Hogla-Krazu - Namor Glofre - E-Book

Hogla-Krazu E-Book

Namor Glofre

0,0
23,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Im Jahr 2129 führen die Menschen ein modernes Leben voller Annehmlichkeiten. Doch über den scheinbar harmonisierten Staaten regiert das System, das sich Spürimpulse, X5-Seher und grasgrüner Longos bedient, um an der Macht zu bleiben. Die 18-jährige Lura Sun ist die Suchende und muss den vergessenen Weg finden. Stets an ihrer Seite: Arul, ihre große Liebe. Als es Satanor gelingt, vom Planeten Jaro zu fliehen, ist Lura in großer Gefahr. Fara, die Wächterin des Nebels und der weißen Magie, macht es Satanor jedoch schwer, seine Vorhaben umzusetzen. Chrisnato, der Schöpfer der Welten, erscheint und auf die große Vorhersehung wartet das geheimnisvolle Hogla-Krazu. Science-Fiction, Mythologie und Religion treffen auf Humor, Romantik und Gefühl und entführen den Leser in eine spannende Fantasy-Welt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 592

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-617-7

ISBN e-book: 978-3-99130-618-4

Lektorat: Dr. Mag. Angelika Moser

Umschlag- & Innenabbildungen: Namor Glofre

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Charaktere

Lura, eine junge Frau von achtzehn Jahren, hat es durch eine unbekannte Macht geschafft, vorzeitig als systemtreue T-Klasse aus Lehrrat entlassen zu werden. Mit ihrer Mutter Chanu lebt sie am Bodensee. Lura verändert sich aus einem tiefgreifenden Grund: Nach und nach entwickelt sie Fähigkeiten, die weit über das menschliche Maß hinausgehen, das macht ihr Angst. Hinter dieser Veränderung steckt ein unglaubliches Geheimnis. Ihre Einzigartigkeit birgt eine große Gefahr: Schwarze Magie will sich mit ihr verbinden. Doch weiße Magie und außerirdische Kräfte helfen Lura. Ein Weg voller Gefahren liegt vor ihr. Wie wird dieser Weg enden?

Arul, gerade zwanzig Jahre, liebt die körperliche Herausforderung, dabei stößt er oft an seine Grenzen. Vor Jahren war da dieses seltsame Licht in seinen Händen, es hat ein kleines Mädchen ins Leben zurückgeholt. Das Fest der Nachtmaie bringt ihn aus dem Gleichgewicht, der Grund sind die dunkelbraunen Augen von Lura. Aus der ersten Begegnung wird eine tiefe Liebe. Er ahnt noch nicht, wie gefährlich der gemeinsame Weg für sie beide wird.

Luff, eine Gen-Bio-Entwicklung aus den Forschungslaboren, ist das Geburtstagsgeschenk an Lura von ihrer Mutter Chanu. Luff verdreht ständig Satzgefüge und Worte, ist blitzeblau und kann mit seinen übergroßen Ohren fliegen. Immer wieder bringt er Lura zum Lachen. Die zwei werden Freunde.

Longo, ein Gemisch aus Biozellen und Mechanik, hochintelligent und extrem arrogant. Das äußere Erscheinungsbild: spargeldünn, grasgrün, auffallend hässlich und am ganzen Körper blubbern Blasen. Entwickelt, um dem System zu dienen. Seine Intelligenz lässt ihn aber eigene Wege gehen. Von Menschen erschaffen kritisiert er scharf die mangelhafte Entwicklung seiner Schöpfer.

Chanu hat sich gegen den künstlerischen Erfolg entschieden, denn Lura sollte von Anfang an bei ihr aufwachsen. Mutter und Tochter verbindet sehr viel, sie sind Freundinnen. Doch Chanu ist oft traurig, sie kann ihre große Liebe, Luras Vater, nicht vergessen. Er ist in einem kleinen Waldsee ertrunken, damals wusste sie noch nicht, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Kein Mann konnte danach je wieder ihr Herz gewinnen. Doch dann passiert etwas Unglaubliches.

Risor, der Zweite des Systems, muss ein harter Diktator sein, hochintelligent, gefühlskalt und dem obersten Lenker treu ergeben. Doch nichts ist so, wie es scheint. Hinter der akkuraten Fassade verfolgt er eine Mission. Vierzigtausend Menschen gilt es zu schützen, die sich vor der Diktatur des Systems unter der Erde verstecken. Wenn Risor alleine ist, passieren merkwürdige Dinge: Gegenstände bewegen sich, gelenkt durch seinen Willen. Ein tiefes Geheimnis verbirgt sich dahinter.

Nuke ist Risor untergeordnet. Hinterlistig und boshaft verfolgt er strikt seine Ziele. Das größte Hindernis auf seinem Weg zum Erfolg ist Risor, ihn muss er beseitigen. Nuke ist reich und außerdem kreativ, wenn es um das Schmieden von intriganten Plänen geht. Er scheut sich nicht, dafür auch Menschen zu benutzen, die dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen. Werden seine Pläne aufgehen?

Lilu ist nicht nur die Freundin von Lura, sie ist auch das ganze Gegenteil von ihr: Übergenau, pflichtbewusst und für ihre zwanzig Jahre hat sie es viel zu eilig, erwachsen zu werden. Lilu ist eine hervorragende Technikerin. Sie liebt die quirlige Art ihrer Freundin, die es immer wieder schafft, sie mitzureißen. Die beiden ergänzen sich prächtig und verstehen sich auch ohne Worte. Doch dann ist plötzlich ihrer beider Leben in Gefahr.

Rekor ist fast sechzig Jahre, doch man sieht es ihm nicht an, das jungenhafte Gesicht, die kurzen blonden Haare und die lockere Art passen zu seiner Lebenseinstellung. Rekor studiert die Psyche der Menschen, ihn faszinieren die unterschiedlichen Lebensweisen. Er hat sich in Lilu verliebt, die beiden verspüren eine tiefe Verbindung. Vierzig Jahre Altersunterschied sind für sie nur eine Zahl.

Fila lebt in Suri, einer unterirdischen Stadt mit vierzigtausend Menschen, die sich vor dem System verstecken. Doch Fila ist erst fünfundzwanzig, sie will nicht ihr ganzes Leben unter der Erde verbringen. Früher, als Fila noch unbeschwert durch die Wälder laufen konnte, fing sie oft an, zu singen – dann waren die Vögel immer ganz still. Doch Fila glaubt nicht an ihr Talent, eine schreckliche Tragödie wirft sie vollends aus der Bahn, dann überschlagen sich die Ereignisse, danach ist nichts mehr so, wie es war.

Trok nutzt seine fünfundachtzig Jahre Lebenserfahrung, um Suris Bewohner vor dem System zu schützen. Die Menschen hören auf ihn. Er ist glücklich in Suri, doch er spürt auch, dass seine Tochter Fila dieses Gefühl nicht teilt. Er nimmt sie mit auf eine Tauchfahrt, doch so schön wie dieser Ausflug beginnt, so schrecklich endet er, aber was dann geschieht, grenzt an ein Wunder.

Optimus ist weit über einhundert Jahre, doch quirlig wie ein junger Hupfer. Er liebt die Menschen, auch er lebt unter der Erde, doch nicht in Suri, sondern in Olinara, benannt nach der Lebensblume Olina. Gewachsen auf einem fremden Planeten, hat die Lebensblume unter der Erde eine fremdartige Welt entstehen lassen, die nicht nur einzigartig ist, sondern wahre Wunder bewirkt.

Kiku, die Enkelin von Optimus, hat viel von ihrem Großvater, überall will sie dabei sein. Kiku ist neugierig und voller kindlichem Übermut. Sie erziehen sich gegenseitig, das kann nicht immer gut gehen.

Makitu hat Angst, sie ist eine Gefangene auf der Insel Asge. Hierher werden die Ausgestoßenen des Systems verschleppt. Vollstrecker entziehen den Unbeugsamen alle Rechte. Makitu muss Schreckliches durchleben, ihr Sohn wird zu Tode gefoltert dann werfen sie ihn wie ein Stück Vieh vor ihre Füße. Die Krallen des Grauens lassen sie nicht los, sie muss den Mörder ihres Sohnes und obersten Vollstrecker zu Diensten sein, wann immer ihn danach gelüstet. Doch dann passiert etwas, womit niemand gerechnet hat.

Lito ist der ranghöchste des Systems und oberster Lenker. Kalt und gefühllos verfolgt er seine Ziele. Jedes Mittel ist ihm dabei recht. Er lässt Menschen foltern und hinrichten, nur um das Versteck der Rebellen zu erfahren. Litos Schwäche sind außergewöhnlich schöne Frauen. Er benutzt sie und entledigt sich ihrer Dienste, wenn er ihrer überdrüssig ist. Von seinen Untergebenen verlangt Lito bedingungslose Treue, höchsten Respekt und Gehorsam bis zum Tod.

Feku, der oberste Vollstrecker auf der Insel Asge, jagt erbarmungslos Rebellen. Er strebt nach Anerkennung und Ruhm, dafür foltert und tötet er. Doch jemand neidet ihm seine Position. Nachdem Feku der zweite Anführer der Rebellen ins Netz gegangen ist, zieht sein Rivale die Schlinge zu. Feku verliert alles und sinnt nach Rache.

Sehru, fast noch ein Junge, wird vom System bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert. Er findet in Suri ein neues Zuhause. Trok hat ihn damals gefunden und ihn wie einen eigenen Sohn aufgenommen. Er ist quirlig und voller übersprudelnder Ideen. Sehru programmiert einen ausrangierten X1-Seher um, der mit seiner frechen, fast menschlichen Art alle zum Lachen bringt. Doch bei einem Tauchgang mit seinem Ziehvater Trok und seiner heimlichen Liebe Fila passiert etwas Schreckliches. Trok wird von einem Longo in die Tiefen des Meeres mitgerissen. Tiefe Trauer und ein nicht enden wollender Schmerz begleiten Fila und Sehru. Doch was dann passiert, übersteigt jede Logik und jedes vorstellbare Wunder.

