Hot Brazilian Nights - sexy Gauchos in der Hitze Brasiliens - 4-teilige Serie - Susan Stephens - E-Book
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Hot Brazilian Nights - sexy Gauchos in der Hitze Brasiliens - 4-teilige Serie E-Book

Susan Stephens

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Beschreibung

Willkommen in der Hitze Brasiliens - willkommen in der Welt des Polos - 4 sexy Gauchos warten darauf, gezähmt zu werden!

STÜRMISCHES WIEDERSEHEN AUF DER HAZIENDA

Lady Elizabeth Fane hat zwei Möglichkeiten: Entweder sie verliert ihr Familienanwesen in Schottland. Oder sie schluckt ihren Stolz herunter und bittet den vermögenden Brasilianer Chico Fernandez um Hilfe. Dass er sie damals ohne Erklärung verließ, obwohl sie sich so nach ihm sehnte - daran darf sie jetzt nicht denken! Aber als sie dem arroganten Polo-Champion auf seiner Hazienda gegenübersteht, spürt Lizzie sofort: Chico hat nichts von seiner männlichen Faszination eingebüßt. Wenn sie sich nicht vorsieht, könnte der Preis für seine Hilfe unermesslich hoch sein: ihr Herz …

NUR EIN FERNER LIEBESTRAUM?

Als Playboy Tiago Santos sie aus einer brisanten Notlage rettet, klopft Dannys Herz nicht nur vor Erleichterung bis zum Hals - auch die Nähe des aufregenden Brasilianers beschleunigt ihren Puls! Nie hätte sie gedacht, dass Tiago sich so für sie einsetzt. Doch der smarte Polospieler überrascht sie noch mehr, denn er will Danny auf seine Hazienda entführen - als seine Frau! Es klingt wie ein Märchen, erst recht, da er sie genauso küsst, wie er mit ihr zu heißen Samba-Rhythmen tanzt … bis Tiago ihren sinnlichen Liebestraum auf eine harte Probe stellt …

LEIDENSCHAFTLICHES LIEBESMÄRCHEN IN BRASILIEN

Wie im Märchen fühlt Zimmermädchen Emma sich, als der brasilianische Multimillionär Lucas Marcelos sie in seine Arme zieht und heiß verführt. Aber der Traum währt nur eine Nacht … Während sie am nächsten Morgen auf ein Happy End hofft, macht Luc ihr ein unmoralisches Angebot: Sex ja, aber keine Gefühle! Gedemütigt und mit gebrochenem Herzen verlässt Emma ihn. Doch weder hat sie mit den Folgen ihrer Liebesnacht gerechnet, noch dass sie den skrupellosen Verführer so bald wiedersieht - und es gegen ihren Willen sofort wieder unwiderstehlich sinnlich zwischen ihnen knistert …

NUR EINE FEURIGE SOMMERLIEBE?

Karina Marcelos ist die begehrteste Eventplanerin in Rio, ihr Motto: je mehr Arbeit, desto besser! Nur so kann sie ihre tragische Affäre mit dem verboten attraktiven Polospieler Dante Baracca vergessen. Kein Wunder, dass sie um ihre Fassung ringt, als ausgerechnet er sie für die Organisation des legendären Champion Cups engagiert. Doch mittlerweile weiß Karina, wie man einem treulosen Don Juan die Stirn bietet. Denn ihm die Wahrheit darüber erzählen, was jene leidenschaftliche Nacht für Folgen hatte? Niemals! Bis Dantes feuriger Blick ihr Herz erneut in Flammen setzt.

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Susan Stephens

Hot Brazilian Nights - sexy Gauchos in der Hitze Brasiliens - 4-teilige Serie

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Susan Stephens Originaltitel: „In the Brazilian’s Debt“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2223 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Alexa Christ

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733706609

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert.

Lizzie kamen die Worte ihres Vaters in den Sinn, als das Frachtflugzeug den Sinkflug begann und sie ihrem Ziel immer näher brachte. Seine übliche, gespielte Zuversicht gründete sich auf nichts Handfesteres als Vorahnungen und einer Flasche Scotch Whisky, dennoch hatte er ihr eingeschärft, dass Entschlossenheit eine bewundernswerte Eigenschaft sei. Und seine Lizzie war sehr entschlossen. Sie würde den Familienstolz wiederherstellen, an der Stelle, an der er versagt hatte.

Schon seit Jahren plante Lizzie, diese Fortgeschrittenen-Ausbildung als Pferdepflegerin in Brasilien zu absolvieren. Sie hoffte nur, dass sie sich nicht zu viel davon versprach. Ja, sie war entschlossen, das Familienunternehmen wieder auf Vordermann zu bringen, aber der stundenlange Flug über unbewohnte brasilianische Einöde hatte sie verunsichert. Sie kam sich so weit weg von zu Hause vor, und es beruhigte sie auch nicht gerade, dass sie gleich nach so vielen Jahren Chico Fernandez wieder begegnen würde.

„Wie kommt es, dass du gar nicht nervös bist?“, fragte ihre Freundin Danny Cameron, die genauso wie Lizzie Pferdepflegerin war. Als der Flieger mehrere Sekunden lang wie ein Stein vom Himmel zu fallen schien, packte sie ängstlich Lizzies Hand.

Konnte man es ihr wirklich nicht ansehen? Es war nicht so, dass ihr das Reisen im Blut lag, und vermutlich ging es ihr genauso wie Danny. Als der Boden immer näher kam, hatte sie ein ganz flaues Gefühl im Magen.

„Es wird schon alles gut gehen“, tröstete sie Danny und hoffte auf das Beste.

Ob sie es schaffen würden?

Oder genauer: Würde sie, Lizzie, es schaffen? Natürlich: Die Landebahn war zwar kurz und der Flieger voller Pferde, Pfleger und Equipment, das für die renommierte Ausbildungsranch des berühmten Polospielers Chico Fernandez bestimmt war. Doch sie würden die Landung schon heil überstehen. Aber würde sie es auch schaffen, ihr Herz und ihren Ruf zu schützen? Es kam ihr an diesem Tag völlig unwirklich vor, dass Chico ihr einmal so viel bedeutet hatte. Aber sie war ja auch gerade mal fünfzehn gewesen, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. In jenem wundervollen Sommer war er ihr engster Freund und Vertrauter gewesen. Bis ihre Eltern begannen, in einem Ton von ihm zu sprechen, als handle es sich um den Teufel persönlich.

Chico Fernandez galt der Fane-Familie, Lizzies Familie, als Inbegriff des Bösen. Und dennoch befand sie sich nun auf dem Weg zu ihm, um ihm, wie ihr Vater es wünschte, all sein Fachwissen über Pferde zu entlocken. Danach würde sie nach Hause zurückkehren und das Familienunternehmen – die Fane-Pferdezucht und – ausbildung – wieder aufbauen, die Chico Fernandez nach den Worten ihres Vaters zerstört hatte. Das College, das ihr ein Stipendium für das Training bei Chico gewährt hatte, zahlte viel Geld dafür, genau wie bei allen anderen Studenten. Vermutlich wollten auch die anderen Studenten alles aufsaugen, was der berühmte Polospieler ihnen beibringen konnte.

Doch wenn ihr Vater glaubte, dass dies eine wunderbare Gelegenheit für Lizzie wäre, an dem Mann Rache zu üben, den er für seinen Feind hielt, dann täuschte er sich nicht nur gewaltig. Es war geradezu lächerlich. Trotzdem hatte sie geduldig zugehört, wie sie es immer tat, wenn ihr Vater sich in seinen Wahn steigerte und ihr versicherte, dass es ausgleichende Gerechtigkeit sei, weil Chico ihm alles genommen habe: seinen guten Namen, seine berufliche Existenz, seinen Reichtum und Erfolg und seine Pferde. „Chico hat mich bestohlen. Er hat mir alles geklaut – alles, Lizzie, sogar deine Mutter! Vergiss das nie.“

Wie hätte sie das vergessen können, wo er sie doch ständig daran erinnerte, dass er dank Chico zu einem alkoholkranken Versager geworden sei, während ihre Mutter sie verlassen hatte, um in Südfrankreich mit einem ihrer wesentlich jüngeren Liebhaber zu leben?

Aber war ihre Mutter zuvor wirklich von Chico verführt worden? Die Gerüchte, die ihre Eltern in Umlauf gebracht hatten, waren sogar noch schlimmer. Sie besagten, dass Chico ihre Mutter gezwungen hatte, Sex mit ihm zu haben. Lizzie konnte das nicht mit dem Mann in Einklang bringen, den sie kannte, auch wenn ihre Mutter, die sie Serena nennen musste, alles dafür getan hatte, ihre Freundschaft zu Chico zu zerstören. Ständig impfte sie ihrer Tochter ein, dass er nur ein armer Junge aus den brasilianischen Slums sei, wohingegen sie Lady Elizabeth Fane war.

Lizzie war in Chico verliebt gewesen und scherte sich nicht um ihren Stand. Das tat sie bis heute noch nicht, aber sie war auch kein leichtgläubiger Teenager mehr und wusste längst um die Fehler ihrer Eltern. Egal was ihr Vater sagte, Lizzie bezweifelte, dass Chico am Ruin ihrer Familie schuld war. Wie ihre Großmutter, die sich um Lizzie gekümmert hatte, nachdem ihre Eltern das Interesse an ihr verloren hatten. Diese ging sogar so weit, dass sie Lizzie gegenüber behauptete, ihre Eltern bräuchten keine Hilfe, wenn es darum ging, die Familie zu ruinieren.

