Hortensia und der Preis des Mutes - Richard Rattey - E-Book
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Richard Rattey

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Beschreibung

Quintus P. Carbo entstammt einer Familie der römischen Oberschicht. Seine politische Karriere ist längst abgeschlossen und er sieht sich von finanziellen Problemen bedroht. Die aktuelle politische Situation in Rom – nach der Ermordung Caesars ist das Zweite Triumvirat an der Macht, es herrscht Krieg zwischen den Truppen des Triumvirates und jenen der Caesarmörder – bietet ihm wenig Möglichkeiten, zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Glücklicherweise wird ihm ein großzügiges Geschenk angeboten, das aus verschiedenen Gründen einen idealen Ausweg aus seiner Situation verspricht. Doch die Annahme des Geschenkes wird durch den Verlauf des Bürgerkrieges blockiert. Zusätzlich spitzen sich die politischen Ereignisse um ein neues Steuergesetz so zu, dass Quintus sich überraschend veranlasst sieht, Ermittlungen nach einem rätselhaften Verbrechen aufzunehmen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Personen

Ein Geschenk

Eine folgenschwere Rede

Rätselhafter Überfall

Eine erste Spur

Ein perfekter Plan

Ein glücklicher Zufall

Ein Richtungswechsel

Unerwarteter Besuch

Seitenwechsel

Aufbruch

Ein alter Bekannter

Durchkreuzte Pläne

Eine befleckte Tunika

Experten für Fische und Anderes

Epilog

Glossar

Impressum

Personen

Quintus Papirius Carbo Senator, Erzähler der Geschichte

Merkurius Freigelassener des Quintus

Castor Persönlicher Sklave von Quintus

Aurelia auch Aurelia Minor, Frau von Quintus

Titus Pomponius Atticus Geschäftsmann und Freund Ciceros

Flavius der Ältere ehemaliger Liktor von Quintus und später von Cäsar

Flavius der JüngereSohn von Flavius dem Älteren

Nearchos ehemaliger Pirat, nunmehr Importeur, Reeder und fallweise Kapitän von Handelsschiffen, Klient von Quintus

Trebius ehemaliger Centurio, Klient von Quintus

Cornelia FaustaTochter des Diktators Cornelius Sulla, Freundin von Aurelia

Pollateseiner von Milos alten Straßenkämpfern, Ex-Gladiator und Anführer von Faustas Leibwache

Beraxebenfalls einer von Milos alten Kämpfern, nun in Faustas Diensten

Ajaxebenfalls einer von Milos Männern, nun in Faustas Diensten

GaiusSohn eines Klienten von Quintus

Empedoclesberühmter Wundarzt, Freund und oft wichtige Unterstützung für Quintus

Publius Servilius Isauricusrömischer Politiker, Konsul 41 v. Chr.

GaiusMacer ländlicher Klient von Isauricus

HortensiaTochter von Hortensius Hortalus, Erbin der Redekunst ihres Vaters

VeriaSklavenmädchen im Besitz von Hortensia

Gaius Maecenasrömischer Ritter, Freund Octavians

Festusein Centurio

Apolloniusein Bekannter aus weit zurückliegenden Tagen, kleinwüchsig, schlau. Ein Mann, der große Fähigkeiten als Übersetzer und Spion aufweist und seine griechische Herkunft in mancherlei Hinsicht nicht verleugnen kann

Marcus VitruviusBaumeister und Techniker

Albennusehemaliger Reitersoldat aus Gallien. Bereits von Hortalus als Spezialist für Pferde eingestellt. Beaufsichtigt die Pferdehaltung der Villa Hortensia und ist trotz seines Alters ein hervorragender Spurenleser.

LuciusVerwalter der Villa Hortensia

VeniaHeilkundige Sklavin der Villa Hortensia

Die geschilderten Ereignisse fanden von Spätherbst 43 v. Chr. (a.u.c. 711) bis Sommer 42 v. Chr. (a.u.c 712) statt.

Ein Geschenk

Oft wenn ich gezwungen war, darauf zu verzichten, weil ich nicht in Rom sein konnte, hatte ich mich danach gesehnt, über das Forum Romanum zu gehen, Bekannte, Freunde, Gegner und Feinde zu treffen, den neuesten Klatsch auszutauschen und im gefühlten Mittelpunkt der Welt Teil des Geschehens zu sein.

Niemals hätte ich erwartet, eines Tages den Gang über das Forum schnell hinter mich bringen zu wollen und noch weniger, dass ich als Senator und ehemaliger Prätor es vermeiden würde, zur Rostra zu blicken, die erst wenige Jahre zuvor von Caesar auf die westliche Schmalseite des Forums verlegt worden war. Doch genau das geschah jetzt, ich wollte das Forum nur schnell überqueren und mir jedenfalls ersparen, einen Blick in Richtung Senat und Rostra werfen.

Dort waren nämlich Ciceros Kopf und Hände zur Schau gestellt – aufgespießt und zusätzlich verunstaltet. Nun hatten zwar Cicero und ich in den zurückliegenden Jahren nicht mehr viel miteinander zu tun gehabt, so dass man nicht von Freundschaft, wohl aber von gegenseitigem Respekt sprechen konnte.

Es war schier unerträglich, sterbliche Überreste des großen Redners und Juristen, der sich unbestreitbarer Verdienste um die Republik rühmen durfte, so schandhaft und demütigend dargeboten zu sehen. Gleich unerträglich war es auch, dass weder ich noch eine Senatsmehrheit etwas tun konnten, was diesem Zustand Einhalt geboten hätte.

Nach der Ermordung Cäsars war die Situation immer verworrener geworden. In diesem Jahr hatten drei Männer die Macht im Reich unter sich aufgeteilt. Dieses Triumvirat bestand aus: Marcus Antonius – der für die Ermordung Ciceros verantwortlich war, aus Marcus Aemilius Lepidus und schließlich aus Octavian, unserem nunmehrigen Ersten Bürger, dessen Haltung während der Ächtung, Verfolgung und Ermordung Ciceros von einer Art war, die zu beschreiben ich mir ersparen will. Nicht aus Angst – dafür bin ich zu alt und zu unwichtig – eher deshalb, weil ich es leid geworden bin, Charakterlosigkeit und Ungerechtigkeit zu beklagen.

Meine Stellung als Senator – selbst jene als ehemaliger hoher Magistrat – war damals schon längst beschämend einflusslos geworden.

Ich war unterwegs zum Haus von Titus Pomponius Atticus, welches am Fuße des Palatin nahe dem Forum Boarium lag. Begleitet wurde ich von meinem Freigelassenen Merkurius und meinem neuen Sklavenjungen Castor.

