Holz für die Pinguine - Dirk Führmann - E-Book

Holz für die Pinguine E-Book

Dirk Führmann

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Beschreibung

Michael Wagner ist mit seinem Leben und seinem Job mehr als unglücklich und er denkt häufig daran, sich umzubringen. Das ändert sich, als er Trudi kennenlernt und sich mit ihr eine Chance eröffnet, seine Idee gegen die globale Erwärmung in die Tat umzusetzen. Er bricht mit ihr und seinen Freunden auf dem Segelschiff ihres Vaters, der eine Reederei besitzt, zu einer abenteuerlichen Reise auf, die sie zur Antarktis, um Südamerika herum, bis nach Grönland führt.

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Seitenzahl: 110

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhalt

Leonhard

Cuxhaven

Bremerhaven

Auf dem Weg

Sturm

Äquator

Piraten

Südamerika

Antarktika

Heimreise

Karibik und Golfstrom

Neufundland und Grönland

Leonhard

Jeden Morgen, wenn mein Mobiltelefon, das mir auch als Wecker diente, meinen Schlaf beendete, fragte ich mich, ob ich mein Leben und meine Talente mit der Arbeit als Briefzusteller nicht vergeudete. Wieso hatte mich das Schicksal in diese deprimierende Lage gebracht?

Natürlich wusste ich es besser. Es war nicht das Schicksal. Wäre ich in meiner Kindheit und Jugend fleißiger und zielstrebiger gewesen, hätte mich mit meinen Hausaufgaben beschäftigt und fleißig gelernt, um das Abitur zu erlangen und zu studieren, dann hätte ich einen interessanten Beruf mit einem auskömmlichen Einkommen ergreifen können. Mit etwas Mut hätte ich eine Frau gefunden, die mich liebt und die ich liebe, und mit ihr eine Familie gegründet. Dann würde ich morgens gern aufstehen und mit meiner Frau und den Kindern frühstücken. Nach der Arbeit und der Schule würden wir uns, nach einem erfüllten und vielleicht anstrengenden Tag, wieder zufrieden in die Arme schließen. Wir würden uns über die Ereignisse des Tages austauschen, während wir das Essen für die Familie zubereiteten.

Nach dem Essen würden sich die Kinder mit ihren Freunden treffen oder auf ihre Zimmer gehen und sich mit ihren Hausaufgaben, Lesen oder Computerspielen beschäftigen. Ich könnte mir mit meiner Frau einen Film im Fernsehen anschauen, einen Cocktail auf der Terrasse mit Blick auf den eigenen schönen Garten nehmen oder meinen Hobbys nachgehen.

Stattdessen lebte ich in einer kleinen Mietwohnung, hatte weder Frau noch Freundin oder Kinder, fühlte mich als elender Versager und überlegte jeden Abend, auf welch phantasievolle Weise ich meinem missglückten Leben an irgendeinem runden Geburtstag ein Ende bereiten könnte.

„Michael Wagner, du bist in einer existenziellen Krise“, sagte ich zu mir selbst. „Steh jetzt auf und mach das beste aus diesem Tag, der laut Vorhersage sonnig und heiß werden wird. Du bist erst achtunddreißig Jahre alt und kannst noch etwas aus deinem Leben machen.“

Es war nicht nur Faulheit, die mich in der Schule versagen ließ und einen erfolgreichen Lebenslauf verhagelte, und ich war auch nicht dümmer als der Durchschnitt. Es waren diese verdammten seelischen Probleme, meine Komplexe in der Kindheit und die ständige Frage, warum ich anders war, als meine Mitschüler. Die schienen alle irgendwie normaler zu sein und machten nicht den Eindruck, als ob sie von Selbstzweifeln oder Depressionen geplagt würden. Oder sah ich es ihnen nur nicht an? Jedenfalls hatten sie meistens die besseren Zensuren und waren selbstbewusster, mutiger, frecher und lauter als ich. Wie konnte ich Spaß am Lernen oder zumindest die Fähigkeit zur Konzentration auf den Unterricht haben, wo ich permanent unter sozialen Ängsten und Unsicherheit litt? Für mich waren Lerninhalte des Schulunterrichts relativ unwichtig. Ich verwendet meine ganze Energie darauf, mich möglichst unauffällig zu verhalten, um nicht vom Lehrer etwas gefragt zu werden und mich dann vor der Klasse zu blamieren. Denn für das Erledigen der Hausaufgaben und das Vorbereiten auf den Unterricht fehlten mir die Energie und die Motivation. Erst einmal ging es mir darum, mich von meinen psychischen Problemen zu befreien. Dann wäre ich willens und bereit gewesen, mich mit Themen wie Mathematik, Fremdsprachen oder Geschichte zu beschäftigen. Aber da Psychologie und buddhistische Entspannungsübungen nicht zum Lehrplan gehörten und kluge und verständnisvolle Pädagogen, die die seelischen Nöte von Schülern erkannten und Hilfe organisieren konnten, nur in Spielfilmen vorkamen, während viele reale Lehrer selbst eine Schraube locker hatten, nahmen die Dinge eben ihren Lauf. Sicher liegt es auch an den Eltern. Wenn die unsicher und wenig selbstbewusst sind, überträgt sich das natürlich auch auf ihre Kinder. Aber kann man ihnen daraus einen Vorwurf machen? Sie können schließlich auch nichts dafür, wie sie sind und ein Teil der Persönlichkeit ist auch angeboren.

