Hinter der Blechwand - Andrzej Stasiuk - E-Book

Hinter der Blechwand E-Book

Andrzej Stasiuk

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Beschreibung

Wladek und Pawel klappern mit ihrem alten Lieferwagen die Märkte und Basare Südosteuropas ab. Doch ihre Secondhand-Klamotten aus »Paris–London–New York« sind nicht mehr gefragt: Plötzlich tauchen überall billige Textilien aus China auf und verderben ihnen das Geschäft. Als Wladek sich in die Kartenverkäuferin eines Kirmeskarussells verliebt, werden die beiden unversehens in das kriminelle Treiben von Menschenschmugglern hineingezogen. Der Road Trip entwickelt sich zu einer rasanten Verfolgungsjagd, in der es nicht mehr um gefälschte chinesische Markenwaren, sondern um Leben und Tod geht.

»Eine rauschhafte Lektüre!« Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung

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Seitenzahl: 483

Veröffentlichungsjahr: 2011

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Wladek und Pawel klappern mit ihrem alten Lieferwagen die Märkte und Basare Südosteuropas ab. Doch ihre Secondhand-Klamotten aus »Paris–London–New York« sind nicht mehr gefragt: Plötzlich tauchen überall billige Textilien aus China auf und verderben ihnen das Geschäft. Als Wladek sich in die Kartenverkäuferin eines Kirmeskarussells verliebt, werden die beiden unversehens in das kriminelle Treiben von Menschenschmugglern hineingezogen. Der Road Trip entwickelt sich zu einer rasanten Verfolgungsjagd, in der es nicht mehr um gefälschte chinesische Markenwaren, sondern um Leben und Tod geht.

»Eine rauschhafte Lektüre!«

Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung

Andrzej Stasiuk, 1960 geboren, lebt seit 1986 in den Beskiden und bereist seit Jahren den europäischen Südosten, neuerdings auch Russ­land und die Mongolei. Sein vielfach ausgezeichnetes Werk wird in 25 Sprachen übersetzt.

Andrzej Stasiuk

Hinter der Blechwand

Roman

Aus dem Polnischen vonRenate Schmidgall

Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel

Taksim

bei Czarne, Wołowiec.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012

Copyright © by Andrzej Stasiuk 2009. All rights reserved

© Suhrkamp Verlag Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm und andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-76730-6

www.suhrkamp.de

Für M.

IM HERBST sieht man, daß die Stadt stirbt. Diejenigen, die fliehen wollten, sind schon lange geflohen. In der Abenddämmerung hängt der Gestank brennender Blätter. Der Rauch mischt sich mit Nebel und verhüllt die Außenbezirke. Die Lichter werden gelblich und fahl. Man muß auf die Fußgänger achten, sie sind schwarz wie der Asphalt. Manchmal fahre ich kreuz und quer durch die Stadt und sehe, daß es keine Stelle gibt, wo man aussteigen möchte – und keinen Grund. Vier Kreuzungen, ein Kreisel, die Ampeln blinken gelb, schon um zehn Uhr abends. Bei Nordwind riecht man die sterbende Fabrik. Alle sind schon weg. Nur die, die es nicht schaffen, sind noch hier. Sie wachen morgens auf, schauen aus dem Fenster und gehen nicht aus dem Haus. Es sei denn, sie haben einen Hund. Dann gehen sie auf den Marktplatz und gucken sich die Todesanzeigen an, um zu sehen, wer gestorben ist, und sich zu freuen, daß es noch nicht sie erwischt hat.