Am Morgen war ein Sklave von Atticus in meinem Haus erschienen, der eine Einladung zu einem informellen Besuch überbrachte. „Wenn der Geldsack will, dass du herausfindest, wer Cicero den Kopf abgeschlagen hat, sollten wir uns den Weg sparen", hatte Merkurius angemerkt, als ich ihm von der Einladung erzählte. Es war allgemein bekannt, dass Cicero ein enger Freund von Atticus gewesen war. Ich merkte an, dass Atticus nicht im Ruf stand, dumm zu sein. Er hatte auch immer strikte Neutralität in den politischen Kämpfen seit dem Aufstieg Cäsars gezeigt. Daher war anzunehmen, dass es um keine politische Angelegenheit gehen würde. Auch dass hinter der Einladung bloß das Verlangen nach Gesellschaft bei einem kleinen Mittagsimbiss stehen würde, schlossen wir beide aus.

Nachdem meine Frau Aurelia an diesem Tag einen Besuch bei einer Tante geplant hatte, und ich weder dazu mit eingeladen noch daran interessiert war, mich mehr als unbedingt nötig mit ihrer Familie abzugeben – Aurelia natürlich ausgenommen – hatte ich die Einladung von Atticus gerne angenommen.

Castor war damals erst wenige Monate in meinem Besitz, ich hatte ihn von einem greisen Verwandten geerbt. Er war im Haushalt meines Verwandten geboren – in meiner Familie vermied man Geschäfte mit Sklavenhändlern – sollte dies doch einmal erforderlich sein, ließ man Bedienstete oder Klienten den Handel ausführen – meist bevorzugte man es, Dienstboten innerhalb der Familie loszuwerden oder zu übernehmen. Ich hegte den Verdacht, dass mein Verwandter, der nie viel von mir zu halten schien, mir durch diese Hinterlassenschaft weniger eine Freude, als vielmehr zukünftige Kosten und Ärger bereiten wollte.

Die Freilassung von Merkurius – der bis dahin die Rolle meines persönlicher Dieners innehatte – war damals erst ein knappes Jahr her. Zu ihm war ich zwar auch durch eine Zuwendung aus meiner Verwandtschaft gekommen, allerdings lag in seinem Fall der Schenkung eine etwas delikate Konstellation zugrunde. Merkurius war das Kind einer Freigelassenen eines Onkels von mir. In der Familie war darüber gemunkelt worden, dass mein bereits jung verwitweter Onkel und diese Frau wie Eheleute zusammenlebten. Stillschweigend wurde angenommen, dass Merkurius ein illegitimer Sohn meines Onkels sei. Da seine Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt noch Sklavin gewesen war, wurde Merkurius als Sklave geboren und verblieb in diesem Status auch nach deren Freilassung. Kurz nachdem diese Frau gestorben war, starb auch mein Onkel. Der eheliche Sohn meines Onkels, mein Cousin Quintus (in meiner Generation wurde der Name in unserer Familie allzu häufig vergeben), hatte verständlicherweise wenig Lust, einen möglichen Halbbruder in seinem Haushalt zu wissen. Dass Merkurius sich bereits in seiner Kindheit als Ausreißer und Raufbold erwies, bestärkte ihn in seiner Absicht, den Bengel loszuwerden. Auch musste bei der Namensgebung des Jungen ein Prophet mitgewirkt haben, immerhin ist ja Merkurius nicht nur der Gott der Händler, sondern auch jener der Diebe.

Es spricht für meinen Cousin, dass er weder einen Verkauf noch eine andere grausame Lösung wählte, sondern Merkurius mir als Geschenk überließ. Ich hatte damals gerade das Haus meiner Eltern verlassen, um in dem mir überlassenen Gebäude in der Subura meinen eigenen Hausstand zu gründen, so dass ich einen Sklavenjungen als persönlichen Diener gut brauchen konnte. Hätte ich damals gewusst, wie viel Aufwand und Ärger – bereits nach zwei Tagen in meinem Haus riss er aus und tauchte erst nach mehreren Tagen mehr oder weniger freiwillig wieder auf, worauf er seine erste und einzige Tracht Prügel von mir erhielt – seine Erziehung anfangs bereiten würde, wäre mir wahrscheinlich eine stichhaltige Begründung, ihn nicht annehmen zu können, eingefallen.

Im Laufe der Jahre hatte ich aber gelernt, Merkurius zu schätzen, er war schlau, mutig und treu. Ich war ihm meist ein gerechter und großzügiger Herr, der ihm abwechslungsreiche und abenteuerliche Beschäftigung bot.

Merkurius lernte im Gegenzug, nicht mehr auszureißen. Den Hang zum Kämpfen hat er aber nie verloren, ich habe lediglich geschafft, ihn zu disziplinieren. Zur Ausbildung ließ ich ihn jahrelang in einer Gladiatorenschule trainieren, so dass er zu einem versierten Kämpfer geworden war. Ähnliches galt für seine diebischen Begabungen – wenn es unseren Absichten dienlich war, nutzte er sein diesbezügliches Können mit Begeisterung. Nicht nur während meiner Zeit als Magistrat hatte er mir mehrmals das Leben gerettet, auch als ich später Aufträge für Cäsar zu erledigen hatte, war ich stets froh, ihn an meiner Seite zu wissen.

Ich hatte ihn im Jahr vor den hier geschilderten Ereignissen freigelassen, damit hatte er neben den Bürgerrechten auch meinen Namen erhalten. Es scheint eine seltsame Laune der Götter, dass er nun gleich hieß, wie mein mittlerweile im Krieg gefallener Cousin. Nach der Freilassung blieb er mein wichtigster Gehilfe bei all meinen Pflichten und wurde mir ein geschätzter Klient und Freund.

Merkurius hatte das Erscheinen von Castor zwiespältig bewertet. Einerseits war er misstrauisch gegenüber dem Jungen und unterstellte ihm rundheraus, mindestens so schlimm zu sein, wie er selbst es gewesen war, andererseits genoss er es, dass jemand da war, den er herumkommandieren konnte. Ich hatte nichts dagegen, dass Merkurius die Erziehung des Knaben übernahm, er nahm diese Aufgabe konsequenter und energischer als ich wahr.

Im Hause von Atticus angekommen, wurden wir von einem Pförtner, der offensichtlich auf unser Kommen vorbereitet war, empfangen. „Mein Herr ersucht, den ehrwürdigen Senator zuerst unter vier Augen sprechen zu können. Der Sklavenjunge kann im Aufenthaltsraum der Haussklaven warten. Dein Begleiter ist eingeladen, im Atrium bewirtet zu werden, während der Herr dir sein Anliegen erläutert.“, teilte er uns mit.