Nach meiner Schicht war ich mit meinem Freund und Kollegen Leonhard im Café Cup Aroma am See im Stadtpark verabredet. Als ich das Café betrat und mich suchend umsah, erkannte ich ihn sofort an seinem heftigen Rudern mit den Armen. Er saß an einem der Zweiertische an der Fensterfront. Leonhard grinste, als ich näher kam. Wir begrüßten uns mit einem Händeschütteln und ich rang mir ein Lächeln ab.

„Prima siehst du aus, Leonhard! Die vier Wochen Urlaub haben dir gut getan. Du musst gleich mal erzählen, was du in der Zeit gemacht hast. Aber lass uns erst mal etwas bestellen. Ich habe Kaffeedurst und Appetit auf Kuchen.“

Die Bedienung kam und nahm die Bestellung entgegen. Leonhard konnte sich, wie meistens, einen kleinen Spruch nicht verkneifen.

„Sie sehen ja heute besonders bezaubernd aus, Nicole. Sind Sie etwa frisch verliebt?“

„Falsch geraten, Herr Bergmann. Frisch getrennt. Das kann ja manchmal auch glücklich machen. Ich kann euch die Schwarzwälderkirschtorte empfehlen. Da ist heute besonders viel Kirschwasser drin.“

„Okay! Die nehme ich!“, sagte Leonhard und ich schloss mich der Auswahl an. Er schaute dabei die Bedienung mit seinem typischen Flirtgesicht an und schien auf eine Reaktion zu warten, die aber ausblieb. Nicole brachte die Torten und die Tassen Milchkaffee.

„Lasst es euch schmecken!“

„Ich war mit einer Freundin am Bodensee“, begann Leonhard zu erzählen.

„Wir waren in Konzerten, im Kino, Segeln, Wandern und sind jeden Abend essen gegangen. Es war ein sehr schöner Urlaub. Kennst du Katja schon?“

„Ja, du hast sie mir mal vorgestellt. Ein hübsches Mädchen. Seid ihr mittlerweile zusammen?“

„Ja, seit dem Urlaub. Ich bin total in sie verliebt und sie auch in mich. Ich glaube, das ist was Langfristiges.“

„Ich freue mich für euch. Was hast du denn da für ein Päckchen bei dir, Leonhard?“

„Ein Geschenk für dich. Alles Gute zum Geburtstag, mein Freund!“

„Den hatte ich fast vergessen. Aber du hast recht. Heute ist mein neununddreißigster Geburtstag. Ich danke dir. Was ist es denn?“

„Es ist ein Buch über Achtsamkeitsmeditation, mein lieber Michael. Ich habe es mir auch gekauft, auf Empfehlung meines Hausarztes. Er meint, es würde gegen meinen hohen Blutdruck und den Stress helfen und er hatte recht.