Was Lizzie jedoch am meisten verletzt hatte, war die Tatsache, dass Chico ihr damals versprochen hatte, sie von einem Zuhause zu befreien, das sie fürchtete. Hauptsächlich deshalb, weil ihre Eltern ständig Partys feierten, bei denen alle sich betranken und hinter verschlossener Tür Dinge taten, über die sich Lizzie lieber keine Gedanken machen wollte. Von ihren Vermutungen hatte sie Chico nichts erzählt, nur von ihrem Unbehagen und wie sehr sie das Leben bei ihren Eltern hasste. Chico hatte daraufhin mit jugendlichem Eifer versprochen, sie zu retten, nur um dann, ohne sich von ihr zu verabschieden, nach Brasilien zurückzukehren.

Als Lizzie jetzt aus dem Fenster des Frachtflugzeugs blickte, entschied sie, dass sie nur dann mit ihren gemischten Gefühlen klarkommen würde, wenn sie sich auf das einzig Wichtige konzentrierte: sein magisches Händchen für Pferde. Diese Gabe hatte ihn schon als Teenager zu ihrem Helden gemacht, und wenn sie alles lernte, was Chico ihr in seinem weltbekannten Gestüt beibringen konnte, dann wäre das möglicherweise tatsächlich der Schlüssel, um das Familien-Unternehmen wieder aufzubauen.

Ihre Gedanken wurden durchbrochen, als Danny bei der Landung einen erschreckten Schrei ausstieß.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Lizzie warf einen Blick aus dem Fenster und spürte, wie ihr Selbstvertrauen einen weiteren Dämpfer erhielt. Alles sah so viel größer und wilder aus, als sie es sich vorgestellt hatte – und gefährlicher.

So wie Chico?

Draußen brannte die Sonne. Laut Wettervorhersage musste außerhalb des Flugzeugs eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit herrschen. Nach dem langen Eingesperrtsein waren die Pferde bestimmt voller Unruhe. Sie würden eine feste und doch einfühlsame Hand von ihren Pflegern brauchen. Genau darin war Lizzie besonders gut.

Sie blieb bei dem widerspenstigsten Pferd, bis sich die Frachtklappe des Fliegers öffnete, Sonnenlicht hereinströmte und die Rampe abgesenkt wurde – und sie eine tiefe, männliche Stimme hörte, die ihr so vertraut war, dass sie auf der Stelle erstarrte.

„Quem é que na parte de trás congeladas em pedra? Tremos trabalho a fazer!“

Seine Stimme hatte an Autorität gewonnen. Chico schien daran gewöhnt zu sein, dass man ihm sofort gehorchte. Kein Wunder, immerhin war er sehr erfolgreich. Für Lizzie war es eine nostalgische Erinnerung an die Vergangenheit.

„Lizzie!“

Danny schüttelte sie am Arm. Erst jetzt merkte Lizzie, dass sie immer noch stocksteif dastand. „Was hat er gesagt?“

Da Danny besser Portugiesisch sprach als sie, übersetzte sie rasch: „Er hat gesagt: Wer ist das, der da hinten im Flugzeug wie zur Salzsäule erstarrt ist? Wir haben eine Menge Arbeit vor uns! – Lizzie“, murmelte sie eindringlich, „er meint dich!“

„Oh …“ Lizzie errötete und blickte sich rasch um, doch von Chico war nichts mehr zu sehen.

Er war noch nie der Typ gewesen, der lange irgendwo rumhing, dachte sie, als sie gerade noch einen Blick auf eine große männliche Gestalt ganz in Schwarz erhaschte, die in einen Jeep kletterte. Er war so viel größer als in ihrer Erinnerung, und seine Körpersprache hatte sich verändert. Er wirkte jetzt so selbstsicher und dominant …

Nun, natürlich hatte er sich verändert. Immerhin hatte sie Chico zwölf lange Jahre nicht gesehen. Der eine kurze Blick, der ihr auf ihn vergönnt gewesen war, reichte jedenfalls aus, um ihr Herz höher schlagen zu lassen.

Lizzie starrte in die braunen Augen des Pferdes, das sie betreute, und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass es eher neugierig die Ohren aufstellte als Angst zu zeigen. Wenn es ihr doch nur genauso ginge …

„Komm schon, mein Schöner“, murmelte sie. „Es ist an der Zeit, dass wir zwei brasilianische Luft schnappen.“

Er war zufrieden. Zurück auf seiner Fazenda in Brasilien, dem Herzstück seines weltweiten Pferdeimperiums. Hier herrschten Kontrolle und Ordnung. Seine Kontrolle. Seine Ordnung. Pferde liebten die Sicherheit, und er liebte Pferde, deshalb stand außer Frage, dass seine Ranch reibungslos laufen musste.

„Neue Rekruten, Maria“, sagte er knapp.

Als er sein makelloses Büro durchquerte, reichte ihm die ältere Sekretärin eine Liste mit den neuen Studenten.

Er warf Maria einen warmen Blick zu. Sie war die einzige Frau in der Welt, der er vertraute. Maria war von Anfang an bei ihm gewesen. Sie beteten einander an. Es handelte sich eher um eine Mutter-Sohn-Beziehung als um ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis. Maria war seine Nachbarin im barrio gewesen, dem brutalen Slum, aus dem sie beide stammten und wo durchschnittlich alle zwanzig Minuten jemand ermordet wurde. Marias Sohn Felipe und Chicos Bruder Augusto waren in derselben Gang gewesen und vor Chicos Augen kaltblütig erschossen worden. Chico war damals erst zehn gewesen. Sein Vater saß im Knast, und seine Mutter ging auf den Strich. Damals schwor er sich, dass er sich um Maria kümmern würde, genauso wie er sich schwor, dass er für Gerechtigkeit und Bildung im barrio sorgen würde. Beides hatte er getan.

„Also“, sagte er mit einem Blick auf die Liste, „wen haben wir denn da?“ Bei einem Namen stockte er. Gott sei Dank bemerkte Maria nichts davon. Den Fane-Namen zu lesen und die ihm nur allzu bekannte Adresse verdarb ihm den Tag. Er hatte geglaubt, mit dieser Familie fertig zu sein.

„Dieses Jahr hatten wir mehr Bewerber als jemals zuvor, Chico.“

Er wollte Maria nicht beunruhigen. Sie war so stolz auf ihn. Behandelte ihn wie den Sohn, den sie verloren hatte, und er vergalt es ihr damit, dass er sie liebte und auf jede erdenkliche Weise schützte. Deshalb würde er sie jetzt ganz bestimmt nicht aufregen. Als sie zu jedem einzelnen Studenten einen kleinen Vortrag hielt, nickte er nur kurz.

„Und der hier ist aus dem barrio, Chico …“

„Gut“, murmelte er, während er immer noch mit sich haderte, was er mit einer bestimmten Studentin auf der Liste tun sollte. Was aber das barrio anging, so war das ein fortdauerndes Projekt, das ihm sehr am Herzen lag. Er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, jungen Leuten aus ärmlichen Verhältnissen zu helfen.

„Und dieses Jahr beehrt uns sogar ein Mitglied der britischen Aristokratie …“

Das wusste er bereits. Was ihn weit weniger beeindruckte als Maria.

„Kein Wunder“, schwärmte Maria und wedelte mit einem offiziell aussehenden Dokument. „Die Fazenda Fernandez ist dieses Jahr für eine weitere Auszeichnung nominiert worden. Sogar in Schottland, wo diese junge Lady herkommt, sind wir berühmt.“

„Wirklich? Das ist gut, Maria.“

Er stellte sich bewusst neben seine kleine Sekretärin, um über ihre Schulter hinweg den Brief zu lesen und Interesse zu bekunden. Das Schreiben bestätigte, dass Lizzie Fane ein Mitglied der diesjährigen Studentengruppe war. Lächelnd erinnerte er sich, wie Lizzie ihn erst wegen seines gebrochenen Englischs aufgezogen und ihm dann geduldig Sprachunterricht gegeben hatte. Ihr bester Schüler sei er, hatte sie versichert.

Ihr einziger Schüler, dachte er jetzt, und bei dem Gedanken an ihre Eltern stellten sich seine Nackenhaare auf. Den Fanes gefiel es nicht, dass Lizzie Freunde hatte – vermutlich weil sie Angst hatten, dass sie über das reden könnten, was sie in Rottingdean House sahen. Dummerweise konnten die Fanes ihn nicht loswerden, weil er mit Eduardo da war, aber sie richteten die schlimmsten Anschuldigungen gegen ihn in der Hoffnung, dass Eduardo ihn freikaufen würde.

Obwohl er damals furchtbar wütend auf Eduardo und Lizzies Großmutter gewesen war, die ihn fortgebracht hatten, ehe er seinen Namen reinwaschen konnte, war ihm heute klar, dass sie ihn vor einer Auseinandersetzung bewahrt hatten, die er niemals hätte gewinnen können. Das Einzige, was er nicht verstand, war, warum Lizzie ihn damals nicht verteidigt hatte. Er dachte, sie wären Freunde gewesen, aber schlussendlich war Blut dicker als Wasser, und sie hatte sich eben für ihre verlogene, betrügerische Familie entschieden.

Und jetzt war Lizzie hier auf seiner Ranch und hoffte, von seiner Ausbildung zu profitieren? Das war so unfassbar, dass es ihn beinahe amüsiert hätte. Dummerweise war ihm nicht nach Lachen zumute.

„Meinen Erfolg verdanke ich dir, Maria, und den wundervollen Mitarbeitern, die du ausgesucht hast“, sagte er und fasste den Entschluss, nach vorne zu blicken und nicht zurück.