Nachdem ich mir aktuell keinen Grund vorstellen konnte, warum ich ermordet werden sollte und Atticus uns zwar als gewiefter Geschäftsmann aber auch als ehrlicher Mensch – im Übrigen damals wie heute eine höchst seltene Kombination – bekannt war, hatten wir keine Einwände.

Merkurius ermahnte Castor noch, nicht zu tratschen, keinen Alkohol zu trinken und sich von den Sklavenmädchen fernzuhalten. „Nimm dich auch vor zudringlichen älteren Kerlen in Acht", schärfte er ihm noch ein – wie alt ich auch wurde, es gab immer wieder Facetten des römischen Lebens zu entdecken, die mir bis dahin glücklicherweise verborgen geblieben waren.

Atticus begrüßte mich freundschaftlich. Wir waren beide gut mit Cicero bekannt gewesen, er als enger Freund, ich als Senatskollege und gelegentlicher Verbündeter. Nach einigen gegenseitigen Fragen um das Befinden der Angehörigen kam er rasch zur Sache.

„Ich besitze eine große Villa mit einer Latifundie in Epirus, genauer gesagt in Buthrotum“, sagte er. „Kennst du jenen Teil des Imperiums?“

„Ich war noch nie dort an Land, bin aber mit dem Schiff an der Küste entlanggesegelt“.

„Nun, hat dir der Landstrich gefallen?“

„Darüber habe ich mir damals keine Gedanken gemacht, aber wenn ich versuche, mich zu erinnern, fallen mir Berge hinter der Küste, die vorgelagerte große Insel Kerkyra – soweit ich weiß, unsere erste griechische Provinz – und ein guter Hafen in der Nähe ein. Also alles in allem vermutlich ein angenehmer Ort zu leben.“

„Du erinnerst dich gut, und du hast recht, der Ort ist gut. Ich frage dich deshalb, weil ich dir vorschlagen will, eine Villa, die ebenfalls mir gehört und die an meinen dortigen Besitz angrenzt, als mein Geschenk an dich anzunehmen.“

Ich verschluckte mich an dem Wein, den zu trinken ich gerade im Begriff war. „Verzeih, aber warum solltest du mir ein solch wertvolles Geschenk machen wollen?“, presste ich hervor, als ich wieder sprechen konnte.

„Nun, soviel ich weiß, besitzt du ein Stadthaus in Rom, das Landgut deiner Familie in Beneventum und eine große Villa im Süden, die Hortensius Hortalus deiner Familie verkauft hat. Ich weiß auch, dass du großes Geschick im Aufklären von Verbrechen und Verschwörungen besitzt.

Die zu erwartenden Einkünfte aus den zur Villa gehörenden Ländereien sind nicht unerheblich, das wird dir vielleicht auch nicht unrecht sein. Weiters vermute ich, dass du in diesen bewegten Zeiten nichts dagegen hättest, dem Fokus deines angeheirateten Verwandten Octavian und der Aufmerksamkeit seines gefährlichen Verbündeten auszuweichen.“ Dass er Marcus Antonius als Gefahr für mich erkannte, wies darauf hin, dass er sich er sich eingehend mit den möglichen Auswirkungen der aktuellen Machtverhältnisse auseinandergesetzt hatte. Seine Beurteilung der Lage konnte ich leider nicht als übertriebenen pessimistisch einstufen. Vielmehr bestärkte es meine eigenen diesbezüglichen Befürchtungen, dass Atticus zu dieser Erkenntnis gekommen.

Die angeheiratete Verwandtschaft zu Octavius bestand übrigens darin, dass meine Frau Aurelia aus der Familie von Cäsars Mutter stammte und dadurch auch mit Atia, der kürzlich verstorbenen Mutter von Octavian verwandt war. Auch wenn meine Familie seit langem auf Seite der Popularen stand und ich daher zumindest formal zur Anhängerschaft Cäsars und des ihm nachfolgenden Triumvirates gezählt werden konnte, so hatte ich stets vermieden, mich eindeutig als Parteigänger der neuen Herren zu deklarieren.

„Du bist gut informiert, was dein Wissen über meinen Besitz angeht, auch mit deiner Vermutung, dass ich wenig Interesse daran hege, in die zu erwartenden Wirren hineingezogen zu werden, liegst du richtig. Deine Bewertung meiner Fähigkeiten ehrt mich zwar, aber ich fürchte, du überschätzt mich erheblich. Ich kann mir nicht vorstellen, womit ich mir ein solch wertvolles Geschenk verdienen kann.“, erklärte ich, um sowohl angemessene Bescheidenheit zu zeigen als auch gebotene Vorsicht walten zu lassen.

Atticus dachte einen Moment nach, bevor er antwortete. „Mein Anliegen an dich ist nicht in wenigen Worten darzulegen Quintus. So sehr ich Fähigkeiten im Aufdecken von Verschwörungen und Intrigen auch schätzte, so habe ich doch keinen Anlass, dich um eine derartige Unterstützung zu bitten. Ich habe aber durchaus Interesse daran, dich – wenn du mein Geschenk annimmst – möglichst bereits im Laufe des bald beginnenden Jahres in Buthrotum zu wissen. Ich wünsche mir, dass du dort versuchst, ein diffiziles Problem für mich zu lösen.“

Er wollte also meine Dienste als Problemlöser nutzen – ich konnte mir noch keinen Reim darauf machen, was er wirklich wollte. Erwartete er vielleicht, ein ehemaliger Magistrat, der einige aufsehenerregende Prozesse geführt hatte, würde in der Provinz entsprechend wirkungsvoll als sein Rechtsvertreter auftreten können?