Seitdem ich regelmäßig meine Übungen mache, bin ich viel gelassener und selbstbewusster, und schlafe auch viel besser. Ich war anfangs skeptisch, aber es funktioniert tatsächlich. Ein Beispiel. Schließe mal die Augen und atme bewusst vier Sekunden lang ein und dann sechs Sekunden lang aus. Das Ganze, mit Atempausen dazwischen, mehrmals hintereinander. Los, mach mal!

ein...ein…ein…ein…Pause....aus…aus…aus…aus...aus… aus…Pause…Pause…Pause…Pause…ein…ein…ein…ein …Pause…aus…aus…aus…aus…aus…aus…Pause… Pause…Pause…Pause…ein…ein…ein…ein…Pause aus…aus…aus…aus…aus…aus

„Du hast recht! Es wirkt schon. Vielleicht probiere ich es wirklich mal längere Zeit aus.“

„Das solltest du unbedingt tun. Ich glaube es funktioniert, weil es der Situation vor dem Einschlafen ähnelt. Aber da man dabei sitzt und nicht liegt, schläft man nicht so leicht ein. Vor dem Einschlafen muss man ja auch entspannt und ruhig werden, weil man sonst nicht schlafen könnte und die Gedanken, auch die belastenden, verschwinden aus dem Bewusstsein. Man sucht sich ein ruhiges Plätzchen und macht jeden Tag zehn Minuten oder länger diese Übung und nach ein paar Tagen oder Wochen stellt sich der Erfolg ein. Das macht man allein und wenn man Zeit und Lust dazu hat. Von irgendwelchen Gruppentherapien halte ich nichts.

Wollen wir ein Glas Sekt zur Feier des Tages trinken?“

„Lieber nicht. An meinem nächsten runden Geburtstag vielleicht. Heute ist mir nicht danach.“

„Was hast du denn in der letzten Zeit gemacht, Michael? An irgendwelchen Projekten oder Ideen gefeilt oder bist du in einer schöpferischen Pause?“

„Ich habe da so einen Gedanken entwickelt, aber noch nichts Konkretes.“

„Erzähl mal!“

„Na gut, wenn du möchtest. Du weißt doch, dass ich mich für das Thema Klimawandel interessiere und wie man die Treibhausgase, insbesondere das Kohlendioxid, wieder aus der Atmosphäre entfernen kann.“

„Ja, natürlich.“

„Ich habe mir überlegt, dass Bäume doch Kohlenstoff aus der Luft holen und in ihrem Holz speichern. Wenn man mehr Bäume pflanzt, kann man mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen.

Aber irgendwann ist nicht mehr genug Platz für neue Wälder und die bestehenden Wälder können nur eine begrenzte Menge Kohlenstoff binden. Eines Tages sterben die Bäume, verrotten und geben den gespeicherten Kohlenstoff wieder als CO2 in die Luft ab. Dann können wieder neue Bäume an ihrer Stelle wachsen, aber die speichern auch nur so viel Kohlenstoff, wie ihre Vorgänger. Wenn man Bäume, bzw. Holz aus dem Wald holt, kann man damit langlebige Produkte herstellen, die auch Kohlenstoff aufbewahren und weil neue Bäume die gefällten Bäume ersetzen, wird so insgesamt mehr Kohlenstoff gebunden. Aber irgendwann ist auch der Bedarf an Häusern und anderen langlebigen Produkten aus Holz gedeckt.“ „Ja, so ist das eben.“

„Weißt du, welches einer der trockensten Ort auf der Welt ist, Leonhard?“

„Meine Kehle, am Morgen nach einer durchzechten Nacht oder die Sahara.“

„Die Sahara ist natürlich auch trocken, aber noch trockener ist die Antarktis!“

„Der Südpol? Da gibt es doch jede Menge Eis und Schnee.“

„Ja, aber kein flüssiges Wasser und zudem eine extrem geringe Luftfeuchtigkeit. Na gut, ein paar Schmelzwasserseen gibt es mittlerweile im antarktischen Sommer schon, genauso wie auf dem grönländischen Inlandeis. Und es gibt pro Jahr nur ein paar Zentimeter Niederschlag, und das ist kennzeichnend für eine Wüste. In dieser Trockenwüste finden praktisch keine Verwesungs- und Verrottungsprozesse statt. Deshalb meine Idee. In den Wäldern besteht immer die Gefahr von Bränden und auch Holzhäuser können ein Raub der Flammen werden, oder sie werden irgendwann abgerissen und das Holz landet in der Müllverbrennung und wird zu Strom oder Wärme. Wirklich sicher wäre das Holz, wenn man es zum Südpol brächte. Dort würde es Jahr für Jahr von mehr Schnee bedeckt werden und schließlich im Eis eingeschlossen sein. So wäre es für eine sehr lange Zeit sicher aufgehoben, vermutlich für tausende Jahre, falls das Eis nicht durch den Klimawandel schnell abschmilzt. Was hältst du davon?“