Sepol ist Biologe und arbeitet im Haus der Forschung. Genmutationen, neue Züchtungen und heiße Nächte mit seiner Assistentin Tasina prägen sein Leben. Alles läuft für ihn in geordneten Bahnen, bis Fila sein Büro betritt. Sie ist die Tochter seines besten Freundes, trotzdem hat er sie noch nie gesehen. Er ist fasziniert von dieser Frau, das schafft Konflikte.

Tasina arbeitet als rechte Hand von Sepol im Haus der Forschung. Sie will Sepol gefallen, er nimmt, was ihm geboten wird. Doch von der Stunde an, als er Fila kennenlernt, hat er nur noch Augen für sie. Tasina brennt vor Eifersucht. Fila gegenüber gibt sie sich weiterhin freundlich, doch im Geheimen spinnt sie ein gefährliches Netz.

Fellchen lebt alleine und ausgestoßen im Wald. Der kleine Hund hat Hunger und ist er sehr traurig, denn niemand ist da, der sich um ihn kümmert. Da begegnet ihm Chanu, die den Kleinen mit Fleischstangen füttert, doch mitnehmen kann sie ihn nicht. Mit hängendem Kopf trottet Fellchen davon. Da hört er Schreie, schnell läuft er zurück zum See und sieht, wie Chanu von einem Longo ins Wasser gezogen wird. Was dann passiert, rührt zu Tränen.

Miksi ist ein kleines Mädchen, neugierig, lebenslustig und von einer sehr herzlichen Art. Der Flug im Gig-Droller wird für sie zu einem nachhaltigen Erlebnis. Es beginnt aufregend, denn sie lernt L1 kennen, den ersten Roboter von Lura. L1 und Miksi verstehen sich großartig, doch dann nimmt der Flug eine dramatische Wende.

Spürimpulse sind zweieinhalb Meter große Spinnen. Mit Scannern beobachten sie jede Unregelmäßigkeit. Halb Tier, halb Maschine werden sie vom System eingesetzt, um Menschen zu verschleppen, die sich gegen das System auflehnen. Mit ihren Flughäuten können sie weite Strecken in der Luft zurücklegen.

L2 ist Luras neuer Roboter durch die Persönlichkeitserkennung unterscheidet er sich von anderen Robotern. L2 kann sich selbständig Wissen aneignen, sich perfektionieren und ist fähig, Gefühle zu analysieren. Doch er steht immer im Dienste der Menschheit.

Reptos sind Wesen, die durch verdammte Seelen verbunden mit schwarzer Magie lebensfähig sind. Als Diener Satanors gibt es für sie nur eine Mission – töten.

Satanor ist die Reinkarnation der dunklen Macht. Über vier Welten will er den Schleier der schwarzen Magie legen. Kein Sonnenstrahl kann diesen durchdringen, jedes Leben erlischt. Doch dazu muss er sich mit Lura verbinden. Er flieht vom Planeten Jaro, um sie zu suchen. Warum Lura? Die Antwort birgt ein unglaubliches Geheimnis.

Retoks leben auf dem Planeten Jaro, ihre Durchschnittsgröße beträgt vier Meter. Es sind humane Wesen, Meister der Telepathie und nutzen oft ihre Gedanken, um miteinander zu kommunizieren. Ihr Wissenstand liegt weit über den der Menschen. Mit ihrer schuppigen blaugrünen Echsenhaut und den leuchtenden Raubtieraugen flößen sie einem Angst ein, doch es sind freundliche Wesen und sie treten für Gemeinsamkeit und Gleichstand ein.

Chikmaten sind die Bewohner des Planeten Kokul. Was wie Haare erscheint, nutzen sie als Arme und Hände. In ihrem Gesicht leuchtet ein ausdruckstarkes Auge. Schaut einen ein Chikmat an, ist es wie ein Band der Glückseligkeit. Auch sie beherrschen die Gabe der Telepathie. Schon lange beobachteten sie die Erde. Vor vielen Jahrzehnten strebten sie die erste Begegnung an, etwas schreckliches ist damals passiert. Was blieb war die Lebensblume Olina, sie erschuf unter der Erde die fremde Welt Olinara.

Jesun kann Menschen und Tiere verstehen, tiefgründig sind nicht nur seine Augen, sondern auch seine Worte. Er schafft es, Frierenden Wärme zu spenden und den Schwachen Kraft zu schenken. Aus Angst macht er Mut, aus Hoffnungslosigkeit Zuversicht. Jesun ist der erste Sohn des Schöpfers und der Vater von Arul. Jesun trägt die Kraft des Lebenslichtes in seinen Händen.

Chrisnato, der Schöpfer der Welten, hält über diese seine heiligen Hände. Doch das Unheil hat viele Gesichter, es gilt, die Augen der Blinden zu öffnen. Chrisnato sendet Fara, die Wächterin des Nebels, die metallene Kralle des himmlischen Adlers und die weiße Eule. Vier weiße Federn schweben Lura entgegen, sie legen sich als silberner Reif um ihr Handgelenk und verschmelzen miteinander. Ein geheimnisvolles Wort brennt sich in den Nachthimmel, Hogla-Krazu.

Alokra lebt in Hamburg und ist die Freundin von Fila. Ein bisschen verrückt und immer offen für neue Ideen, so wird es mit ihr nie langweilig. Als Fila sie besuchen kommt, überrascht sie ihre Freundin mit einem unvergesslichen Erlebnis. Doch so schön dieser Tag beginnt, so schrecklich endet er. Danach ist nichts mehr wie es war.

Kapitel 1

Eine kleine, runde Silberkugel fliegt blitzschnell auf die Stadt Lehrrat zu, ihr Durchmesser beträgt gerade einmal fünfzehn Zentimeter. Es ist ein X5-Seher, der sich durch den überfüllten Flugraum schlängelt. Auf seiner Silberhaut haften winzige Fühler, die ihn wie einen gespickten Ball aussehen lassen. Heute ist ein besonders kritischer Tag, denn der Luftraum ist voll von Spürimpulsen, Sonden und Aufklärern. Immer wieder müssen die Fühler des X5-Sehers Präzisionsarbeit leisten, gekonnt weicht er aus, ohne zu kollidieren.

Der X5-Seher nähert sich der Stadt Lehrrat, riesige eiförmige Bauten verdecken bald sein Sichtfeld. Die transparenten Bauten setzen sich jeweils aus dreitausend Wohnwaben zusammen, in ihrer Form gleichen sie einer Bienenwabe. Oben sind die eiförmigen Bauten mit einer Öffnung versehen, die sich bei Gefahr schließt. In den Wohnwaben werden M-Klassen festgehalten, M steht für mangelhaft. Es sind Menschen, die sich gegen das System aufgelehnt haben, sie werden in Lehrrat zu T-Klassen umgepolt. Gehirnwäschen und Zwangsproduktivität sind einige der Methoden, die Bewusstseinsbetreuer anwenden. T-Klassen funktionieren im Sinne des Systems und sind somit treue Befürworter des Regimes.

Der kleine Silberball fliegt gezielt auf eine der unzähligen Wohnwaben zu. Dort angekommen, stoppt er und inspiziert die Einrichtung. In einer Ecke befindet sich ein kleiner Bediener, der Nahrung und Flüssigkeit zuteilt. Das Wiedergabefeld, ein Schalensitz mit Arbeitsplatte und eine Schlafwanne sind Standard der kargen Einrichtung. Doch in diesem Raum befindet sich zusätzlich eine Hygienekammer. Der X5-Seher setzt seine mechanische Stimme ein:

„Kombiniere, Sonderzuteilung Hygienekammer.“

Nur durch tiefe Reue und Gehorsamkeit kann eine M-Klasse Sonderzuteilungen erhalten. Eine Hygienekammer ist der einzig unbeobachtete Raum des ansonsten überwachten Tagesablaufs.

Der Grundcheck des X5-Sehers ergibt keine Anhaltspunkte auf systemfeindliche Hinweise. Es ist nichts Außergewöhnliches in der Wohnwabe. Er durchleuchtet jeden Winkel mit einem Scanner, auch jetzt kann er nichts feststellen. Der Scanner läuft weiter – über zwei zierliche Füße, aufwärts an langen Beinen, zu einem schlanken Körper. Im schmalen Gesicht verweilt er etwas länger. Er fährt über eine kleine Stupsnase, hin zu den vollen Lippen. Die geschlossenen Augenlider tastet er besonders gründlich ab, bei der wilden Lockenmähne endet sein Check. Monoton hallt seine mechanische Stimme an der Relaxscheibe ab.

„Vorläufiges Ergebnis: keinerlei systemgefährdende Gegenstände oder Substanzen, siiiiiiis.“

So schnell, wie der X5-Seher auftauchte, ist er im Gewühl der anderen Flugwesen verschwunden. Er analysiert im Rückflug seine Daten, plötzlich stoppt er ab, sein Speicher registriert minimale Schwankungen, eine Energieansammlung, die er nicht zuordnen kann. Er muss etwas Entscheidendes übersehen haben, schnell fliegt er zur Wohnwabe zurück.

Saugnäpfe haften an der Kunststoffscheibe und aktivieren das Sonderprogramm des X5-Sehers. Er öffnet seine metallene Haut, ein transparentes Netz umschließt die Relaxscheibe. Das Netz ist mit kleinen Lichtimpulsen ausgestattet, die auf das Relaxmaterial einwirken. Die Scheibe zieht sich zusammen, das Netz dringt in die Wohnwabe ein. Was an Unregelmäßigkeiten in dem Raum versteckt ist, wird nun aufgespürt. Das Netz passt sich der exakten Größe und Form der Wohnwabe an. Plötzlich flackern die Lichtimpulse.