Maria schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Und dir selbst, Chico“, beharrte sie stolz. „Ohne dich würde niemand von uns an diesem weltbekannten Ort arbeiten. Bis hierhin sind wir einen langen Weg gegangen, Chico.“

Ihr Blick sagte einiges: Er hätte auch leicht einen ganz anderen Weg wählen können. Die Wendung zum Guten hatte an dem Tag begonnen, an dem er zufällig in Eduardos Rekrutierungsaktion geraten war. Noch so ein Gutmensch, dachte er damals zornig. Er hielt Eduardo für eines dieser reichen Schweine, die nur in die Slums kamen, um ein paar Almosen zu verteilen und damit ihr Gewissen zu beruhigen. Bastardo! Chico war zehn Jahre alt und voller Wut. Er befand sich auf dem Weg zu den Drogendealern, die seinen Bruder und Marias Sohn getötet hatten. Ein geladener Revolver steckte in seinem Gürtel und Mordgedanken in seinem Kopf. Eduardo musste das in seinen Augen erkannt haben, weshalb er ihn zu sich rief. Chico weigerte sich, doch Eduardo ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er war groß, hart und stark, und auch wenn Chico ihn noch so hasserfüllt anstarrte, Eduardo packte ihn und hielt ihn fest. Schnell landete der Revolver in seiner Tasche. An diesem Tag wurde kein Mord begangen.

„Maria, ich verdanke alles dir und Eduardo“, erklärte er jetzt. „Alles, was ich habe, besitze ich, weil ihr beiden an mich geglaubt habt.“

„Und wir haben uns nicht getäuscht, oder?“ Maria stemmte die Hände in die Hüften. „Trotz aller Widrigkeiten hat es der arme Junge aus dem barrio bis hierher geschafft.“ Bei ihr klang es so, als würden sie in einem Palast leben und nicht auf einer Ranch. Sie lächelte breit.

Auch sein Gesichtsausdruck wurde weicher. Jeden Tag war er dankbar für sein Leben. Es wäre nicht möglich gewesen, wenn Eduardo ihn nicht wie einen Sohn behandelt und an ihn geglaubt hätte, egal wie schwer es Chico ihm am Anfang auch gemacht hatte. Und Chico hatte sich alle Mühe gegeben, ihn in den Wahnsinn zu treiben, obwohl er seinen Mentor schnell vergötterte. Auch jetzt fiel es ihm noch manchmal schwer zu glauben, dass er für einen derart berühmten Polospieler hatte arbeiten dürfen. Der ihn aus dem barrio holte und ihm zeigte, dass es im Leben noch so viel mehr gab als Drogen und Waffen und Gewalt, und als Eduardo starb, hinterließ er seinen gesamten Besitz Chico, weil er wusste, dass sein Schützling da weitermachen würde, wo er selbst aufgehört hatte.

Chico hatte Eduardos Geld benutzt, um sich eine kleine Ranch im Buschland zu kaufen, die er durch jahrelange harte Arbeit in das renommierteste Polo-Zentrum des Landes verwandelte. All das gelang ihm, weil er unnachgiebig war, und weil er – wie Eduardo festgestellt hatte – ein besonderes Händchen für Pferde besaß.

„Chico …?“, murmelte Maria vorsichtig, weil sie sah, dass er tief in Gedanken versunken war.

„Maria?“ Er lächelte sie warm an.

„Möchtest du, dass ich die diesjährigen Stipendiaten mit dir durchgehe?“

„Nein, danke, Maria, ich nehme die Liste mit und schaue mir deinen Bericht später an.“

Er wollte nicht, dass irgendjemand dabei war, wenn er das tat, und schon gar nicht die leicht zu beeindruckende Maria. Als er jenen einen Namen gelesen hatte, da hatte er das Gefühl gehabt, jemand drücke ihm die Kehle zu. Er brauchte einen Moment, um das Gefühl zu beherrschen, dass irgendjemand für diesen Lapsus bezahlen musste.

Ja, er selbst sollte dafür bezahlen. Er selbst hätte überprüfen sollen, welche Studenten sie dieses Jahr aufnahmen, ehe er auf Polo-Tour gegangen war. Dann wäre das nämlich nie passiert.

Sein Magen zog sich zusammen, wenn er an den Tag zurück dachte, an dem Serena Fane ihn der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Es war eine absurde Lüge, aber wer würde ihm glauben, dem armen Jungen aus den brasilianischen Slums? Gegen die britische Aristokratie hatte er keine Chance. Unzählige Male hatte er nach jenem ersten Brief an Lizzie geschrieben und sie um eine Erklärung gebeten. Er war sich so sicher gewesen, dass sie antworten würde. Schließlich hatten sie sich so nahegestanden. Sie war die einzige Freundin, die er je gehabt hatte, und er vertraute ihr bedingungslos. Und ja, sie war wunderschön, doch so weit außerhalb seiner Reichweite, dass er es erst wagte, mit ihr zu reden, nachdem sie ein Interesse bekundet hatte, sich mit ihm anzufreunden.

Vergewaltigung war ein Wort, das er mit den Mördern assoziierte, die seinen Bruder umgebracht hatten, und sein Schock, als Lizzie seine Briefe ignorierte, war unbeschreiblich. Er konnte es sich nur so erklären, dass sie beschlossen hatte, sich auf deren Seite zu schlagen – auf die Seite ihrer niederträchtigen Mutter und ihres versoffenen Vaters, die er von Anfang an im Verdacht gehabt hatte, es auf „Schweigegeld“ von Eduardo abgesehen zu haben. Er wusste nicht, ob Geld geflossen war, aber als Chico sich einen Namen in der Polowelt machte, tauchte Serena wieder auf. Sie drohte ihm, den Skandal neu aufzurollen, wenn er sie nicht „günstig ausstattete“.

Er warf sie hinaus und brachte sie nur deshalb nicht wegen Erpressung vor Gericht, weil Lizzies Großmutter so gut zu ihm gewesen war und er der alten Dame nicht zusätzlichen Kummer bereiten wollte. Sie war die einzige Person – abgesehen von Eduardo – gewesen, die ihm geholfen hatte, davonzukommen, als Lord Fane seine ungeheuerlichen Anschuldigungen im Namen seiner Frau vorbrachte. Chico beglich seine Schulden immer, er vergaß nichts, doch wenn Lizzie damals den Mut gehabt hätte, für ihn einzutreten, wäre nichts davon passiert. Also gut, sie war damals erst fünfzehn gewesen, aber heute wusste er, dass ihre Freundschaft ihr nichts bedeutet hatte.

Weil er es in seinem Büro plötzlich unerträglich heiß fand, ging er hinaus, um seine Ranch zu inspizieren. Das tat er jedes Jahr, wenn er von einer Polo-Tour zurückkehrte. Es dauerte eine ganze Weile, weil ihm mehrere zehntausend Morgen Land gehörten – einige Wochen brauchte er, um überall nach dem Rechten zu schauen. Außerdem galt es, einige Vorbereitungen zu treffen, ehe er aufbrach. Solange seine Studenten sich noch einrichteten, konnte er es sich leisten, noch einmal fort zu sein. Es gab andere Tutoren, die sich bis dahin um sie kümmern und das Training beginnen konnten. Wenn er dann zurückkehrte, würde er Lady Elizabeth Fane unter die Lupe nehmen und herausfinden, was zur Hölle sie hier machte. Er vermutete, dass die Zeitspanne von der Befragung bis zum Nachhauseschicken bei Weitem nicht so lange dauern würde wie die Inspektion seiner Ranch.

2. KAPITEL

„Ein kalter Wickel war genau das, was du gebraucht hast, nicht wahr?“ Lizzie trat einen Schritt zurück und warf einen nachdenklichen Blick auf ihren Patienten. Erleichtert sah sie, dass es dem Pony schon wieder so gut ging, dass es die Nase ins Heu streckte. „Die Schwellung wird bald abklingen, und dann wirst du wieder so streitsüchtig wie eh und je sein und mich jedes Mal in den Arm zwicken, wenn ich mit dir rede.“

„Bekommst du von den Pferden eigentlich eine Antwort?“, fragte Danny und warf ihre Arme ins Heu. „Und könnte ich bitte auch einen kalten Wickel haben? Um meinen ganzen Körper, wenn es geht? Mir ist furchtbar heiß.“

Es war ein langer, harter Arbeitstag für die beiden jungen Frauen gewesen, die die Pferde von den entfernt liegenden Koppeln zurückgebracht hatten. Dennoch würde Lizzie erst Schluss machen, wenn sie ihre Aufgabe beendet hatte. Wenn es um Pferde ging, kannte sie keinen Feierabend.

„Ja, es ist heiß“, stimmte sie zu und warf ihrer Freundin eine Rolle Minzbonbons zu. „Hier.“

„Meinst du, dass wir unseren Ausbilder jemals kennenlernen werden?“, fragte Danny und steckte sich gleich mehrere Bonbons in den Mund. „Ich fange allmählich an zu bezweifeln, dass es ihn überhaupt gibt.“

„Wir wissen doch, dass er existiert“, wandte Lizzie sachlich ein, wobei sie sich insgeheim wünschte, Danny hätte das Gespräch nicht auf Chico Fernandez gebracht. „Er ist das Flugzeug geflogen, mit dem wir hergekommen sind.“

„Und wo ist er dann jetzt?“, konterte Danny.