„Ich habe dort nicht nur große Besitzungen, sondern bin auch als Wohltäter des Gemeinwesens und verdienter Bürger anerkannt. Allerdings gibt es Probleme mit meinen Einnahmen aus dem Latifundium.“

„Verzeih, aber um einen diebischen oder unfähigen Verwalter loszuwerden, brauchst du doch nicht meine Dienste und noch weniger wäre ein solcher Auftrag ein so großzügiges Geschenk wert.“

„Ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Lass mich erzählen, was bisher passiert ist. Vor einigen Jahren weilte ich in Buthrotum auf meinem Besitz, als bekannt wurde, dass Cäsar die Stadt in eine große Veteranenkolonie verwandeln wolle. Ich konnte mit Unterstützung Ciceros Cäsar umstimmen – lediglich eine kleine Anzahl von Veteranen wurde angesiedelt. Damit blieben der Gegend umfangreiche Enteignungen erspart. Die Dankbarkeit der Grundbesitzer und Geschäftsleute ließ mich zu einem hochbeliebten Mann in Buthrotum werden. Meine Geschäfte in Rom liefen gut, ich hatte sowohl in Rom als auch in Buthrotum verlässliche Männer, die in meiner Abwesenheit die Geschäfte bzw. mein Landgut verwalteten. Vor zwei Jahren wurde meine Frau krank und ich musste Buthrotum verlassen, um rasch heimzukehren.“

Ich konnte mich daran entsinnen, dass Cicero einmal eine schwere Erkrankung von Atticus' Frau erwähnt hatte, auch dass sie bald darauf verstorben war, hatte ich erfahren.

„Kurz vor meiner Abreise aus Buthrotum wurde mein damaliger Verwalter von Räubern ermordet, als er in Begleitung einiger Bediensteter in die Stadt reiten wollte. Er hatte einiges an Geld bei sich, da er Werkzeuge kaufen und Rechnungen begleichen wollte. Nun musste ich in kürzester Zeit einen neuen Verwalter finden. Ich wandte mich an die Führung der kleinen Veteranenkolonie und bekam einen ehemaligen Centurio – Volentus – empfohlen. Der Mann wurde mir als ehrlich, verdienstvoll und bewandert in landwirtschaftlichen Angelegenheiten beschrieben. Er machte einen tadellosen Eindruck und so wurden wir einig. Volentus ist seither mein Verwalter in Buthrotum.“

Ich hatte während seines Vortrages festgestellt, dass der mir servierte Wein von ausgezeichneter Qualität war. Obwohl ich bereits einige Becher geleert hatte, konnte ich aber die Sorte nicht bestimmen. Im Übrigen war Atticus dankenswerter Weise offenbar vorbildlich im sparsamen Verbrauch unseres kostbaren Wassers, zumindest soweit es die Beimischung zum Wein betraf.

Als passionierter Weintrinker wollte ich die Herkunft dieses Weines kennen und stellte Atticus eine entsprechende Frage.

„Der Wein stammt von meinem Gut in Buthrotum“, antwortete er mit hintergründigem Lächeln. Auch jenes Anwesen, das ich dir anbiete, verfügt über Weingärten ähnlicher Qualität. Er schien anzunehmen, dass Quintus Papirius Carbo anders als ein Fisch auch mit flüssigen Ködern gefangen werden konnte. Ich kann nicht abstreiten, dass diese Annahme wohl begründet war.

„Nun hat sich Volentus ganz gut gemacht als Verwalter, die Einnahmen waren sogar geringfügig höher als unter seinem Vorgänger. Allerdings kam es nach der ersten Jahresabrechnung zu einem Überfall auf die Mannschaft, die den Gewinn nach Dyrrhacium zu meinem Bankagenten bringen sollte. Die Männer wurden getötet und das Geld geraubt. Im letzten Sommer sollte erneut ein Transport stattfinden, dieses Mal hatte ich den Sohn eines Freundes, Gaius Furnius, mit zwei Männern hinüber gesandt, um für einen sicheren Transport zu sorgen.“

„Ich bin jetzt nicht im Detail orientiert, wie die Lage in Epirus ist, aber ich glaube zu wissen, dass vor allem die Küste einigermaßen sicher und immer noch weitgehend frei von Piraterie ist, seit Pompeius dort für Ordnung gesorgt hat.“, warf ich ein, vor allem um zu zeigen, dass ich nicht nur dem Wein, sondern auch seinem Vortrag Beachtung schenkte. Pompeius hatte einst einen Sonderauftrag des Senates erhalten und das Mittelmeer in einem perfekt geplanten und durchgeführten kombinierten See-Land-Feldzug von der Geisel der Piraterie befreit. Natürlich waren seither da und dort wieder Piratenüberfälle vorgekommen, aber das war nichts im Vergleich zu den Ausmaßen, die dieses Unwesen vor der Säuberung durch Pompeius angenommen hatte. Auch wenn Pompeius zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre tot war – und ein wahrhaft schmähliches Ende gefunden hatte – diese Leistung mag als Beweis dafür dienen, dass der Mann zumindest Organisationstalent besaß.

„Deine Einschätzung ist richtig, aber auch dieses Mal wurde der Transport überfallen und Gaius Furnius sowie seine Männer und einige der von Volentus gestellten Leute kamen dabei ums Leben. Neben dem Verlust der Einnahmen schmerzt auch jener von Briefen und anderen Schriftstücken, die mitzunehmen ich Gaius Furnius gebeten hatte. Es sind auch Briefe von Cicero darunter, die nun vermutlich für immer verloren sind. Um diese Schriftstücke geht es auch bei meinem Anliegen an dich. Ich bitte dich um den Versuch, Ciceros Briefe an mich wieder zu bekommen. Sie dürften für Räuber oder Piraten wertlos sein, so dass sie vielleicht für eine nicht zu hohe Summe von jemandem, der mit den Räubern in Kontakt steht, zurückgekauft werden können.“

„So wie du die Situation schilderst, scheinen mir die Erfolgsaussichten für dieses Unternehmen eher gering zu sein. Vielleicht stecken Banditen aus dem Gebirge, die keine Kontaktpersonen an der Küste haben, hinter den Überfällen.“

„Dessen bin ich mir bewusst. Wie du sicher bemerkt hast, habe ich dich lediglich gebeten, den Rückkauf zu versuchen, ich verlange keinen Erfolg deiner Bemühungen. Die Villa übertrage ich dir unabhängig davon, ob ich meine Schriftstücke zurückerhalte. Weiters werde ich dir eine gesiegelte und beglaubigte Vollmacht erteilen, für die Dauer von zwei Jahren an meiner statt über den gesamten Besitz zu verfügen. Damit solltest du in der Lage sein, eine eventuelle Auslösung der Dokumente zu finanzieren und auch alle anderen Maßnahmen zu treffen, die du für erforderlich hältst.“

„Unter diesen Umständen freue ich mich über dein Geschenk. Ich muss natürlich meine Angelegenheiten in Rom und auf meinem Landgut regeln und werde hoffentlich nicht durch irgendwelche offiziellen Pflichten oder Aufträge an die Stadt gebunden. Ich will auch nicht verschweigen, dass ich nicht gern ohne das Einvernehmen mit meiner Familie die Stadt für längere Zeit verlassen will.“

Diese Bemerkung brachte ich an, obwohl sowohl meine Eltern als auch die meisten anderen Verwandten meiner Elterngeneration zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben waren. Der Rest meiner einst weit verzweigten und einflussreichen Familie kümmerte sich vor allem um seine eigenen Angelegenheiten. Ich war damit theoretisch in allen persönlichen Belangen mein eigener Herr. Allerdings lag es nicht in meiner Absicht, Atticus darüber aufzuklären, dass ich nicht ohne das Einverständnis von Aurelia eine Entscheidung von solcher Tragweite treffen wollte.