„M-Klasse muss sofort eliminiert werden, M-Klasse muss sofort eliminiert werden!“

Ständig wiederholt sein Programm diesen Befehl, der X5-Seher zieht das Netz zurück, beide Hälften schließen sich. Die Relaxscheibe breitet sich wieder über der Wohnwabe aus.

Plötzlich trifft ihn ein gewaltiger Schlag, mit hoher Geschwindigkeit knallt der X5-Seher gegen einen Stahlpfeiler.

„Äußere Fremdeinwirkung, Gefahr, Gefahr!“

Bevor er sein Notprogramm aktivieren kann, trifft ihn ein zweiter Schlag. Er saust gegen eine harte Wand, die in mehrere Teile auseinanderfällt. Durch den Aufprall ist das Notprogramm des X5-Sehers blockiert, er kann sich nicht mehr schützen.

Was passiert da vor meiner Wohnwabe? Ich reiße die Augen auf, ein X5-Seher wird angegriffen, doch es ist nichts zu sehen. Vielleicht eine Energiewand, aber woher kommt sie und warum greift sie einen X5-Seher an? Ich höre, wie die Stimme des X5-Sehers durch die Relaxscheibe tönt:

„Alle verfügbaren Spürimpulse aktivieren, Gefahr, Gefahr!“

Eine merkwürdige schwarze Wolke nähert sich, sie erinnert in der Form an einen Raubvogel. Aus der Wolke schießt ein gewaltiges Vogelbein mit einer riesigen Kralle aus metallener Haut. Die Kralle hat den X5-Seher ergriffen und zerquetscht den Zitrexmantel mit Leichtigkeit. Material aus Zitrex ist unzerstörbar und dennoch ist es gerade passiert. Verdrahtungen und Anschlüsse quellen aus dem kleinen Ball heraus, ein Feuerregen fällt in die Tiefe, der X5-Seher ist zwischen der riesigen Kralle einfach verglüht. Die Kralle zieht sich in die schwarze Wolke zurück, die sich kurze Zeit später auflöst, als wäre sie nie da gewesen.

Der Himmel ist voll von Spürimpulsen und Aufklärern, die ruhig ihre Bahnen ziehen. „Warum hat keiner der Flugobjekte die Zerstörung bemerkt, und woher kam die Kralle?“ Ich sitze nur da und finde keine Antworten. Die Zahlen auf dem Zeitgeber verschwimmen vor meinen Augen. Es fällt mir schwer, meine Gedanken zu ordnen. Eine unbekannte Macht hat mir eben das Leben gerettet. Und einen X5-Seher zerstört. Es gibt weniger Gründe, um auf die Insel Asge verschleppt zu werden, ich habe unglaubliche Angst, meine Hände zittern.

Heute ist der 16. März 2129, es ist mein achtzehnter Geburtstag. „Wird dieser Tag mein letzter sein?“ Ich schaue in den Himmel, doch kein Spürimpuls heftet seine haarigen Spinnenbeine an meine Relaxscheibe. Der X5-Seher hat es offenbar nicht geschafft, seine Information an das Kontrollzentrum weiterzuleiten. „Aber was hat er entdeckt, warum sollte ich eliminiert werden?“

Kapitel 2

„Rarr, rarr, rarr, roter Bereich zur Produktivzeit, blauer Bereich zur Gedankenvermittlung, gelber Bereich zur Bioquelle!“

Die blecherne Stimme der Informationsscheibe reißt mich aus meinen Träumen.

„Sieben, acht, vier, vier, dein Einsatzbereich ist das Lektat Technik, du hast keine Zähler zu verlieren!“

Ich begreife nur langsam. Habe ich trotz meiner Angst so tief geschlafen? Die Angst ist noch da, aber kein Spürimpuls hat mich in der Nacht auf die Todesinsel Asge verschleppt.

„Rarr, rarr, rarr, in fünfzehn Zählern hat jede M-Klasse die Wabe zu verlassen!“ Zwei Löffel Energiebrei und ein Konditionsplätzchen geben mir genügend Nährstoffe, um den Tag zu überstehen. Ich aktiviere das Wiedergabefeld, es projektiert mich in den Raum. Schwarze Locken fallen wild um meinen Kopf und verdecken die Augen, ich puste mir eine Locke aus dem Gesicht, sie kitzelt. Große dunkle Augen, eine kleine Nase und als Gegensatz der volle Schmollmund, auch mit meiner Größe von zwei Meter dreißig bin ich zufrieden. Früher waren die Menschen viel kleiner, heute liegt die durchschnittliche Größe der Frauen bei zwei Meter dreißig, bei Männern bei zwei Meter fünfzig. Ich seufze, die Zeit drängt, schnell deaktiviere ich das Wiedergabefeld, das virtuelle Spiegelbild fällt in sich zusammen.

„Sieben, acht, vier, vier, der Zeitgeber zeigt einen Zähler über der Anordnung.“

Gerade noch schaffe ich den Sprung in einen Auffänger, der mich direkt in die Arbeitszentrale befördert.

„Schutzanzug anlegen!“

An der Wand befindet sich ein transparenter Kasten, ich gehe mit großem Unbehagen in die Kabine. Eine gelartige Flüssigkeit ergießt sich über meinen Körper. Sie verfestigt sich sofort und bildet die erforderliche Schutzhülle. Schon stellt sich bei mir das beklemmende Gefühl ein. Jedes Mal, wenn sich die Schutzhülle ergießt, muss ich mit Atemnot kämpfen. Der Körper braucht einige Zähler, ehe er sich daran gewöhnt.

„Sieben, acht, vier, vier, folge dem Longo, er führt dich in das Lektat Technik!“

Eine grüne Kreatur mit spargeldünnem Körper und Armen, deren Hände fast auf dem Boden schleifen, kommt mir watschelnd entgegen. Ich drücke mich entsetzt an eine Wand. Ein Longo – bisher hatte ich nur von ihnen gehört, aber noch nie einen zu Gesicht bekommen. Ihr stabdünner Körper ist gut zweieinhalb Meter groß und besteht aus Mechanik, Chemie und biologischem Zellengeflecht. Es wird ihnen hohe Intelligenz, ausgeprägte Arroganz und abstoßende Hässlichkeit nachgesagt, Letzteres kann ich zweifellos bestätigen. Nur ein breiter, metallener Reif liegt um seine Taille. Einige Taster sind darauf zu sehen. Longos haben keine Körperverhüllung, sie können sich jeder Temperatur anpassen und Feuchtigkeit absorbieren. Die Forschungsgruppe 9 hat vor einigen Monaten die ersten vier Exemplare freigegeben. Danach wurde ihre Vervielfältigung eingestellt, der Grund dafür ist einfach: Longos entwickeln Fähigkeiten, die sich der Kontrolle des Systems entziehen können.

Es ist merkwürdig, ein so seltenes Wesen hat die Aufgabe, mich zum Lektat Technik zu begleiten? Ich habe kein gutes Gefühl und beobachte angeekelt und misstrauisch jede Bewegung des grasgrünen Longos. An dem Körper blubbern Blasen, der kleine Kopf ist mit Pusteln übersät. Rot unterlaufene Froschaugen glotzen mich geringschätzig an.

„Du sollst in das Lektat Technik? Das ist lächerlich.“

Er schüttelt verächtlich den Kopf. Ich bin aufgeregt und stottere nur unverständliche Worte:

„Ja, da, da, das soll ich, so lausert, äh, lautet mein Auftrag. Der, den, äh, soll, äh, muss ich ausführen.“

„Was ist das für ein unkontrolliertes Gestammel, das Lektat Technik verlangt eine spezifische Ausbildung, ich bezweifle, dass du überhaupt weißt, was das ist. Keine Ahnung, warum sie gerade dich aus den Grabkammern ausgebuddelt haben?“

Seine knochigen Hände gehen problemlos durch meine Schutzhülle und fassen mir unter das Kinn, ich weiche entsetzt zurück.

„Igitt, ist das ekelig.“

Eine klebrig grüne Masse haftet an meiner Haut, angewidert will ich sie abstreifen, doch das Zeug haftet wie Pech.

„Respektlosigkeit steht dir nicht zu, du solltest Ehre empfinden, ich bin immerhin ein Longo. Du dagegen bist ein Evolutionsschock und musst dich schon aus diesem Grunde stark zurücknehmen.“

„Entschuldigt, verehrter Longo, ich wollte nicht Eure Gefühle verletzen.“

„Hahaha, Gefühle, … was geht nur in diesem leeren, leeren Hirn vor?“

Er stößt mehrmals mit seinem Finger so kräftig gegen meine Stirn, dass der Kopf nach hinten gedrückt wird, nun klebt die grüne Masse auch in meinem Gesicht.

„Du denkst, nein, Denken ist bei dir ja eine völlig absurde Formulierung; du vermutest, ich habe Gefühle. Mit Gefühlen belastet sich doch nur eure unterentwickelte Spezies.“

Eine lange Zunge kommt zum Vorschein, der Longo leckt sich genüsslich über die gelben spitzen Zähne, bevor er weiterspricht: „Die Analyse Mensch ist einfach und unerfreulich. Es fehlt euch an Aufnahmefähigkeit, Disziplin, Ehrgeiz und vor allem an Logik. Du bist das beste Beispiel dafür.“ Er taxiert mich missbilligend mit seinen roten Froschaugen.

„Euer biologischer Aufbau ist mangelhaft, nichts könnt ihr eigenständig, für alles benötigt ihr technische Hilfsmittel.“

Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, die Arroganz des grünen Spargels ist unerträglich, ich versuche trotzdem einzulenken.