„Ich weiß es nicht. Ich habe keine Eile, ihm zu begegnen. Du etwa?“

„Lügnerin“, schalt Danny. „Du bist ganz rot geworden, und deine Augen sind geweitet. Ich werde jetzt keine weiteren anatomischen Details benennen, aber tu bitte nicht so, als wärst du nicht völlig aufgeregt, Chico wiederzusehen.“

„Da täuschst du dich. Ich gebe Chico die Schuld daran, dass ich so pferdeverrückt bin, das ist alles.“ Was auch wieder eine Lüge war, aber das musste Danny nicht wissen.

Saug alles auf, was du aus ihm rauskriegen kannst, Lizzie, und dann bring sein Wissen nach Schottland, damit wir ihm ordentlich Konkurrenz machen und ihn zerstören können.

Sie hasste Chico nicht so sehr, wie ihr Vater hoffte. Genau genommen, hasste sie ihn überhaupt nicht, aber sie war enttäuscht von ihm. Sie hätte es ihm nicht mal zum Vorwurf machen können, wenn er mit ihrer Mutter geflirtet hätte, auch wenn sie vermutete, dass die Initiative von Serena ausgegangen war. Ob Chico sich ihrer Mutter aufgedrängt hatte? Nein. Sie vergewaltigt hatte? Nie und nimmer. Aber Serena war immer noch eine sehr attraktive Frau und Chico ein Freigeist. Zumindest hätte er Lizzie gegenüber ehrlich sein können und ihr nicht versprechen dürfen, sie aus Rottingdean House zu retten, nur um dann wortlos zu verschwinden.

„Was denkst du gerade?“, fragte Danny, die sich genüsslich im Heu ausstreckte.

Das werde ich dir nicht verraten, dachte Lizzie. Diese Sache konnte sie ihrer Freundin nicht anvertrauen. „Hängst du bitte das Zaumzeug für mich auf? Danach können wir reden. Es ist brütend heiß hier drin. Ich schwitze am ganzen Leib.“ Sie fächelte sich Luft zu und begann, Reithose und Bluse auszuziehen. Dann griff sie nach ihrer Jeans. „Die Hitze macht einem ganz schön zu schaffen, wenn man so hart gearbeitet hat wie wir.“

„Das ist nicht das Einzige hier, was heiß ist“, bemerkte Danny mit verschmitztem Grinsen.

„Du meinst die Männer?“ Lizzie gab sich betont gleichgültig. Mit einem Arm wischte sie sich den Schweiß von der Stirn, dann band sie ihr leuchtend kupferrotes Haar zu einem Knoten zusammen.

Danny kniff die Augen zu. „Tu nicht so, als hättest du sie nicht bemerkt. Die Gauchos sind verdammt sexy und die Polospieler die pure Sünde.“

„Wirklich?“ Lizzie presste die Lippen zusammen. „Ich kann nicht behaupten, dass mir das aufgefallen wäre.“

„Pah, wer’s glaubt!“, schnaubte Danny verächtlich.

Es gab nur einen Mann, der Lizzie interessierte, doch ihre Wege hatten sich noch nicht gekreuzt. Sie vermutete, dass Chico sich derzeit um all das kümmerte, was in seiner Abwesenheit liegen geblieben war. Wahrscheinlich würde er sie nicht mal erkennen, wenn sie sich begegneten. Immerhin war sie keine fünfzehn mehr. Vor allem war sie kein leicht zu beeindruckendes Mädchen mehr, das für einen Mann schwärmte, der wie ein Barbar aussah. Nein, schwor sich Lizzie und griff nach ihrem Top, sie würde Chico nicht noch einmal verfallen.

Als Chico einen unerwarteten Blick auf nackte Haut erhaschte, erstarrte er für einen Moment. Die junge Frau mühte sich ab, das Top über ihre vollen Brüste zu streifen und fluchte dabei leise. Er hatte nach dem Pony schauen wollen, das während seiner Abwesenheit bei einem Polomatch einen üblen Tritt abbekommen hatte. Zunächst hatte er zwei Pferdepflegerinnen reden hören, doch die eine war aus dem Hinterausgang geschlüpft und in die Sattelkammer gegangen, in der sie das ganze Zaumzeug aufbewahrten. Wenn sich Pferdepfleger um die Uhrzeit noch im Stall aufhielten, dann entweder weil sie nichts Gutes im Schilde führten oder weil sie tatsächlich noch so lang arbeiteten. Das konnte nur eines bedeuten: Entweder waren sie so schlecht, dass er sie schleunigst loswerden sollte, oder sie gehörten zu den Besten der Besten. Chico brannte darauf, herauszufinden, mit welcher Kategorie er es hier zu tun hatte. Also griff er nach einer Heugabel und schlenderte die Stallboxen entlang.

Als er die Fülle an rotgoldenen Locken sah, die ihm die Identität der Pferdepflegerin verrieten, spürte er einen Stich in der Magengegend. Er hätte sie überall erkannt, selbst nach all den Jahren. Der halbnackte Körper gehörte Lizzie Fane. Na, großartig!

„Sofort raus hier“, befahl er mürrisch.

„Wie bitte?“, versetzte sie und klang dabei kein bisschen eingeschüchtert. „Wer ist da?“

Es war ein Schock, dass die erwachsene Lizzie genauso wie ihre Mutter klang. Das war gar nicht gut.

„Ich sagte“, wiederholte er mit drohendem Unterton, „sofort raus hier!“

„Ich muss doch sehr bitten“, entgegnete sie honigsüß. „Ihr Tonfall verängstigt das Pferd.“

Sie hatte vielleicht Nerven! Niemand sorgte sich mehr um die Pferde als Chico.

Hatte er wirklich geglaubt, er wüsste, wie es sich anfühlen würde, einem Mitglied der Fane-Familie auf seiner Fazenda zu begegnen? Himmel, er hatte nicht mal den Hauch einer Ahnung! Dass ihn schlagartig die Vergangenheit einholte, machte ihn unglaublich wütend.

„Ich bin gleich fertig“, murmelte sie.

Sollte er etwa darauf warten?

„Da sind noch ein paar Sachen, die ich aufheben und verstauen muss“, erklärte sie weiter – immer noch mit derselben sanften Stimme und größtenteils durch die Stallwand verdeckt.

„Die Uhr tickt“, warnte er sie.

Chico lehnte sich gegen die Wand und dachte zurück an seine Jugend, als er ein leichtes Opfer gewesen war für zwei Betrüger, die es auf das Geld seines Mentors Eduardo Delgado abgesehen hatten. Zum Glück hatte Lizzies Großmutter damals herausgefunden, was ihr Sohn und ihre Schwiegertochter da ausheckten. Es war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Die alte Dame enterbte ihren Sohn und verbannte ihn und seine Frau aus Rottingdean House. Zu diesem Zeitpunkt hatten Lord und Lady Fane allerdings bereits das ganze Geld der alten Lady gestohlen. Wie man die eigene Mutter beklauen konnte, war Chico ein Rätsel.

Plötzlich riss ihm der Geduldsfaden. „Worauf wartest du noch?“, schnauzte er zornig, schaltete das Deckenlicht ein, hob die Heugabel und betrat den Stall.

Der Mann, den sie einst ihren Freund genannt hatte, stand direkt hinter ihr. Der Betrüger. Der Lügner. Der Junge, der ihr gesagt hatte, dass er sich vorstellen könne, wie es sein müsse, mit Eltern zu leben, die das eigene Kind völlig ignorierten. Der ihr versprochen hatte, sie fortzubringen. Dieses Versprechen hatte er gebrochen, und sie sah sich nicht in der Lage, ihm das zu verzeihen. Zwar reagierte ihr Körper, noch bevor sie sich zu ihm umgedreht hatte, aber sie empfand Zorn und Enttäuschung für den Mann, den sie vor langer Zeit für ihren Freund gehalten hatte.

Wenn sie die Ausbildung erfolgreich absolvieren wollte, würde sie diese Gefühle in den Griff kriegen müssen, sagte sich Lizzie streng. Mit einer leise gemurmelten Entschuldigung richtete sie sich auf und drehte sich um.

Im ersten Moment stockte ihr der Atem. Das war nicht der absurd gut aussehende Junge mit dem leichten Lächeln und gefälligen Wesen, sondern ein harter Mann, den das Leben misstrauisch gemacht hatte. Ein Mann voller Entschlossenheit – der Sorte Entschlossenheit, die Chico Fernandez an die Spitze gebracht hatte. All das hinderte ihren Körper nicht daran, vor Erregung zu brennen. Ihre Reaktion war elementar. Noch nie hatte eine verbotene Frucht so verführerisch ausgesehen.

Umso mehr Grund, sich ganz auf ihren Job zu konzentrieren, dachte Lizzie. Wie dumm wäre es, wie ein liebeskranker Teenager für einen Mann zu schwärmen, der ihr mehrfach bewiesen hatte, dass er nichts für sie empfand.

Lizzie bückte sich mit dem Rücken zu ihm und verstaute ein paar Salbentöpfe und Bandagen in eine Kiste. Sein Blick wanderte über sie. Lizzie Fane war erwachsen geworden. Lange Beine, schlanke Gestalt, sanft gerundete Hüften und immer noch das kupfergoldene Haar, das länger war, als er sich erinnern konnte. Sie hatte es lose zu einem Knoten aufgesteckt, wobei sich etliche Strähnen gelockert und um ihre Wangen gelegt hatten. Rigoros schirmte er sich gegen ihre weiblichen Reize ab, biss die Zähne zusammen und ließ die Sekunden verstreichen. Zumindest als ihren Boss könnte sie ihn anerkennen.

