor seinem Pult. Die Klasse 3a der Grundschule war an diesem Vormittag vollzählig zur Religionsstunde erschienen, was angesichts der gerade erst abebbenden Magen-Darm-Sache hier im Haus alles andere als selbstverständlich war. Auch Heiland, der jede Woche für Religionsstunden in der Schule Station machte, hatte sich den Infekt neulich bei einem Unterrichtsbesuch eingefangen und danach zwei Tage lang das Pfarrhaus hüten müssen. Nun war er aber wieder auf dem Damm, genau wie seine Schülerinnen und Schüler.

»Ella?«, wandte er sich an eine von ihnen. »Hast du vielleicht eine Idee?«

Ella Schäfer zählte zu seinen fleißigen Ministrantinnen drüben in der Dorfkirche. Heiland kannte sie als aufgewecktes Mädchen, das alles andere als dumm war. Vielleicht kam sie ja auf eine Idee.

»Hmmm«, machte das Kind. Nachdenklich kratzte sie sich am Kinn. »Dass der Mensch herzkrank ist, so wie mein Opa Heini?«

Heiland lachte kurz. »So ganz falsch ist das nicht, Ella. Die Bibel findet uns Menschen nämlich alles andere als perfekt. Das sieht man an vielen unterschiedlichen Textstellen. Wir mögen nach dem Antlitz des Schöpfers erschaffen worden sein, doch im Gegensatz zu ihm sind wir alles andere als unfehlbar. Aber geht es vielleicht noch konkreter? Was genau unterstellt der Text uns denn hier an dieser Stelle?«

Luca aus der dritten Reihe runzelte die Stirn. »Es ist das Herz ein trotzig und verzagtes Ding«, las er das Zitat aus dem Buch Jeremia erneut laut vor, das Heiland an die Tafel geschrieben hatte. »Wer kann es ergründen?«

»Ganz genau.« Der Pastor nickte. »Was bedeutet das?«

Es war ein grauer Mittwochvormittag in Sonntal am See, der kleinen Gemeinde im bayerischen Nirgendwo. Dichte Wolken hingen über dem Dorf, die ihren Regen bislang noch für sich behielten, und ein scharfer Wind pfiff dazu erwartungsvoll um die Häuser. Ein Unwetter bahnte sich an.

Heiland kannte derartig ungemütliche Tage aus seiner alten Heimat an der Ostsee zur Genüge, wo das Wetter launischer gewesen war als der Gott des Alten Testamentes und das aufgepeitschte Meer mitunter sogar die Stehtische im Außenbereich von Erich Konstantins Hafen-Fischbude weggespült hatte. In Sonntal jedoch, wo der einundsechzigjährige Geistliche Heiland nun schon seit einer ganzen Weile seinen Dienst am Altar verrichten durfte, gab ein anderes Klima den Takt des Lebens vor. Regentage suchte man in diesem bayerischen Idyll meist vergebens. Erst vor zwei Wochen hatte Heiland bei einer Sitzung des Pfarrgemeinderates die nicht ganz unernst gemeinte Frage formuliert, ob Petrus zufällig ein Sonntaler gewesen sei. Anders könne er sich das ständige Ansichtskarten-Weiß-Blau am Himmel über dem Dorf nämlich nicht mehr erklären. Das heutige Wetter widerlegte die These allerdings merklich. Oder hatte Petrus gerade einen Krankentag und lag ebenfalls flach mit Magen-Darm?

Ausnahmen bestätigen die Regel, dachte Heiland mit leichtem Schmunzeln.

Dann schoss Leonies Arm vor ihm in die Höhe. »Bedeutet es, dass der Mensch gemein sein kann?«

Heiland lächelte die Neunjährige an. »Gut möglich. Gemein und …?«

»Gemein und ängstlich«, vermutete ihr Sitznachbar Mateo. »Verzagt heißt ja ängstlich, oder?«

»Gemein und ängstlich«, wiederholte Heiland. Langsam ging er zwischen den Sitzreihen der 3a umher. »Jeremia sagt also in der Tat, dass das Herz der Menschen – und somit auch der Mensch an sich – nicht perfekt ist. Dass wir Ängste in uns bergen können. Dass wir uns manchmal Dinge nicht trauen und ganz schön trotzig und stur sein können.«

»Meine Mama ist auch trotzig«, meinte Sarah. Die Achtjährige zählte zu den jüngsten der Klasse und hatte feuerrotes Haar. »Das sagt zumindest mein Papa. Manchmal, wenn er denkt, ich würde es nicht hören.«

»Dann hast du das also von der?«, parierte Luca mit erstaunlicher Treffsicherheit.