„Es war nicht meine Absicht, Euch zu kritisieren.“

„Hahaha, das Wasserzellengemisch wollte mich nicht kritisieren. Wie denn auch? Kritik steht nur dem Überlegenen zu. Eine unterentwickelte Zellsubstanz wie du sollte das tun, was sie am besten kann _ schweigen.“

Seine dünne, lange Zunge klatscht links und rechts gegen das Gesicht, Schleim läuft über seine warzigen Wangenknochen. Vorsichtig wage ich ein Gegenargument, „War es nicht die unterentwickelte Zellsubstanz, wie Ihr sie nennt, die den vollkommenen Longo erschaffen hat?“

Was ist nur in mich gefahren, ich sollte mich lieber zurückhalten, gleich wird mich diese fadendünne, grüne Hässlichkeit mit Haut und Haaren verschlingen. Die Zunge des Longos schnellt mit einem lauten Klatsch in den Mund zurück, die wulstigen Lippen zucken verächtlich. Der Longo hat die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen und taxiert mich von oben bis unten.

„Dein Gehirn weist erhebliche Mängel auf, nichts scheint da oben zu funktionieren, gar nichts.“

Seine Handfläche schlägt gegen meine Stirn, ich stolpere und kann mich gerade noch auf den Beinen halten. Er streckt die Finger in meine Richtung aus, sie bewegen sich wie Spinnenbeine. Die klebrige Masse löst sich von meinem Gesicht und klatscht an den Körper des Longos zurück, dort verbinden sie sich mit der blubbernden Haut. Der Longo ist mir nicht geheuer, ich gehe rückwärts, da falle ich über eine Box, die elastische Hülle lässt mich wie einen Ball über den Boden hüpfen.

„Was sollte diese alberne Hopserei, Zellsprung? Ja, Zellsprung, so werde ich dich registrieren.“

Er reibt sich die Hände und grinst selbstgefällig. Ich kann sein hässliches Gesicht und diese Arroganz nicht mehr ertragen und betrachte eingehend die Felswand. Der Longo betrachtet unterdessen mich, natürlich von oben herab, die dünnen Arme stützen sich auf zwei knochige Vorsprünge ab, die seine Hüften darstellen sollen.

„Zellsprung, lerne, wenn du überhaupt weißt, was das ist. Was glaubst du, unterscheidet einen Longo von eurer primitiven Lebensform?“

Er trommelt mit seinen dünnen Fingern ungeduldig auf den knochigen Vorsprüngen herum.

„Ich warte!“

Und ich schweige, er wird von einem Neandertaler sowieso keine intelligente Antwort erwarten.

„Geradlinigkeit, Kombinationsgabe und körperliche Anpassungsfähigkeit. Ich bin die Wunschvorstellung eurer Rasse, ich bin perfekt!“

Er streckt die Arme in die Höhe, sein Hals bekommt zwei Meter Überlänge. Seine Augen verlassen ihre Einbettung, sie werden nur noch von grünen langen Fäden gehalten. Wenige Millimeter wandern die Augen an mir entlang, die Lippen hat er unwillig nach oben gezogen, die spitzen Zähne sind bedrohlich nah. Ich stehe da wie eine in Stein gehauene Figur, selbst das Atmen habe ich kurzzeitig eingestellt. Nur mein Gesicht verrät, dass noch Leben in mir ist. Die rot unterlaufenen Augen glotzen mich misstrauisch an.

„Was habt Ihr vor, ist etwas nicht in Eurem Sinne?“

Ich flüstere die Frage und schaue ängstlich in das grüne Warzengesicht, die Augen schnellen an ihren Platz zurück, auch der Hals fällt in sich zusammen, die Hände klatschen auf den Boden.

„Ob etwas nicht in meinem Sinne ist? Oh ja, es ist etwas nicht in meinem Sinne, und dieses Etwas bist du. Was da mit dir nicht in Ordnung ist, weiß ich noch nicht, aber ich werde es herausbekommen. Du kannst dich darauf verlassen, es ist nur eine Frage der Zeit.“

Longos können Gedanken lesen, darum zähle ich Steine.

„Aha, du blockierst den Unfug, der sich in deinem Kopf abspielt, gut, das ist für mich eine willkommene Entlastung.“ Er schaut mich herablassend an.

„Der Entwicklungsstand eines Neandertalers wäre für dich ein Evolutionssprung. Folge mir, doch halte einen respektvollen Abstand.“

Kaum ausgesprochen, hüpft er in leichten Sprüngen davon. „Dang, dang, dang.“

Monoton hallen seine Sprünge von den Felsen wider, ich habe Mühe, ihm zu folgen.

Kapitel 3

Dunkle Wolken ziehen langsam dahin, sie bringen Nieselregen mit, der sich über die zarten Knospen der Dreifruchtbäume legt. Zwei dicke Spatzen schmiegen sich eng aneinander, sie plustern ihr Federkleid auf und wollen sich so vor der Kälte schützen. Doch der Wind fährt zwischen ihre Federn.

Chanu läuft eilig auf eine Obstplantage zu, sie schaut ängstlich nach links und rechts, ehe sie weitergeht. Fröstelnd zieht sie ihre Schultern nach oben, in der Eile hat sie vergessen, den Safral überzuziehen, Chanu weiß, dass sie nicht zu spät kommen darf. Hinter ihr knackt ein Zweig, erschrocken dreht sie sich um. Es ist nur eine Amsel, sie trägt einen kleinen Ast in ihrem Schnabel davon.

Es kann nicht mehr weit sein, der Wegschreiber zeigt fünfhundert Meter an, die sie von ihrem Ziel trennen. Chanu hat eine Identifikationskartei unter ihrem Pullwander versteckt, fest drückt sie die Kartei an sich. Wenn eine Aufklärungssonde ihren Weg kreuzt, ist es vorbei, der Registrator würde die Kartei sofort erfassen. Identifikationskarteien müssen immer im Registrator verankert bleiben, sie sind der Nachweis der Einstufung und der Aufenthaltsberechtigung eines Menschen. Ein Entfernen der Kartei wird als Vorsatz gewertet, an der Identität zu manipulieren, das ist Hochverrat und wird mit dem Tode bestraft.

Chanu hat unglaubliche Angst, doch sie läuft weiter, ihr ist bewusst, wie wichtig es ist, den Treffpunkt zur angegebenen Zeit zu erreichen, sollte sie es nicht schaffen, ist es vorbei. Die künstliche Sperre aus dem Registrator löst sich auf, die Entfernung der Kartei wird offensichtlich. Sie und ihre Tochter werden hingerichtet. Der Gedanke daran treibt ihr die Tränen in die Augen. Auf was hat sie sich da nur eingelassen? Doch jeder Vorwurf kommt zu spät, sie muss weiter. Chanu ist innerlich zerrissen, denn sie weiß nicht, ob sie das Richtige tut, sie hofft es von ganzem Herzen, alles hängt davon ab.

Wieder und wieder sieht sie die schrecklichen Bilder vor sich, sieht, wie Lura verzweifelt ihre Arme nach ihr ausstreckt. Ein Greifer hatte sie erfasst und sie in einen Aufklärer gezogen. Die verweinten Augen ihrer Tochter hatten sie um Hilfe angefleht. Sie hört noch immer ihre Schreie, als würde es gerade passieren.

„Sie wollen mich mitnehmen! Das kannst du nicht zulassen, das kannst du doch nicht!“

Chanu war zu ihr gelaufen, doch ein Spürimpuls hatte sie ergriffen, sie konnte nichts tun und musste hilflos zusehen, wie der Aufklärer ihre Tochter mitnahm. Der Spürimpuls ließ sie aus zehn Metern Höhe fallen und flog dem Aufklärer hinterher. Drei Tage lag Chanu in einer Rehabilitationskammer, ehe ihre unzähligen Knochenbrüche verheilt waren.

Das ist acht Monate her, noch immer hat Chanu keine Ahnung, wie es Lura geht. Die erzieherischen Maßnahmen, wie das System es nennt, sind unglaublich hart. Lehrrat ist eine seelische Folterkammer für Menschen, die negativ auffallen. Ein tragischer Zufall hatte Lura damals nach Lehrrat gebracht. Lura sah eine Speicherbox am Boden liegen, neugierig hob sie die Box auf. In dem Moment flog ein X5-Seher über sie hinweg, der aus der Box feindliche Informationsquellen registrierte, der Rest war eine Sache von wenigen Zählern.

Vor zwei Tagen hat sie eine seltsame Nachricht erhalten. Erst hörte sie ein Rauschen in den Ohren, dann war da eine Stimme:

„Du kannst Lura aus Lehrrat befreien, komme in zwei Tagen exakt zur zwölften Zeiteinheit an den vorgegebenen Treffpunkt, der Wegsucher wird dich führen. Bringe die Identifikationskartei von Lura mit, wir errichten eine Sperre, keiner wird das Entfernen der Kartei bemerken. Exakt zur zwölften Zeiteinheit wird sich die Sperre auflösen, da muss die Kartei in unseren Registrator einrasten. Du darfst dich nicht verspäten, sonst seid ihr verloren.“

Sie suchte nach der seltsamen Stimme, doch niemand war zu sehen. Ein Wegsucher schwebte plötzlich vor ihr, hastig griff sie danach.

Es sind nur noch sechs Zähler bis zur zwölften Zeiteinheit. Chanu rennt, Äste peitschen ihr ins Gesicht, doch sie achtet nicht darauf. Vor sich sieht sie die Lichtung, ein Fluss mit starker Strömung versperrt ihr den Weg. Sie springt in das eiskalte Wasser und kämpft verbissen gegen die Strömung an. Die Strömung reißt sie mit sich fort, sie müsste mit beiden Armen dagegen anschwimmen, doch Chanu hält die Kartei in die Höhe, sie darf nicht nass werden. Ein Greifer kommt aus den Wolken geschossen, er zieht die Kartei aus ihrer Hand und verschwindet wieder.