„Tut mir leid“, sagte sie, wobei sie kein bisschen reuevoll klang und noch weniger so aussah. „Ich musste das noch fertigmachen.“

Hitze durchfuhr ihn. Es war überraschend, dass das Band zwischen ihnen immer noch so stark war, selbst nach all dieser Zeit.

„Es ist schön, dich wiederzusehen“, erklärte sie in nüchternem Tonfall.

Darauf antwortete er mit einem festen Blick. Das Band ist vielleicht noch da, aber mittlerweile sind wir Fremde, dachte er.

Als er am wenigsten damit rechnete, entspannte sie sich und lächelte. „Ich bin wirklich froh, hier zu sein.“

Das verwirrte ihn. Was sollte er glauben? Dass Lizzie einen Groll hegte? Oder dass sie die eifrige Schülerin war, die ihn beeindrucken wollte? Es war ihr schon immer gut gelungen, ihre Gefühle zu verbergen. Sie hatte es lernen müssen, um zu überleben. Doch in diesem Moment gab es nur eine Gewissheit: Der Blick aus ihren smaragdgrünen Augen traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube.

Was war nur los mit ihm? Er schüttelte ihre Hand und wollte sie nicht mehr loslassen? Als er ihre schmalen, schlanken Finger spürte, hätte er sie am liebsten gefragt: Was ist mit dir passiert? Mit uns? Und was noch schlimmer war: Er musste den verrückten Impuls bekämpfen, sie an sich zu ziehen und stürmisch zu küssen.

„Es ist lange her, Lizzie“, sagte er schließlich mit bewundernswerter Zurückhaltung.

„Ja, das stimmt“, entgegnete sie kühl. „Es tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen, aber ich musste sichergehen, dass ich nichts vergessen habe und Flame für die Nacht gut versorgt ist.“

Er begutachtete die Arbeit, die sie an dem Pferd geleistet hatte. Sie hatte ihre Aufgabe gut gemeistert, dennoch entsprach die Bandage nicht ganz seinen Ansprüchen.

„Nun, wenn das alles ist?“, fragte sie höflich.

Geduldig wartete sie darauf, dass er ihr Platz machen würde, doch in ihrem Blick las er etwas Verletzliches. Die Vergangenheit hatte sie beide gebrandmarkt, aber warum hatte sie sich entschieden, eher den Lügen ihrer Eltern zu glauben als ihm? Während sie sich anstarrten, wurde ihm endlich eines klar: Egal wie sehr ein Kind von seinen Eltern misshandelt oder missbraucht wurde, es gab niemals die Hoffnung auf, doch noch ihre Liebe zu gewinnen. Selbst wenn diese Eltern nicht fähig waren zu lieben.

„Du hast dir wirklich eine wundervolle Ranch geschaffen, Chico. Ich bin unheimlich froh, dass ich die Gelegenheit habe, hier zu lernen.“

Sie war ihm nah genug, dass er sie hätte berühren können, küssen, trösten …

„Und wir freuen uns, dass du hier bist“, entgegnete er ähnlich höflich. „Dein College hat dir ein exzellentes Zeugnis ausgestellt.“

Sein Lob weckte ein Lächeln bei ihr, dennoch war die Anspannung förmlich greifbar. Er fragte sich, ob sie jemals wieder ungezwungen miteinander umgehen können würden.

„Vielen Dank“, murmelte sie und stützte die Kiste auf ihrer Hüfte ab. „Ich weiß die Chance, die du mir gibst, wirklich zu schätzen.“

„Das verdankst du meinem Auswahl-Team. Alles, was ich hier tue, geschieht zu Ehren meines Mentors Eduardo. Du erinnerst dich doch an ihn, oder?“

„Ja, natürlich.“ Für einen kurzen Moment ließ sie die Maske fallen. „Ich war sehr betrübt, als ich von seinem Tod erfahren habe. Ehe ich hierherkam, habe ich eine ganze Menge über ihn gelesen.“

„Oh?“

„Als ihr damals nach Rottingdean kamt, wusste ich nur, dass er ein berühmter brasilianischer Polospieler ist. Mir war nicht klar, dass Eduardo sich der Aufgabe verschrieben hatte, Kindern aus ärmlichen Verhältnissen zu helfen.“

„Kindern wie mir?“

„Ja.“ Sie hielt seinem Blick stand. „Ich sage das nicht, um dich zu beleidigen, Chico.“

„Ich weiß deine Offenheit zu schätzen, Lizzie.“

Sie schaute ihn nachdenklich an und hätte beinahe wieder gelächelt. „Ich schätze, Eduardo hatte großes Glück mit dir.“

„Es gibt viele Kinder, die eine solche Chance verdient hätten“, versetzte er scharf.

Lizzie errötete. „Das weiß ich … ich wollte damit nicht … ich meinte nur …“

„Ich weiß, was du gemeint hast. Du fragst dich, wie ich mir all das leisten kann?“ Nicht indem er log und betrog wie Lizzies Eltern, das war mal sicher.

„Nein“, protestierte sie, worauf er zum ersten Mal das Gefühl hatte, die wahre Lizzie zu sehen und nicht die junge Frau, die versuchte, ihren Boss zu beeindrucken. „Mir erscheint das alles völlig logisch. Du verfügst über viel Talent – damit musstest du einfach Erfolg haben.“

„Und dir ist klar, dass ein solcher Erfolg wie der meine Geld mit sich bringt?“, hakte er nach. Er dachte dabei an ihre Mutter und fragte sich, ob Lizzie ähnlich berechnend und geldgierig war wie Serena.

„Dein finanzieller Erfolg ist allgemein bekannt“, verteidigte sie sich, wobei sie noch mehr errötete.

War sie hinter einem Stück des Kuchens her? „Harte Arbeit und Offenheit sind mein einziges Geheimnis.“

„Und ein Mentor wie Eduardo“, ergänzte sie. Jetzt kehrte der Stahl in ihre Augen zurück, den er auch schon zu Beginn darin gesehen hatte. „Ich bewundere das Erbe, das Eduardo Delgardo hinterlassen hat, und damit meine ich nicht nur sein Geld“, fuhr sie fort. „Er war mit seinen guten Taten vielen Menschen ein Vorbild – mir auch.“

Ihr unverwandter Blick überzeugte ihn davon, dass Lizzie Fane zumindest in diesem Punkt absolut ehrlich war.

„Ich sollte jetzt zum Abendessen gehen. Meine Freundin wartet sicher schon auf mich …“ Sie wollte an ihm vorbei.

Doch er war noch nicht bereit, sie gehen zu lassen und trat ihr in den Weg. „Hast du ihn bandagiert?“

„Ja?“ Die Sorge in ihrer Stimme war überdeutlich.

„Stell deine Sachen draußen vor der Box ab und komm wieder rein.“ Ihre Augen weiteten sich. „Zurück hierher“, wiederholte er.

Chico war bereits in die Hocke gegangen, um die Bandage zu kontrollieren, als sie in die Box zurückkehrte. Abgesehen davon, dass er ihr zeigen wollte, wie sie ihre Wickeltechnik verbessern konnte, gefiel ihm diese neue Lizzie. Gefiel ihm? Nein, er begehrte sie. In der Vergangenheit hatte er sie auf einen Sockel gestellt und wäre nie im Traum auf die Idee gekommen, sie zu berühren. Aber jetzt …

Konnte das nicht warten? Sie hatten doch morgen Unterricht. Was wollte Chico wirklich von ihr? Seine Ausstrahlung war so einschüchternd, dass sie in seiner Gegenwart kaum wusste, was sie sagen sollte. Plötzlich war ihr Mund staubtrocken und ihre Kehle heiser. Es hatte sie aus der Bahn geworfen, ihn nach so vielen Jahren wiederzusehen. Mein Gott, hatte sie wirklich geglaubt, darauf vorbereitet zu sein? Chicos physische Präsenz war überwältigend. Er hatte wahnsinnig breite Schultern, einen flachen Bauch und schmale Hüften – und wenn er so wie jetzt gerade in der Hocke den Lauf eines Pferds überprüfte, dann bot sich auch noch ein Ausblick auf den knackigsten Männer-Po, den man sich nur vorstellen konnte. Hinzu kam noch ein breiter Ledergürtel, der Lizzies Blick in Regionen lenkte, die sie wirklich gar nichts angingen.

Was war nur in sie gefahren? Sie war doch kein naives Mädchen mehr, das sich in den Ställen von Rottingdean romantischen Tagträumen hingab. Nein, sie war eine Frau mit einem Ziel, die ein Stipendium für das renommierteste brasilianische Pferdezentrum ergattert hatte und sich nicht leisten konnte, sich ablenken zu lassen. Wie musste sie nur auf Chico wirken? Verschwitzt und schmutzig … Urplötzlich hatte sie überhaupt kein Selbstvertrauen mehr – weder was sie selbst, ihre Arbeit oder ihre Zukunft anging. Das hier war nicht mehr der Junge, mit dem sie sich vor so vielen Jahren angefreundet hatte. Das hier war Chico Fernandez, anerkannter Pferde-Experte und ganz sicherlich auch ein Meister zwischen den Bettlaken, daran zweifelte sie nicht.

„Nicht schlecht“, bemerkte er jetzt und blickte von dem bandagierten Pferdebein auf.

„Wirklich?“ Das Letzte, was sie von ihm erwartet hätte, war Lob.