»Ha.« Sarah verschränkte die dünnen Arme vor der Brust und streckte ihm die Zunge heraus. »Nicht lustig, du Blödkopf.«

»Seht ihr?«, fragte Heiland und trat schlichtend zwischen die beiden Kinder. »Das Herz kann ganz schön bissig werden, und dann steuert es unseren gesamten Körper in diese Richtung.«

»Und wenn Sie einen Mörder suchen, Herr Pfarrer?«, meldete Ella sich wieder zu Wort. »Ist Ihr Herz dann auch am Verzagen?«

Die Frage erwischte den Pastor äußerst unerwartet. Staunend hob er eine Braue.

Eigentlich war Heiland »nur« der Seelsorger der Gemeinde. Zu seinen alltäglichen Aufgaben zählte die Arbeit am Altar und natürlich die an und mit den Einwohnern selbst. Er unterstützte die vielen Vereine und Feste, brachte die Krankenkommunion zu den Alten, betete für die, die es nötig hatten, und behielt ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Schäfchen. Und das sogar ungeachtet dessen, ob sie zu den regelmäßigen Kirchgängern zählten oder nicht. Doch seit er in Sonntal lebte, hielt ihn längst nicht nur die Kirche auf Trab. Aus Gründen, die wohl nur der Allmächtige kannte, schien dieses verschlafene kleine Idyll am See der reinste Mörder-Magnet zu sein. Mit erschreckender Regelmäßigkeit stolperten die Sonntaler über irgendwelche Leichen, und ebenso regelmäßig gaben diese der Polizei ein Rätsel auf. Dabei waren Recht und Gesetz in Heilands Dorf alles andere als dumm: Tobias Kern leitete die kleine Wache im Ort und galt als ausgesprochen engagierter Ermittler. Nur hielt sein detektivisches Gespür nicht immer Schritt mit seinem Arbeitseifer, weshalb ihm Heiland nicht selten bei der Mördersuche zur Hand ging. Als passionierter Krimi-Leser und Fan der Romane um den britischen Kult-Ermittler Timothy Smart hatte Heiland einfach ein Händchen dafür entwickelt – quasi einen siebten Sinn, wenn es um Mord ging. Tobias Kern dankte ihm regelmäßig dafür, und genauso regelmäßig winkte Heiland dann ab: Er tat ja im Grunde nichts Außergewöhnliches, sagte er dann immer. Er half einfach nur, nach bestem Wissen und Gewissen. Genau dafür waren Seelsorger doch da.

Und doch: Ella hatte nicht unrecht. Eine Mördersuche konnte ganz schön gefährlich sein …

»Auch Pfarrer sind Menschen«, antwortete er auf ihre Frage. »Und genau wie alle anderen sind auch ihre Herzen nicht perfekt. Ja, Ella: Manchmal verzage ich bei der Mörderjagd. Und ich bin auch manchmal stur und mürrisch, obwohl ich das gar nicht sein möchte.«

»Sie haben aber schon länger keinen Mörder mehr gefangen, richtig?«, meinte Sarah. »Mein Papa hat das gesagt.«

»Es gab lange keinen Grund mehr dafür«, erwiderte Heiland. »Zum Glück.«

Sonntal genoss gerade eine Phase des Friedens und der Ruhe, das stimmte. Seit der letzten Mordermittlung waren Monate vergangen. Und wenn es nach ihm ging, durften es noch viele weitere Monate werden. Er war Priester, kein Detektiv. Das war seine erste und oberste Pflicht. Hinzu kam: Jeder Mordfall bedeutete ein zu früh beendetes Leben. Je weniger es davon gab, desto besser.