Chanu kann nicht darüber nachdenken, was eben passiert ist, immer wieder versinkt ihr Kopf in den reißenden Fluten, langsam verlassen sie die Kräfte. Verzweifelt kämpft sie um ihr Leben, ein Felsbrocken ragt aus dem Wasser, sie rast genau auf ihn zu. Mit letzter Kraft hält sie sich daran fest. Die Strömung erfasst sie aufs Neue, doch dieses Mal drückt sie Chanu ans Ufer, sie klammert sich an eine Wurzel und zieht sich aus dem eiskalten Wasser.

Chanu liegt im Gras und ringt nach Luft, sie zittert am ganzen Körper. Jetzt hat sie Zeit, über das Erlebte nachzudenken, schreckliche Gedanken jagen ihr durch den Kopf. Der Greifer, er war plötzlich da und hat ihr die Kartei aus der Hand gerissen. Sie spürt einen stechenden Schmerz, er fährt durch ihren Körper. Chanu gerät in Panik, genau solch ein Greifer hat damals Lura in den Aufklärer gezerrt. Eine unerträgliche Angst erfasst sie, Chanu schreit ihre ganze Verzweiflung in den Wald, doch die Bäume stehen nur reglos da und strecken ihre kahlen Äste in den Himmel.

Kapitel 4

„Hey du.“

Eine piepsige Stimme ist zu hören, ich lausche, doch außer den Sprüngen des Longos ist alles still. Fange ich langsam an zu spinnen? Wundern würde mich nichts mehr. Gefangen in dieser schrecklichen Stadt, renne ich einem vor Arroganz strotzenden Grünspargel hinterher, ich bin verzweifelt.

„Hey du.“

Direkt an meinem Ohr ist wieder die piepsige Stimme.

„Wer bist du und vor allem, wo bist du?“

„Suche nicht nach mir, ich bin ein Mikrokommunikator.“

Ein Mikrokommunikator ist ein winziger Roboter, der mit Informationen gefüttert wird. Er ist höchstens zwei Millimeter groß und setzt sich so lange im Gehörgang fest, bis das eingegebene Programm erfüllt ist. Diese kleinen Biester können einem den Verstand rauben.

„Wir müssen Informationen austauschen.“

„Wir müssen gar nichts, verschwinde und bring mich nicht in Schwierigkeiten!“

Ich kämpfe mit meinem letzten Rest Selbstbeherrschung, doch ich spüre, wie ich nach und nach den Kampf verliere.

„Wir müssen Informationen austauschen, du willst aus dieser Stadt und ich bin hier, um das zu realisieren. Darin besteht mein Programm und solange bleibe ich hier.“

„Du gehst und ich werde in Lehrrat pflichtbewusst meine Aufgaben erfüllen und jede Lehre dankbar annehmen. Nur so kann ich überzeugen und werde neu beginnen können. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?“

„Das hast du, aber das wirst du nicht. Deine einzige Möglichkeit, frei zu sein, bin ich.“

„Doch, ich werde frei sein, und das ohne dich. Keiner kann mir dabei helfen, hörst du, keiner, außer ich selbst! Verschwinde endlich, der Longo wird mich sonst den Greifern übergeben, er kann Gedanken lesen, er hört uns.“

„Nein, er hört uns nicht, die Gedankenträger sind blockiert, wenn er hüpft.“

„Ich werde das gespeicherte Programm ausführen.“

Eine böse Ahnung lässt mich an den Vortag denken.

„Sag mal, wie lange bist du schon bei mir?“

„Seit gestern, mein Kommunikator war aktiv, das hatte der X5-Seher registriert. Eine Funktionsschwäche in meinem Programm, sie ist behoben.“

„So, ist sie das? Diese Funktionsschwäche hätte mich fast das Leben gekostet!“

„Du lebst, nur das zählt, ich habe ein Programm auszuführen. Die Einheit Chanu und Lura soll hergestellt werden. Dazu muss deine Entlassung erfolgen.“

Ich stutze. „Woher kennst du meine Mutter?“

„Ich kenne keine Mutter, nur meine Programmierung. Ich setze das Programm um, Chanu und Lura werden eine Einheit.“

Mittlerweile muss ich rennen, um den Longo nicht aus den Augen zu verlieren. Ich stolpere über meine Füße und reiße ein paar Leuchtstäbe um, sie fallen krachend zu Boden, der Longo hört den Aufschlag und stoppt.

„Was ist, Zellsprung, macht dir der kleine Spaziergang etwa zu schaffen?“

Ich habe noch einige Leuchtstäbe zu fassen bekommen und klammere mich an ihnen fest.

„Nein nein, alles bestens, ich wollte nur ein wenig Licht ins Dunkel bringen.“

„Wir haben wertvolle Zähler verloren und schon aus diesem Grund keine Zeit für deine Albernheiten. Aus einem mir unerfindlichen Grund warten Aufgaben im Lektat Technik auf dich. Wahrscheinlich sollst du Staubkörner zählen, hahaha.“

In großen Sprüngen hüpft er davon, ich laufe keuchend hinterher.

Die Gänge werden immer verzweigter, ich muss dicht hinter dem Longo bleiben, sonst bin ich in diesem Labyrinth verloren. Meine Konzentration ist so groß, dass ich kaum mein Umfeld wahrnehme. Auf dem Weg befinden sich Sprungschwellen, sie liegen in zwanzig Meter Abständen voneinander entfernt und transportieren Gegenstände. Das Gewicht bestimmt den Flugweg. Ein unbedachter Schritt, schon werde ich – leicht wie eine Feder – vier Felder weiter geschleudert. Ich sause am Longo vorbei, der mir verdutzt nachschaut und verächtlich den grünen Kopf schüttelt. Eine Energiewand hält mich auf, sonst wäre ich wahrscheinlich im Nimmerland verschwunden.

Wir verlassen die Transportstrecke, Wände schieben sich auseinander, vor uns erstreckt sich ein riesiger Raum. Der Boden öffnet sich, acht Spitzen werden sichtbar, die sich langsam zu Pyramiden auftürmen. Dunkel und drohend stehen sie da. Der Longo watschelt gezielt auf eine Pyramide zu, er legt seine Hand auf die schwarze Oberfläche, da erhebt sich ein schmaler Stab und macht einer Öffnung Platz. Eine monotone Stimme ist zu hören: „Deine Erkennung!“

Der Longo berührt einen Taster an seinem metallenen Reif. Ein rotes Lämpchen blinkt, der Stab senkt sich, doch die Pyramide bleibt verschlossen.

„Doppelerkennung notwendig, Rektolschlüssel eingeben!“

Der Longo wirkt wie versteinert.

„Erst soll ich diesen minderbemittelten Zellsprung durch die Gänge führen und dann das. Einen Rektolschlüssel, was für eine Zeitverschwendung bei dem Evolutionsschock.“

Er taxiert mich von oben bis unten, ich zähle unterdessen die Steine an den Wänden.

„Du willst mir etwas verheimlichen, mich kann man nicht täuschen.“

Mit einem noch schärferen Ton fährt er fort,

„Halte Abstand von den Pyramiden, solltest du die Anordnung missachten, trägst du die Konsequenzen, das würde sehr hässlich für dich enden.“

Er durchbohrt mich mit seinen Blicken, ich durchbohre mit der Fußspitze den Sandboden. Der Longo verschwindet in dem Wirrwarr von Gängen.

„Dang, dang, dang.“

„Rechts von dir steht eine Pyramide, lege deine Hände auf die Oberfläche!“

Der Mikrokommunikator piepst mir eindringlich seine Anordnungen durch die Ohren. Ich will ihn so schnell wie möglich loswerden und gehe auf die Pyramide zu.

„Du musst den zweiten Rektolschlüssel holen, dann werden aus zwei Elementen, Chanu und Lura, eine Einheit.“

Unentschlossen stehe ich vor der Pyramide, ich habe kein gutes Gefühl, plötzlich bewegen sich die Wände, ich weiche erschrocken zurück.

„Überwinde deine Angst, lege die Handflächen auf die Wand.“

Der Mikrokommunikator ist unerbittlich, das Material hebt und senkt sich, zögernd lege ich meine Hände darauf. Eine schwarze, dickflüssige Masse kriecht über die Haut, dann zieht sich die Masse zusammen und fließt an der Pyramide entlang. Dumpfes Grollen dröhnt aus den Wänden, vor mir klafft ein tiefes schwarzes Loch.

Kapitel 5

Violett leuchtet das Licht der zwei untergehenden Sonnen über dem Planeten Jaro, sanft fällt es über die Assanbäume. Vierhundert Meter strecken sie ihre Kronen dem Himmel entgegen. An den riesigen, fächerartigen Blättern hängen schleimige Fäden in die Tiefe. Krekele drehen sich in die Fäden ein, ihre fleischigen Nacktkörper werden vom Schleim überzogen, der sich schnell zu Beuteln verfestigt. In den Beuteln beginnt die Metamorphose. Viele Beutel hängen von den Blättern, einer schafft es noch, vor dem Untergang der zwei Sonnen zu platzen, eine schillernde Liballea fliegt in den Himmel. Das violette Licht wird schwächer und kann die Assanbäume kaum noch mit Energie versorgen. Die Blätter ziehen die Beutel nach oben und rollen sich zusammen. Der riesige Mond steigt am Horizont auf, seine Leuchtkraft ist so intensiv, dass es auf Jaro niemals dunkel wird. Weißes Licht legt sich über die Assanbäume und gibt dem Wald ein gespenstisches Aussehen.

Lange Transportröhren schlängeln sich an den Baumgiganten vorbei, kaum wahrnehmbare Schatten sausen mit hoher Geschwindigkeit durch sie hindurch. In bestimmten Zeitzyklen öffnet sich eine Röhre und wirft ein blasenartiges Gebilde ab. In der Blase befindet sich ein Retok, es sind die Bewohner des Planeten Jaro. Retoks sind hoch entwickelt, in zwei Millionen Jahren ihrer Existenz haben sie es geschafft, Technik und Natur miteinander zu verschmelzen.