„Sollten aber keine Hindernisse auftreten, denke ich, dass ich mit Beginn der Schifffahrtssaison nach Buthrotum gehen, und damit beginnen kann, deinen Auftrag auszuführen.“

„Nicht mehr erwarte ich von dir. Aus Gesprächen mit Cicero ist mir in Erinnerung, dass du vertrauenswürdig, schlau und brillant im Entwirren von Verwicklungen bist. Ich werde, deine Zustimmung vorausgesetzt, in den nächsten Wochen die notwendigen Urkunden erstellen lassen, so dass wir unsere Abmachung besiegeln können.“

„Solltest du nun keine weiteren Fragen mehr haben, würde ich mich freuen, wenn wir einen kleinen Imbiss einnehmen könnten. Ich denke, da der vertrauliche Teil unseres Gespräches abgeschlossen ist, kann auch dein Freigelassener nun zu uns stoßen.“

Atticus hatte vermutlich von Cicero erfahren, dass ich vertrauten und wenig abgehobenen Umgang mit Merkurius pflegte, viele Aristokraten hätten damals ein gemeinsames Mahl mit ihren Freigelassenen möglichst vermieden. Heute dürfte dies nicht viel anders sein, nur habe ich kaum mehr Einladungen, so dass ich das nicht mit Sicherheit behaupten kann.

„Mein Freigelassener wird sich schon fragen, wann ich ihn kommen lasse, ich denke, fürs Erste weiß ich genug.“

Atticus beauftragte einen Bediensteten, einen Imbiss für drei Personen zu servieren und Merkurius zu holen.

Das Essen war einfach aber ausreichend und von hoher Qualität. Sowohl Merkurius als auch ich bedienten uns kräftig. In meinem Fall wegen des Weines, dem ich während des Zwiegesprächs durchaus ambitioniert zugesprochen hatte, Merkurius’ Appetit ließ darauf schließen, dass auch er mit einem guten Tropfen bedacht worden war.

Nach dem Essen verabschiedeten wir uns und wurden am Tor bereits von Castor erwartet. Mir fiel auf, dass er bester Stimmung war. Merkurius musterte ihn misstrauisch, sagte aber nichts.

Ich wollte noch ein Bad nehmen, als freier Bürger konnte auch Merkurius die Badeanstalten benutzen, daher schlugen wir den Weg in Richtung eines von mir selten frequentierten Bades am Fuße des Palatin ein. Als wir aus Sichtweite von Atticus’ Haus kamen, wollte ich beginnen, Merkurius den Inhalt meiner Unterredung mit Atticus mitzuteilen, kam aber nicht dazu.

Bevor ich nämlich etwas sagen konnte, fuhr Merkurius Castor an: „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich von Mädchen und geilen Böcken fern halten?" Castor wurde krebsrot und versicherte, weder das eine, noch das andere Verbot übertreten zu haben.

„Du hast Kussflecken und Bissspuren an Hals und Schulter, auch wenn du versuchst, sie zu verdecken, halte mich nicht für blöd, sonst gibt es noch eine zweite Tracht Prügel.“

„Aber Herr, er hat zu mir gesagt, ich soll mich von den Mädchen fernhalten und aufpassen, dass ich keinem knabenliebenden Kerl in die Hände falle. Das habe ich getan, aber dazu musste ich mich in den Schutz einer Frau begeben, die gerade Ruhezeit hatte und mir ihre Kammer zum Warten überließ“, erklärte er an mich gerichtet. Offenbar hatte der Sklaventratsch in unserem Haushalt ihn schon darüber unterrichtet, dass ich ein ausgesprochen gutmütiger Besitzer war.

Als Merkurius seine Miene verzog, deutete Castor dies als beginnenden Wutanfall und brachte sich vorsichtig in eine Position in der er hinter mir ein wenig Deckung finden konnte.

Ich kannte Merkurius viel besser und wusste, dass er erstens nicht zuschlagen würde, wenn er nicht mein Einverständnis annehmen konnte und zweitens ein viel zu guter Kämpfer war, um einen Angriff durch seinen Gesichtsausdruck anzukündigen.

Er verzog sein Gesicht, um ein Grinsen zu unterdrücken, allerdings mit mäßigem Erfolg. Mir ging es ähnlich, allerdings stand ja Castor hinter mir und konnte zum Glück mein Gesicht nicht sehen.

Castor schien froh zu sein, dass der Fehltritt keine schmerzhaften Folgen nach sich zog – zumindest für den Augenblick. Was er sich womöglich bei seinem Abenteuer an unangenehmen Erinnerungen geholt hatte, würde die Zukunft zeigen.

Selbstverständlich wurde er ermahnt, in Zukunft derartige Verbote auch auf analoge Fälle auszudehnen.

„Wenn du dir heute eine widerliche Krankheit eingefangen hast, die dein Gesicht verunstaltet, dann wirst du für dein Abenteuer einen hohen Preis zahlen“, drohte ich in ernstem Ton.

Merkurius würde ihn daran erinnern müssen, dass Sklaven mit ansteckenden Erkrankungen oder entstellenden Hautausschlägen nicht mehr für persönliche Dienste eingesetzt werden und meist wesentlich unangenehmere Aufgaben erhalten.

Auf dem weiteren Weg - wir mussten das Forum Boarium überqueren und kamen am damals noch neuen Tempel des Portunus vorbei, was ich, nachdem Portunus der Gott der Häfen ist, als gutes Omen für eine geplante Seereise deutete – ich war bescheiden geworden, was meine Bereitschaft, Omen als Ermunterung zu deuten, betraf – erzählte ich Merkurius den Inhalt meiner Unterredung mit Atticus.

Trotzdem auch Merkurius dem Wein zugesprochen hatte, war offensichtlich sein Denkvermögen weniger beeinträchtigt als das meine.