„Also, klingt ja ganz interessant. Holz für die Pinguine. Aber ich stelle mir die Umsetzung problematisch vor und ich weiß nicht, ob das der Gamechanger sein kann. Wie viel Holz kann man da hinbringen und lohnt sich der ganze Aufwand? Du musst ja auch Energie für den Transport aufbringen. Du weißt, dass ich deine Beschäftigung mit diesen Dingen gut finde, aber du hast bisher mit keiner deiner Ideen Erfolg gehabt. Das sind ganz nette Utopien, aber ich glaube nicht, dass so etwas in der Praxis funktioniert oder durchführbar ist.“

„Wahrscheinlich hast du recht. Lass uns von etwas anderem reden. Wollen wir mal wieder an die Nord- oder Ostsee fahren? Ich habe Sehnsucht nach Küste, mit Sandstrand, Strandkorb, Meeresluft, Fischbrötchen und Bier. Du weißt schon.“ „Gute Idee! Kann ich Katja mitbringen?“

„Natürlich! Wir könnten auch Martin fragen. Der hat bestimmt auch Bock auf ein verlängertes Wochenende an der Küste. Außerdem hat er einen Transporter mit viel Platz.“

„Prima! So machen wir das! Wie wäre es übernächstes Wochenende? Das würde mir zeitlich gut passen, weil ich Freitag und Samstag sowieso frei habe und das Wetter ist dann vermutlich auch gut, weil noch kein Ende der Hitzewelle in Sicht ist.“

„In Ordnung! Das klären wir noch. Ich versuche dann, am übernächsten Freitag und Samstag auch Urlaub zu bekommen. Ich will jetzt wieder los. War schön, dich getroffen zu haben. Bis die Tage! Die Rechnung übernehme ich. Grüße an Katja!“ „Mach ich. Bis dann!“

Ich fuhr mit meinem Fahrrad nach Hause. Es ärgerte mich, dass Leonhard meine Ideen so gering schätzte und so wenig begeisterungsfähig war, wie viele Normalos. Erbsenzähler, phantasielos und gewöhnlich. Beziehen ihr Wissen aus der Zeitung, den sozialen Medien und dem Fernsehen und erzählen sich gegenseitig, was sie gehört und gelesen haben. Das ist dann ihre Realität. Das ist ja im Prinzip auch richtig, aber neuen Ideen, insbesondere von Außenseitern, stehen sie grundsätzlich skeptisch gegenüber, ohne sich eine eigene Meinung zu bilden oder die neuen Gedanken richtig einschätzen zu können. Ich selbst war immer offen für neue Ideen, begriff sie als kostbar und hatte Achtung gegenüber allen Leuten, die mutig waren, gegen den Mainstream zu denken und nicht wie Schafe, die nur das Bekannte nachblökten. Aber Leonhard hatte auch recht. Meine bisherigen Ideen und Erfindungen waren alle im Sande verlaufen. Warum sollte es diesmal anders sein? Ich war einfach nicht der Typ, der für seine Ideen kämpfen konnte oder wollte. Dabei fand ich einige meiner früheren Erfindungen immer noch gut, auch wenn ich mich nicht mehr um sie kümmerte und mir lieber etwas Neues ausdachte. Aber diesmal wollte ich an dem Projekt dran bleiben, und wenn es das Letzte war, was ich tat. Wie ein Terrier würde ich mich in die Idee verbeißen und erst locker lassen, wenn ich mein Ziel erreicht hatte oder tot am Boden lag. Dass Katja bei dem geplanten Ausflug an die See dabei sein sollte, störte mich irgendwie, aber ich wollte keine schlechte Laune verursachen und das Thema daher nicht ansprechen. Es herrscht eine andere Stimmung, wenn eine Frau dabei ist. Man muss mehr darauf achten, was man sagt, muss sich besser benehmen und darf sich nicht zu sehr betrinken. Gut, es gibt Männer, die das alles nicht interessiert und auf weibliche Gesellschaft keine Rücksicht nehmen. Aber so war ich eben nicht. Andererseits fand ich Katja nett und es könnten sich interessante Gespräche ergeben. Vielleicht wäre es doch gut, wenn sie mitkäme.

Cuxhaven