Um zehn ist alles tot. Nur die Tankstelle lebt. Niemand tankt. Alle kaufen Alkohol oder sitzen in der Kneipe. Die Autos, die sie haben, werden immer größer, immer billiger und immer älter. Sie kaufen sie bei den Schlitzohren, die mit ausländischem Schrott handeln. Ja, alle gehen weg oder importieren etwas. Hier gibt es nichts. Diese Autos werden jeden Moment auseinanderfliegen, die Böden werden abfallen und die Karosserien in den Wäldern hinter der Stadt landen. So etwas kauft kein Mensch mehr. Da werden Füchse oder Rebhühner einziehen. Füchse sind klug. Ich sehe sie immer näher an der Stadt. Die Leute werfen Lebensmittel weg. Sie kaufen sie und können sie nicht essen, weil sie billig und eklig sind. Genau das richtige für die Füchse. Manchmal überqueren sie die Straße wie Katzen oder Hunde. Sie fressen die Wurst der Menschen und wohnen in verrosteten Limousinen. Schließlich räumt das Gerümpel keiner weg. Alteisen, zu nichts mehr nütze. Aber die von der Tankstelle stört das nicht. Meistens haben sie Glatzen und abstehende Ohren. Als wären sie unterernährt. Manchmal tanke ich nachts und betrachte sie durch die Scheibe. Ihre Bewegungen sind insektenhaft, nervös. Sicher hat man sie als Kinder geschlagen. Vergeblich. Sie sind dumm und fluchen ohne Ende. Aber später, wenn sie auseinandergegangen, wenn sie allein sind, huschen sie verstohlen im Schatten der Mauern entlang, den Blick gesenkt.

Die Bullen versammeln sich ebenfalls an der Tankstelle. Auch sie haben meistens Glatzen. Vielleicht sind sie nur ein bißchen besser genährt, größer, dicker und selbstsicherer. Aber es ist eine Selbstsicherheit, die sie aus amerikanischen Filmen gelernt haben. Außer der Tankstelle sind nachts in der Stadt nur die Videotheken offen. Die Leute nehmen sich zwei, drei oder vier Filme mit und gehen nach Hause. Die Bullen unterscheiden sich kaum von den anderen Leuten. Sie kommen sich vielleicht nur besser vor. Aber sie sind es nicht. Sie sind genau wie die Glatzköpfe mit den abstehenden Ohren. Sie schauen sich die gleichen Filme an und essen das gleiche Zeug in der Tankstellenkneipe. Und warten ebenso auf eine Revolution, die alles verändert. Das ist es, was ich in dieser Stadt spüre – Warten. Alle beschäftigen sich nur provisorisch mit dem Leben. Sie warten ab, in der Hoffnung, daß alles auf den Kopf gestellt wird, daß alles ganz anders wird, als es ist, daß die Letzten endlich die Ersten sein werden.

Gestern abend setzte ich mich neben einen Tisch, an dem ein Vater und sein Sohn saßen. Sie waren auf der Durchreise. Solche Leute erkennt man leicht, denn sie fühlen sich unsicher, schauen sich ständig um. Selbst wenn alles ruhig ist, können sie sich nicht beherrschen und sehen sich um, als erwarteten sie einen Hieb oder irgendeine Belästigung. Der Vater war groß, dick und hatte einen Schnurrbart. Er saß lässig ausgestreckt da, aber er sah sich immer wieder um. Der Sohn ähnelte ihm, war schon auseinandergegangen von dem fetten, billigen Fraß. Ich wartete auf jemanden und hörte ihnen eine halbe Stunde zu. Eigentlich redete hauptsächlich der Alte. Von einem Auto, genauer gesagt, von den Türen des Autos: ob es sich lohne, sie zu lackieren und die Bespannung auszutauschen. Der Sohn war im Prinzip mit allem einverstanden und nickte. Das Wort »Bespannung« fiel wohl zehn-, fünfzehnmal und bestimmte den Rhythmus des farblosen Vortrags. Der Alte verlieh dem Gelaber ein Gewicht, wie es väterlichen Belehrungen über Sinn und Tücken des Lebens eigen ist. Sie aßen Bohnensuppe. In der Küche brutzelten Koteletts für sie. Plötzlich war der Monolog unmerklich auf ein Handy zum günstigen »Aktionspreis mit Servicepaket« übergegangen. Wieder nickte der Sohn und warf ein paar Silben ein. Dann stand er auf und ging zur Theke, um die Teller mit dem Hauptgericht abzuholen. Er trug einen dunkelblauen Trainingsanzug aus Polyester. Der Vater eine Lederjacke.

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