Am Rande des Assanwaldes steht ein riesiges, wellenförmiges Gebäude. Die geriffelten Wände nehmen das weiße Licht des Mondes auf, an denen die Fleischblume Seka wächst. Tausend Zäpfchen stoßen einen hochgiftigen, dickflüssigen Brei aus. Das weiße Licht des Mondes und die Noppen der Innenwände machen aus der giftigen Substanz einen mineral- und nährstoffreichen Brei. Die Gebäude werden auch Nährstoffumwandler genannt, sie sind die Überlebensquellen der Retoks.

In den Transportröhren wird es lebhaft, immer mehr Schatten schießen durch sie hindurch und werden von der Röhre abgestoßen. Die Blasen steuern direkt auf das Dach des riesigen Nährstoffumwandlers zu. Eine besonders dicke Blase wird auf eine Nebenstrecke umgeleitet, die an einer Außenwand endet. Die Blase taucht dahinter ein und landet auf einer Plattform. Schnell zieht sich die Blase zusammen und verschwindet in einem schmalen Armreif. Der Träger des Armreifs ist ein schlanker Retok mit Namen Lor. Gewissenhaft verschließt er den Klipp. Zwei kurze Arme strecken sich links und rechts aus dem zwanzig Zentimeter langen Hals. Die gelben, dünnen Häute zwischen den vier Fingern sind mit kleinen Poren ausgestattet, die ein Sekret abgeben. Damit fährt Lor sich einige Male über das dichte dunkelrote Haar. Das Sekret schützt die Haare und bindet sie aneinander, so fallen sie nicht ins Gesicht.

Lor streckt seine Beine, er müsste mal wieder in den weiten Sandstraßen laufen. Ein Retok ist schnell, die Lauftechnik auf vier Beinen hat sich in der langen Zeit der Evolution perfektioniert. Er schafft fast zweihundert Kilometer in fünfzig Taktern, die Krallen sichern auf glitschigem Boden den Stand. Mit seinen zwei Langarmen massiert er die Krallen an den Hinterfüßen, die Krallen der Vorderfüße gräbt er tief in den Boden, es ist die Unruhe, die Lor zu schaffen macht. Unruhe löst bei ihm immer ein starkes Jucken an den Krallen aus, doch er verpasst jede angesetzte Senkschwemme. Die heilende Absenkung in den Mooren würde die Störung aufhalten, doch die Aufgaben zur Sicherung des Planeten nehmen seine ganze Zeit in Anspruch.

Links und rechts vom Kopf stehen je sechs Hörfühler ab, sie sind weit nach außen gestellt – ein Zeichen höchster Aufmerksamkeit, Lor erwartet eine wichtige Nachricht.

Seine Atmung geht schwer, am Hals vibrieren kleine Kiemen. Eine trichterförmige Luftöffnung unter den schrägen Augen unterstützt zusätzlich die Atmung. Aufmerksam beobachtet er die Umgebung, bevor er auf einen breiten Gang zugeht.

Mit drei Metern fünfzig hat Lor den letzten Wachstumssprung von fünfzig Zentimetern noch vor sich. Er müsste zehn Situnwenden im Tiefschlaf verbringen, doch er verschiebt die Vollendung immer weiter nach hinten. Ihn beschäftigen gerade ganz andere Gedanken. Es ist etwas Schreckliches geschehen, es nimmt ihm die innere Ruhe. Er weiß noch nicht, wie er es dem Rat erklären soll.

Lor hat es eilig, schnell läuft er an trichterförmigen Saugnäpfen vorbei, die zu Tausenden an den Wänden haften. Die Saugnäpfe produzieren keimfreie Luft, tief atmet er sie ein. Ohne die keimfreie Luft würde das Immunsystem der Retoks zusammenbrechen. Die hochdosierten ultravioletten Strahlen der zwei Sonnen schwächen seit unzähligen Generationen ihr Immunsystem. Erst vor zweihundert Witterungswechseln ist es den Retoks gelungen, einen regenerierenden Mantel um den Planeten zu legen, der die schädlichen Strahlen der zwei Sonnen filtert. Die gefilterte Luft wird von den Saugnäpfen angezogen und entkeimt. Die Retoks brauchen noch gut einhundert Witterungswechsel, um sich vollständig von der Immunschwäche zu erholen.

Lor greift in seinen Katu, schnell hat er gefunden, wonach er sucht: Das kleine Dreieck ist ein Kontakter. Entschlossen drückt er auf den Sensor und prüft die Energieansammlung, sicher stören wieder kosmische Wirbel den Empfang. Endlich steht die Verbindung zu seinem Vertreter Rit. Das Bild steigt vor ihm auf. Der kräftige Körper, sonst gerade und elastisch, wirkt eingefallen, die breiten Schultern sind nach vorne gebeugt, der mächtige Kopf ist gesenkt.

„Das Heute sei mit Euch.“

Rit hebt den Kopf und kreuzt als Zeichen des Respekts und der Achtung seine zwei langen Arme über der Brust. Er hat die Hände gespreizt, die gelben Häute zwischen den vier langen Fingern bewegen sich im schnellen Rhythmus auf und ab. Rit ist sichtlich nervös, Lor erwidert die Begrüßung, doch er ist ungeduldig, er wird vom Rat der Weisen erwartet.

„Habt Ihr neue Informationen, Rit?“

„Lor, Ihr seid auf der vierten Stufe der Erkenner, der Rat schätzt eure Meinung, ihr versteht die geradlinige Formulierung meisterlich.“

Die grünen Augenlider von Rit zittern nervös.

„Sprecht nicht um die Sätze herum, die so entscheidend für uns alle sind. Euer ganzes Verhalten verrät mir, dass Ihr schlechte Nachrichten aufzuweisen habt.“

„Verzeiht meine Inkompetenz, aber Umstände ändern oft das Grundbild der Kommunikation.“

Er macht eine kurze Pause.

„Eure Befürchtungen sind eingetreten, Satanor ist entkommen.“

Lor krallt sich in das Gewebe des Katu fest, er ringt nach Fassung.

„Wie konnte das passieren, Rit, wie?“

„Ein Verblendeter, er wurde nicht entdeckt, seht selbst.“

Lor schaut auf eine kleine Tafel und verfolgt die Aufnahmen, er atmet schwer. Er drückt die Handflächen auf die Stirn, mit kreisenden Bewegungen versucht er zur inneren Ruhe zurückzufinden, aber es gelingt ihm nicht.

„Ich muss die ungeheuerliche Nachricht den Weisen mitteilen, aber wie sollen sie damit umgehen? Wie soll der Rat mir vertrauen, wenn ich mir nicht mehr vertrauen kann?“

Lor spricht mehr zu sich selbst, seit zweihundert Witterungswechseln lebt er nun zurückgezogen, er braucht diese Ruhe, um nach neuen Technologien zu forschen.

„Ich stehe kurz vor der Lösung, den vollkommenen Schutzmantel über unsere Welt zu legen. Doch was zählt das noch? Meine bisherigen Entwicklungen haben versagt, ich habe versagt.“

Noch immer kreisen seine Handflächen über die Stirn.

„Lor, Ihr seid sehr aufgeregt, das könnte den Gesprächen entgegenwirken.“

Rit sieht besorgt in das bewegte Gesicht von Lor, der nachdenklich auf die trichterförmigen Saugnäpfe an den Wänden schaut.

„Es gibt nur eine Lösung, ich hoffe, die Weisen werden diese Auffassung mit mir teilen.“

Die Hände der kurzen Arme strecken sich in die Höhe, die Hände der langen Arme falten sich ineinander, ehe er weiterspricht:

„Der Kreis der Sieben Weisen muss geschlossen werden, Ihr wisst, was das bedeutet?“

„Ja, ehrwürdiger Lor, der Schöpfer der Welten soll gerufen werden, doch wie wollt Ihr sie davon überzeugen?“

„Es gibt keinen anderen Ausweg, Überzeugung braucht es nicht, trefft alle Vorkehrungen und generiert die gesamten Energiereserven. Wir müssen um jeden Preis Satanors endgültige Flucht aus unserer Galaxie verhindern. Rit, die Welten sind in Gefahr!“

Die Stimme von Lor hat sich angehoben, seine Hände zittern, noch nie hat Rit ihn so erlebt. Lor findet nur schwer zur inneren Ruhe zurück. Als er sich etwas gesammelt hat, nickt er seinem Vertreter kurz zu.

„Entschuldigt, es ist die Ungewissheit, die mich so aus der Fassung bringt, geht und handelt im Sinne der Vereinigung, der Morgen sei mit euch.“

Kapitel 6

Nach je fünfzig Witterungswechseln suchen die Retoks ihren fähigsten Denker. Er lenkt mit den Weisen die Geschicke des Planeten, er ist der Ernannte. Fis hatte damals gegen seine Erhebung Einwände vorgebracht, er hatte nicht die Stärke und innere Berufung gefühlt. Doch die gesamten Bewohner vom Planeten Jaro standen hinter ihm, das stimmte Fis um. Er nahm die Ehrung des Ernannten an und lenkt mit den zehn Weisen seit zwanzig Witterungswechseln den Planeten Jaro.

Die Handflächen der langen Arme hat Fis aufeinandergelegt, die Häute zwischen den Fingern haben eine sehr hohe Elastizität. Er schiebt die Finger ineinander und drückt sie fest zusammen, so kann er sich am besten konzentrieren. Das lange rote Haar fällt ihm wellig über die breiten Schultern. Die Hörfühler sind eingerollt, ein deutliches Zeichen, dass Fis keine Störungen wünscht. Nachdenklich wandern seine Augen über die riesigen Baumkronen, die im weißen Licht des Mondes hin und her schwanken. Der Wald hat etwas Mystisches, die Äste bewegen sich wie Arme, die nach jedem greifen, der sich ihnen nähert.