„Mit Sicherheit will er viel mehr von dir, als bloß die Wiederbeschaffung der Dokumente. Warum sonst sollte er dir eine so weit reichende Vollmacht erteilen? Er könnte ja einfach eine Höchstsumme festsetzen und dir eine Bankanweisung über diesen Betrag geben. Außerdem könnte er die Auslösung der Dokumente wesentlich billiger bekommen, wenn es nur darum ginge.“, erklärte er nach kurzem Nachdenken.

Das war etwas, das ich zu fragen vergessen hatte - nicht nur bei körperlichen Anstrengungen, sondern auch beim Zusammenspiel von Alkohol und Denkleistungen schlug offenbar mein Alter unbarmherzig zu. Das großzügige Geschenk und die weitreichende Vollmacht passten nicht ganz zum gestellten Anliegen.

„So gibt es also drei Fragen zu klären, bevor ich endgültig zustimmen kann. Erstens sollten wir klären, was Atticus wirklich von mir will, zweitens, ob ich mich aus Rom absetzen kann, ohne zuvor von Octavian oder noch schlimmer von Marcus Antonius mit irgendwelchen Aufträgen festgehalten zu werden und drittens, wie ich Aurelia dazu bewegen kann, einer längeren Reise nach Epirus zuzustimmen.“, fasste ich meine Gedanken zusammen.

„Die dritte Frage wird die schwierigste sein. Wir sollten herausfinden, ob irgend jemand den Aurelia als interessante Bekanntschaft akzeptiert, sich dort aufhält.“, Merkurius kannte Aurelia und er wusste, dass ohne ihre Zustimmung das ganze Projekt zum Scheitern verurteilt wäre.

Das Bad nutzte ich, um meinen Kopf ein wenig vom Alkoholnebel zu befreien und auch um meine Gedanken weiter zu ordnen.

Mir wurde klar, dass ich das Angebot von Atticus zu verlockend fand, um mich von vermutlich noch nicht genannten Problemen abschrecken zu lassen. Immerhin versprach die Villa in Buthrotum ein zusätzliches Einkommen. Das Landhaus in Campanien, welches der Patron meines Vaters, Hortensius Hortalus, ihm überlassen hatte, war wunderschön. Die Einkünfte aus seinen Ländereien reichten allerdings kaum aus, das Anwesen und die Ländereien in Schuss zu halten. Das lag vor allem daran, dass Hortensius ein sehr reicher Mann gewesen war und die Villa nicht als Wirtschaftsbetrieb, sondern aus Liebhaberei und im Hinblick auf seine persönlichen Neigungen gestaltet hatte. Unter anderem verfügte sie über aufwendige Fischteiche, deren Pflege viel Arbeit erforderte. Die darin aufgezogenen Fische ließen sich aber nicht gewinnbringend verkaufen, weil die Villa zu weit entfernt von Rom oder einer anderen größeren Stadt mit Bedarf an Fisch lag. Ich hatte bereits, trotz Aurelias heftigem Protest, entschieden, eine der wertvollen Statuen, die zur Villa gehört hatten, unauffällig zu verkaufen. Der Erlös sollte ausreichen, den Erhalt des Anwesens für einige Zeit zu sichern.

Um unser Leben, unseren Hausstand, die Geschenke an Klienten und den Erhalt meines Stadthauses zu finanzieren, musste ich damals regelmäßig mein Erbe, mein Vermögen aus der Zeit meines Prätoriats – ich hatte einige großzügige Geschenke von ausländischen Geschäftsleuten erhalten – und Zuwendungen von Julius Cäsar für Aufträge, die ich für ihn erfüllt hatte, heranziehen. Dass Cäsar mich für wichtige Leistungen belohnt hat, nehme ich zum Zwecke meiner Selbstachtung an, obwohl es auch sein kann, dass er bloß nicht wollte, dass seine junge Verwandte verarmen könnte, und er uns nicht der Peinlichkeit eines Almosens aussetzen wollte.

Mit Cäsars Tod war diese Einkommensquelle versiegt, so dass ich seit mehr als eineinhalb Jahren ohne bedeutende neue Einkünfte war. Lediglich die regelmäßigen Zuwendungen einiger geschäftlich erfolgreicher Klienten und die leider bescheidenen Einkünfte aus dem Landgut bei Beneventum versorgten mich mit frischem Geld. Dass dies nicht ewig so weiter gehen konnte, lag auf der Hand.

Die Villa in Buthrotum versprach ein gutes Einkommen - und regelmäßige Lieferungen des ausgezeichneten Weines. Damit könnte ich zukünftig das standesgemäße Leben eines Senators aus plebejischem Adel mit gesicherter Finanzierung führen und den Rest meines Vermögens schonen.

Ich wollte diese Überlegungen nicht mit Merkurius teilen – als mein Freigelassener musste er nicht wissen, wie angespannt meine finanzielle Lage auf längere Sicht war.

„Kannst du es dir eigentlich leisten, das Angebot abzulehnen?“, fragte Merkurius leise, als wir im Caldarium eine Ecke für uns gefunden hatten.

„Werde bloß nicht frech, nur weil du nicht mehr draußen stehst und darauf wartest, zum Schaben hereingerufen zu werden, brauchst du nicht zu glauben, dass du mich beleidigen darfst.“

„Entschuldige, aber das war nicht als Frechheit, sondern als ehrliche Frage gedacht. Nicht nur ich mache mir Gedanken, sondern auch Aurelia sorgt sich, woher in Zukunft das Geld kommen soll. So wie die Dinge liegen, wirst du nie deine proprätorische Provinz erhalten, es sei denn, du schließt dich mit allen Konsequenzen einer Bürgerkriegspartei an.“

„Aurelia hat mit DIR über MEINE finanziellen Angelegenheiten gesprochen?“, entfuhr es mir beinahe ein wenig zu laut.

„Sei doch froh darüber, andere Ehefrauen und Klienten zerbrechen sich nicht den Kopf über die Probleme Ihres Mannes und ihres Patrons. Das war kein Vertrauensbruch, sondern Sorge um die Zukunft. Wir wissen, dass du dich nicht an Octavian und schon gar nicht an Marcus Antonius binden willst, also musst du auf anderem Weg zu Geld kommen. Dieses Angebot von Atticus halte ich für eine glückliche Fügung.“

Langsam beruhigte ich mich. „Haben die Sklaven etwas von eurem Gespräch mitbekommen?“

„Sicher nicht, Aurelia hat mich ja nur gefragt, ob ich mitbekommen hätte, dass lukrative Aufgaben für dich in Reichweite liegen. Ich verneinte und merkte, dass meine Antwort sie beunruhigte. Das war im Garten und es waren keine Sklaven in Hörweite.“

Manchmal glaube ich, ein Gott hat es für mich so eingerichtet, dass ich an Aurelia und Merkurius kam. Besonders Aurelia hat sich immer mehr für meine Angelegenheiten interessiert, als dies für römische Damen üblich ist. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem dies letztlich zu meinem Nachteil gewesen wäre.