„Aber nicht gut genug für uns. Wir haben hier extrem hohe Standards. Deshalb bist du ja zur Ausbildung in die Fazenda Fernandez gekommen, nicht wahr, Lizzie?“

Er schaute sie ein wenig misstrauisch an. Für einen kurzen Moment hatte Lizzie keine Ahnung, warum sie hier war, nur dass es Wahnsinn war, hergekommen zu sein. Erinnerungen an die Vergangenheit verfolgten sie – Gesprächsfetzen, die sie damals, als Teenager, kaum verstanden hatte.

„Hörst du mir zu, Lizzie? Wenn du nicht aufpasst, dann lernst du nichts.“

Schnell riss sie sich zusammen. „Es tut mir leid.“

„Wenn du die Absicht hast, hierzubleiben und die Ausbildung zu beenden …“

„Ich werde die Ausbildung beenden.“

Chicos Augen funkelten gefährlich, als er aufsprang und sie eindringlich ansah. Ein Kräftemessen war das Letzte, was sie beabsichtigt hatte. Sie bereute ihren Ausbruch sofort, denn Chicos Miene verfinsterte sich. In Zukunft täte sie gut daran, ihre Gefühle im Zaum zu halten.

„Dann erwarte ich dich morgen früh um Punkt sechs hier im Stall zur ersten Stunde“, erklärte er ohne eine Spur Wärme.

„Ja, natürlich.“

Wahrscheinlich traute Chico ihr nicht zu, die Ausbildung durchzuhalten. Er war berühmt dafür, dass bei ihm viele Schüler scheiterten, weil sie seinen hohen Ansprüchen nicht genügten. Und niemand bekam eine zweite Chance – mit Ausnahme von Danny, die es irgendwie geschafft hatte, sich beim letzten Mal das Herz von einem Polospieler brechen zu lassen und der man erlaubt hatte, nach Hause zurückzukehren und es dieses Jahr noch einmal zu versuchen.

„Ich will einfach nur für jedes Pferd mein Bestes geben“, beteuerte Lizzie.

„Genau das erwarte ich auch von meinen Schülern.“

Chico bewegte sich im selben Augenblick wie sie. Beinahe wären sie in der Mitte des Stalls zusammengeprallt. Er war ihr so nah, dass sie die Seife auf seiner Haut und Sonnenhitze in seinen Kleidern riechen konnte. Sie spürte die Wärme seines unglaublich muskulösen Körpers. Die obersten Knöpfe seines Hemds standen offen, sodass sie einen Blick auf gebräunte Haut erhaschen konnte …

„Ich will dich nicht länger von deinem Dinner abhalten.“

In seiner Stimme lag ein leicht spöttischer Unterton, so als wisse er ganz genau, welche Wirkung seine brutale Männlichkeit auch auf das widerwilligste Opfer hatte.

„Dann bis morgen früh um sechs“, erwiderte sie und bemühte sich, so neutral wie möglich zu klingen.

Hastig verließ sie den Stall und blieb erst stehen, als sie im Sattelraum war, wo sie die Salbentöpfe und Bandagen verstaute.

Auf dem Weg vom Hof bis zum Küchenhaus, wo die Kantine untergebracht war, fragte sie sich, wie sie mit derart gefährlichen, erotischen Fantasien im Kopf hier bleiben konnte? Sie hatte geglaubt, alles durchdacht zu haben und darauf vorbereitet zu sein, mit Chico umgehen zu müssen. Weit gefehlt. Ihn wiederzusehen hatte sie stärker verstört als gedacht. Sie hatte seinen heißen Blick auf sich gespürt, und der hatte ihr Blut zum Kochen gebracht, sodass sie nur noch an Sex denken konnte. Dabei stand es völlig außer Frage, mit ihm zu schlafen. Boss und Untergebene war schon schlimm genug, aber Lehrer und Schüler völlig tabu. Noch dazu verbot es sich durch ihre gemeinsame, belastete Vergangenheit.

Lizzie hatte ein ganz flaues Gefühl im Magen. Wenn sie den Abschluss nicht schaffte oder er sie rausschmiss, wer würde dann Rottingdean retten?

„Hey, warte! Du hast etwas vergessen …“

Lizzie drehte sich um. Als sie die verschwitzte Bluse, die sie im Stall ausgezogen hatte, von Chicos Finger baumeln sah, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.

„Regel Nummer eins“, sagte er und kam dabei auf sie zu. „Niemals etwas im Stall vergessen, was deinem Pferd schaden könnte.“

Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken. So was passierte ihr sonst nie. Sie hatte die Bluse nur kurz über die Wand zwischen den Stallboxen geworfen, weil sie sie beim Hinausgehen mitnehmen wollte.

Doch die Begegnung mit Chico hatte sie völlig kopflos gemacht. Mit zitternden Fingern nahm sie ihm das Kleidungsstück ab. Chico Fernandez war eine wahre Naturgewalt, während sie in ihrem hübschen weißen Top, den brandneuen Sneakers und der makellosen Jeans furchtbar spießig auf ihn wirken musste. Als sie das Outfit das erste Mal angezogen hatte, hatte es ihr gleich wahnsinnig gut gefallen, denn es handelte sich um ein Abschiedsgeschenk ihrer Großmutter. Es sollte ihr Glück bringen. Lizzie liebte die Kleider immer noch, aber sie sahen eher nach Gartenparty denn nach Gaucho-Farm aus. Während Chico sich umdrehte, um kurz ein paar Worte mit einem der anderen Polospieler zu wechseln, hatte sie wenigstens genug Zeit, tief Luft zu holen und sich zu fassen.

„Entschuldigung“, sagte Chico, als er sich schließlich wieder ihr zuwandte. „Ehe du zum Dinner gehst, habe ich noch ein, zwei Fragen an dich, Lizzie.“

Sie spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. „Oh?“

„Als Mitglied der Pferdepfleger könntest du mir sagen, ob eure Unterkünfte komfortabel genug sind?“

Was kümmerte ihn das? War das eine Art Fangfrage? Suchte er nach einem Vorwand, um sie loszuwerden? „Ja, das sind sie.“

Er warf einen Blick auf den zweckmäßigen, viereckigen Bau, in dem die Schüler untergebracht waren. Über was hätte sie sich schon beklagen können? Es gab fließendes Wasser – der Temperatur nach zu urteilen, kam es direkt vom Gletscher – und sie teilte sich ein Zimmer mit fünf weiteren Frauen. Kein Problem. Nur drei von ihnen schnarchten. Und dank des eiskalten Wassers hielt sich keine sehr lange mit dem Duschen auf.

„Dein Bett ist komfortabel?“

Sie runzelte die Stirn. „Ja.“

Lizzie hätte auch auf einem Nagelbett geschlafen, wenn sie dadurch die Möglichkeit erhalten hätte, auf der Fazenda Fernandez beim besten Lehrer der Welt und mit den besten Polopferden des Kontinents zu trainieren. Außerdem wollte sie wirklich nicht ihr Schlafarrangement mit Chico Fernandez diskutieren. Hatte er sich in den Kopf gesetzt, sie in den Wahnsinn zu treiben?

„Vielen Dank, Lizzie. Ich hatte daran gedacht, ein paar Verbesserungen vorzunehmen, aber jetzt weiß ich, dass das nicht nötig ist.“

Nicht nötig? Innerlich stöhnte sie. Wenn die anderen davon erfuhren, würden sie ihr den Hals umdrehen.

„Genieß dein Dinner, Lizzie.“

„Das werde ich.“

„Vielleicht sehen wir uns später …“

Nicht, wenn sie es vermeiden konnte. Sie würde sich an ihren ursprünglichen Plan halten – nicht auffallen, hart arbeiten, gute Leistungen erbringen und dann mit einem Diplom in der Tasche und intakter Würde nach Hause fliegen, damit sie dort ein ernstzunehmendes Business aufbauen konnte. Was war schon so schrecklich attraktiv an breiten Schultern und einer tiefen Stimme?

Er war ruhelos. Die Vergangenheit war nicht einfach nur zurückgekehrt, nein, sie hatte ihm ins Gesicht geschlagen, und er war nicht in der Stimmung für die lockere, gut gelaunte Atmosphäre, die jetzt im Küchenhaus herrschen würde. Er wollte niemanden sehen und mit niemandem reden, schon gar nicht mit Lizzie Fane. Deshalb tigerte Chico über den auf Hochglanz polierten Eichenholzboden im Erdgeschoss seines Hauses und versuchte, seine Gefühle zu analysieren. Von Lizzies verbindlicher Art ließ er sich nicht täuschen. Sie hatte ihm schon einmal den Rücken gekehrt. Wenn er ihr nicht länger nützlich war, würde sie es dann wieder tun?

Wahrscheinlich schon – zumindest wenn er ihr die Gelegenheit dazu gab, was er nicht tun würde.

Die Frage lautete, ob Lizzie Fane so stark war, dass er sich vor ihr hüten musste? Lächelnd malte er sich aus, wie er sie auf die Probe stellte, aber die damaligen Geschehnisse auf Rottingdean House standen zwischen ihnen. Wann immer er daran dachte, wurde ihm bewusst, dass Lizzie einer besudelten Blutlinie entstammte. Ihr Vater, Lord Reginald Fane, war genauso zügellos wie pervers. Noch dazu schlug er seine Frau, die eine Lügnerin und Betrügerin war. Lediglich Lizzies Großmutter, die Grand Duchess, war gänzlich anders. Aber wie viel Einfluss hatte die alte Dame auf Lizzie ausüben können? Der Art und Weise nach zu urteilen, wie sie all seine Briefe ignoriert hatte, herzlich wenig.