Fis wird langsam ungeduldig.

„Wann wollte Lor eintreffen?“

„Vor drei Taktern.“ Es ist Siri, die geantwortet hat, ihre schmale Hand legt sich auf seine Schulter.

„Er wird bestimmt kommen, Lor ist zuverlässig.“

Siri kennt Fis schon sehr lange, er arbeitet hart und ist sich seiner großen Verantwortung bewusst.

Die rauen Klimaverhältnisse und die über tausend Witterungswechsel währenden Machtkämpfe haben ihre Spuren hinterlassen. Die Retoks sind zu harten Kämpfern geworden. Doch tief im Inneren ihres Herzens ist das sanfte, sensible Wesen verborgen, das der Retok vor der großen Auseinandersetzung war.

Fis mag Siris ruhige Art, er schaut in ihr zartes Gesicht und lächelt. Siris schräge Augen sind ungewöhnlich groß und strahlen in einem hellen Blau. Sie lächelt zurück, dabei fällt ihr eine schwarze Haarsträhne ins Gesicht. Kein Retok hat blaue Augen und schwarze Haare, ein genetischer Defekt gibt Siri dieses einzigartige Aussehen. Sie hebt einen Kurzarm und streicht sich mit der schmalen Hand die Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Poren produzieren sofort das Sekret, fest verbindet sich die Strähne mit den anderen Haaren.

„Ffffzzzz.“

Das leise Geräusch reißt Fis aus seinen Gedanken, alle Anwesenden drehen sich zum Eingangsportal, Lor betritt den Raum: „Das Heute sei mit Euch.“

Lor neigt bei seiner Begrüßung den Kopf und kreuzt die Hände der Langarme über der Brust. Die Weisen erwidern den Gruß, Fis zögert, er spürt die Aufregung, die von Lor ausgeht, das lässt nichts Gutes erahnen. Zögernd erwidert er den Gruß,

„Das Heute sei mit Euch, Lor. Was hat Euch aufgehalten? Eure hohe Dringlichkeitsstufe steht im Gegensatz zu Eurer Verspätung. Warum diese Verzögerung?“

„Ich musste der Unterredung mit Rit den Vorrang geben, da er neue Erkenntnisse vorzubringen hatte. Ich bitte daher, meinen Zeitnachlass zu entschuldigen.“

Fis nickt zustimmend. „Sprecht, wir warten auf Euren Bericht.“

Lor senkt seinen Blick, er schafft es nicht, Fis in die Augen zu sehen.

„Satanor ist entkommen, er konnte sich aus den Tekanfeldern befreien, drei Schützer wurden von ihm getötet.“

In der Kuppel herrscht Betroffenheit, die Weisen starren Lor ungläubig an, Fis ringt nach Worten. „Wie konnte das passieren? Sieben Tekanfelder haben Satanor umschlossen! Kein Wesen im Universum ist fähig, aus dem Zentrum dieser Felder auszubrechen. Satanor muss Hilfe von außen erhalten haben. Es gibt keine andere Schlussfolgerung.“

Lor hebt seinen Blick, er schaut in das breite Gesicht des Ernannten. Die herausstehenden Wangenknochen färben sich dunkelrot, ein Zeichen höchsten Vorwurfs.

„Es gab noch einen Verblendeten, er hielt sich in den unterirdischen Gängen versteckt. Der telepathische Einfluss Satanors machte ihn zu seinem Werkzeug, so gelangte Satanor an den Energieblocker. Für einen Takter konnte er die Felder ausschalten.“

Fis‘ Augen werden schmal, seine Lufttrichter öffnen und schließen sich in schnellem Tempo.

„Habt Ihr Erkenntnisse über den Verblendeten? Wer ist er und vor allem, was konnte ihn so schwach werden lassen, was, frage ich Euch?“

Fis schaut Lor eindringlich an, seine Kopfhaut beginnt zu vibrieren. Lor kann ihm darauf keine Antwort geben.

„Warum hat er sich nicht gegen den Einfluss gewehrt? Der Wille eines Retoks ist gefestigt. Wie konnte das nur geschehen? Das war die Aktivität eines Wahnsinnigen, ja, eines Wahnsinnigen!“

Fis hat die Kontrolle über sich verloren, die Arme fuchteln wild durch die Luft, schrill hallt seine Stimme durch den Raum, der ganze Körper vibriert. Alle Anwesenden rollen blitzartig ihre Ohrfühler ein, um nicht Gehörschäden zu erleiden. Sie sind geschockt über den unbeherrschten Ausbruch des Ernannten. Fis ist über seinen Ausbruch selbst so erschrocken, dass er sich sofort zurücknimmt.

„Ich scheine dem Verblendeten in nichts nachzustehen, meine Reaktion war in höchstem Maße unkontrolliert und penetrant, entbindet mich meiner Erhebung.“

Siri legt zwei schmale Hände auf die Stirn von Fis. Sie erbittet einen telepathischen Eingang, Fis gewährt ihn, er hört ihre sanfte Stimme in seinen Gedanken:

„Sicher, Ihr hattet eine unkontrollierte Überreizung, aber sie musste sich lösen, es war an der Zeit.“

Siris Augen strahlen Fis an und verkünden großes Vertrauen und Zuversicht.

„Euer Gedankengeflecht musste sich befreien von all diesen Anstauungen, das war gut so. Wir sind Retoks, keine gefühllosen, mechanischen Begleiter. Bleibt der Ernannte, wir alle bewerten diese Überreizung realistisch und vertrauen Euch.“

„Ich danke den Weisen für dieses Vertrauen, klarer Verstand wird fortan meine Entscheidungen lenken.“

Siri löst ihre Hände, Fis sieht gefasst in die Runde und nickt den Weisen dankbar zu, dann wendet er sich an Lor: „Sprecht, ich werde Eurem Bericht aufmerksam folgen.“

Fis zeigt sogar ein kurzes Lächeln, es ist eine Entschuldigung an Lor. Lor überdenkt noch einmal seine Erläuterung, dann beginnt er:

„Es gibt Retoks, die wollen die neuen Gesetze nicht akzeptieren, zu lange haben wir die Augen verschlossen. Satanor wird ihnen Versprechungen gemacht haben.“

„Warum erfahre ich erst jetzt von dieser Unzufriedenheit?“

Fis nähert sich Lor, wahrt aber den Persönlichkeitsabstand und schaut ihm in die Augen.

Lor ergänzt: „Wir haben die Unzufriedenheit unterschätzt, keiner hat eine Übernahme des sonst so klaren Verstandes eines Retoks erwartet.“

„So, Ihr habt also diese Unzufriedenheit unterschätzt, aber genau darin besteht eine Eurer Aufgaben. Übernahmen sollte man nicht erwarten, sondern verhindern, bevor sie geschehen. Da müsst Ihr mir doch recht geben?“ Er schaut Lor eindringlich an, der den Blicken nicht ausweicht, sondern mit leichtem Nicken bestätigt.

Fis legt seine Handflächen aneinander, er gibt seiner Stimme einen klaren deutlichen Klang:

„Erkennen, bewerten und danach sinnvoll handeln, darin liegt das Talent unserer Gedanken. Keime des Unverstandes dürfen nicht aus dem Nährboden der Unzufriedenheit wachsen und als Unkraut wuchern.“

Fis glättet bei seinen Ausführungen akribisch den Überwurf um seine kräftigen Schultern.

„Es gibt keine Entschuldigung für dieses Fehlverhalten, doch es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir uns mit Vorwürfen überschütten. Sie belasten den klaren Verstand, und den brauchen wir jetzt. Wir müssen eine Lösung finden.“

Er macht eine kurze Pause.

„Fühlt Ihr Euch dieser Aufgabe gewachsen, oder muss ich einen anderen Retok mit der Mission beauftragen?“

Lor blickt dem obersten Weisen offen in die Augen, sein Gesicht zeigt Entschlossenheit.

„Ich bin bereit, diese untragbare Situation zu beenden. Mit härtester Konsequenz werden wir Satanor aufhalten. Alle uns zur Verfügung stehenden Mittel schöpfen wir aus. Wenn die Weisen diesen Weg in gleicher Konsequenz verfolgen, werden wir Satanor finden.“

Lor weiß, dass er sich weit vorwagt, aber das ist seine geradlinige Art, er wird sich niemals untreu. Lor streckt alle vier Handflächen in die Höhe, um die Aussage zu untermauern. Seine Stimme hat er in einen kräftigen Bass verlagert, sie hallt eindrucksvoll durch den Raum:

„Rit hat die Vollmacht, sechzig Prozent der Energiereserven auszuschöpfen, Satanor muss aufgespürt werden, doch wir haben ein großes Problem: Die Läufer reichen nicht aus. Wir müssen den Schöpfer rufen.“

Lor atmet schwer durch die Kiemen, jetzt ist es heraus, nun wird sich zeigen, was die Weisen dazu sagen.

„Wisst Ihr eigentlich, was Ihr da von uns erwartet? Wozu haben wir im Lauf der Evolution unsere Intelligenz und unseren Verstand perfektioniert, wenn wir jetzt nicht in der Lage sind, diese Fähigkeiten zu nutzen?“

Fis ist entsetzt, aber im Inneren weiß er, dass Lor recht hat. „Doch vorschnelles Urteilen ist inakzeptabel, ich brauche etwas Zeit, um meine Gedanken zu ordnen.“

Fis lässt den Blick über die mächtigen Baumkronen wandern, die Ohrfühler liegen dicht am Kopf an, ein Zeichen höchster Konzentration. Es ist so still, dass man die Luft vibrieren hört. Er betrachtet die gewaltigen Kronen des Assanwaldes, dann dreht er sich entschlossen zum Rat der Weisen um:

„Ich befürworte den Vorschlag von Lor, wir müssen den Ring der Weisen schließen und den Schöpfer rufen. Solltet Ihr anderer Meinung sein, sprecht jetzt.“

Die Weisen schweigen, dafür heben sie den Kopf und öffnen und schließen mehrmals alle vier Hände. Es ist eindeutig, sie teilen die Meinung des Ernannten. Fis wendet sich an Lor:

„Ihr erhaltet das Vertrauen des Rates, geht und versucht, Satanor vor seiner endgültigen Flucht aus unserer Galaxie aufzuspüren. Ich werde Euch persönlich über den großen Kontakt informieren. Für unsere Rettung gilt: Vor jedem Schritt nutzen wir unseren Verstand.“

Er kreuzt die Langarme über der Brust und legt die kurzen Arme hinter den Kopf, so demonstriert er zusätzlich sein Vertrauen.