»Und deshalb«, fuhr er fort und sah zur Klasse, »hatte ich auch die Zeit, mir neue Hausaufgaben für euch auszudenken.«

Die 3a stöhnte wie Noah im Angesicht der anrollenden Wellen. Doch sie blieb artig und notierte sich den Aufsatz, den er sie bis zur nächsten Woche schreiben lassen wollte, in ihre Hausaufgabenhefte. Einen Herzschlag später erklang der Stundengong.

Pünktlich wie die Maurer, dachte Heiland. So langsam bekomme ich den Dreh heraus.

Er verabschiedete die Klasse in die große Pause. Auch er selbst durfte sich nun einen Moment zum Durchatmen gönnen, denn den nächsten Unterricht – bei der gefürchteten 2b, die zum Großteil aus Chaoten bestand – hatte er erst in etwa dreißig Minuten. Heiland ging durchs Treppenhaus und gelangte ins Lehrerzimmer, wo ihn ein angenehm kräftiger Duft von Kaffee und das Angesicht des Ministerpräsidenten begrüßte.

Dicht gefolgt vom Bürgermeister.

»Herr Mindenfeld?«, wunderte sich der Pastor. »Was machen Sie denn hier?«

Moritz Mindenfeld – Mitte fünfzig, sonnenbankbraun und mit immerwährendem Aktionismus gesegnet – stand am Fenster, das auf den Schulhof hinausging, und unterhielt sich mit dem Mathelehrer Kurt Klobinger.

»Herr Heiland«, staunte der Bürgermeister. Seine Hände steckten in den Taschen seiner wie maßgeschneidert sitzenden Anzughose. Nun aber zog er die Rechte hervor, um sie Heiland zu reichen. »Die Welt ist ein Dorf, hm? So sieht man sich wieder.«

»Nun ja«, meinte Klobinger. »Sonntal ist ein Dorf, von daher …«

»Der liebe Kurt und ich sprachen gerade über ein ausgesprochen spannendes Thema«, fuhr Mindenfeld fort. »Sponsoring.«

»Aha?«, wunderte sich Heiland. Er trat zur Kaffeemaschine, füllte sich eine Tasse und gab reichlich Milch und vor allem Zucker hinzu. Normalerweise verkniff er sich Süßes, doch auch hier bestätigten Ausnahmen in seinen Augen die Regel. »Was soll denn gesponsert werden?«

Mindenfeld breitete die Arme aus. »Na alles«, antwortete er begeistert. »Ist das nicht toll? Im Grunde kann alles im Dorf ein Werbeträger sein. Oder ein dankbarer Empfänger von Investitionen.«

»Herr Mindenfeld meinte«, erklärte Klobinger, »ich könne bei meinem Schwager ein gutes Wort einlegen. Kennen Sie den?«

»Bedaure«, gestand Heiland. »Wohnt er im Dorf?«

»In Bad Blümchen. Dort leitet er das Milchwerk.«

Allmählich begriff Heiland. Das Milchwerk in der Kreisstadt zählte zu den größten Arbeitgebern der Region, und Moritz Mindenfeld war einer der größten Erbauer von Luftschlössern weit und breit. Kein Wunder, dass er sich einen Vorteil von Klobingers verwandtschaftlichen Banden erhoffte.

Für Sonntals daueremsigen Bürgermeister war das verschlafene Idyll am See brachliegendes Potenzial. Sah Mindenfeld eine grüne Wiese, fragte er sich, wie man sie zu Geld machen konnte. Sah er einen Brunnen, wollte er ihn fotografieren und als Motiv für Ansichtskarten vermarkten. Ganz Sonntal war für ihn eine einzige Chance, und er würde lieber sterben als sie verstreichen zu lassen. Seit Heiland den Mann kannte, schwärmte dieser bereits von der »bayerischen Riviera« und von dem »zweiten St. Moritz«, in das er Sonntal verwandeln würde. Aus dem Kuhkaff im Nirgendwo wollte Mindenfeld einen Szene-Treff für die Reichen und Schönen aus aller Welt machen, ein Sylt des Südens und ein europäisches Aspen. Dass die Wirklichkeit seine Ambitionen immer wieder krachend ausbremste, störte den Bürgermeister dabei nicht im Geringsten. Vielleicht lag es an seiner Vergangenheit als – wenn auch sehr kurzzeitiger – Olympionike, dass der Begriff Aufgeben bei ihm schlicht nicht vorkam. Er kämpfte einfach immer weiter.