Als wir nach dem Bad nach Hause kamen, war Aurelia ebenfalls bereits von ihrem Besuch zurück. Ich kannte sie gut genug, um zu merken, wie sie vor Neugier brannte, Details meines Besuches bei Atticus zu erfahren. Sie schien auch ernstlich besorgt zu sein, was mich ein wenig stutzig machte.

Sie ließ ein Abendessen zubereiten und schickte dann die Sklaven in ihre Quartiere. Merkurius war in die Schenke am Ende unserer Straße gegangen, um sich mit einem Freund zu treffen. Castor hatte ich Stubenarrest verordnet.

Als wir endlich allein beim Essen saßen, nahm ich zuerst einen kräftigen Schluck Wein, bevor ich mir ein Stück kaltes Huhn krallte.

„Glaube ja nicht, du kannst dir jetzt den Mund vollstopfen, bevor du mir sagst, was Atticus von dir wollte,“ sagte sie und hielt meine Hand mit dem Hühnerfleisch fest.

„Oh, entschuldige, das hätte ich doch beinahe vergessen zu erwähnen. Atticus schenkt mir eine Villa mit ertragreichen Ländereien in Epirus“, erwiderte ich in beiläufigem Ton.

„Er tut was? Und wo beim Jupiter liegt dieses Landgut? Und vor allem: Warum will er das tun?“

Ich gab den Inhalt der Unterredung mit Atticus möglichst genau wieder, Aurelia hatte einen scharfen Verstand und konnte auch Sachverhalte erkennen, die ich vielleicht übersehen hatte.

„Dir ist sicher klar, dass er mehr von dir wollen wird, als einen einfachen Versuch, Verhandlungen mit einem Hehler oder einer Bande aufzunehmen“, sagte sie sofort. Mir war das zwar erst lang nach dem Gespräch mit Atticus bewusst geworden – und daran hatte Merkurius zugegebenermaßen seinen Anteil, aber das war ja unwichtig und musste nicht erwähnt werden.

Es machte mir allerdings Sorgen, dass offenbar ich der einzige war, dem dies nicht sofort aufgefallen war.

„Ja, aber in Anbetracht der politischen Lage und unter Berücksichtigung des Problems, dass ich seit Cäsars Tod keine wesentlichen Einkünfte mehr zu verzeichnen habe, denke ich, dass ich das Angebot annehmen sollte.“

„Lass uns jetzt essen und darauf hoffen, dass die Götter uns dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“

Aurelia stimmte zwar nicht vorbehaltlos zu, das war auch nicht zu erwarten gewesen. Es war aber überraschend, dass sie nicht sofort ablehnte und nicht einmal die Erwähnung von Epirus als Zumutung empfunden hatte.

Während des Essens, sollte ich beginnen, den Grund Ihres Verhaltens zu verstehen.

„Wie du weißt, war ich heute zu Besuch bei meiner Tante.“

„Ich weiß und wollte dich schon fragen, wie der Besuch lief?“

„Ich war nicht der einzige Gast. Weißt du wer noch da war?“

„Du wirst es mir hoffentlich gleich sagen“, antwortete ich und nahm vorsichtshalber schon einmal einen kräftigen Schluck Wein.

„Beide Octavias waren auch da.“, erzählte sie, „Ich glaube, du kennst nur Octavia die jüngere.“

Ich kannte tatsächlich nur eine Octavia. Sie war mir im Zuge früherer Ermittlungen schon begegnet und ich hatte sie als intrigante und reservierte Person erlebt.

„Ist jene Octavia, die ich kenne, die jüngere? Wie sind die beiden verwandt?“, fragte ich deshalb.

„Du kennst die Jüngere, die Schwester von Octavian. Octavia die ältere ist eine Halbschwester aus einer früheren Ehe von Gaius Octavian, welcher der Vater von allen dreien war. Sie ist mit mir so gut wie nicht blutsverwandt. Verheiratet ist sie mit Appuleius, der gerade irgendwo im Süden für Octavian Krieg führt. Sie hat etwas erwähnt, das ich dir unbedingt erzählen muss.“

„Ich bin ganz Ohr“, versetzte ich gespannt.

„Sie deutete an, dass der Bürgerkrieg enorme Summen verschlingt und die Einnahmen aus den Proskriptionen nicht die erwartete Höhe erreicht hätten.“

Die Proskriptionslisten aus jenen Tagen werden interessanterweise in jenem Bild, das heute über diese Zeit gezeichnet wird, kaum erwähnt. Es handelte sich dabei um Todeslisten politisch unliebsamer Personen. Wer auf einer Proskriptionsliste stand, war geächtet und konnte von jedermann straffrei ermordet werden. Das Vermögen des Ermordeten fiel – nach Abzug einer kräftigen Provision für die Mörder – an das Triumvirat. So war auch Cicero ums Leben gekommen. Als sein Name auf einer Proskriptionsliste auftauchte, war er erledigt.

„Sie erzählte, dass Atia in den Wochen vor ihrem Tod beklagt hatte, dass viel Vermögen vor der Tötung dieser Männer an Verwandte, Töchter und Ehefrauen übertragen worden war, und auf diese Weise das Geld fehle, um Cäsars Vermächtnis zu erfüllen.“, stieß Aurelia empört hervor.

„Als ob Cäsar jemals so eine Ungerechtigkeit und Verletzung der Bürgerrechte auch nur geduldet, geschweige denn durchgeführt hätte!“, setzte sie hinzu.

Aurelia hat Julius Cäsar stets bewundert und ließ wenig Kritik an ihm zu. Diese Bewunderung erstreckte sich aber nicht auf den nunmehrigen Ersten Bürger und seine unmittelbaren Verwandten. Sie nahm es dem jungen Octavian auch übel, dass er von Cäsar adoptiert und als Erbe bestimmt worden war.