Als Eduardo starb und ihm all seinen Besitz hinterließ, war das ein riesiger Schock für Chico gewesen. Mit seinen letzten Worten hatte Eduardo ihn angefleht, seine Vergangenheit abzuschütteln und daraus zu lernen, aber wie sollte er das tun, jetzt, wo Lizzie Fane wieder in seinem Leben war? Sie vor zwölf Jahren zurücklassen zu müssen, hatte ihn innerlich zerrissen. Wie konnten sie ein fünfzehnjähriges Kind in der Obhut einer nymphomanen Mutter und eines gewalttätigen, ausschweifenden Vaters belassen? Das hatte er Eduardo gefragt.

„Es ist nicht deine Aufgabe, Lizzie zu retten“, hatte sein Mentor daraufhin mit fester Stimme entgegnet. „Du musst an deine Zukunft denken. Lord Fane ist zu mächtig und angesehen, als dass du dich mit ihm anlegen könntest.“

„Aber eines Tages werde ich es“, schwor Chico.

„Nein“, versetzte Eduardo kühl. „Du wirst all das vergessen und dich auf die Arbeit und deine zukünftige Laufbahn konzentrieren. Und was Lizzie Fane angeht, wirst du auch sie vergessen und dein Vertrauen, genau wie ich es getan habe, in Lizzies Großmutter legen.“

Vertrauen, dachte er mit all der Verzweiflung eines Teenagers. Was ist das?

Heute wusste er, dass Vertrauen mit das Wichtigste war, wenn man einen Menschen liebte. Eduardo hatte ihm wie einem Sohn vertraut.

„Also?“, fragte Danny, während sie mit Lizzie in der Dinner-Schlange stand. „Was ist passiert, als du mit Chico geredet hast?“

Lizzie blickte sich rasch um.

„Ich weiß nicht, warum du so ein Geheimnis daraus machst. Ich habe gesehen, wie du mit ihm über den Hof gegangen bist – so ziemlich jeder dürfte das gesehen haben …“

„Riecht das nicht köstlich?“, bemerkte Lizzie, die sich nicht ködern lassen wollte. Sie und Danny standen vor dem offenen Grill, an dem drei Köche alles Mögliche zubereiteten – von vegetarischen Köstlichkeiten bis hin zu mannsgroßen Steaks.

„So einfach lasse ich dich nicht das Thema wechseln, Lizzie Fane“, entgegnete Danny stur.

Um sie herum waren zahlreiche andere Pferdepfleger und etliche Polospieler, dennoch ließ Danny nicht locker. „Also schön, was willst du wissen?“, seufzte Lizzie.

„Du warst ganz schön lange allein mit Chico, daher habe ich mich gefragt, ob …“

„Er hat mir von der Unterrichtseinheit zum Bandagieren von Pferden erzählt, die wir morgen früh um sechs haben.“

Während Danny stöhnte, rief der zerzauste Polospieler hinter ihr: „Aufwachen und weitergehen! Hinter euch sind hungrige Leute, die was essen wollen.“

„Beruhige dich, Mann“, versetzte Danny und drehte sich dabei um. „Wir haben auch Hunger.“

„Dann beeilt euch und sucht euch euer Essen aus, ihr Küken …“

„Pass auf, was du sagst, du Idiot, oder es wird gleich dein Fleisch sein, das auf dem Grill landet“, schoss Danny zurück.

„Ich liebe es, wenn du dich so ladylike ausdrückst“, murmelte Lizzie, während der große, gut aussehende Polospieler ihre Freundin amüsiert anstarrte.

„Seid ihr alle so in Großbritannien?“, fragte er, den Blick auf Danny gerichtet.

„Darauf kannst du wetten“, erwiderte Danny, wechselte einen schnellen Blick mit Lizzie und grinste.

„Tiago“, flüsterte Lizzie. „Einer der Topspieler. Du musst ihn auf dem Cover der Polo Times gesehen haben. Einer der Bad Boys.“

„Hervorragend“, entgegnete Danny. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch sie verstummte abrupt, als sie Lizzies Gesichtsausdruck sah. Weitere Worte waren unnötig. Chico Fernandez hatte gerade das Küchenhaus betreten.

3. KAPITEL

Lizzie musste Chico nicht ansehen, um zu wissen, dass er da war. Sie konnte ihn in jeder Faser ihres Körpers spüren. Fest entschlossen, sich nicht von der Überdosis Testosteron ablenken zu lassen, die plötzlich in der Luft lag, gab sie in aller Ruhe ihre Bestellung beim Küchenchef auf. „Tomaten, Auberginen, Kartoffeln und …“

„Und das größte Steak, das du da hast“, ergänzte eine heisere männliche Stimme hinter ihr.

Chico hatte sich als Boss lässig vordrängeln dürfen. Der Küchenchef in der weißen Kochjacke reichte ihm einen Teller, auf dem sich alle nur erdenklichen Köstlichkeiten türmten. „Ich will nicht, dass meine neuen Rekruten vor Schwäche zusammenbrechen“, erklärte er. „Hier – nimm das.“ Er drückte Lizzie seinen eigenen Teller in die Hand. „Nun?“, sagte er ungeduldig. „Steh nicht einfach nur rum und starre darauf. Iss es, bevor es kalt wird.“

„Ich bin Vegetarierin.“

„Vegan?“

„Nein.“

„Dann gib ihr ein ordentliches Stück Käse“, befahl er dem Koch und nahm seinen Teller zurück.

Lizzie hielt dem wartenden Koch ihren Teller hin und sagte: „Käseomelette, bitte.“

Mochte ja sein, dass sie wie der pingeligste Essensfreak auf diesem Planeten klang, aber sie sah absolut nicht ein, sich von Chico vorschreiben zu lassen, was sie zu essen hatte. Trotzig hob sie das Kinn und ging mit ihrem Teller zu Danny hinüber, die einen Tisch am Fenster ergattert hatte.

„Musst du ihn so provozieren?“, fragte Danny, als sie ihr gegenüber Platz nahm.

„Warum nicht? Es macht Spaß. Außerdem musste ich mich ihm gegenüber behaupten. Er ist ein solcher Dinosaurier – da versucht er doch tatsächlich, mich dazu zu bringen, seinen Teller voller Fleisch zu essen.“ Sie warf einen kurzen Blick auf Chicos Tisch. Natürlich ging es um mehr als ihren Disput beim Essen. Die Begegnungen mit ihm brachten alles zurück – die Zeit, die sie gemeinsam verlebt hatten, die Scherze, die sie geteilt, die Gerüchte, die sie ausgetauscht und die wilden Ausritte in die magischen Täler Schottlands, die sie zusammen unternommen hatten. Doch dem gegenüber wog der Schmerz immer noch schwer, den er ihr zugefügt hatte, indem er sie damals ohne Vorwarnung verließ.

„Spaß?“, wiederholte Danny und durchbrach damit ihre Gedanken. „Wenn du so aussiehst, wenn du Spaß hast, dann will ich gar nicht wissen, wie du ausschaust, wenn du zornig bist.“

„Tut mir leid.“ Lizzie schüttelte den Kopf, so als könne sie auf diese Weise die Erinnerungen abschütteln. Dann versuchte sie, Danny abzulenken. „Wenn ich mich recht entsinne, warst du zu Tiago auch nicht gerade zuckersüß.“

„Das kannst du doch nicht vergleichen“, protestierte Danny und hielt mit der Gabel auf halbem Weg zum Mund inne. „Chico gehört der ganze Laden hier. Er kann uns aus einer Laune heraus jederzeit vor die Tür setzen, während Tiago nur ein Gast ist. Das weißt du genauso gut wie ich, Lizzie, und du solltest dich wirklich nicht mit Chico anlegen. Benimm dich einfach“, riet Danny, während Lizzie betont gleichgültig in ihrem Käseomelette herumstocherte.

„Also gut, ich verspreche es“, gab sie schließlich nach.

„Für wie lange?“ Stöhnend folgte Danny Lizzies Blick.

„Ein hassenswerter Mann“, murmelte Lizzie, als Chico das Glas hob und ihr spöttisch zuprostete.

„Oh ja, ich sehe, wie sehr du ihn hasst“, bemerkte Danny voller Ironie, während sich Lizzies Wangen scharlachrot färbten.

Bandagieren. Etwas, von dem Lizzie immer geglaubt hatte, dass sie es sehr gut beherrschte, wenn auch nicht unbedingt um sechs Uhr morgens. Alle Schüler hatten sich um Chico herum versammelt, um ihm dabei zuzusehen, wie er arbeitete, während Lizzie wie gebannt war von seinen langen, schmalen Fingern und wie behutsam er das Pferd berührte.

„Lizzie?“ Chico blickte auf. „Würdest du den anderen bitte meine Technik demonstrieren?“

Es wäre kein Problem gewesen, wenn sie sich hätte konzentrieren können und wenn ihre Wangen nicht so glühen würden, weil Chico ihr so nah war.

Mit zitternden Fingern griff sie nach den Bandagen. Gott sei Dank gelang es ihr trotzdem sehr gut. „Morgen früh zur selben Zeit am selben Ort“, sagte Chico, als sie fertig war.

Lizzie richtete sich auf und wandte sich ab, um mit den anderen Pferdepflegern den Stall zu verlassen, doch Chico hielt sie am Arm fest. Entspann dich, ermahnte sie sich streng, während Hitze durch ihren Körper schoss.

„Ich weiß, was du denkst“, begann er.

Sie konnte nur hoffen, dass dem nicht so war, denn ihre Gedanken waren viel zu erotisch.

„Du glaubst, dass ich völlig grundlos viel zu hart mit dir bin, aber entweder du willst hier Erfolg haben oder nicht.“

„Ich will die Beste sein“, erklärte sie rundheraus.