»Sie wollen das Milchwerk als Sponsor gewinnen?«, sagte Heiland. »So generell oder für eine konkrete Aktion?«

Mindenfeld setzte gerade zu einer Antwort an, als Heiland eine sanfte Berührung am linken Oberarm spürte. Ein nicht minder sanftes Stimmchen folgte ihr.

»Verzeihung. Herr Heiland? Kann ich ganz kurz stören?«

Die drei Männer sahen zur Seite und in das entschuldigend lächelnde Gesicht der Direktorin. Jenny Jessen leitete die Grundschule schon eine ganze Weile und zählte zu Heilands liebsten Menschen im ganzen Dorf. Vor einigen Monaten hatten Tobias Kern und er ihr sogar dabei helfen können, ihren Vater Theo aus dem Gefängnis zu befreien. Theo hatte dort eine Haftstrafe wegen Mordes abgesessen, diesen Mord aber gar nicht begangen. Heiland hatte seine Unschuld, an die Jessen stets geglaubt hatte, damals zweifelsfrei nachgewiesen. Auf diesen Erfolg war der Pastor heute noch stolz.

»Aber, aber, meine Liebe«, wandte er sich nun an Jessen. »Sie stören kein bisschen. Kann ich Ihnen helfen?«

»Ja, vielleicht«, gestand die Direktorin. »Hätten Sie nach Ihrer nächsten Stunde vielleicht einen Moment für mich übrig, oder müssen Sie gleich weiterziehen? Ich würde Ihnen gern etwas zeigen, unten im Keller.«

Abermals hob Heiland eine Braue. Die 2c war seine letzte Klasse des Morgens, wie Jessen fraglos wusste, und tatsächlich hatte er in ihrem Anschluss keinerlei dringenden Termine, sah man einmal vom Mittagessen im Pfarrhaus ab.

»Ich stehe zu Ihrer vollen Verfügung, Frau Jessen«, antwortete er. »Und ich bin schon sehr gespannt.«

Den Keller der Schule erreichte man über eine Treppe, die am hinteren Ende des Erdgeschosses lag. Heiland betrat sie an diesem Vormittag zum ersten Mal.

»Ich wusste gar nicht, dass die Schule einen Keller hat«, gestand er, während er Jessen in die von neongelben Baulampen erhellte Tiefe folgte. »Die Tür, durch die wir gerade gegangen sind, hielt ich bislang für die eines Geräteschranks.«

Jessen lachte. »Von denen hat’s hier auch eine ganze Menge, Herr Heiland. Aber, ja: Wir haben auch einen Keller. Abgesehen von meinem Vater, dem Hausmeister, benutzt den aber kaum noch jemand.«

Die Stufen endeten in einem länglichen und fensterlosen Flur, von dem mehrere Türen abgingen. Auf der ersten Tür stand in alt anmutenden Lettern das Wort HEIZUNG geschrieben, auf der zweiten in deutlich moderneren – und schiefen – das Wort LAGER. Tür Nummer drei folgte in einigem Abstand und schien das Ziel von Jessens Ausflug zu sein, immerhin blieb die Direktorin vor ihr stehen und griff in die Jeanstaschen.

»Wo habe ich nur gleich den Schlüssel?«, murmelte sie. Ihr blonder Pferdeschwanz schien im Licht der Baulampen regelrecht zu leuchten. »Ah, da ist er.«

Sie schloss die Tür auf und kämpfte kurz mit der störrischen Klinke. Dann erst glitt die Tür ins Raumesinnere auf.

»Die klemmt ein wenig«, sagte Jessen. »Ich schätze, in dem Zimmer war seit Jahrzehnten niemand mehr. Ich jedenfalls vor heute noch nie – weder früher als Schülerin noch als Direktorin.«