„Sie erwähnte ausdrücklich, dass Atia sich besonders darüber ereifert hätte, dass beispielsweise das Vermögen von Cornelia Fausta, welches ja teilweise auch von Milo, der ein Feind des Staates gewesen sei, stammte, dem Zugriff Octavians entzogen sei.“

„Das ist wahrlich alarmierend, meine Liebe. Wenn Atia so etwas gegenüber der Familie knapp vor ihrem Tod geäußert hat, dann hat sie das wahrscheinlich auch Octavian oder Marcus Antonius vorgeschlagen. Hat die andere Octavia etwas dazu gesagt?“

„Sie versuchte mehrmals, ihrer Halbschwester das Wort abzunehmen und das Gespräch in eine andere Richtung zu leiten. Ich hatte zuerst den Eindruck, diese erzählte die Sache absichtlich, um zu zeigen, wie fest sie und ihr Mann auf Seiten des Triumvirats stünden. Vielleicht hatte sie auch zu viel getrunken, bevor sie meine Tante besuchte. Dort gab es nur stark gewässerten und gesüßten Wein.“

„Wenn die Jüngere so eingegriffen hat, kann das bedeuten, dass etwas ausgeplaudert wurde, das wirklich geplant aber noch geheim ist.“, überlegte ich.

„Ich befürchte Ähnliches. Es könnte so sein, dass Atia den Einfluss auf ihren Sohn nutzen konnte, um allen vermögenden Frauen, die ihr je unangenehm aufgefallen sind zu schaden.“

„Vielleicht unterschätzt du die ältere der beiden Halbschwestern. Sie wusste sicher, wer du bist und mit wem du verheiratet bist. Was, wenn sie geplaudert hat, um über uns einigen Betroffenen eine Warnung zukommen zu lassen?“, überlegte ich.

„Der Gedanke kam mir auch gleich nach dem Treffen – nur habe ich ihn nicht weiter verfolgt. Jetzt erscheint er mir als Möglichkeit. Jedenfalls wirst du nun verstehen, warum ich dem Gedanken, einige Zeit in Epirus zu verbringen, weniger abgeneigt bin, als du vielleicht erwartet hast.“

Das waren in der Tat beunruhigende Überlegungen, auch weil es bedeuten konnte, dass die mit den Proskriptionen eingetretene Willkürherrschaft fortgesetzt würde. Wohlhabende Familien müssten weiterhin fürchten, Opfer von Gier und Missgunst der Machthaber zu werden.

Am nächsten Morgen – Aurelia schlief noch und ich frönte gerade mit gutem Appetit in einem geschützten Erker unseres Gartens der barbarischen Sitte eines ausgiebigen Frühstücks mit Brot, Honig und Öl – tauchte Merkurius auf. Er wirkte zwar wach und munter, seine Augen verrieten mir aber, dass er etwas mehr Wein als üblich getrunken hatte. Er setzte sich unaufgefordert an meinen Tisch und starrte begierig auf den Krug mit gewässertem Wein.

Da ich Merkurius gut kannte, wusste ich, dass er etwas auf dem Herzen hatte. Weil ich seinen Zustand aus oftmaliger eigener Erfahrung gut kannte, wusste ich ebenso, dass er besser reden können würde, wenn seine ausgedörrte Kehle befeuchtet und der Brand in seinem Körper gelöscht sein würde.

Ich rief also nach Castor und ließ ihn einen weiteren Becher bringen. Als Merkurius dann zum Weinkrug greifen wollte, entzog ich ihm diesen und schenkte ihm statt dessen Essigwasser ein. Er zuckte lediglich mit den Schultern und trank den Becher in einem Zug aus.

„Schenk dir nach und dann sage endlich, was so wichtig ist.“

„Ich war ja gestern Abend noch in der Schenke, um einen Freund zu treffen. Der Freund ist dann bald nach Hause gegangen.“

„Und du hattest nichts Besseres zu tun, als allein weiter zu trinken, welch großartige Leistung. Soll ich dich dafür jetzt loben?“

„Du verkennst mich, ich war in deinem Interesse noch länger dort, wie es sich eben für einen dienstbeflissenen Klienten gehört.“

Darauf fiel mir nichts ein, ich wollte ja nicht zugeben, dass ich gespannt war und seine unbescheidene Meinung teilte, dass Merkurius ein beinahe perfekter Freigelassener für mich war.

„Kannst du dich an Flavius erinnern?“, fragte er.

„Welcher, da kenne ich einige, Senatoren, verschiedene Händler, Sklaven ...„

„Ich meine jenen Flavius, der einer deiner Liktoren und nach deiner Amtszeit dann einer von den 24 Liktoren Cäsars war.“

„Ah, jetzt weiß ich, wen du meinst. Ein kräftiger ruhiger Mann, der sehr verschwiegen sein konnte. Er hat mir nichts gesagt, als ich eine harmlose kleine Auskunft über Cäsar haben wollte.“

„Exakt dieser war es. Er war mit seinem Sohn in der Schenke. Wie kamen ins Reden und er hat mir erzählt, dass er wie viele von Cäsars Liktoren das Kollegium nach dem Mord an Cäsar verlassen hat. Er hat sich anschließend als Händler versucht, allerdings mit wenig Erfolg. Er sucht eine Aufgabe und einen Patron, da sein ursprünglicher Patron, der ihn einst freigelassen hat, schon vor längerer Zeit ohne Erben verstorben ist. Er fragte mich, ob du weitere Klienten annimmst und dir überlegen könntest, ihn und seinen Sohn zu akzeptieren.“

Ich versuchte mir darüber klar zu werden, wie ich mit dem Ansinnen umgehen sollte. Grundsätzlich bedeutete zwar jeder zusätzliche Klient potenziell weitere Kosten für mich. Die Leute erwarteten regelmäßige Geschenke und auch Hilfe in ihren Angelegenheiten. Klar wäre es gewesen, wenn Flavius ein erfolgreicher Händler und ein wohlhabender Mann geworden wäre, dann könnte ich umgekehrt von ihm profitieren. So trugen zum Beispiel die Zahlungen von Nearchos, einem ehemaligen Piraten, den ich in Ägypten kennen gelernt, vor der Hinrichtung bewahrt und dann als Klienten nach Rom mitgenommen hatte, nicht unerheblich zu meinen Einkünften bei. Nearchos begründete mit meiner Hilfe ein einträgliches Geschäft als Importeur, fallweise auch als Kapitän von Handelsschiffen und war neuerdings ein erfolgreicher Reeder.

Andererseits konnte ein zuverlässiger und im Kämpfen ausgebildeter Mann bei den kommenden Aufgaben in Epirus wohl nützlich sein.

„Weißt du, ob er in Rom Familie oder andere Verpflichtungen hat?“, fragte ich nach.

„Daran habe ich gleich gedacht, seine Frau und seine anderen Kinder sind bereits gestorben und er wohnt gemeinsam mit seinem Sohn in einem Zimmer in einer Insula. Ihn hält nichts in Rom.

---ENDE DER LESEPROBE---