„Das Morgen sei mit Euch.“

Lor verabschiedet sich auf die gleiche Weise, leise schließt sich hinter ihm das Portal.

Die Weisen erheben sich und bilden einen Kreis, niemand spricht ein Wort, jeder von ihnen weiß, was zu tun ist. Fis tritt in ihre Mitte, dann schließen die Weisen ihre Augen, die Köpfe sinken auf die Brust. Langsam schieben sich die Hände der langen Arme ineinander, die Hände der kurzen Arme legen sich über die Stirn, die Retoks fallen in eine tiefe Meditation. Fis hebt die Arme, seine Stimme klingt plötzlich ganz fremd:

„Kreis der Welten, erhebe dich, führe uns mit dem großen Schöpfer zusammen!“

Ein Beben erschüttert den Raum, Fis senkt die Arme, der Boden öffnet sich und ein heller Kreis steigt empor. Die Weisen strecken ihre langen Arme in die Mitte, dabei versinken sie immer tiefer in die Meditation. Ein kaum zu ertragender Schmerz durchzieht sie und stellt die Retoks auf eine harte Probe. Aus den Fingerkuppen wachsen weiße Krallen, in ihrer Form erinnern sie an die Krallen des Lukus, den größten Raubvogel am Himmel von Jaro. Die Weisen breiten ihre Arme aus, bis sich die Hände gegenseitig berühren, die Krallen verwachsen ineinander. Einige stöhnen vor Schmerzen leise auf, doch sie halten durch. Langsam heben sie ihre Köpfe, trotz der verschlossenen Lippen tönen ihre Stimmen durch die Kuppel:

„Großer Chrisnato, öffne dein Portal, Satanor ist entkommen. Hilf, den Untergang abzuwenden!“

Es ist still, ein sanfter Wind fährt durch den Raum, er trägt eine weiße Feder, sie senkt sich auf den Boden und verwandelt sich zu einem silbernen Reif. Der Wind wird stärker, dicke Wolken verdunkeln den Himmel, grelle Blitze erhellen das Land, sie werden von grollendem Donner begleitet. Der Raum hat sich aus dem Gebäude gelöst. Die Decke ist verschwunden, die Weisen stehen nur noch auf einer Plattform, die am Himmel schwebt. Der silberne Reif beginnt zu leuchten und sendet seine Strahlen in die Wolken, sie reißen an der Stelle auf.

Chrisnato, der Schöpfer der Welten, ist erschienen, er steht auf einer hellen Wolke. Sein Gesicht, geprägt von unendlicher Weisheit, schaut auf die Retoks herab, das weiße, lange Haar leuchtet silbern. Ein weites weißes Gewand bedeckt seinen Körper. In seinem Gesicht spiegeln sich Güte und Barmherzigkeit wider. Jeder, der in diese Augen blicken darf, fühlt eine neue, unbekannte Kraft und tiefe Zuversicht. Es ist ein so unglaubliches Gefühl, dass es sich für immer im Herzen des Auserwählten einbrennt.

Der Schöpfer hat seine Handflächen über der Brust gekreuzt, aus den Wolken schießen so gewaltige Blitze, dass die Energiefänger mit der Speicherung überfordert sind. Chrisnato hebt die Hand, das Gewitter löst sich auf, der Mond erstrahlt in seinem weißen Licht.

„Benutzt nicht eure Nachlässigkeit für die Erkenntnis, denn die Erkenntnis, nach mir zu rufen, kommt zu spät. Satanor hat sich vor zwei Taktern durch ein Galaxieloch transformiert. Jedoch bin ich nicht hier, um über euch zu urteilen, auch nicht, um euch zu belehren, denn nur das Leben ist der Lehrer der Erkenntnis. Ihr habt die Zweifler vernachlässigt, so ist gekommen, was kommen musste. Erkennt und handelt in Bescheidenheit, aber weise. Seht mit den Augen des Glaubens und glaubt an das, was ihr seht. Wege werden begangen und dann wieder vergessen, doch vergessen sollte man nie. Erinnert euch und leitet diese Erinnerung weiter an diejenigen, die nach dem vergessenen Weg suchen werden.“

Fis schaut offen in das Gesicht des großen Schöpfers.

„Wird nun die ewige Nacht über unsere Planeten einbrechen?“ In seiner Stimme klingt große Sorge.

Die Augen von Chrisnato sind auf Fis gerichtet:

„Das ist eine Frage der Zukunft, stell die Frage der Gegenwart. Wie ist das Unheil aufzuhalten? Satanor ist auf einen Planeten geflohen mit dem Namen Erde. Die dort existierende Lebensform nennt sich Mensch und befindet sich auf der dritten Entwicklungsstufe. Eine sehr junge und unerfahrene Kultur. Satanor versucht eine gewagte Verbindung mit einem Mischlingswesen. Sollte diese Verbindung gelingen, erreicht er den zehnten Rang. Das darf nicht geschehen, sonst werden sich schwarze Schleier über die Welten ausbreiten.“

Unheilvoll klingen die warnenden Worte des Schöpfers, ein Raunen geht durch die Weisen,

„Die schwarzen Schleier, das muss verhindert werden, vier Welten wären sonst verloren.“

Das weiße Haar des Schöpfers glänzt im Licht des Mondes, er streckt eine Hand zum Himmel, da löst sich aus den dunklen Wolken ein leuchtender Ring, der über seinem Haupt schwebt.

„Ein Orakelpaar wird auf die Erde gesandt, das am Ende des vergessenen Weges Erkenntnis bewirkt. Es wird beginnen, was vorherbestimmt ist.“

Chrisnato breitet die Hände aus, der Ring über seinem Haupt fängt an, sich zu drehen. Ein gewaltiger Lichtstrudel entsteht, der sich in seinen Händen sammelt. Aus dem Strudel wächst eine Feuerschlange, die sich zu zwei magischen Worten windet, die weit am Himmel leuchten.

„Hogla-Krazu.“

Kapitel 7

Die Pyramiden stehen da wie drohende Wächter, die ein Geheimnis bewachen. Vor mir ist die aufgerissene Wand, das schwarze Loch endet irgendwo im Ungewissen, dumpfe Geräusche kommen aus der Tiefe. Ich habe das Gefühl, dass jemand da unten ist und mich beobachtet. Plötzlich greift etwas nach mir, doch ich sehe nichts, trotzdem zieht es mich unerbittlich zum schwarzen Loch. Ich versuche, mich an der Pyramidenwand festzuklammern, aber ich fasse stattdessen in eine breiige Masse und rutsche daran ab. Das schwarze Loch kommt immer näher, ich verliere den Halt, mit hoher Geschwindigkeit sause ich durch einen Schacht in die Tiefe.

„Aaahh, aaaahhh!“

Mein Sturz wird abgefangen, sanft lande ich auf weichem Boden. Es ist unheimlich, wurmartige Gebilde kriechen über meinen Schutzanzug.

„Igitt, was ist das?“

Sie fressen sich durch meine Gelhülle, ich versinke in Millionen von Würmern, die mich forttragen. So plötzlich, wie die Würmer aufgetaucht sind, verschwinden sie in unzähligen Ritzen, die Gelhülle repariert sich von selbst. Ein Wurm kriecht über mein Gesicht, er hat den Anschluss verpasst, angeekelt werfe ich ihn auf den Boden.

Vor mir erstreckt sich ein gigantisches Lager, massive Böden sind einige hundert Meter hoch an grob behauenen Felswänden eingelassen. Veraltete Roboterserien, Maschinen und Dinge des Alltags liegen übereinandergestapelt in den riesigen Regalreihen.

„Wo bin ich hier?“

„Im Zentrallager von Lehrrat.“

Mein Mikrokommunikator hat anscheinend seine Sprache wiedergefunden, eine Tatsache, die mich in meiner jetzigen Situation irgendwie beruhigt.

„Ich dachte, du hast mich bereits verla…aaahhhaaa! Was, was ist das, allmächtiger Vater steh mir bei?“

Ein riesiges, raupenartiges Gebilde kommt mit großem Tempo auf mich zu, ich springe entsetzt auf.

„Willst du mich umbringen?“

„Reduziere deine Energiezufuhr, das ist nur eine Transportraupe.“

„Nur ist gut, das Ding ist bestimmt zwanzig Meter lang!“

Ich presse mich gegen die Felswand.

„Hebe deine produktiven Ausführer auf fünfundzwanzig Grad an und spreize sie, die Transportraupe wird dich als biologische Substanz registrieren. Wahrscheinlichkeit liegt bei sechzig Prozent.“

„Was, bei sechzig Prozent? Und was ist mit den restlichen vierzig?“

Jetzt, da ich förmlich nach Antworten lechze, schweigt das winzige Ding in meinem Gehör.

„Hey, ich hab dich etwas gefragt?“

Ich schlage gegen meine Ohren, doch nichts, es bleibt still. Ich biete den ruhenden Lagerbeständen die Verzweiflungstat einer Wahnsinnigen und strecke der Riesenraupe meine gespreizten Finger entgegen.

„Denn sie wusste nicht, was sie tut.“