„Gut.“ Chico hielt ihren Blick gefangen, weshalb sie das unangenehme Gefühl beschlich, dass er ihre Gedanken lesen konnte. „Ich kenne dich noch von früher, Lizzie, und wenn du auf dem Talent aufbaust, das du damals gezeigt hast, dann könntest du tatsächlich die Beste werden.“

„Vielen Dank.“

Nachdenklich verließ sie den Stall, wobei sie halb darauf hoffte, dass er sie zurückrief. Es wäre schön, wenn sie wieder so miteinander reden könnten wie früher, aber auch das war nur ein Tagtraum. Chico fiel es nicht schwer, Privates und Berufliches zu trennen. Wenn ihr das doch nur auch so leicht gelänge!

Chico lehnte sich gegen die Stallwand und dachte an Lizzie. Er fragte sich, warum das Schicksal es so eingerichtet hatte, dass sie sich wiedersahen. Was empfand sie ihm gegenüber? Schuld? Reue? Es war nicht leicht, sie einzuschätzen. An was erinnerte sie sich, wenn sie an früher dachte? Warum hatte sie nicht auf seine Briefe geantwortet?

Kein Kind würde eher einem Fremden als den eigenen Eltern glauben, aber mittlerweile war Lizzie erwachsen. Sie müsste doch längst herausgefunden haben, zu welcher Sorte Mensch ihre Eltern gehörten?

Ja, das Leben sollte einfach sein und das Schicksal sich aus Dingen heraushalten, die es nichts angingen. Doch egal was geschehen würde, während Lizzie auf seiner Farm war, die nächsten Monate sollten sehr lehrreich werden – für sie beide.

Chico Fernandez! Lizzie kochte innerlich, während sie auf dem Weg zum Küchenhaus den Hof überquerte. Wie sollte sie den Mann jemals aus ihrem Kopf herausbekommen? Sie konnte an nichts anderes denken. Keine Minute hatte sie in der vergangenen Nacht geschlafen, weil ihr Kopf voll von ihm war – voll von Sex. Was hatte das zu bedeuten? Würde sie so lange nicht vernünftig funktionieren, bis sie Sex mit Chico Fernandez gehabt hatte? War sie wirklich nicht stärker?

Und wenn sie tatsächlich Sex mit ihm hätte, was dann?

Es würde ihr das Herz brechen. Sie würde noch schlaflosere Nächte verbringen und vermutlich von der Fazenda geschmissen werden.

Großartig. Ob Chico sich nachts auch so hin und her wälzte? Das konnte sie sich nicht vorstellen.

„Da ist ein Brief für dich, Lizzie“, sagte Danny, sobald sie auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz genommen hatte.

Es war ein Brief von Zuhause. Chico war vergessen, als Lizzie mit klopfendem Herzen den Umschlag öffnete. Sie hasste es, dass sie ihre Großmutter mit all den Gläubigern hatte allein lassen müssen, und fürchtete sich vor dem Inhalt des Briefs.

„Also?“, hakte Danny nach.

„Also …?“, wiederholte Lizzie zerstreut, während sie den Brief rasch überflog.

„Also warst du schon wieder eine ganze Weile mit dem großen Meister allein. Insofern habe ich mich gefragt, ob …“

„Hör auf, dich irgendwas zu fragen. Es ist nichts passiert.“ Lizzie schaute kurz auf, dann vertiefte sie sich wieder in den Brief. Diesmal las sie ihn langsamer.

„Keine schlechten Nachrichten, hoffe ich?“, fragte Danny behutsam.

Lizzie schüttelte den Kopf. „Ich hole uns beiden einen Kaffee, okay?“

Danny schaute Lizzie besorgt hinterher, als diese aufstand und aus dem Küchenhaus ging. Sie brauchte einen Moment zum Nachdenken. Ihre Großmutter war schleichend schwächer geworden. Der Arzt hielt es für angeraten, dass sie ein wenig Zeit im Krankenhaus verbrachte. Was auch immer geschehen würde, schrieb ihre Großmutter in ihrer zittrigen Schrift, nichts durfte Lizzies Ausbildung gefährden. Sie solle ausschließlich an das Familienunternehmen denken. Es gibt sonst niemanden mehr, Lizzie. Du bist als Einzige übrig geblieben.

„Kannst du bitte aus der Tür gehen? Du hältst hungrige Männer auf.“

Erschrocken blickte sie auf und schaute direkt in Chicos kühle Augen.

„Tut mir leid …“ Sie gab den Weg frei und kehrte verwirrt an ihren Tisch zurück.

„Wo ist der Kaffee? Ach, nicht so schlimm“, sagte Danny, als sie Lizzies Gesicht sah. „Ich hole uns welchen.“

Lizzie sank auf den Stuhl und kam sich in diesem Augenblick sehr verletzlich vor. Wie sollte sie sich auf ihre Aufgaben konzentrieren, wenn ihre Großmutter so krank war?

„Was ist los?“, fragte Danny, sobald sie an den Tisch zurückkam. „Hat Chico etwas gesagt, das dich aufgeregt hat?“

Lizzie schüttelte den Kopf.

„Dann ist es der Brief von Zuhause, der dich so aufwühlt“, vermutete Danny.

„Ja – es tut mir leid, Danny …“

„Aber dein Frühstück …“

„Ich brauche nur eine Minute …“

Chico trat einen Schritt zurück, als Lizzie aus dem Küchenhaus stürmte. Sie rannte blindlings über den Hof und blieb erst stehen, als sie Flames Box erreicht hatte. Dort hockte sie sich in eine Ecke und vergrub den Kopf im Schoß, um nachzudenken. Sie sollte nach Hause zurückkehren. Dort wurde sie am meisten gebraucht. Aber sie musste bleiben, um das Diplom zu erwerben, das sie in ihr Büro hängen wollte und das dabei helfen sollte, das Familienunternehmen wieder aufzubauen. Ohne diesen Wisch war sie niemandem nützlich. Was sollte sie nur tun?

„Lizzie?“

„Chico!“ Sie sprang auf und presste sich an die Wand, während er die Box entriegelte und eintrat.

„Wenn dieser Kurs zu viel für dich ist …“

„Nein, das ist er nicht“, widersprach sie schnell.

„Was ist dann los?“ Er blickte auf den Brief in ihrer Hand. „Ich hoffe, keine schlechten Nachrichten von Zuhause? Deine Großmutter?“, fragte er besorgt.

Nicht zum ersten Mal entwaffnete er sie mit seiner menschlichen Seite. Es war einfacher, mit dem harten, unnachgiebigen Mann umzugehen als mit diesem hier. Die Tatsache, dass Chico sich immer noch um ihre Großmutter sorgte, trieb ihr die Tränen in die Augen.

Nein, sie durfte keine Schwäche zeigen, musste stark sein. Sie schuldete es ihrer Großmutter, dass Chico Fernandez nicht mal ansatzweise daran zweifelte, ob sie den Kurs beenden würde.

„Wenn du nach Hause musst …“

„Muss ich nicht“, erklärte sie fest. Nachdem sie die Entscheidung getroffen hatte, stopfte sie den Brief in ihre Hosentasche. „Ich habe vielleicht nicht den besten Start hingelegt, aber ich kann und werde mich verbessern …“

„Lizzie.“ Ein schwaches Lächeln spielte um seine Lippen. „Du machst das alles richtig gut, aber wir haben eine lange Warteliste, falls du aussteigen willst?“

„Ich will nicht aussteigen. Und mir ist durchaus bewusst, wie viele Kandidaten nur zu gern meinen Platz einnehmen würden.“

Chico hob eine Hand, um sie zu beruhigen. „Dann würde ich vorschlagen, dass du dich entspannst und das Beste aus deiner Zeit hier machst.“

Wie nah sie einander einmal gestanden hatten, dachte sie wehmütig, und wie weit sie nun voneinander entfernt waren. Wie gern hätte sie ihre Sorge um ihre Großmutter mit ihm geteilt, aber es gab eine Kluft zwischen ihnen, die sie nicht überwinden konnte. Wahrscheinlich würde die Vergangenheit immer zwischen ihnen stehen.

Chico folgte Lizzie aus dem Stall. Die Sorge um ihre Großmutter erkannte er schon allein daran, wie verkrampft ihre Haltung war. Wahrscheinlich gelang es ihr geradeso, die Tränen zurückzuhalten. Nun, wenn sie ihn nicht an sich heranlassen wollte, dann konnte er ihr nicht helfen. Vermutlich waren zwischen ihnen zu viele Scherben zerbrochen worden, als dass sie einander je wieder wirklich vertrauen könnten. Der Gedanke gefiel ihm ganz und gar nicht. Er mochte es nicht, wenn er ausgeschlossen wurde.

Kein Wunder also, dass er seine Schüler an diesem Morgen erbarmungslos forderte. Er trieb sie bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, verlangte, dass sie die widerspenstigsten Pferde ohne Sattel ritten und erklärte ihnen dabei, dass sie den Kurs nur auf zwei Arten verlassen würden: entweder auf einer Krankentrage oder in einem Flieger nach Hause. Lizzie schwächelte nicht, aber sie warf ihm mehrere wütende Blicke zu. Sie wusste ganz genau, dass er sie bestrafte, aber sie wusste nicht, warum.

„Das war’s“, sagte er am Ende der Übungseinheit und begleitete seine Worte mit einer abschließenden Geste. „Ich werde die Ergebnisse meines Tests an der Tür zur Sattelkammer aushängen. Ihr kennt das Spiel.“